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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 22.02.2005
Aktenzeichen: VIII R 41/03
Rechtsgebiete: EStG, BGB
Vorschriften:
EStG § 10d | |
EStG § 17 | |
EStG § 17 Abs. 1 Satz 4 | |
EStG § 17 Abs. 2 | |
EStG § 17 Abs. 2 Satz 1 | |
EStG § 17 Abs. 2 Satz 4 | |
EStG § 17 Abs. 2 Satz 4 Buchst. a | |
EStG § 17 Abs. 2 Satz 4 Buchst. b | |
EStG § 17 Abs. 4 | |
EStG § 52 | |
EStG § 52 Abs. 34a | |
EStG § 52 Abs. 34a Satz 1 | |
EStG § 52 Abs. 34a Satz 1 1. Halbsatz | |
BGB § 774 |
Gründe:
I. Im April 1994 gründete die I-GmbH die G-GmbH mit einem Stammkapital in Höhe von 100 000 DM. Im Juni 1994 erwarb der Kläger und Revisionskläger (Kläger) einen Teilgeschäftsanteil an der G-GmbH von 20 000 DM. Der Entwurf des Jahresabschlusses der G-GmbH zum 31. März 1995 wies einen nicht durch Eigenkapital gedeckten Fehlbetrag von 912 706,67 DM aus. Am 16. Oktober 1995 erwarb der Kläger von der I-GmbH einen weiteren Anteil an der G-GmbH über 29 000 DM zu einem Kaufpreis von 30 000 DM. Der Kläger war im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses Geschäftsführer beider Gesellschaften. In seiner Funktion als alleinvertretungsberechtigter Geschäftsführer der G-GmbH beantragte er am 23. August 1996 die Eröffnung des Konkursverfahrens wegen Zahlungsunfähigkeit. Diesen Antrag und den Antrag einer Gläubigerin der G-GmbH wies das zuständige Amtsgericht mit Beschluss vom 29. Januar 1997 mangels Masse ab. Die I-GmbH wurde am ... August 1998, die G-GmbH am ... 2002 im Handelsregister gelöscht.
Die V-Bank hatte der G-GmbH seit 1994 diverse Kredite eingeräumt. Der Kläger hatte für das Kontokorrentkonto ab dem 25. Juli 1994 eine Höchstbetragsbürgschaft über 500 000 DM und für die Zeit ab Juli 1995 Höchstbetragsbürgschaften über 500 000 DM und 300 000 DM übernommen. Am 25. Mai 1996 gewährte die V-Bank der G-GmbH einen Avalkredit über 525 000 DM, für den keine Sicherheiten bestellt wurden, die nicht bereits für andere Kredite bestellt waren.
Die V-Bank nahm den Kläger aus den übernommenen Bürgschaften in Anspruch. Bis August 1998 zahlte der Kläger darauf 566 526,29 DM. Im August 1998 hatte der Kläger gegenüber der V-Bank eine private Verbindlichkeit von 44 541,67 DM, die nach Angaben des Klägers aus der Refinanzierung seiner Anteilskäufe stammt.
In ihrer Einkommensteuererklärung für das Jahr 1996 beantragten der Kläger und seine inzwischen verstorbene Ehefrau, deren Rechtsnachfolger er ist, aus der Auflösung der G-GmbH einen Verlust von 830 000 DM (30 000 DM Kaufpreis für den 1995 erworbenen Geschäftsanteil sowie 800 000 DM nachträgliche Anschaffungskosten wegen der Inanspruchnahme aus den Höchstbetragsbürgschaften) gemäß § 17 des Einkommensteuergesetzes (EStG) zu berücksichtigen und einen Verlustrücktrag in das Jahr 1995 vorzunehmen.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) berücksichtigte den Verlust nicht und setzte die Einkommensteuer für 1995 auf 27 322 DM und für 1996 und 1997 auf 0 DM fest. Den Einspruch gegen den Einkommensteuerbescheid für 1995 wies er mit der Begründung zurück, dass weder die Zahlungen nachgewiesen noch Unterlagen vorgelegt worden seien, aus denen sich ergebe, dass die Bürgschaften kapitalersetzenden Charakter gehabt hätten.
