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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 26.01.1999
Aktenzeichen: VIII R 32/96
Rechtsgebiete: EStG, GmbHG, BewG


Vorschriften:

EStG § 17
EStG § 4 Abs. 1
EStG § 5 Abs. 1
EStG § 17 Abs. 2
EStG § 10d Abs. 1 u. 2
EStG § 4
EStG § 17 Abs. 4
GmbHG § 60 Abs. 1 Nr. 4
BewG § 12 Abs. 3
BewG § 1
BewG § 13 Abs. 1 Satz 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe

I. Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) --Ehegatten-- wurden für die Streitjahre 1989 bis 1991 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Mit ihren Einkommensteuererklärungen hatten sie Verlustabzüge in Höhe von 35 314,54 DM (1989), 10 406 DM (1990) und 9 656 DM (1991) unter Berücksichtigung von Zinsanteilen geltend gemacht, die in den jährlichen Ratenzahlungen auf eine Bürgschaftsschuld enthalten gewesen sein sollen. Dem lag folgender Sachverhalt zugrunde:

Der Kläger war zu einem Drittel (34 000 DM) am Stammkapital einer GmbH beteiligt, die 1986 in Konkurs gegangen und im Handelsregister gelöscht worden war. Vor Eröffnung des Konkursverfahrens hatte er gegenüber der Bank eine Bürgschaft für Verbindlichkeiten der GmbH in Höhe von 825 000 DM übernommen; die noch offene restliche Stammeinlage in Höhe von 2 500 DM zahlte er 1987 an den Konkursverwalter.

1988 schloß der Kläger mit der Bank einen Vergleich, in dem er sich zur Abgeltung seiner Bürgschaftsschuld verpflichtete, an die Bank noch 300 000 DM zu zahlen. Der Betrag war in monatlichen Raten von 1 000 DM (ab Juni 1988) und 2 000 DM (ab Januar 1989) zu zahlen. Eine Verzinsung hatten die Vertragsparteien ausgeschlossen.

Neben den Ratenzahlungen leistete der Kläger vereinbarungsgemäß aufgrund seiner veränderten Einkommensverhältnisse weitere 7 954,56 DM (1988) und 16 506 DM (1995) an die Bank. Außerdem hatte er die Vergleichskosten in Höhe von 22 008,25 DM zu tragen.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) setzte die Einkommensteuer der Kläger für die Jahre 1984, 1985 und 1988 unter Berücksichtigung eines unstreitigen Verlustrücktrags bzw. Verlustvortrags aus dem für 1986 gemäß § 17 EStG ermittelten Auflösungsverlust jeweils mit 0 DM fest. Dabei ging es davon aus, daß nachträgliche Anschaffungskosten für die Beteiligung nur in Höhe des nach Tabelle 1 Anhang II a der Vermögensteuer-Richtlinien 1986 abgezinsten Bürgschaftsschuld (215 060 DM) entstanden seien. Auf dieser Grundlage ermittelte es einen für 1989 verbleibenden Verlustabzug in Höhe von 24 124 DM. Einen weiteren Verlustabzug ließ es nicht zu. Den in den Ratenzahlungen enthaltenen Zinsanteil berücksichtigte es weder bei der Ermittlung des 1986 entstandenen Auflösungsverlustes noch in den Streitjahren bei den Einkünften des Klägers aus Kapitalvermögen. Der Einspruch blieb erfolglos.

Das Finanzgericht (FG) erhöhte den für 1989 verbleibenden Verlustabzug um die 1987 gezahlte restliche Stammeinlage und setzte die Einkommensteuer 1989 der Kläger entsprechend herab; im übrigen wies es die Klage ab (Entscheidungen der Finanzgerichte 1996, 1034).

Mit der Revision rügen die Kläger Verletzung materiellen Rechts (§§ 4 Abs. 1, 5 Abs. 1, 17 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes --EStG--).

