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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 24.08.2004
Aktenzeichen: VIII R 50/03
Rechtsgebiete: EStG, AO 1977, SGB XI


Vorschriften:

EStG § 32 Abs. 1 Nr. 2
EStG § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3
EStG § 33b Abs. 3
EStG § 52 Abs. 40 Satz 1
AO 1977 § 162
SGB XI § 36
SGB XI § 37
1. § 52 Abs. 40 Satz 1 EStG (i.d.F. des StÄndG 2003), wonach die geänderte Fassung des § 32 Abs. 1 Nr. 2 EStG (Pflegekinder) auf alle Fälle anzuwenden ist, in denen die Einkommensteuer noch nicht bestandskräftig festgesetzt ist, ist über seinen Wortlaut hinaus auch auf nicht bestandskräftige Bescheide über Kindergeld anzuwenden.

2. Bei der Ermittlung des notwendigen behinderungsbedingten Mehrbedarfs im Rahmen des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG ist der Pauschbetrag des § 33b Abs. 3 EStG nicht zusätzlich zu den Leistungen der Eingliederungshilfe und dem Pflegegeld zu berücksichtigen (Änderung der Rechtsprechung in dem BFH-Urteil vom 15. Oktober 1999 VI R 183/97, BFHE 189, 442, BStBl II 2000, 72).

3. Steht ein notwendiger behinderungsbedingter Mehrbedarf während der Zeit der häuslichen Pflege dem Grunde nach fest, ist die Höhe der Aufwendungen zur Deckung dieses Mehrbedarfs ggf. zu schätzen. Dabei müssen die Hilfeleistungen der Eltern außer Betracht bleiben und die Beträge geschätzt werden, die bei Inanspruchnahme fremder Dienstleister angefallen wären.

4. Bei einer teilstationären Unterbringung eines behinderten Kindes besteht eine tatsächliche Vermutung dahin, dass während der Zeit der häuslichen Pflege ein notwendiger Mehrbedarf mindestens in Höhe des tatsächlich gezahlten Pflegegeldes besteht.


Gründe:

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) hat ihren 1951 geborenen Bruder seit August 1990 in ihren Haushalt aufgenommen und ist seit 1997 als seine Betreuerin bestellt. Der Bruder ist zu 100 v.H. in der Erwerbsfähigkeit gemindert und in seinem Schwerbehindertenausweis sind zusätzlich die Merkzeichen "G" und "H" eingetragen. Er bedarf ständiger Begleitung. Er ist teilstationär in einer Behindertenwerkstatt untergebracht. Die Kosten dafür werden im Rahmen der Eingliederungshilfe übernommen.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (Beklagter) lehnte den Antrag der Klägerin auf Festsetzung von Kindergeld für ihren Bruder ab.

Die Klage mit dem Begehren, den Beklagten zu verpflichten, Kindergeld für die Zeit von Mai 1998 bis November 2001 in gesetzlicher Höhe zu gewähren, hatte keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) entschied, der Bruder könne nicht als Pflegekind der Klägerin berücksichtigt werden, weil dafür erforderlich gewesen wäre, dass sie ihn zu einem nicht unwesentlichen Teil auf ihre eigenen Kosten unterhalte. Dies sei nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung nur dann der Fall, wenn die Pflegeeltern ca. 20 v.H. der gesamten Unterhaltskosten des Kindes trügen. Diese Voraussetzung sei im Streitfall nicht erfüllt. Denn die verfügbaren eigenen Mittel des Bruders hätten seinen Bedarf überstiegen. Zwar sei die Frage, ob ein Kindergeldanspruch bestehe, grundsätzlich monatsbezogen zu prüfen. Eine Jahresberechnung sei aber dann zulässig, wenn sie zu demselben Ergebnis führe, weil --wie im Streitfall-- gleich bleibende Verhältnisse vorlägen.