Zur Begründung der Klage machte der Kläger geltend, er habe seine Bürgschaft über 500 000 DM in der Krise stehen lassen und im Juli 1995 eine weitere Bürgschaft über 300 000 DM übernommen. Die Fortführungsprognose sei zu diesem Zeitpunkt positiv gewesen.
Nachdem der Kläger in der mündlichen Verhandlung die Zahlung des Kaufpreises für den am 16. Oktober 1995 erworbenen Geschäftsanteil nachgewiesen hatte, erklärte sich das FA bereit, den Einkommensteuerbescheid für 1995 unter Berücksichtigung eines im Jahr 1997 entstandenen Auflösungsverlustes von 30 000 DM zu ändern. Die Beteiligten erklärten den Rechtsstreit insoweit in der Hauptsache für erledigt.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage, soweit die Beteiligten nicht den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt hatten, ab. Es führte aus, dass nach § 17 Abs. 2 Satz 4 Buchst. b Satz 1 EStG in der für das Jahr 1997 maßgeblichen Fassung des Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002 (StEntlG 1999/2000/2002) vom 24. März 1999 (BGBl I 1999, 402, BStBl I 1999, 304) ein Veräußerungsverlust nicht zu berücksichtigen sei, soweit er auf Anteile entfalle, die entgeltlich erworben worden seien und nicht innerhalb der gesamten letzten fünf Jahre zu einer wesentlichen Beteiligung gehört hätten. Nach Satz 2 gelte dies nicht für innerhalb der letzten fünf Jahre erworbene Anteile, deren Erwerb zu einer wesentlichen Beteiligung geführt habe. Es entschied, im Streitfall lasse sich nicht feststellen, dass dem Kläger für den im Oktober 1995 hinzuerworbenen Anteil Anschaffungskosten von mehr als 30 000 DM entstanden seien.
Entscheidend für die Zuordnung von Bürgschaftsaufwendungen müsse der Zeitpunkt sein, in dem die Bürgschaft ihren eigenkapitalersetzenden Charakter erlangt habe. Unterstelle man gemäß dem Vortrag des Klägers in der mündlichen Verhandlung, dass die Krise der GmbH bereits kurze Zeit nach ihrer Gründung eingetreten sei, habe es sich um krisenbestimmte bzw. in der Krise gewährte Bürgschaften gehandelt. In diesem Fall wären die Bürgschaften nur dem im Juni 1994 erworbenen Geschäftsanteil zuzuordnen. Insoweit scheide eine Berücksichtigung eines Auflösungsverlustes gemäß § 17 Abs. 2 Satz 4 Buchst. b Satz 1 EStG aus.
Die Aufwendungen des Klägers aus der Bürgschaftsinanspruchnahme könnten nur dann in Ansatz gebracht werden, wenn die Bürgschaften frühestens am 16. Oktober 1995, dem Tag nach dem zweiten Anteilserwerb, eigenkapitalersetzend geworden wären, es sich also um in der Krise stehen gelassene Bürgschaften gehandelt habe. Für die Höhe der Anschaffungskosten wäre dann der gemeine Wert (Teilwert) zum Zeitpunkt des Eintritts der Krise entscheidend. Aus den vorliegenden Unterlagen lasse sich nicht entnehmen, wann die "Krise" der GmbH eingetreten sei. Dass die V-Bank der G-GmbH noch im Mai 1996 einen Kredit über mehr als 1 Mio. DM sowie einen Avalkredit über 525 000 DM ohne zusätzliche Sicherheiten bestellt habe, spreche dafür, dass die GmbH zu jenem Zeitpunkt noch kreditwürdig erschienen sei. Das deute darauf hin, dass die Krise erst kurz vor der Auflösung eingetreten sei. Der gemeine Wert des Rückgriffsanspruchs des Klägers gegen die G-GmbH sei daher mit 0 DM zu schätzen. Das Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2003, 998 veröffentlicht.
Der Kläger rügt mit seiner Revision eine Verletzung materiellen Rechts.
