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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 28.03.2000
Aktenzeichen: VIII R 43/99
Rechtsgebiete: EStG, FGO, ZPO
Vorschriften:
EStG § 3 Nr. 66 | |
FGO § 120 Abs. 1 Satz 1 | |
FGO § 54 Abs. 2 | |
FGO § 126 Abs. 2 | |
FGO § 118 Abs. 2 | |
ZPO § 222 Abs. 2 |
Gründe
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) war bis zum 9. November des Streitjahres 1989 einziger Kommanditist der X-GmbH und Co. KG (im Folgenden: X). Komplementärin war die X Verwaltungs GmbH (im Folgenden: GmbH), deren Mehrheitsgesellschafter (98 v.H.) der Kläger bis zum 9. November 1989 war. Der Kläger war im Streitjahr auch beherrschender Gesellschafter (99,4 v.H.) der XY Ltd. mit Sitz in Hongkong (im Folgenden: XY), die für den Wareneinkauf und die Qualitätssicherung in Fernost zuständig war, im Übrigen aber auch selbständig Handel trieb. Er war außerdem Alleingesellschafter der Z AG mit Sitz in .../Schweiz (im Folgenden: Z-AG).
Nachdem die X in erhebliche finanzielle Schwierigkeiten geraten war, wurde im September 1989 auf Antrag des Klägers das Vergleichsverfahren eröffnet. Die Hausbank der XY knüpfte Kontakte zu möglichen Übernahme-Interessenten der X. Die A-Ltd. (im Folgenden: A) zeigte sich interessiert. Um die Übernahme zu ermöglichen, sollten die Hauptgläubiger-Banken der X, die B-Bank und die C-Bank), zu einem Verzicht auf ihre Forderungen bewegt werden.
Der Kläger hatte gegenüber der XY Darlehensschulden, die sich Anfang November 1989 auf ca. 2,5 Mio DM beliefen. Die Beträge aus diesen Darlehen hatte der Kläger in der Weise in die X eingebracht, dass sein Festkapital auf insgesamt 3 Mio. DM aufgestockt wurde.
Am 8. November 1989 zog der Kläger den für die X gestellten Vergleichsantrag mit Zustimmung der Banken zurück. Mit notariell beurkundetem Vertrag vom 9. November 1989 übertrug er in Abstimmung mit A seinen Kommanditanteil an der X sowie seinen Gesellschaftsanteil an der GmbH zum Preis von 1 DM an die Z-AG.
Am 6. Dezember 1989 schlossen der Kläger und XY eine als "Zusatzvertrag (Klarstellung zur notariellen Urkunde vom 9.11.1989)" bezeichnete Vereinbarung. Die XY erklärte, dass sie auf ihre Darlehensforderungen gegen den Kläger verzichten wolle, um die X und den Kläger "zu sanieren. Andernfalls wäre die weitere Mitarbeit des Herrn D nicht möglich gewesen". Die XY verzichtete rückwirkend zum 6. November 1989 auf ihre Darlehensforderungen gegen den Kläger in Höhe von ca. 2,5 Mio DM.
Mit Vertrag vom 16. November 1989 verzichteten die B-Bank und die C-Bank in Höhe von 4 Mio. DM auf ihre Darlehensforderungen gegen die X; den restlichen Teil von ca. 4,3 Mio DM verkauften sie zum Nennwert an A.
In der Erklärung zur einheitlichen und gesonderten Gewinnfeststellung 1989 wurde der Darlehensverzicht der XY als steuerfreier Sanierungsgewinn des Klägers behandelt. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) vertrat in der Einspruchsentscheidung die Ansicht, dass die durch den Forderungsverzicht bewirkte Vermögensmehrung von ca. 2,5 Mio DM dem Veräußerungsgewinn und nicht dem laufenden Gewinn des Jahres 1989 zuzurechnen sei; die Voraussetzungen des § 3 Nr. 66 des Einkommensteuergesetzes (EStG) seien nicht erfüllt.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab, soweit der Kläger begehrt hatte, den vom FA festgesetzten Veräußerungsgewinn in Höhe von ca. 2,5 Mio DM gemäß § 3 Nr. 66 EStG steuerfrei zu lassen. Der durch den Verzicht auf die Darlehensforderung entstandene Veräußerungsgewinn sei kein steuerbefreiter Sanierungsgewinn, weil die X im Zeitpunkt des Forderungserlasses nicht mehr sanierungsbedürftig gewesen sei. Das Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1999, 1168 veröffentlicht.
Der Kläger macht mit der Revision eine fehlerhafte rechtliche Würdigung des Sachverhalts durch das FG geltend.
