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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 18.11.2008
Aktenzeichen: VIII R 41/07
Rechtsgebiete: AO, FVG, FGO, RAO, EAO 1974


Vorschriften:

AO § 195 S. 2
AO § 195 S. 1
AO § 367 Abs. 3
FVG § 17 Abs. 2 S. 1
FVG § 18
FGO § 48
FGO § 63 Abs. 3
RAO § 248 Abs. 3
EAO 1974 § 350 Abs. 3
EAO 1974 § 350 Abs. 4
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I.

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR), die im Wege einer am 13. März 1997 erfolgten formwechselnden, auf den 1. Januar 1997 beschlossenen Umwandlung aus der F-GmbH hervorgegangen ist, und die ihren Sitz in X hatte. Sie ist offenbar nicht identisch mit verschiedenen anderen personenidentischen Gesellschaften mit jeweils gleicher, selbst gewählter Bezeichnung, aber anderen Ausgangsgesellschaften und anderem regionalen Wirkungsfeld.

An der GbR waren Herr A mit einem Kapital von 49 000 DM und Frau B mit einem Kapital von 1 000 DM beteiligt.

Bereits am 2. Januar 1997 schlossen die Klägerin als Verkäuferin und die Z-GmbH als Käuferin einen Praxisübernahmevertrag, der den Verkauf der bis dahin von der F-GmbH betriebenen Praxis einschließlich des Praxisinventars zum Gegenstand hatte, bei vereinbarter Übertragung und Übernahme zum 2. Januar 1997.

Für die Jahre 1996 bis 2000 reichte die Klägerin Steuererklärungen und Bilanzen beim Finanzamt D ein, das am 27. März 2000 das Finanzamt für Großbetriebsprüfung E (Großbetriebsprüfung) mit einer Außenprüfung der Klägerin beauftragte und es zum Erlass der Prüfungsanordnung für die Jahre 1995 bis 1997 ermächtigte. Die Großbetriebsprüfung erließ im Rahmen dieses Auftrages unter dem Datum vom 25. Oktober 2001 eine die Klägerin betreffende Prüfungsanordnung betreffend das Jahr 1997 bzw. --wegen gesonderter und einheitlicher Feststellung von Einkünften-- die Jahre 1996 und 1997. In der Anlage dazu wurde mitgeteilt, dass die Beauftragung erfolgt sei, da wirtschaftliche und finanzielle Verbindungen der Klägerin zu Herrn A oder anderen verbundenen Unternehmen bestünden. Der Gesellschafter A selbst unterlag als so genannter Einkommensmillionär der originären Prüfungszuständigkeit des Beklagten und Revisionsklägers (Finanzamt --FA--).

Gegen die Prüfungsanordnung legte die Klägerin Einspruch ein.

Am 17. Juli 2002 wandte sich das Finanzamt D unter Bezugnahme auf die Prüfungsanordnung vom 25. Oktober 2001 an das FA und beauftragte nunmehr dieses --wegen der Neugründung der Finanzämter für Groß- und Konzernbetriebsprüfung bei gleichzeitiger Auflösung der bisherigen Prüfungsämter in Nordrhein-Westfalen-- mit der Durch- bzw. Fortführung der Außenprüfung. Das FA wies den Einspruch durch Entscheidung vom 2. September 2002 zurück und führte die Prüfung durch. Die auf Grund der Prüfung ergangenen Änderungsbescheide sind nach übereinstimmenden Angaben der Beteiligten angefochten und die Rechtsbehelfe gegen die Änderungsbescheide noch anhängig.