Die Kläger beantragen, das Urteil des FG aufzuheben und unter Änderung der Einkommensteuerbescheide vom 13. Juli 1992 und vom 22. Juni 1992, jeweils in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 12. Januar 1993, die Einkommensteuer 1989 auf 0 DM und 1990 auf 16 382 DM festzusetzen.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

II. Die Revision ist nicht begründet. Sie war deshalb zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

Das FG hat den für die Streitjahre verbleibenden Verlustabzug zutreffend ermittelt.

1. Verluste, die im Entstehungsjahr bei der Ermittlung des Gesamtbetrags der Einkünfte nicht ausgeglichen werden können, sind bis zu einem Betrag von insgesamt 10 Mio. DM in den folgenden Veranlagungszeiträumen wie Sonderausgaben vom Gesamtbetrag der Einkünfte abzuziehen, soweit sie nicht in den zwei dem Verlustentstehungszeitraum vorangegangenen Veranlagungszeiträumen abgezogen werden konnten (§ 10d Abs. 1 und 2 EStG in der für 1986 geltenden Fassung). Zu den rücktrags- bzw. vortragsfähigen Verlusten zählt auch ein Verlust, den ein wesentlich beteiligter Gesellschafter anläßlich der Auflösung der Kapitalgesellschaft erleidet (§ 17 Abs. 2 und 4 EStG, vgl. u.a. BFH-Urteile vom 7. Juli 1992 VIII R 24/90, BFHE 168, 551, BStBl II 1993, 333, und vom 29. Juni 1995 VIII R 68/93, BFHE 178, 160, BStBl II 1995, 722).

2. Einen solchen Verlust hat der Kläger im Veranlagungszeitraum 1986 in Höhe von 296 358,81 DM erlitten.

a) Nach § 17 Abs. 1 und Abs. 4 EStG gehört zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb auch der Gewinn aus der Auflösung von Kapitalgesellschaften, wenn der Gesellschafter innerhalb der letzten fünf Jahre am Kapital der Gesellschaft wesentlich beteiligt war und er die Beteiligung in seinem Privatvermögen hielt. Entsprechendes gilt für die aus der Auflösung einer Kapitalgesellschaft entstehenden Verluste (vgl. z.B. Urteile des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 27. Oktober 1992 VIII R 87/89, BFHE 170, 53, BStBl II 1993, 340; vom 3. Juni 1993 VIII R 81/91, BFHE 172, 407, BStBl II 1994, 162).

Diese Voraussetzungen sind im Streitfall mit der Auflösung der GmbH durch die Eröffnung des Konkursverfahrens (§ 60 Abs. 1 Nr. 4 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung) am 14. November 1986 erfüllt. Der Kläger war in diesem Zeitpunkt mit einem Drittel am Stammkapital der GmbH beteiligt.

b) Die Entstehung eines 1986 nach § 17 Abs. 4 EStG zu berücksichtigenden Auflösungsverlustes setzt weiter voraus, daß mit Zuteilungen und Rückzahlungen aus dem Gesellschaftsvermögen nicht mehr zu rechnen ist und feststeht, ob und in welcher Höhe noch nachträgliche Anschaffungskosten oder sonstige im Rahmen des § 17 Abs. 2 EStG zu berücksichtigende wesentliche Aufwendungen anfallen werden (vgl. u.a. BFH-Urteil vom 24. April 1997 VIII R 16/94, BFHE 183, 402, Deutsches Steuerrecht --DStR-- 1997, 1805, unter II. 2. der Gründe, m.w.N.). Auch diese Voraussetzungen sind im Streitfall erfüllt. Die die Höhe des Verlustes bestimmenden Umstände standen bereits im Zeitpunkt der Auflösung der GmbH durch die Eröffnung des Konkursverfahrens fest bzw. waren auf diesen Zeitpunkt zurückzubeziehen. Der Rückgriffsanspruch aus der Bürgschaft gegenüber der Gesellschaft erwies sich als wertlos. Es kommt deshalb für die Entscheidung im Streitfall ausschließlich darauf an, ob und ggf. in welcher Höhe der Ausfall dieses Anspruchs zu nachträglichen Anschaffungskosten der Beteiligung führte.