Er beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und den zwischenzeitlich erlassenen Einkommensteuerbescheid für 1995 vom 16. Juni 2003 dahin gehend zu ändern, dass die Einkommensteuer und der Solidaritätszuschlag 1995 unter Berücksichtigung eines Verlustrücktrags aus dem Jahre 1997 auf 0 DM herabgesetzt werden.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
II. Die Revision des Klägers ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FG konnte bei seiner Entscheidung, ob dem Kläger aus der Auflösung der G-GmbH im Jahre 1997 gemäß § 17 Abs. 2 und 4 EStG ein höherer als der vom FA bereits anerkannte Auflösungsverlust von 30 000 DM entstanden ist, noch nicht das Senatsurteil vom 20. April 2004 VIII R 52/02 (BFHE 206, 98, BStBl II 2004, 556) berücksichtigen. Die tatsächlichen Feststellungen des FG reichen nicht aus, um abschließend zu entscheiden, ob dem Kläger bei Anwendung der in diesem Urteil aufgestellten Grundsätze ein höherer Auflösungsverlust entstanden ist.
1. Die Beteiligten sind rechtsfehlerfrei davon ausgegangen, dass der Verlust des Klägers aus der Auflösung der G-GmbH im Jahre 1997 entstanden ist (§ 17 Abs. 1 und Abs. 4 EStG). Denn mit Beschluss vom 29. Januar 1997 hat das zuständige Amtsgericht den Antrag auf Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen der G-GmbH mangels Masse abgelehnt, so dass die GmbH aufgelöst worden ist (§ 107 Abs. 1 der Konkursordnung --KO--; § 60 Abs. 1 Nr. 5 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung --GmbHG--). Mangels irgendwelcher Anhaltspunkte für das Gegenteil konnte der Kläger im Jahr 1997 mit Zuteilungen und Rückzahlungen aus dem Gesellschaftsvermögen der G-GmbH nicht mehr rechnen (vgl. zum Zeitpunkt der Verlustentstehung z.B. Urteile des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 3. Juni 1993 VIII R 81/91, BFHE 172, 407, BStBl II 1994, 162; vom 27. November 2001 VIII R 36/00, BFHE 197, 394, BStBl II 2002, 731).
2. Die Frage, ob ein höherer als der vom FA anerkannte Auflösungsverlust gemäß § 17 EStG in Höhe des Kaufpreises von 30 000 DM zu berücksichtigen und gemäß § 10d EStG in den Veranlagungszeitraum 1995 zurückzutragen ist, beurteilt sich nach zutreffender Auffassung der Vorinstanz nicht nach der ursprünglich für das Jahr 1997 gültigen Fassung des § 17 EStG. Denn nach Satz 2 des § 52 Abs. 34a EStG, der durch das Gesetz zur Änderung steuerlicher Vorschriften (StÄndG 2001) vom 20. Dezember 2001 (BGBl I 2001, 3794, BStBl I 2002, 4) hinzugefügt worden ist, ist § 17 Abs. 2 Satz 4 EStG i.d.F. des StEntlG 1999/2000/2002 auch für Veranlagungszeiträume vor 1999 anzuwenden.
Durch die ausdrücklich angeordnete rückwirkende Anwendung des § 17 Abs. 2 Satz 4 EStG i.d.F. des StEntlG 1999/2000/2002 wollte der Gesetzgeber zugunsten der Steuerpflichtigen verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die bisherige Regelung Rechnung tragen (vgl. BTDrucks 14/6877, S. 28). Denn nach § 17 Abs. 2 Satz 4 Buchst. a und b EStG in der ursprünglich für das Jahr 1997 gültigen Fassung wäre überhaupt kein Verlust zu berücksichtigen gewesen. Nach diesen Vorschriften war ein Veräußerungsverlust aus einer entgeltlich erworbenen Beteiligung nämlich nur dann zu berücksichtigen, wenn der Veräußerer die wesentliche Beteiligung im Rahmen der Gründung der Kapitalgesellschaft entgeltlich erworben (vgl. Buchst. a) oder die Anteile mehr als fünf Jahre vor der Veräußerung entgeltlich erworben hatte und er während dieses Zeitraums wesentlich am Kapital der Gesellschaft beteiligt war (vgl. Buchst. b). Diese Voraussetzungen waren im Streitfall offensichtlich nicht erfüllt, da die im Jahr 1994 gegründete GmbH bereits im Jahr 1997 durch die Ablehnung der Konkurseröffnung mangels Masse aufgelöst worden ist.