Zur Begründung der Klage wegen der Prüfungsanordnung machte die Klägerin insbesondere geltend, dass die Prüfungsanordnung ihr gegenüber nicht mehr hätte erlassen werden dürfen wegen ihrer bereits zuvor erfolgten Liquidation. Schon mit dem vorherigen Verkauf der Mandanten und der gesamten Praxis sei die Erreichung des Gesellschaftszwecks unmöglich geworden. Deshalb hätte die Prüfungsanordnung nicht mehr wirksam der für die laufende Besteuerung zuständigen Empfangsbevollmächtigten bekannt gegeben werden können. Sollte die Prüfungsanordnung nicht nichtig sein, sei sie jedenfalls rechtswidrig wegen inhaltlicher Mängel. Es seien keine hinreichenden Gründe erkennbar, die eine rechtmäßige Ermessensausübung für die Beauftragung des FA widerspiegelten.

In der mündlichen Verhandlung vor dem Finanzgericht (FG) beantragte die Klägerin festzustellen, dass die Betriebsprüfungsanordnung vom 25. Oktober 2001 nichtig, hilfsweise rechtswidrig gewesen sei und die Einspruchsentscheidung aufzuheben, hilfsweise, die Revision zuzulassen.

Das FG hob in seinem Urteil die Einspruchsentscheidung des FA auf, weil dieses für deren Erlass nicht zuständig gewesen sei. Im Übrigen wies es die Klage ab.

Im Streitfall sei die Einspruchsentscheidung ausnahmsweise isoliert aufzuheben, damit nunmehr die zuständige Behörde über den Einspruch entscheiden und gegebenenfalls nach erfolglosem Einspruchsverfahren das zuständige FG Berlin von der Klägerin angerufen werden könne. Mit dem weiter gehenden Klageantrag auf Feststellung der Nichtigkeit, hilfsweise Rechtswidrigkeit der Prüfungsanordnungen könne sich das FG schon deshalb nicht sachlich befassen, weil es nach der von ihm vertretenen Rechtsauffassung zu § 367 Abs. 3 Satz 1 der Abgabenordnung (AO) insoweit nicht gesetzlicher Richter sei.

Mit seiner Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts. Es sei der dem angefochtenen Urteil entgegengesetzten Auffassung zu folgen, dass die beauftragte Finanzbehörde nach § 195 Satz 2 AO nicht kraft Gesetzes für die zuständige Finanzbehörde tätig werde. Die Vorschrift des § 367 Abs. 3 AO trage der Situation Rechnung, dass eine andere Behörde kraft Gesetzes für die eigentlich entscheidungsbefugte, zuständige Behörde tätig werde. Typische Fälle seien zum Beispiel die Mitwirkung bei der Verwaltung der Umsatzsteuer und der Kraftfahrzeugsteuer nach § 18 des Finanzverwaltungsgesetzes (FVG). Eine derartige generelle Mitwirkungspflicht finde in den Fällen des § 195 Satz 2 AO nicht statt.

Das FA beantragt,

das Urteil des FG Düsseldorf vom 13. Dezember 2006 13 K 5642/02 AO aufzuheben und die Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie ist der Auffassung, dass die Voraussetzungen des § 367 Abs. 3 Satz 1 AO erfüllt seien. Das FA sei "auf Grund gesetzlicher Vorschrift" für das beauftragende Finanzamt tätig geworden; ein Handeln "kraft Gesetzes" werde entgegen der Darstellung des FA vom Gesetz nicht gefordert.

II.

1.

Die Revision ist begründet; das angefochtene Urteil ist aufzuheben und die Sache an das FG zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

