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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 19.04.2005
Aktenzeichen: VIII R 45/04
Rechtsgebiete: EStG


Vorschriften:

EStG § 17
EStG § 17 Abs. 2
EStG § 17 Abs. 4
EStG § 17 Abs. 4 Satz 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I. Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) --Ehegatten-- wurden für die Streitjahre 1991 bis 1994 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. In ihren Einkommensteuererklärungen hatten sie in diesen Jahren geleistete Zinszahlungen für ein Darlehen geltend gemacht, das die Klägerin zur Refinanzierung von im Jahre 1988 fällig gewordenen Bürgschaftszahlungen aufgenommen hatte. Die Bürgschaften von zusammen 700 000 DM hatte die Klägerin in den Jahren 1981 bis 1983 für Verbindlichkeiten einer GmbH übernommen, deren Alleingesellschafterin sie war. Über das Vermögen der GmbH war 1987 das Konkursverfahren eröffnet worden. Nach dem rechtskräftigen Urteil des Finanzgerichts (FG) Köln vom 25. Januar 1995 11 K 3154/92 waren die Bürgschaften durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst; das FG hat sie deshalb bei der Berechnung des Liquidationsverlustes nach § 17 Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG) als nachträgliche Anschaffungskosten berücksichtigt. Streitig ist im vorliegenden Verfahren nur noch, ob die Zinsen für das Refinanzierungsdarlehen als Werbungskosten bei den Einkünften der Klägerin aus Kapitalvermögen abziehbar sind.

Die GmbH hatte gleichzeitig mit der Konkurseröffnung ihren Geschäftsbetrieb eingestellt. Nach dem Konkursbericht des Konkursverwalters bestand zwar in diesem Zeitpunkt rein rechnerisch noch keine Masseunzulänglichkeit, weil auf der Aktivseite der letzten, vor Konkurseröffnung erstellten Bilanz der GmbH noch eine Forderung von 1 108 064,24 DM ausgewiesen war. Da sich diese Forderung jedoch gegen eine bereits liquidierte Gesellschaft richtete, an der die Klägerin als Gesellschafter-Geschäftsführerin beteiligt war, setzte der Konkursverwalter die Forderung im Konkursstatus mit einem geschätzten Wert von 75 000 DM an und kam damit zu einer vorläufigen Überschuldung der GmbH in Höhe von 1 038 473,08 DM. Von der Forderung blieb schließlich nach einem im Jahr 1992 mit der Klägerin geschlossenen Vergleich noch ein Betrag von 8 165,64 DM übrig. Das Konkursverfahren wurde nach Beendigung einiger anderer Prozesse im Jahr 1996 mangels Masse eingestellt.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) ließ die Zinszahlungen in den angefochtenen Einkommensteuerbescheiden 1992 bis 1994 und dem Bescheid zur Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs zum 31. Dezember 1991 mit dem Hinweis unberücksichtigt, dass sie erst nach Beendigung der Einkünfteerzielung geleistet worden seien. Der Einspruch blieb erfolglos.

Das FG wies die Klage ab. Die Einkunftsquelle sei mit der Auflösung der GmbH durch die Konkurseröffnung entfallen. Damit hätten die in den Streitjahren aufgewendeten Zinsen nicht mehr der Einkunftserzielung gedient (Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 2004, 1289).

Mit der Revision rügen die Kläger Verletzung materiellen Rechts (§ 9 Abs. 1 Satz 1, § 17 und § 20 EStG).

Das FA hat während des Revisionsverfahrens geänderte Einkommensteuerbescheide für 1993 und 1994 erlassen.

Die Kläger beantragen, das Urteil des FG aufzuheben und unter Änderung des Verlustfeststellungsbescheides zum 31. Dezember 1991 und des Einkommensteuerbescheides für 1992 vom 2. Juli 2001, sowie der Einkommensteuerbescheide für 1993 und 1994 vom 21. Dezember 2004 den Verlust zum 31. Dezember 1991 um 53 974,64 DM zu erhöhen und die Einkommensteuer für 1992 bis 1994 unter Berücksichtigung von Schuldzinsen in Höhe von 49 194,37 DM (1992), 40 168,62 DM (1993) und 26 047,97 DM (1994) herabzusetzen,

hilfsweise, das Urteil des FG aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen.