3. Nach § 17 Abs. 2 Satz 4 Buchst. b EStG in der somit maßgeblichen Fassung des StEntlG 1999/2000/2002 (im Folgenden: EStG) ist ein Veräußerungsverlust nicht zu berücksichtigen, soweit er auf Anteile entfällt, die entgeltlich erworben worden sind und nicht innerhalb der gesamten letzten fünf Jahre zu einer wesentlichen Beteiligung des Steuerpflichtigen gehört haben. Dies gilt nicht für innerhalb der letzten fünf Jahre erworbene Anteile, deren Erwerb zur Begründung einer wesentlichen Beteiligung des Steuerpflichtigen geführt hat oder die nach Begründung der wesentlichen Beteiligung erworben worden sind. Für den Streitfall bedeutet das, dass ein Veräußerungsverlust nur insoweit berücksichtigt werden kann, als er auf den im Oktober 1995 hinzuerworbenen Geschäftsanteil von 29 v.H. entfällt. Denn entgegen der Auffassung der Revision hat der Kläger nicht bereits im Juni 1994 durch den Erwerb des Geschäftsanteils von 20 v.H., sondern erst durch den Hinzuerwerb im Oktober 1995 eine wesentliche Beteiligung i.S. des § 17 EStG erlangt.
a) Die Frage, ob und seit wann der Kläger an der im Jahr 1997 aufgelösten G-GmbH wesentlich i.S. des § 17 Abs. 1 Satz 4 und Abs. 2 Satz 4 Buchst. b EStG beteiligt war, ist nach der bis einschließlich für das Jahr 1998 geltenden Fassung dieser Vorschriften zu beantworten. Danach musste eine Beteiligung von mehr als einem Viertel vorliegen. Da die Wesentlichkeitsgrenze des § 17 Abs. 1 Satz 4 EStG sowohl im Zeitpunkt des jeweiligen Erwerbs der Anteile (1994 und 1995) als auch im Zeitpunkt der Auflösung der G-GmbH (1997) mehr als 25 v.H. betrug, kann offen bleiben, ob bei unterschiedlichen Grenzen im Rahmen des § 17 Abs. 2 Satz 4 Buchst. b EStG die im Zeitpunkt der Auflösung der Kapitalgesellschaft gültige Wesentlichkeitsgrenze auch für die Vergangenheit maßgebend gewesen wäre (so z.B. Eilers/R. Schmidt in Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz, Kommentar, § 17 EStG Anm. 1, S. E 19) oder ob sich die Wesentlichkeit der Beteiligung nach der im jeweiligen Kalenderjahr gültigen Gesetzesfassung richtet.
b) Entgegen der Auffassung der Revision beurteilt sich die Wesentlichkeit der Beteiligung im Jahr 1997 nicht nach § 17 Abs. 1 Satz 4 EStG i.d.F. des StEntlG 1999/2000/2002, wonach bereits eine Beteiligung von mindestens 10 v.H. wesentlich ist.
Der Kläger stützt seine gegenteilige Auffassung zu Unrecht auf Abs. 34a des § 52 EStG. Abs. 34a Satz 1 ist durch das Gesetz zur Senkung der Steuersätze und zur Reform der Unternehmensbesteuerung (StSenkG) vom 23. Oktober 2000 (BGBl I 2000, 1433, BStBl I 2000, 1428) eingefügt worden. Danach ist § 17 i.d.F. des Art. 1 des Gesetzes vom 23. Oktober 2000 (StSenkG), soweit Anteile an unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtigen Gesellschaften veräußert werden, erstmals auf Veräußerungen anzuwenden, die nach Ablauf des ersten Wirtschaftsjahrs der Gesellschaft, deren Anteile veräußert werden, vorgenommen werden, für die das Körperschaftsteuergesetz i.d.F. des Art. 3 des Gesetzes vom 23. Oktober 2000 (StSenkG) erstmals anzuwenden ist. Durch das letztgenannte Gesetz ist das sog. Halbeinkünfteverfahren eingeführt worden (§ 3 Nr. 40, § 3c Abs. 2 Satz 1 EStG). Durch das Gesetz zur Umrechnung und Glättung steuerlicher Euro-Beträge (StEuglG) vom 19. Dezember 2000 (BGBl I 2000, 1790, BStBl I 2001, 3) ist dem § 52 Abs. 34a Satz 1 EStG ein zweiter Halbsatz hinzugefügt worden, wonach für Veräußerungen, die vor dem in Abs. 34a genannten Zeitpunkt vorgenommen werden, § 17 i.d.F. des Gesetzes vom 22. Dezember 1999 (BGBl I, 2601) anzuwenden ist. Dies kann nicht dahin verstanden werden, dass dadurch rückwirkend für alle vorangegangenen Veranlagungszeiträume, für die noch keine bestandskräftigen Veranlagungen vorliegen, die Wesentlichkeitsgrenze auf 10 v.H. herabgesetzt werden sollte.