Das FG hat seine Berechnung für alle Jahre nach dem nachfolgenden, beispielhaft für das Jahr 1999 wiedergegebenen Muster durchgeführt:

 1. Bedarf 
Grundbedarf13 020,00 DM
Werkstatt ohne Verpflegung14 583,05 DM
Transportkosten3 308,89 DM
Pflege4 800,00 DM
 35 711,94 DM
2. Verfügbare Mittel 
Erwerbsunfähigkeitsrente abzgl. Kostenpauschalen13 124,68 DM
Arbeitslohn abzgl. Arbeitnehmer-Pauschbetrag1 649,83 DM
Eingliederungshilfe18 574,50 DM
Leistungen der Pflegeversicherung4 800,00 DM
 38 149,01 DM
3. Übersteigende Mittel2 437,07 DM

Das FG hat sodann alternativ jeweils eine Berechnung durchgeführt, bei der es den Bedarf um den (anteiligen) Pauschbetrag gemäß § § 33b Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) von jährlich 7 200 DM erhöht hat. Dabei ergab sich jeweils ein Überschuss des Bedarfs über die Einnahmen, der jedoch für den gesamten streitigen Zeitraum deutlich unter 20 v.H. lag. Das Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2003, 1391 veröffentlicht.

Die Klägerin rügt mit ihrer Revision eine Verletzung der §§ 32 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG sowie des §§ 76 Abs. 1 und 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO).

Sie beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, Kindergeld für die Zeit von Mai 1998 bis November 2001 in gesetzlicher Höhe zu gewähren.

Der Beklagte beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Die Revision der Klägerin ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FGO). Die tatsächlichen Feststellungen des FG reichen nicht aus, um zu entscheiden, ob der Bruder der Klägerin während des streitigen Zeitraums i.S. des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG außerstande war, sich selbst zu unterhalten.

1. Der Bruder der Klägerin ist ein Pflegekind i.S. des § 32 Abs. 1 Nr. 2 EStG i.d.F. des Zweiten Gesetzes zur Änderung steuerlicher Vorschriften (Steueränderungsgesetz 2003 --StÄndG 2003--) vom 15. Dezember 2003 (BGBl I 2003, 2645, BStBl I 2003, 710). Danach sind Pflegekinder abweichend von der bisherigen Gesetzesfassung, auf der das angefochtene Urteil beruht, Personen, mit denen der Steuerpflichtige durch ein familienähnliches, auf längere Dauer berechnetes Band verbunden ist, sofern er sie nicht zu Erwerbszwecken in seinen Haushalt aufgenommen hat und das Obhuts- und Pflegeverhältnis zu den Eltern nicht mehr besteht. Das Tatbestandsmerkmal, dass der Steuerpflichtige das Kind zu einem nicht unwesentlichen Teil auf seine Kosten unterhalten muss, ist entfallen.

a) Die Neufassung des § 32 Abs. 1 Nr. 2 EStG ist dem Streitfall zugrunde zu legen. Denn gemäß § 52 Abs. 40 Satz 1 EStG i.d.F. des StÄndG 2003 ist die geänderte Fassung in allen Fällen anzuwenden, in denen die Einkommensteuer noch nicht bestandskräftig festgesetzt ist. Diese Rückwirkung muss ihrem Sinn und Zweck nach nicht nur für die Einkommensteuer, sondern auch für das Kindergeld gelten, wenn dieses noch nicht bestandskräftig festgesetzt bzw. die Festsetzung noch nicht bestandskräftig abgelehnt worden ist. Denn wegen der Verknüpfung von Einkommensteuer und Kindergeld durch die sog. Günstigerprüfung gemäß § 31 Satz 4 EStG wäre es nicht einleuchtend, unterschiedliche Zuordnungen von Kindern für das Kindergeld einerseits und für die Einkommensteuer andererseits vorzunehmen (vgl. zur Harmonisierung von Einkommensteuer- und Kindergeldrecht auch Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 20. April 2004 VIII R 88/00, BFH/NV 2004, 1103, unter II.2.b der Gründe). Da sich die Rückwirkung begünstigend auswirkt, bestehen auch keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen eine rückwirkende Anwendung der Vorschrift.

b) Im Streitfall ist der gesetzliche Tatbestand des § 32 Abs. 1 Nr. 2 EStG i.d.F. des StÄndG 2003 erfüllt, da die Klägerin und ihr Bruder durch ein familiäres und auf längere Dauer berechnetes Band verbunden sind und ein Obhuts- und Pflegeverhältnis zu den Eltern nicht mehr besteht.