Das Klagerecht im Streitfall steht der Klägerin zu, die trotz ihrer Auflösung und zivilrechtlich-materiellen Beendigung nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) solange als existent zu behandeln ist, bis alle gemeinsamen Rechtsbeziehungen, zu denen auch das Rechtsverhältnis zwischen der Gesellschaft und dem Finanzamt gehört, abgewickelt sind (vgl. BFH-Urteile vom 1. Oktober 1992 IV R 60/91, BFHE 169, 294, BStBl II 1993, 82, m.w.N.; vom 18. November 1999 V R 22/99, BFHE 190, 255, BStBl II 2000, 241; vom 25. April 2006 VIII R 46/02, BFH/NV 2006, 2037). Dieses Rechtsverhältnis umfasst auch die Pflicht der Gesellschaft zur Duldung einer Außenprüfung (s. BFH-Urteil in BFH/NV 2006, 2037; vgl. auch Klein/Rüsken, AO, 9. Aufl., § 197 Rz 4). Hiervon abzugrenzen sind die Fälle eines Erlöschens der Personengesellschaft durch Eintritt einer Gesamtrechtsnachfolge (s. BFH-Urteil vom 13. Oktober 2005 IV R 55/04, BFHE 211, 387, BStBl II 2006, 404), wie etwa bei Verschmelzung oder beim Ausscheiden eines Gesellschafters und der Anwachsung der Gesamthandsanteile bei nur einem verbleibenden (ehemaligen) Gesellschafter (s. BFH-Urteil in BFHE 211, 387, BStBl II 2006, 404). Die Regelung in § 48 FGO zur Klagebefugnis bei Feststellungsbescheiden erstreckt sich nicht auf Prüfungsanordnungen gegen die Gesellschaft, auch soweit die Prüfung einheitlich und gesondert festzustellende Besteuerungsgrundlagen umfassen soll.

Aus diesem Grund ist die dem Verfahren zu Grunde liegende Klage --so, wie auch im Klageschriftsatz bezeichnet-- als eine solche der GbR als Klägerin zu verstehen und auszulegen, ohne dass der Senat insoweit an Feststellungen des FG gebunden wäre (s. BFH-Urteile vom 6. Juli 1999 VIII R 17/97, BFHE 189, 302, BStBl II 2000, 306, m.w.N.; vom 29. August 2001 VIII R 34/00, BFH/NV 2002, 185; vom 28. Juni 2006 XI R 31/05, BFHE 214, 302, BStBl II 2007, 378). Dem entsprechen die Anpassungen im Rubrum wie auch im Tatbestand und in den Gründen dieses Urteils.

2.

Zu Unrecht ist das FG davon ausgegangen, dass das FA nicht befugt war, die (u.a.) angefochtene Einspruchsentscheidung wegen der zu Grunde liegenden Prüfungsanordnung zu erlassen.

a)

Nach § 17 Abs. 2 Satz 1 FVG sind die Finanzämter für die Verwaltung der Steuern zuständig. Zu dieser Verwaltung gehört nach § 195 Satz 1 AO auch die Durchführung von Außenprüfungen (klarstellend; s. auch BFH-Urteile vom 21. Juni 1994 VIII R 24/92, BFH/NV 1994, 763, 765; vom 25. Januar 1989 X R 158/87, BFHE 156, 18, BStBl II 1989, 483; BFH-Beschluss vom 28. Mai 1986 I B 22/86, BFHE 146, 508, BStBl II 1986, 656, m.w.N.). Die sachlich --und nach Maßgabe der §§ 17 ff. AO örtlich-- für die Besteuerung zuständige Finanzbehörde kann andere Finanzbehörden mit der Außenprüfung beauftragen (§ 195 Satz 2 AO). Die notwendig vor einer Außenprüfung zu erlassende Prüfungsanordnung (§ 196 AO) kann nach allgemeiner Auffassung der Rechtsprechung, der Literatur wie auch der Verwaltung entweder von der beauftragenden oder aber der beauftragten Finanzbehörde erlassen werden (s. BFH-Urteile vom 10. Dezember 1987 IV R 77/86, BFHE 152, 24, BStBl II 1988, 322; vom 11. Dezember 1991 I R 66/90, BFHE 166, 490, BStBl II 1992, 595; vom 21. April 1993 X R 112/91, BFHE 171, 15, BStBl II 1993, 649; BFH-Beschluss vom 27. November 2003 I B 119, S 11/03, BFH/NV 2004, 756; Tipke in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 195 AO Rz 13; Klein/Rüsken, a.a.O., § 195 Rz 14; Romeis, Die steuerliche Betriebsprüfung --StBp-- 2006, 361; Betriebsprüfungsordnung § 5 Abs. 1; Anwendungserlass zur Abgabenordnung --AEAO-- zu § 195).