Die Wesentlichkeitsgrenze von 10 v.H. war nicht erst durch das Gesetz zur Bereinigung von steuerlichen Vorschriften (StBereinG 1999) vom 22. Dezember 1999 (BGBl I 1999, 2601, BStBl I 2000, 13), sondern bereits durch das StEntlG 1999/2000/2002 vom 24. März 1999 eingeführt worden. Durch die Einfügung des 2. Halbsatzes des Abs. 34a Satz 1 des § 52 EStG sollte ausweislich der Gesetzesmaterialien lediglich klargestellt werden, dass für Veräußerungen, die vor dem in Abs. 34a Satz 1 genannten Zeitpunkt vorgenommen werden, § 17 EStG in der bisherigen Fassung anzuwenden ist (vgl. BTDrucks 14/4277, S. 48). Der Regelungsbereich des § 52 Abs. 34a Satz 1 EStG beschränkt sich daher darauf, die Anwendung alten und neuen Rechts bezüglich der Höhe der Beteiligungsgrenze (1 v.H. oder 10 v.H.) und des Anrechnungs- oder des Halbeinkünfteverfahrens zu bestimmen (vgl. dazu im Einzelnen Dötsch/Pung, Der Betrieb --DB-- 2002, 173). Die Vorschrift kann nach ihrer Entstehungsgeschichte und ihrem Zweck nicht etwa dahin verstanden werden, dass nunmehr rückwirkend für alle Jahre, die vor dem in § 52 Abs. 34a Satz 1 1. Halbsatz EStG genannten Zeitpunkt liegen, die durch das StEntlG 1999/2000/2002 eingeführte Wesentlichkeitsgrenze von 10 v.H. hätte maßgebend sein sollen.
Dies bestätigt auch ein Vergleich mit dem durch das StÄndG 2001 eingefügten Satz 2 des Abs. 34a des § 52 EStG. Hier wollte der Gesetzgeber --wie bereits oben unter Abschn. II.2. der Entscheidungsgründe dargelegt-- tatsächlich aus verfassungsrechtlichen Gründen zugunsten der Steuerpflichtigen eine Rückwirkung der Regelung auf vorangegangene Kalenderjahre anordnen (vgl. BTDrucks 14/6877, S. 28). Er hat dies durch die unmissverständliche Erklärung getan, dass § 17 Abs. 2 Satz 4 i.d.F. des Gesetzes vom 24. März 1999 auch für Veranlagungszeiträume vor 1999 anzuwenden sei. Aus den angeführten Gründen ist der Senat in seinem Urteil in BFHE 206, 98, BStBl II 2004, 556 auch ohne weiteres und als selbstverständlich davon ausgegangen, dass bei Auflösung einer Kapitalgesellschaft im Jahre 1996 eine Wesentlichkeitsgrenze von mehr als einem Viertel zugrunde zu legen ist.
4. Nach der gefestigten Rechtsprechung des Senats können Zahlungen des Gesellschafters einer Kapitalgesellschaft aufgrund einer Bürgschaftsinanspruchnahme nur dann zu nachträglichen Anschaffungskosten i.S. von § 17 EStG führen, wenn und soweit die Übernahme der Bürgschaft eigenkapitalersetzenden Charakter hat. Die Bürgschaftsübernahme ist eigenkapitalersetzend, wenn die Bürgschaft zu einem Zeitpunkt übernommen wird, in dem sich die Gesellschaft bereits in der sog. Krise befindet oder wenn die Bürgschaft auch für den Fall der Krise bestimmt ist. Den krisenbestimmten Bürgschaften stehen die sog. Finanzplanbürgschaften gleich, die vom Gesellschafter im Rahmen eines erkennbaren Finanzplans übernommen worden sind. Eine Bürgschaft, die zu einem Zeitpunkt übernommen wurde, in dem sich die Gesellschaft noch nicht in der Krise befand, kann eigenkapitalersetzenden Charakter erlangen, wenn sie bei Eintritt der Krise stehen gelassen wird (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 6. Juli 1999 VIII R 9/98, BFHE 189, 383, BStBl II 1999, 817, m.w.N.; vom 13. Juli 1999 VIII R 31/98, BFHE 189, 390, BStBl II 1999, 724).