Er beantragt sinngemäß, die Vorentscheidung aufzuheben und den Gewinnfeststellungsbescheid 1989 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 29. April 1997 dahin zu ändern, dass der vom FG festgestellte Veräußerungsgewinn von ... DM um den steuerfreien Sanierungsgewinn von ca. 2,5 Mio DM gemindert wird, hilfsweise, vom Veräußerungsgewinn die Anschaffungskosten der Kommanditbeteiligung in Höhe von 2 480 000 DM abzuziehen.
Das FA macht geltend, die Revision sei verspätet eingegangen und daher unzulässig; sie wäre aber auch unbegründet, weil die Würdigung des FG, es könne nicht unterstellt werden, dass die X unter Leitung eines fremden Geschäftsführers nicht wieder "auf die Beine" gekommen wäre und damit unweigerlich Konkurs hätte anmelden müssen, eine rechtlich und tatsächlich mögliche und nahe liegende Würdigung des Falles darstelle.
I. Die Revision des Klägers gegen das am 18. August 1999 zugestellte Urteil ist zulässig. Sie ist entgegen der Auffassung des FA nicht verspätet eingelegt worden. Sie ist am 20. September 1999, einem Montag, auf dem Telefaxgerät des FG eingegangen, und nicht erst --wie das FA vorträgt-- am 21. September 1999. Sie ist damit rechtzeitig eingelegt worden (§ 120 Abs. 1 Satz 1, § 54 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--, § 222 Abs. 2 der Zivilprozeßordnung).
II. Die Revision ist aber unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 FGO). Das FG hat rechtsfehlerfrei entschieden, dass die Vermögensmehrung, die infolge des Erlasses der Darlehensforderung durch die XY im Streitjahr 1989 im Sonderbetriebsvermögen des Klägers eingetreten ist, kein gemäß § 3 Nr. 66 EStG steuerbefreiter Sanierungsgewinn ist.
1. Durch den Erlass der Darlehensschuld, den der Kläger und die XY im Vertrag vom 6. Dezember 1989 vereinbart haben, ist eine Erhöhung im Sonderbetriebsvermögen des Klägers eingetreten. Zwar war der Kläger zu diesem Zeitpunkt bereits aus der X ausgeschieden, weil er seinen Mitunternehmeranteil bereits am 9. November 1989 veräußert hatte. Die Darlehensschuld war nach zutreffender Auffassung der Vorinstanz aber Sonderbetriebsvermögen des Klägers geblieben, da ein Erlös aus der Veräußerung des Mitunternehmeranteils zur Tilgung der Darlehensschuld nicht vorhanden war (vgl. dazu Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 28. Februar 1990 I R 205/85, BFHE 159, 523, BStBl II 1990, 537). Der nachträgliche Erlass der Darlehensschuld durch die XY wirkte auf den Zeitpunkt der Veräußerung des Mitunternehmeranteils zurück und erhöhte den Veräußerungsgewinn (vgl. BFH-Urteil vom 6. März 1997 IV R 47/95, BFHE 183, 78, BStBl II 1997, 509).
2. Entgegen der Auffassung der Revision ist dieser Gewinn nicht gemäß § 3 Nr. 66 EStG steuerbefreit.
a) Nach § 3 Nr. 66 EStG sind Erhöhungen des Betriebsvermögens, die dadurch entstehen, dass Schulden zum Zwecke der Sanierung ganz oder teilweise erlassen werden, von der Einkommensteuer befreit. Die Steuerfreiheit setzt voraus, dass das Unternehmen sanierungsbedürftig ist, dass Schulden ganz oder teilweise erlassen werden, dass die Gläubiger in der Absicht handeln, die geschäftliche und finanzielle Gesundung des Schuldners herbeizuführen, und dass der Schulderlass geeignet ist, das sanierungsbedürftige Unternehmen vor dem Zusammenbruch zu bewahren und wieder ertragsfähig zu machen. Fehlt eine dieser Voraussetzungen, ist das Vorliegen eines steuerfreien Sanierungsgewinns zu verneinen (ständige Rechtsprechung; vgl. z.B. BFH-Urteile vom 22. November 1983 VIII R 14/81, BFHE 140, 521, BStBl II 1984, 472; vom 19. März 1991 VIII R 214/85, BFHE 164, 70, BStBl II 1991, 633; vom 19. März 1993 III R 79/91, BFH/NV 1993, 536; vom 24. Februar 1994 IV R 71/92, BFH/NV 1995, 15; vom 27. Januar 1998 VIII R 64/96, BFHE 186, 12, BStBl II 1998, 537).