2. Der Senat kann auf der Grundlage der bisherigen tatsächlichen Feststellungen des FG nicht selbst entscheiden, ob der Bruder der Klägerin außerstande war, sich selbst zu unterhalten (§ 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG).

a) Das FG hat zutreffend angenommen, dass der Kindergeldanspruch grundsätzlich monatsbezogen zu ermitteln ist (vgl. BFH-Urteil vom 16. Dezember 2002 VIII R 65/99, BFHE 201, 195, BStBl II 2003, 593). Die gleichwohl durchgeführte jahresbezogene Berechnung ist revisionsrechtlich aber dann nicht zu beanstanden, wenn sie zu demselben Ergebnis führt. Davon ist das FG wegen der gleich bleibenden Verhältnisse im Streitfall ausgegangen. Es liegen keine Anhaltspunkte dafür vor und auch die Klägerin hat nicht geltend gemacht, dass diese Annahme fehlerhaft sein könnte.

b) Für den Fall, dass ein ausschließlich zu Hause gepflegtes bzw. betreutes behindertes Kind anstelle der häuslichen Pflegehilfe als Sachleistung gemäß § 36 des Elften Buches Sozialgesetzbuch -Soziale Pflegeversicherung- (SGB XI) Pflegegeld gemäß § 37 SGB XI für selbst beschaffte Pflegehilfen erhält, hat der VI. Senat des BFH mit Urteil vom 15. Oktober 1999 VI R 183/97 (BFHE 189, 442, BStBl II 2000, 72) entschieden, dass bei der Prüfung, ob dieses Kind außerstande ist, sich selbst zu unterhalten, ein behinderungsbedingter Mehrbedarf in Höhe der Pauschbeträge des § 33b Abs. 3 EStG zu berücksichtigen und dieser pauschale Mehrbedarf nicht mit einem erhaltenen Pflegegeld zu verrechnen sei. Er hat das Verbot einer Verrechnung damit begründet, dass der Zweck des Pflegegeldes darin liege, die häusliche Pflege des Behinderten zu fördern und dadurch --auch zugunsten der öffentlichen Hand-- eine sonst erforderliche Heimpflege hinauszuschieben oder ganz zu verhindern. Dem entspreche die Wertung des § 13 Abs. 5 SGB XI, wonach die Leistungen der Pflegeversicherung als Einkommen bei Sozialleistungen, deren Gewährung von anderen Einkommen abhängig sei, unberücksichtigt bleiben (zustimmend z.B. Helmke/Bauer, Familienleistungsausgleich, Kommentar, Fach A, I. Kommentierung, § 32 EStG Rz. 115; Greite in Korn, Einkommensteuergesetz, Kommentar, § 32 Rz. 61; Pust in Littmann/Bitz/Pust, Das Einkommensteuerrecht, Kommentar, 15. Aufl., § 32 EStG Rz. 484).