Erlässt die beauftragende, zuständige Behörde die Prüfungsanordnung, ist sie der richtige Einspruchsadressat (§ 357 Abs. 2 Satz 1 AO) und gemäß § 367 Abs. 1 Satz 1 AO befugt und verpflichtet, über einen gegen die Prüfungsanordnung (Verwaltungsakt i.S. von §§ 118 und 347 Abs. 1 AO) gerichteten Einspruch zu entscheiden.

b)

Welcher Behörde die Entscheidungskompetenz über einen Einspruch zukommt, wenn die beauftragte Behörde die Prüfungsanordnung erlässt, ist hingegen umstritten. Von einer herrschenden Meinung kann nicht ausgegangen werden.

Der BFH hat allerdings bereits im Beschluss in BFH/NV 2004, 756 ausgesprochen, dass im Falle des Erlasses der Prüfungsanordnung durch das beauftragte Finanzamt dieses naturgemäß auch zum Erlass der Einspruchsentscheidung befugt sei (im Ergebnis ebenso FG München, Urteil vom 29. Juli 2003 13 K 2120/99, Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 2003, 1589; Hessisches FG, Beschluss vom 10. April 2008 10 V 402/08, [...]; Klein/Brockmeyer, a.a.O., § 367 Rz 18; v. Wedel in Beermann/Gosch, AO, § 367 Rz 8; Pahlke/Koenig/Pahlke, Abgabenordnung, § 367 Rz 63; Dumke in Schwarz, AO, § 367 Rz 4a; Schallmoser in Hübschmann/Hepp/Spitaler --HHSp--, § 63 FGO Rz 55; a.A. FG München, Urteil vom 30. November 2004 2 K 1749/01, EFG 2005, 579; FG Düsseldorf, Urteil vom 13. Dezember 2006 13 K 5642/02 AO, EFG 2007, 982; FG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 17. Juni 2008 6 V 6027/08, EFG 2008, 1507; Seer in Tipke/Kruse, a.a.O., § 367 AO Rz 9, und Tipke in Tipke/Kruse, a.a.O., § 357 AO Rz 9; Eckhoff in HHSp, § 195 AO Rz 37; Birkenfeld in HHSp, § 367 AO Rz 643, 659 und § 357 AO Rz 34; Hardtke in: Kühn/v. Wedelstädt, 18. Aufl., AO, § 367 Rz 10 und § 357 Rz 14; AO-Praktikerkommentar/Schöll, § 367 Rz 1; Höft in Pump/Leibner, Abgabenordnung, Kommentar, § 367 Rz 12; Romeis, StBp 2006, 361, 363).

Der Senat schließt sich dem Beschluss des I. Senats in BFH/NV 2004, 756 im Ergebnis aus den folgenden Erwägungen an.

aa)

Dass die Entscheidungskompetenz bezüglich des Einspruchs gegen die Prüfungsanordnung bei der anordnenden Behörde liegt, entspricht der Grundregel des § 367 Abs. 1 Satz 1 AO, wonach die Finanzbehörde über den Einspruch entscheidet, die den Verwaltungsakt erlassen hat.

Aus § 367 Abs. 3 Satz 1 AO als Ausnahmeregelung könnte sich etwas anderes ergeben; die Vorschrift ist hingegen bei zutreffender Auslegung nicht einschlägig, was der Senat in seinem Beschluss vom 27. März 2006 VIII B 21/05 (BFH/NV 2006, 1256, 1257) noch offen gelassen hat. Sie lautet: "Richtet sich der Einspruch gegen einen Verwaltungsakt, den eine Behörde auf Grund gesetzlicher Vorschrift für die zuständige Finanzbehörde erlassen hat, so entscheidet die zuständige Finanzbehörde über den Einspruch."

