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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 14.12.2004
Aktenzeichen: VIII R 44/04
Rechtsgebiete: EStG


Vorschriften:

EStG § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1
EStG § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2
EStG § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a
EStG § 32 Abs. 4 Satz 2
EStG § 63 Abs. 1
EStG § 70 Abs. 4
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I. Der 1977 geborene Sohn D der Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) studierte seit dem Sommersemester 1998 im Diplomstudiengang Verwaltungswissenschaft. Im Streitjahr 2002 hatte D bis einschließlich Juli geringfügige Einkünfte aus einer studentischen Nebentätigkeit bezogen, die den anteiligen Jahresgrenzbetrag unstreitig nicht überstiegen. Seit dem 1. August 2002 war D als ... Assistent fest angestellt. Die vertragliche Arbeitszeit betrug 30 Stunden pro Woche; das regelmäßige monatliche Brutto-Gehalt war mit 2 500 EUR vereinbart. D blieb im Wintersemester 2002/2003 immatrikuliert. Zwischen September 2002 und Januar 2003 schrieb er seine Diplomarbeit; das Diplom wurde ihm im März 2003 ausgehändigt.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (Beklagter) hob die Kindergeldfestsetzung für D rückwirkend ab Januar 2002 wegen nachträglicher Überschreitung der Einkünfte- und Bezügegrenze gemäß § 70 Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG) auf und forderte das von Januar bis August 2002 zuviel gezahlte Kindergeld in Höhe von 1 232 EUR von der Klägerin zurück. Einspruch und Klage, mit denen die Klägerin begehrte, die Aufhebung der Kindergeldfestsetzung für die Monate Januar bis Juli 2002 rückgängig zu machen, hatten keinen Erfolg. Das Urteil des Finanzgerichts (FG) ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2004, 1639 veröffentlicht.

Mit der Revision rügt die Klägerin sinngemäß die Verletzung von Bundesrecht (§ 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG).

Sie beantragt sinngemäß,

unter Aufhebung der Vorentscheidung und der Einspruchsentscheidung den angefochtenen Bescheid mit der Maßgabe zu ändern, dass die Aufhebung der Kindergeldfestsetzung für D für die Monate Januar bis Juli 2002 entfällt.

Der Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Die Beteiligten haben einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung zugestimmt.

II. Die Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FG hat zu Recht entschieden, dass der Sohn der Klägerin auch in der Zeit ab dem 1. August 2002 und damit im gesamten Jahr 2002 für einen Beruf ausgebildet wurde. Bei der Frage, ob der Grenzbetrag des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG überschritten ist, sind deshalb auch dessen in der Zeit von August bis Dezember 2002 erzielte Einkünfte zu berücksichtigen.

1. Gemäß § 63 Abs. 1 i.V.m. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a und Satz 2 EStG bestand im Jahr 2002 Anspruch auf Kindergeld für ein volljähriges Kind, wenn es für einen Beruf ausgebildet wurde und Einkünfte und Bezüge von nicht mehr als 7 188 EUR im Kalenderjahr hatte.

a) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) ist unter Berufsausbildung die Ausbildung zu einem künftigen Beruf zu verstehen. In Berufsausbildung befindet sich, wer sein Berufsziel noch nicht erreicht hat, sich aber ernstlich darauf vorbereitet. Der Vorbereitung auf ein Berufsziel dienen alle Maßnahmen, bei denen es sich um den Erwerb von Kenntnissen, Fähigkeiten und Erfahrungen handelt, die als Grundlagen für die Ausübung des angestrebten Berufs geeignet sind (vgl. Senatsurteil vom 16. April 2002 VIII R 58/01, BFHE 199, 111, BStBl II 2002, 523, m.w.N.). Zu einer Hochschulausbildung gehört die Teilnahme an den für die Erlangung der angestrebten beruflichen Qualifikation erforderlichen Prüfungen (Senatsurteil vom 16. April 2002 VIII R 89/01, BFH/NV 2002, 1150); ein Universitätsstudium ist regelmäßig erst in dem Zeitpunkt beendet, in dem eine nach dem einschlägigen Prüfungsrecht zur Feststellung des Studienerfolges vorgesehene Prüfungsentscheidung ergangen ist (vgl. BFH-Urteil vom 24. Mai 2000 VI R 143/99, BFHE 191, 557, BStBl II 2000, 473). Dem gemäß zählt sowohl die Vorbereitung auf die abschließende Prüfung (hier: Diplomprüfung) wie auch die Teilnahme an dieser Prüfung zur Berufsausbildung.