Nach Auffassung des erkennenden Senats ist es aus systematischen Gründen nicht möglich, den Pauschbetrag nach § 33b EStG zusätzlich zu den Leistungen der Eingliederungshilfe und dem Pflegegeld als behinderungsbedingten Mehrbedarf anzusetzen. Denn dieser Pauschbetrag dient dazu, aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung sämtliche laufende Aufwendungen, die typischerweise mit der Behinderung zusammenhängen, abzugelten. Es ist bei der Veranlagung zur Einkommensteuer nicht zulässig, sowohl den Pauschbetrag in Anspruch zu nehmen und zusätzlich für einen Teil der Aufwendungen, die mit dem Pauschbetrag abgegolten werden, gleichwohl den Einzelnachweis zu führen (vgl. BFH-Urteil vom 11. Dezember 1987 III R 95/85, BFHE 152, 131, BStBl II 1988, 275). Es ist kein überzeugender Grund dafür ersichtlich, dies bei der Ermittlung des behinderungsbedingten Mehrbedarfs i.S. des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG anders zu beurteilen und hier solche Aufwendungen, die bereits von dem Pauschbetrag erfasst werden, nochmals als Bedarf anzusetzen. Derartige Gründe haben auch diejenigen FG, die den vollen Behinderten-Pauschbetrag bei einer teilstationären Unterbringung berücksichtigt haben, nicht überzeugend dargelegt (vgl. FG des Landes Sachsen-Anhalt, Urteil vom 3. April 2000 2 K 131/99, EFG 2000, 875; FG des Landes Brandenburg, Urteil vom 5. Dezember 2001 6 K 399/00, EFG 2002, 336; Niedersächsisches FG, Urteil vom 24. September 2002 8 K 30/00, EFG 2003, 470).

Der Senat verkennt nicht, dass eine konkrete Ermittlung des behinderungsbedingten Mehrbedarfs arbeitsaufwendig ist. Es ist jedoch Sache des Gesetzgebers oder der Verwaltung, zu bestimmen, ob und in welcher Weise für Sachverhalte der vorliegenden Art im Interesse der Verwaltungsvereinfachung und zur Entlastung der Gerichte pauschalierende Regelungen getroffen werden sollen und inwieweit die Bereitschaft von Eltern, ihre Kinder selbst zu Hause zu pflegen, durch eine Kumulation von Pauschbeträgen und Einzelnachweis gefördert werden soll.

c) Bei einer teilstationären Unterbringung eines behinderten Kindes, deren Kosten im Rahmen der Eingliederungshilfe vom zuständigen Träger übernommen werden, ist ein behinderungsbedingter Mehrbedarf, der zusätzlich zu den Aufwendungen für die teilstationäre Unterbringung anfällt, nach zutreffender Auffassung der Vorinstanz und entgegen der Auffassung des Beklagten aber nicht nur dann zu berücksichtigen, wenn die dafür angefallenen Kosten nachgewiesen werden. Vielmehr ist offensichtlich, dass ein behindertes Kind mit dem Merkmal "H" während des Aufenthaltes in dem Haushalt, in dem es lebt, der Betreuung bedarf und nicht ohne Hilfeleistungen anderer Personen auskommt. Deshalb kann kein Zweifel daran bestehen, dass auch ein teilstationär untergebrachtes Kind dem Grunde nach einen ausschließlich behinderungsbedingten Bedarf haben kann, der über die Kosten für die teilstationäre Unterbringung und die damit zusammenhängenden Fahrtkosten hinausgeht und der nicht mit dem Grundbetrag abgegolten ist.

aa) Steht ein bestimmter behinderungsbedingter Mehrbedarf des Kindes, z.B. für notwendige Pflegeleistungen im häuslichen Bereich, dem Grunde nach zur Überzeugung des Gerichts fest, ist seine Höhe dann, wenn eine Berechnung nicht möglich ist, zu schätzen (§ 162 der Abgabenordnung --AO 1977--). Davon geht --ohne dies allerdings einzuräumen-- auch der Beklagte bei seinen Berechnungen aus. Denn indem er das Pflegegeld von monatlich 400 DM, das dem Bruder unstreitig zugeflossen ist, anders als die Leistungen im Rahmen der Eingliederungshilfe weder auf der Einnahmeseite noch auf der Bedarfsseite berücksichtigt, erkennt er an, dass dem Bruder zusätzlich zu den Kosten für die teilstationäre Unterbringung und den Fahrtkosten ein weiterer behinderungsbedingter Mehrbedarf entstanden ist.

bb) Bei der Ermittlung des behinderungsbedingten Mehrbedarfs, der bei einer teilstationären Unterbringung während der Zeit der häuslichen Pflege anfällt, ist von einer tatsächlichen Vermutung des Inhalts auszugehen, dass für die häusliche Pflege mindestens ein Mehrbedarf in Höhe des gezahlten Pflegegeldes entsteht.