c) Als nachträgliche Anschaffungskosten der Beteiligung kommen insbesondere auch Leistungen eines GmbH-Gesellschafters aus einer für Verbindlichkeiten der Kapitalgesellschaft eingegangenen Bürgschaftsverpflichtung in Betracht, wenn die Übernahme der Bürgschaft durch das Gesellschaftsverhältnis veranlaßt und die Rückgriffsforderung gegen die Gesellschaft wertlos ist (ständige Rechtsprechung, vgl. BFH-Urteile vom 2. Oktober 1984 VIII R 36/83, BFHE 143, 228, BStBl II 1985, 320; in BFHE 170, 53, BStBl II 1993, 340, m.w.N.). Das gilt auch für Aufwendungen des Gesellschafters, die erst nach Abschluß der Liquidation angefallen sind (BFH-Urteil vom 8. Dezember 1992 VIII R 99/90, BFH/NV 1993, 654; Schmidt, Einkommensteuergesetz, 17. Aufl., § 17 Rz. 182, m.w.N.).

Der Gewinn oder Verlust aus der Veräußerung einer wesentlichen Beteiligung ist gemäß § 17 Abs. 2 EStG aufgrund einer Stichtagsbewertung aller in dieser Vorschrift genannten Faktoren auf den Zeitpunkt der Veräußerung zu ermitteln. Dementsprechend sind in diese Bewertung auch alle Verbindlichkeiten einzubeziehen, soweit sie nicht ausnahmsweise --z.B. wegen Zahlungsunfähigkeit des Gesellschafters-- für diesen keine gegenwärtige Belastung darstellen. Das gilt auch für die Ermittlung eines Auflösungsverlustes nach § 17 Abs. 2 und Abs. 4 EStG und die Verpflichtung des Gesellschafters aus einer Bürgschaft, wenn der Gläubiger seinen Anspruch aus der Bürgschaft geltend gemacht hat oder wenn mit einer Inanspruchnahme des Bürgen ernstlich zu rechnen ist (BFH-Urteile in BFHE 172, 407, BStBl II 1994, 162; vom 8. April 1998 VIII R 21/94, BFHE 186, 194, BStBl II 1998, 600, unter II. 2. d der Gründe).

d) Die Anschaffungskosten eines Gesellschafters für die Beteiligung erhöhen sich grundsätzlich um den Nennwert seiner wertlos gewordenen Rückgriffsforderung gegen die Gesellschaft aus der Bürgschaft, wenn die Gesellschaft im Zeitpunkt der Bürgschaftsübernahme bereits in der Krise war (vgl. u.a. BFH-Urteile in BFHE 172, 407, BStBl II 1994, 162; in BFHE 170, 53, BStBl II 1993, 340; Beschluß vom 17. Dezember 1996 VIII B 71/96, BFHE 182, 164, BStBl II 1997, 290, unter 2. a aa der Gründe) oder die Bürgschaft für den Fall einer Verschlechterung der Vermögensverhältnisse der Gesellschaft übernommen wurde und damit krisenbestimmt war (BFH-Urteile in BFHE 183, 402, DStR 1997, 1805, unter II. 3. c der Gründe; vom 24. April 1997 VIII R 23/93, BFHE 183, 397, DStR 1997, 1807, unter II. 2. a der Gründe). Der Senat geht mit den Beteiligten davon aus, daß diese Voraussetzung im Streitfall erfüllt ist und daß die Feststellungen des FG in diesem Sinne zu verstehen sind.

Diese Grundsätze wurden entgegen der Ansicht der Kläger durch den Beschluß des Großen Senats zum Forderungsverzicht als Einlage eines Gesellschafters (Beschluß vom 9. Juni 1997 GrS 1/94, BFHE 183, 187, BStBl II 1998, 307) nicht berührt. Der Senat verweist insoweit auf sein Urteil vom 10. November 1998 VIII R 6/96 (BFHE ..., ...).

e) Nach diesen Grundsätzen betragen die Anschaffungskosten der Beteiligung 296 358,81 DM. Sie setzen sich aus folgenden Teilbeträgen zusammen:

aa) Der verlorenen Stammeinlage in Höhe von 34 000 DM. Die 1987 an den Konkursverwalter geleistete Restzahlung in Höhe von 2 500 DM ist gemäß § 17 Abs. 2 EStG bereits 1986 zu berücksichtigen (vgl. dazu BFH-Urteil vom 21. Dezember 1993 VIII R 69/88, BFHE 174, 324, BStBl II 1994, 648).