Danach befand sich der Sohn D der Klägerin jedenfalls bis zum Jahresende 2002 in der Berufsausbildung, da das Schreiben der Diplomarbeit noch den Tatbestand der Berufsausbildung erfüllt. Dass D schon vor Aushändigung des Diploms eine feste Anstellung in seinem Beruf gefunden hatte, stellt den beruflichen Bezug der Diplomprüfung --etwa im Hinblick auf einen später möglichen Wechsel zu einem anderen Arbeitgeber-- nicht in Frage.

b) Der Annahme einer Berufsausbildung steht auch nicht entgegen, dass D seine Diplomarbeit angefertigt hat, während er bereits erwerbstätig war.

Nach ständiger Rechtsprechung des BFH ist es nicht erforderlich, dass die Ausbildung die Zeit und Arbeitskraft des Kindes überwiegend in Anspruch nimmt (vgl. BFH-Urteile vom 9. Juni 1999 VI R 33/98, BFHE 189, 88, BStBl II 1999, 701, und vom 14. Mai 2002 VIII R 61/01, BFHE 199, 210, BStBl II 2002, 807). Entscheidend ist, ob das Kind nach den Umständen des jeweiligen Falles neben der Erwerbstätigkeit seine Ausbildung ernsthaft und nachhaltig betreibt (vgl. Senatsurteil vom 16. März 2004 VIII R 65/03, BFH/NV 2004, 1522 - betr. Promotion). Ist das der Fall, kommt es nicht darauf an, ob das Kind einer Teilzeit- oder sogar einer Vollzeiterwerbstätigkeit nachgeht (BFH-Urteil vom 30. November 2004 VIII R 9/04, n.v.).

Diese Voraussetzungen hat das FG im Streitfall zu Recht bejaht angesichts des erfolgreichen Abschlusses der Diplomprüfung und der Tatsache, dass der Sohn der Klägerin dienstvertragliche Verpflichtungen eingegangen war, die ihm genügend Zeit ließen, seine Diplomarbeit zu schreiben.

c) Der Tatbestand der Berufsausbildung entfällt auch nicht deshalb, weil D ab dem 1. August 2002 aufgrund seiner Anstellung über eigene, seinen Lebensunterhalt sichernde Mittel verfügte und nicht mehr auf Unterhaltsansprüche angewiesen war.

Nach der gesetzlichen Regelungskonzeption ist die Frage, ob die steuerliche Leistungsfähigkeit der Eltern infolge der an ihr volljähriges Kind zu erbringenden Unterhaltsleistungen gemindert ist, nicht bereits im Rahmen der Prüfung der Tatbestandsvoraussetzungen des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 und 2 EStG, sondern grundsätzlich erst im Rahmen der Ermittlung des Grenzbetrags des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG und damit auf einer nachgelagerten Stufe zu prüfen (BFH-Urteil in BFHE 199, 111, BStBl II 2002, 523).

Besondere Umstände, unter denen der BFH --wie etwa in bestimmten Fällen des Vollzeiterwerbs (z.B. BFH-Urteile vom 19. Oktober 2001 VI R 39/00, BFHE 197, 92, BStBl II 2002, 481, und vom 23. November 2001 VI R 77/99, BFHE 197, 383, BStBl II 2002, 484) oder bei verheirateten Kindern (z.B. BFH-Urteil vom 2. März 2000 VI R 13/99, BFHE 191, 69, BStBl II 2000, 522)-- den Berücksichtigungstatbestand verneint hat (zu den Fallgruppen: BFH-Urteil in BFH/NV 2004, 1522, m.w.N.), liegen im Streitfall nicht vor.

d) Da sich der Sohn der Klägerin während des gesamten Jahres 2002 in Berufsausbildung befunden hat, sind auch dessen gesamte in diesem Jahr erzielte Einkünfte in die Berechnung einzubeziehen, ob der Jahresgrenzbetrag des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG überschritten ist. Das ist unstreitig der Fall.

2. Der Beklagte war auch befugt, die Kindergeldfestsetzung für D rückwirkend ab Januar 2002 aufzuheben (§ 70 Abs. 4 EStG) und das zu viel gezahlte Kindergeld von der Klägerin zurückzufordern (§ 37 Abs. 2 der Abgabenordnung --AO 1977--).

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