Darüber hinaus ist jedoch zu bedenken, dass ein behindertes Kind nur dann zum Selbstunterhalt i.S. des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG imstande ist, wenn es über eine wirtschaftliche Leistungsfähigkeit verfügt, die zur Bestreitung seines gesamten notwendigen behinderungsbedingten Mehrbedarfs ausreicht (vgl. BFH-Urteil in BFHE 189, 442, BStBl II 2000, 72, unter 1.c der Gründe). Bei der Ermittlung, welche Aufwendungen zur Deckung des Mehrbedarfs notwendig sind, müssen die Hilfeleistungen der Eltern außer Betracht bleiben. Denn wenn die tatsächlich von den Eltern erbrachten Hilfeleistungen als bedarfsmindernd berücksichtigt würden, könnten genau die Unterhaltsbeiträge der Eltern zum Ausschluss des Kindergeldanspruchs führen, die das Kindergeld abgelten soll.

Danach kann im Streitfall nicht ausgeschlossen werden, dass der Bruder der Klägerin für die notwendigen häuslichen Pflegeleistungen dann, wenn man die Leistungen der Klägerin oder sonstiger Haushaltsangehöriger hinwegdenkt und diese von fremden Personen erbracht würden, einen höheren Betrag als das Pflegegeld nach § 37 SGB XI zahlen müsste. Hierfür könnte sprechen, dass die Beträge, die für eine häusliche Pflege als Pflegesachleistung in § 36 Abs. 3 SGB XI für die jeweilige Pflegestufe festgesetzt sind, höher sind als das entsprechende Pflegegeld nach § 37 SGB XI. In diesem Fall wäre der Pflegebedarf des Bruders höher zu bewerten als das tatsächlich gezahlte Pflegegeld.

cc) Ob darüber hinaus Aufwendungen für Arznei- und Stärkungsmittel, Wäschemehrbedarf, Erholung oder Fahrtkosten (vgl. BFH-Urteile vom 28. Februar 1968 VI R 192/67, BFHE 92, 3, BStBl II 1968, 437; vom 6. November 1970 VI R 77/68, BFHE 100, 397, BStBl II 1971, 104) zu berücksichtigen sind, hängt davon ab, inwieweit das Entstehen solcher Aufwendungen dem Grunde und der Höhe nach substantiiert dargelegt und glaubhaft gemacht wird. Dabei wären vorhersehbare, nicht monatlich anfallende Mehraufwendungen, auf die man sich bei vorausschauender Bedarfsplanung einstellen kann, mit einer monatlichen Durchschnittsbelastung anzusetzen (vgl. Urteile des Bundesgerichtshofs vom 11. November 1981 IVb ZR 608/80, Neue Juristische Wochenschrift 1982, 328; vom 8. Februar 1984 IVb ZR 52/82, Zeitschrift für das gesamte Familienrecht --FamRZ-- 1984, 470; Oberlandesgericht Hamm, Urteil vom 1. März 1994 13 UF 435/93, FamRZ 1994, 1281).

3. Das FG ist --im Zeitpunkt seiner Entscheidung zu Recht-- von einer anderen Gesetzeslage ausgegangen. Das angefochtene Urteil ist deshalb aufzuheben. Die Sache ist nicht spruchreif und deshalb an das FG zurückzuverweisen. Dieses wird im zweiten Rechtsgang zu klären haben, ob für die häusliche Pflege ein behinderungsbedingter Mehrbedarf anzusetzen ist, der das Pflegegeld übersteigt. Da die Klägerin wegen der Zurückverweisung Gelegenheit erhält, ihren Sachvortrag bezüglich eventueller weiterer behinderungsbedingter Mehraufwendungen zu substantiieren, kann offen bleiben, ob sie einen Verfahrensfehler des FG schlüssig gerügt hat und ob ggf. ein solcher tatsächlich vorgelegen hat.

Ende der Entscheidung

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