Auch eine erlassbedingte Erhöhung des Sonderbetriebsvermögens kann ein Sanierungsgewinn i.S. von § 3 Nr. 66 EStG sein. Doch ist auch in diesem Fall für die Entscheidung, ob die Schuld "zum Zweck der Sanierung" erlassen wurde, auf das Unternehmen der Gesellschaft abzustellen; das Sonderbetriebsvermögen des Gesellschafters ist kein Unternehmen, das nach § 3 Nr. 66 EStG saniert werden kann. Es reicht deshalb nicht aus, wenn lediglich der Gesellschafter nicht mehr in der Lage ist, seinen finanziellen Verpflichtungen nachzukommen. Bei einer Überschuldung des Sonderbetriebsvermögens eines Gesellschafters ist das Merkmal der Sanierungsbedürftigkeit nur dann gegeben, wenn die Gesellschaft als solche ohne den Schulderlass in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten wäre (BFH-Urteile in BFHE 183, 78, BStBl II 1997, 509, unter 2. a der Gründe; vom 3. Juli 1997 IV R 31/96, BFHE 183, 509, BStBl II 1997, 690; in BFHE 186, 12, BStBl II 1998, 537; BFH-Beschluss vom 10. September 1997 VIII B 91/96, BFH/NV 1998, 451).
b) Das FG ist bei seiner Entscheidung unstreitig von den vorstehenden abstrakten Rechtsgrundsätzen ausgegangen. Entgegen der Rüge der Revision hat das FG diese Rechtsgrundsätze auch fehlerfrei auf den Sachverhalt des Streitfalles angewendet.
Da bei der Prüfung, ob ein Unternehmen sanierungsbedürftig ist, die Verhältnisse im Zeitpunkt des Schulderlasses maßgebend sind (BFH in BFHE 186, 12, BStBl II 1998, 537, 539, unter II. 3. c der Gründe), hat das FG zu Recht darauf abgestellt, ob die X im Zeitpunkt des Forderungserlasses durch den Vertrag vom 6. Dezember 1989 sanierungsbedürftig war. Seine Entscheidung, dass die X zu diesem Zeitpunkt nicht mehr sanierungsbedürftig gewesen sei, weil die beiden Gläubigerbanken ihr bereits durch den Vertrag vom 16. November 1989 einen großen Teil ihrer Schulden erlassen hatten, ist nicht zu beanstanden.
Der Einwand des Klägers, die Sanierung der X durch die Übernahme durch A sei nur möglich gewesen, weil er bereit gewesen sei, weiterhin als Geschäftsführer tätig zu sein, und dass er dazu nur bereit gewesen sei, wenn ihm seine Darlehensverbindlichkeiten gegenüber der XY von dieser erlassen würden, ist nicht geeignet, den Erlass der Darlehensforderung durch die XY als eine Maßnahme erscheinen zu lassen, die der Sanierung der X gedient hat. Denn daraus ergibt sich nicht, dass die X am 6. Dezember 1989, dem Zeitpunkt des Forderungsverzichts durch die XY, noch sanierungsbedürftig war. Der Kläger hat keine Tatsachen dargelegt und es sind auch sonst keine Umstände ersichtlich, aus denen sich eine Sanierungsbedürftigkeit der X für die Zeit nach dem Erlass eines großen Teils ihrer Schulden durch die Gläubigerbanken ergibt.
Auch das Vorbringen der Revision, der Erlass sei bereits vor dem Vertrag vom 6. Dezember 1989 von Herrn E mündlich zugesagt worden, rechtfertigt keine andere Entscheidung. Es kann offen bleiben, ob es sich dabei um neues tatsächliches Vorbringen handelt, das im Revisionsverfahren nicht berücksichtigt werden könnte (vgl. § 118 Abs. 2 FGO). Denn da Darlehensgläubigerin des Klägers nicht Herr E oder A, sondern die XY war, ist die Erheblichkeit des Vorbringens nicht ersichtlich.
3. Die Revision hat auch hinsichtlich des Hilfsantrags, vom Veräußerungsgewinn Anschaffungskosten der Kommanditbeteiligung in Höhe von 2 480 000 DM abzuziehen, keinen Erfolg. Das FG hat schlüssig dargelegt, dass der begehrte Abzug zu einer doppelten Berücksichtigung des Aufwands führen würde und deshalb unzulässig ist. Der Kläger hat sich in der Revisionsbegründung mit diesen substantiierten Ausführungen der Vorentscheidung nicht auseinander gesetzt.
Ende der Entscheidung
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