a) Nach dem Senatsurteil in BFHE 206, 98, BStBl II 2004, 556, das erst nach Erlass des angefochtenen Urteils des FG ergangen ist, kann bei einem nach § 17 Abs. 2 Satz 4 Buchst. b EStG i.d.F. des StEntlG 1999/2000/2002 zu beurteilenden Verlust die Wertminderung von Ansprüchen des Gesellschafters aus eigenkapitalersetzenden Darlehen oder von Rückgriffsforderungen aus eigenkapitalersetzenden Bürgschaften, die vor Begründung der wesentlichen Beteiligung gewährt oder übernommen wurden, nur insoweit zu nachträglichen Anschaffungskosten der Beteiligung führen, als die Wertminderung nach Begründung der wesentlichen Beteiligung eingetreten ist. Dagegen sind Wertminderungen von eigenkapitalersetzenden Darlehen oder von Rückgriffsansprüchen aus eigenkapitalersetzenden Bürgschaften, die erst nach Begründung der wesentlichen Beteiligung gewährt oder übernommen wurden, in vollem Umfang als nachträgliche Anschaffungskosten zu berücksichtigen.
b) Die Vorentscheidung konnte diese Rechtsprechung noch nicht berücksichtigen und ist von anderen rechtlichen Voraussetzungen ausgegangen. Denn das FG war der Auffassung, eine Inanspruchnahme aus einer Bürgschaft, die bereits vor Begründung der wesentlichen Beteiligung eigenkapitalersetzenden Charakter erlangt hat, könne überhaupt nicht zu nachträglichen Anschaffungskosten führen. Im Streitfall könne die Inanspruchnahme des Klägers aus den Bürgschaften lediglich dann quotal zu nachträglichen Anschaffungskosten führen, wenn sie frühestens am 16. Oktober 1995 eigenkapitalersetzend geworden seien. Die angefochtene Entscheidung ist deshalb aufzuheben.
Die Sache ist nicht spruchreif und daher an das FG zurückzuverweisen. Da der Kläger seine Bürgschaften vor Begründung der wesentlichen Beteiligung übernommen hat, ist entgegen der Ansicht der Vorinstanz entscheidungserheblich und damit aufklärungsbedürftig, ob der --vom FG alternativ als wahr unterstellte-- Vortrag des Klägers zutrifft, dass die Bürgschaften bereits vor dem Hinzuerwerb des zweiten Geschäftsanteils im Oktober 1995 eigenkapitalersetzenden Charakter gehabt hätten. Das wäre der Fall, wenn die im Juli 1994 kurze Zeit nach der Gründung der GmbH übernommene Bürgschaft über 500 000 DM und die im Juli 1995 übernommene Bürgschaft über 300 000 DM entweder bereits in der Krise übernommen worden, für den Fall der Krise bestimmt, im Rahmen eines erkennbaren Finanzplans übernommen oder in der Krise stehen gelassen worden wären. Das FG wird im zweiten Rechtsgang klären und ggf. nach den Grundsätzen der Feststellungslast (objektiven Beweislast) entscheiden müssen, ob für die Bürgschaften des Klägers vor dem Hinzuerwerb des zweiten Geschäftsanteils eine der vorgenannten Voraussetzungen erfüllt war (vgl. dazu BFH-Urteile in BFHE 189, 390, BStBl II 1999, 724; vom 7. Juli 1992 VIII R 24/90, BFHE 168, 551, BStBl II 1993, 333). Es wird ggf. ermitteln müssen, welchen Wert der Rückgriffsanspruch des Klägers gegen die G-GmbH gemäß § 774 des Bürgerlichen Gesetzbuchs im Zeitpunkt des Hinzuerwerbs des zweiten Geschäftsanteils im Oktober 1995 hatte.
Ende der Entscheidung
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