bb) Den aufgrund des Vergleichs vom 22. Juni 1988 außerhalb der Ratenzahlungen an die Bank geleisteten Sonderzahlungen von 7 954,56 DM (1988) und 16 506 DM (1995) sowie den Vergleichskosten in Höhe von 22 008,25 DM. Auch diese Aufwendungen erhöhen die Anschaffungskosten der Beteiligung rückwirkend zum Zeitpunkt der Auflösung der GmbH und damit den Auflösungsverlust.

cc) Der abgezinsten Bürgschaftsschuld in Höhe von 300 000 DM. Auf diesen Betrag ist die Verpflichtung aus der Bürgschaft im Vergleich vom 22. Juni 1988 herabgesetzt worden; von ihm ist deshalb auszugehen.

Die Schuld war abzuzinsen. Kaufpreisraten sind auch dann in einen Tilgungs- und einen Zinsanteil aufzuteilen, wenn die Vertragsparteien eine Verzinsung ausdrücklich ausgeschlossen haben (BFH-Urteile vom 25. Juni 1974 VIII R 163/71, BFHE 114, 463, BStBl II 1975, 431, und vom 21. Oktober 1980 VIII R 190/78, BFHE 132, 38, BStBl II 1981, 160). Anschaffungskosten entstehen nur in Höhe des Tilgungsanteils (vgl. u.a. BFH-Urteil vom 24. April 1991 XI R 5/83, BFHE 164, 352, BStBl II 1991, 793, m.w.N.; Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 13. Januar 1993 IV B 3 -S 2190- 37/92, BStBl I 1993, 80, Tz. 11, 20). Betagte Verbindlichkeiten des Privatvermögens sind auch für die Zwecke der Einkommensbesteuerung nach § 12 Abs. 3 des Bewertungsgesetzes (BewG) zu bewerten (§ 1 BewG). Dies gilt auch für die Bewertung der nachträglichen Anschaffungskosten im Rahmen des § 17 Abs. 2 EStG (BFH-Beschluß vom 27. November 1995 VIII B 16/95, BFH/NV 1996, 406).

Der Barwert der Bürgschaftsschuld beträgt nach diesen Grundsätzen und unter Berücksichtigung der Tabellen zur Ermittlung des Kapitalwerts wiederkehrender Leistungen 215 890 DM (§§ 12 Abs. 3, 13 Abs. 1 Satz 1 BewG i.V.m. der Anlage 9 a zum BewG und dazu Tz. 1.2.1 und Tz. 3.1.2 mit Tabelle 2 zu § 12 BewG im gleichlautenden Ländererlaß vom 15. September 1997, BStBl I 1997, 832 sowie die entsprechenden vorausgegangenen Regelungen in den Vermögensteuer-Richtlinien; Rössler/Troll, Bewertungsgesetz, 18. Aufl., § 12 Rz. 8, § 13 Rz. 22 ff.). Das ist zwischen den Beteiligten unstreitig.

3. Die in den Ratenzahlungen enthaltenen Zinsanteile können nicht als Werbungskosten bei den Einkünften des Klägers aus Kapitalvermögen abgezogen werden. Sie entfallen nicht auf die Zeit vor der Auflösung der GmbH (zu dieser Voraussetzung vgl. z.B. BFH-Urteile vom 31. Juli 1991 VIII R 67/88, BFH/NV 1992, 33, und in BFH/NV 1996, 406, unter 2. c der Gründe, m.w.N.; vom 28. Mai 1997 VIII R 25/96, BFHE 183, 407, BStBl II 1997, 724, unter II. A. 3. der Gründe, m.w.N.). Anders als die Tilgungsanteile im Rahmen des § 17 Abs. 2 EStG können die Zinsanteile einkommensteuerrechtlich nicht mit Rückwirkung für das Jahr der Auflösung der GmbH berücksichtigt werden.

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