Die rechtstechnische Formulierung "auf Grund gesetzlicher Vorschrift" wird regelmäßig gebraucht, um ein Tatbestandsmerkmal der betreffenden Norm durch unmittelbaren Verweis auf andere Gesetzesvorschriften zu bestimmen (vgl. etwa § 5 Abs. 1 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes --EStG--; § 19 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 Buchst. a EStG; § 139b Abs. 4 Nr. 4 AO; § 171 Abs. 3a Satz 3 AO; § 38 des Aktiengesetzes --AktG--; § 334 Abs. 2 des Handelsgesetzbuches; § 19 Abs. 2 des Bundesdatenschutzgesetzes; § 252 der Zivilprozessordnung --ZPO--; § 850b Abs. 1 Nr. 2 ZPO; § 107 Abs. 3 Nr. 6 Buchst. a des Ordnungswidrigkeitengesetzes; § 264 Abs. 8 Nr. 1 des Strafgesetzbuchs), während die Ermächtigung zum Erlass eines Verwaltungsaktes durch eine andere Finanzbehörde auf dem voluntativen Akt der Ermessensausübung beruht und damit nicht "auf Grund" einer gesetzlichen Kompetenzzuweisung erfolgt.

Diese Gesetzesauslegung stimmt überein mit der herrschenden Meinung zur Auslegung des § 63 Abs. 3 FGO, der in seinen tatbestandlichen Voraussetzungen dem § 367 Abs. 3 AO entspricht (s. dazu unter II.2.b cc der Gründe dieses Urteils).

bb)

Aus der Gesetzgebungsgeschichte folgt kein anderes Normverständnis. Die Vorgängervorschrift § 248 Abs. 3 der Reichsabgabenordnung (RAO) befasste sich mit Verwaltungsakten von Hilfsstellen der Finanzbehörden; der Entwurf einer Abgabenordnung (EAO 1974) sah in § 350 Abs. 3 eine Regelung vor, die sich --weitgehend wortgleich-- wiederum an § 248 Abs. 3 RAO anlehnte. Im Entwurf hieß es: "Über Einsprüche gegen Verwaltungsakte, die eine Hilfsstelle einer Finanzbehörde erlassen hat, entscheidet die Finanzbehörde." (BTDrucks VI/1982, S. 79). Nach § 350 Abs. 4 EAO 1974 sollte dies sinngemäß gelten, wenn eine Zollstelle oder Grenzkontrollstelle für ein Finanzamt handelte. Diese neue Regelung bezog sich auf § 18 FVG (s. BTDrucks VI/1982, S. 192). Im Bericht des Finanzausschusses vom 7. November 1975 (BTDrucks 7/4292, S. 43) wurden die Abs. 3 und 4 des § 350 EAO 1974 in Abs. 3 des § 367 sodann "zusammengefasst" unter Berücksichtigung der Änderungen des FVG durch das Finanzanpassungsgesetz vom 30. August 1971, wobei unter anderem die Hilfsstellen wegfielen. Da die Gesetzesbegründung zu § 367 Abs. 3 AO keine weiteren Angaben enthält, bietet sie keine greifbaren Anhaltspunkte dafür, dass der Regelungsbereich des Abs. 3 über das hinausgehen sollte, was in § 350 Abs. 3 und 4 EAO 1974 vorgesehen war. Diese im Bericht des Finanzausschusses vorgesehene Fassung des § 367 Abs. 3 AO ist Gesetz geworden und bis heute unverändert.

cc)