Das FA beantragt sinngemäß, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Stattgabe der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

Der verbleibende Verlustabzug zum 31. Dezember 1991 war um die geltend gemachten Schuldzinsen in Höhe von 53 974,64 DM zu erhöhen und die für die Jahre 1992 bis 1994 festgesetzte Einkommensteuer unter Berücksichtigung von Schuldzinsen in Höhe von 49 194,37 DM (1992), 40 168,62 DM (1993) und 26 047,97 DM (1994) herabzusetzen. Die Schuldzinsen sind Werbungskosten bei den Einkünften der Klägerin aus Kapitalvermögen (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1, § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG).

1. Der erkennende Senat hat in seinem Urteil vom 21. Januar 2004 VIII R 2/02 (BFHE 205, 117, BStBl II 2004, 551) entschieden, dass die Zinsen, die ein Steuerpflichtiger zum Erwerb einer wesentlichen Beteiligung i.S. von § 17 EStG aufwendet, regelmäßig bis zur Veräußerung der Beteiligung oder bis zum Eintritt der Vermögenslosigkeit bzw. bis zur Löschung der Kapitalgesellschaft im Handelsregister als Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen abgezogen werden können (zur Abgrenzung vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 5. Oktober 2004 VIII R 64/02, BFH/NV 2005, 54). Damit stimmen der Zeitpunkt, bis zu dem die Schuldzinsen als Werbungskosten abgezogen werden können, und der Zeitpunkt, in dem ein Veräußerungs- oder Auflösungsgewinn oder -verlust i.S. von § 17 EStG entsteht, überein.

Der erforderliche Veranlassungs- bzw. Zurechnungszusammenhang der Zinsaufwendungen mit Beteiligungserträgen ist auch dann gegeben, wenn die Zinsen im Zusammenhang mit einem Darlehen anfallen, das zur Refinanzierung der Zahlungen auf eine kapitalersetzende Bürgschaft aufgenommen wurde (zu den Voraussetzungen einer kapitalersetzenden Bürgschaft vgl. u.a. BFH-Urteile vom 6. Juli 1999 VIII R 9/98, BFHE 189, 383, BStBl II 1999, 817, und vom 12. Dezember 2000 VIII R 36/97, BFH/NV 2001, 761). Mit den Beteiligten und dem rechtskräftigen Urteil des FG Köln vom 25. Januar 1995 11 K 3154/92 ist davon auszugehen, dass es sich im Streitfall um solche Bürgschaften gehandelt hat. Dementsprechend waren auch die Refinanzierungszinsen bis zur Entstehung des Auflösungsverlustes als Werbungskosten zu berücksichtigen.

Dieser Zeitpunkt ist dem erkennenden Senat nicht schon durch das Urteil des FG Köln vorgegeben, das den Auflösungsverlust spätestens im Jahr 1988 als realisiert ansah. Das Urteil betraf die Einkommensteuer der Jahre 1989 und 1991 und damit einen anderen Streitgegenstand. Der Senat ist deshalb an dieses Urteil nicht gebunden.

2. Nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats ist im Konkursverfahren über das Vermögen einer GmbH der Auflösungsverlust i.S. von § 17 Abs. 4 EStG regelmäßig erst mit Abschluss des Konkursverfahrens realisiert. Die Entstehung des Verlustes zu einem früheren Zeitpunkt setzt voraus, dass mit Zuteilungen und Rückzahlungen gemäß § 17 Abs. 4 Satz 2 EStG nicht mehr zu rechnen ist; ferner muss feststehen, ob und in welcher Höhe noch nachträgliche Anschaffungskosten oder sonstige im Rahmen des § 17 Abs. 2 EStG zu berücksichtigende wesentliche Aufwendungen anfallen werden (BFH-Urteile vom 3. Juni 1993 VIII R 81/91, BFHE 172, 407, BStBl II 1994, 162; vom 4. November 1997 VIII R 18/94, BFHE 184, 374, BStBl II 1999, 344; vom 26. Januar 1999 VIII R 50/98, BFHE 188, 295, BStBl II 1999, 559; vom 12. Oktober 1999 VIII R 46/98, BFH/NV 2000, 561; vom 25. Januar 2000 VIII R 63/98, BFHE 191, 115, BStBl II 2000, 343; vom 12. Dezember 2000 VIII R 34/94, BFH/NV 2001, 757; vom 27. November 2001 VIII R 36/00, BFHE 197, 394, BStBl II 2002, 731; vom 25. März 2003 VIII R 24/02, BFH/NV 2003, 1305; vom 21. Januar 2004 VIII R 8/02, BFH/NV 2004, 947).

Im Streitfall ist die GmbH zwar mit der Konkurseröffnung aufgelöst worden (§§ 60 Abs. 1 Nr. 4, 63 f. des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung --GmbHG--; vgl. dazu BFH-Urteil vom 3. Juni 1993 VIII R 46/91, BFH/NV 1994, 364). Das Konkursverfahren war aber in den Streitjahren noch nicht abgeschlossen.

3. Es liegen auch nicht die Voraussetzungen vor, unter denen ein Auflösungsverlust i.S. des § 17 Abs. 4 EStG ausnahmsweise bereits vor Beendigung des Konkursverfahrens entstanden ist.

Nicht zu diesen Voraussetzungen gehören die Einstellung des Gewerbebetriebs der GmbH und ihre Überschuldung; der Senat verweist insoweit auf seine Ausführungen im Urteil in BFHE 205, 117, BStBl II 2004, 551 (dort unter II.3.c bb cc der Gründe). Die GmbH war im Zeitpunkt der Konkurseröffnung auch nicht vermögenslos. Sie war es weder im Sinne des Konkursrechts (dazu BFH-Urteil in BFHE 205, 117, BStBl II 2004, 551, unter II.3.c cc der Gründe, m.w.N.), weil nach dem vom Konkursverwalter erstellten Status davon auszugehen war, dass die ihr zustehende Forderung jedenfalls in der geschätzten Höhe von 75 000 DM als Aktivvermögen anzusetzen war. Und sie war es auch nicht im Sinne der Rechtsprechung zu § 17 Abs. 4 EStG, weil nicht hinreichend objektivierbar feststand, ob und in welcher Höhe die in der Jahresbilanz der GmbH ausgewiesene Forderung in Höhe von 1 108 064,24 DM noch beitreibbar war (zum Erfordernis der Objektivierbarkeit anhand einer Rechnungslegung des Konkursverwalters vgl. ebenfalls BFH-Urteil in BFHE 205, 117, BStBl II 2004, 551, unter II.3.cc dd der Gründe, sowie BFH-Beschlüsse vom 1. April 2004 VIII B 172/03, juris, und vom 5. Januar 2005 VIII B 57/03, juris). Nach den Feststellungen des FG bestand insoweit Klarheit erst mit der Annahme des Vergleichs durch die Klägerin, nach dem sie der GmbH noch 8 165,64 DM schuldete. Zu einem Abschluss des Konkursverfahrens kam es aber erst im Jahr 1996 nach Beendigung weiterer vom Konkursverwalter geführter Prozesse; die im Interesse einer für die Praxis handhabbaren Prognose über die Entwicklung des Konkursverfahrens erforderliche Dokumentation über die Vermögensverhältnisse der GmbH lag damit erst mit dem Beschluss des Konkursgerichts vor, das Konkursverfahren mangels Masse einzustellen. Es kann deshalb offen bleiben, ob bis zu diesem Zeitpunkt auch ein Zwangsvergleich noch ernstlich in Betracht kam.

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