Es sind keine gesetzessystematischen Gesichtspunkte von Gewicht erkennbar, die im Streitfall den Verbleib der Entscheidungsbefugnis bei der beauftragenden Behörde gebieten würden. Es trifft zwar zu, dass die Entscheidung darüber, ob geprüft werden soll und gegebenenfalls in welchem Umfang, nach der gesetzlichen Ausgangslage bei der beauftragenden Behörde liegt. Hat aber die beauftragte Finanzbehörde die Prüfungsanordnung einmal erlassen, kann sie auch die Rechtmäßigkeit der Anordnung im Einspruchsverfahren überprüfen. Unmittelbar einsichtig ist dies in Fällen, in denen Fehler der Prüfungsanordnung gerügt werden, die erst in der Sphäre des beauftragten Finanzamts auftreten, wie etwa eine Abweichung von der Beauftragung oder Mängel bei der Adressierung oder der Bekanntgabe. Das gebietet es nach Auffassung des Senats, die Befugnis zur Entscheidung über den Einspruch insgesamt bei der beauftragten Behörde anzusiedeln, weil eine Aufspaltung je nach der Art der Einspruchsbegründung nicht vorgesehen ist.

Unter systematischen Gesichtspunkten ist ferner zu berücksichtigen, dass die herrschende Meinung in § 195 Satz 2 AO keinen Anwendungsfall des § 63 Abs. 3 FGO zur Passivlegitimation im Steuerprozess erkennt (BFH-Beschluss in BFH/NV 2004, 756; Gräber/von Groll, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 63 Rz 11; Schallmoser in HHSp, § 63 FGO Rz 55 f.; Tipke in Tipke/Kruse, a.a.O., § 63 Rz 8; a.A. Romeis, StBp 2006, 361, 364). Nach dieser Vorschrift ist die Klage gegen die zuständige Behörde zu richten, wenn eine Behörde, die auf Grund gesetzlicher Vorschrift berechtigt ist, für die zuständige Behörde zu handeln, den ursprünglichen Verwaltungsakt erlassen hat. Da diese Bestimmung nach Wortlaut und Sinn dem § 367 Abs. 3 Satz 1 AO entspricht (FG München, Urteil in EFG 2005, 579, 580; Schallmoser in HHSp, § 63 FGO Rz 51; Romeis, StBp 2006, 361, 364), ist es konsequent, beide Normen einander entsprechend auszulegen (so jetzt ausdrücklich Hessisches FG, Beschluss vom 10. April 2008 10 V 402/08, [...]), also ihren Anwendungsbereich hinsichtlich der tatbestandlichen Voraussetzungen in gleicher Weise zu bestimmen. Andernfalls ergäben sich schwer erklärliche Wertungswidersprüche und Ungereimtheiten im Falle eines Finanzgerichtsprozesses.

c)

Schließlich sprechen auch praktische Erwägungen zum Gesetzesvollzug gegen die dem angefochtenen Urteil zu Grunde liegende Rechtsauffassung. Wie die Sachverhalte im Streitfall und in weiteren beim Senat anhängigen Rechtssachen zeigen, geht die Initiative zur Prüfung oftmals von dem Prüfungsfinanzamt aus, das anlässlich anderer Prüfungen Erkenntnisse über personelle und/oder wirtschaftliche Beziehungen, Verbindungen oder Verflechtungen zwischen verschiedenen Steuersubjekten erlangt hat, die die steuerlichen Verhältnisse bisher nicht geprüfter Steuersubjekte prüfungswürdig erscheinen lassen, und das daraufhin dem jeweiligen Veranlagungsfinanzamt einen entsprechenden Vorschlag zur Auftragserteilung unterbreitet. Es spricht rechtlich nichts dagegen, dass diese Art des Zusammenwirkens verschiedener Ämter in der Praxis sich auch im Einspruchsverfahren fortsetzt und die Ermessensgründe dem beauftragten Finanzamt übermittelt beziehungsweise erforderlichenfalls vor Erlass der Einspruchsentscheidung abgestimmt werden.

Ende der Entscheidung

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