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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 15.12.1998
Aktenzeichen: VIII R 52/97
Rechtsgebiete: AO 1977, FGO


Vorschriften:

AO 1977 § 171 Abs. 4
AO 1977 § 169 Abs. 2
AO 1977 § 202 Abs. 1 Satz 3
FGO § 76 Abs. 1 Satz 1
FGO § 76 Abs. 2
FGO § 126 Abs. 3 Nr. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe

Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) waren Kommanditisten einer GmbH & Co. KG (im folgenden: KG), über deren Vermögen am 1. September 1987 das Konkursverfahren eröffnet wurde. Die das Streitjahr 1987 betreffende Erklärung der KG zur gesonderten und einheitlichen Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für die Einkommensbesteuerung wurde im Jahre 1988 abgegeben. Den zunächst an den Konkursverwalter adressierten Gewinnfeststellungsbescheid hob der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) im Juli 1992 aus formellen Gründen auf. Unter dem Datum des 28. Dezember 1993 erließ er einen neuen Feststellungsbescheid, der den Klägern noch im Jahre 1993 bekanntgegeben wurde.

Das FA wies den Einspruch als unbegründet zurück. Es entschied, entgegen der Auffassung der Kläger sei die Feststellungsfrist noch nicht abgelaufen, weil für die Zeiträume 1984 bis 1987 eine Außenprüfung durchgeführt und im Jahre 1989 abgeschlossen worden sei. Die Festsetzungsfrist habe daher gemäß § 171 Abs. 4 i.V.m. § 169 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO 1977) mit Ablauf des 31. Dezember 1993 geendet, so daß der Feststellungsbescheid am 28. Dezember 1993 noch habe erlassen werden können.

Die Kläger machten zur Begründung der Klage u.a. geltend, daß eine Außenprüfung für den Besteuerungszeitraum 1987 niemals stattgefunden habe und der Gesellschaft auch eine entsprechende Prüfungsanordnung nicht bekanntgegeben worden sei. Das FA erwiderte darauf u.a. mit einem Hinweis auf die Einspruchsentscheidung.

Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt und hob den angefochtenen Gewinnfeststellungsbescheid mit der Begründung auf, daß im Zeitpunkt seines Erlasses bereits eine Feststellungsverjährung eingetreten gewesen sei. Die normale Feststellungsfrist habe am 31. Dezember 1992 geendet. Eine Ablaufhemmung nach § 171 Abs. 4 AO 1977 sei nicht eingetreten, da aus den dem Gericht vorliegenden Akten nicht ersichtlich sei, daß bei der KG seinerzeit eine Außenprüfung durchgeführt worden sei. Weder sei der Erlaß einer Prüfungsanordnung gegenüber der KG noch der Abschluß der Prüfung durch Vorlage eines Prüfungsberichts erkennbar.

Das FA rügt mit der Revision eine Verletzung der Pflicht zur richterlichen Sachaufklärung (§ 76 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) und der Hinweispflicht (§ 76 Abs. 2 FGO). Es macht geltend, daß das FG der zwischen den Beteiligten streitigen tatsächlichen Frage, ob eine Außenprüfung stattgefunden habe, weder im schriftlichen Verfahren noch im Rahmen der mündlichen Verhandlung nachgegangen sei. Es habe lediglich die vom FA eingereichten Akten geprüft, jedoch bei ihm keinerlei Nachforschungen angeregt, ob entsprechende Unterlagen existieren oder solche gar angefordert. Es habe während des Verfahrens auch nicht darauf hingewiesen, daß es Zweifel hege, ob eine Außenprüfung stattgefunden habe. Wäre dies geschehen, wäre es, das FA, darauf aufmerksam geworden, daß sich die fraglichen Unterlagen nicht bei den Prozeßakten befunden hätten und es hätte die Akten mit der Prüfungsanordnung und dem Betriebsprüfungsbericht nachgereicht. Ein Verstoß gegen seine Mitwirkungspflicht liege nicht vor, weil das FG an der Durchführung einer Außenprüfung keine Zweifel geäußert habe. Das Urteil beruhe auf dem gerügten Verfahrensfehler. Das FG hätte bei Vorlage der die Außenprüfung betreffenden Akten annehmen müssen, daß eine Ablaufhemmung aufgrund der am 25. April 1989 begonnenen Außenprüfung gemäß § 171 Abs. 4 i.V.m. § 202 Abs. 1 Satz 3 und § 169 Abs. 2 AO 1977 mit der Folge eingetreten sei, daß die Feststellungsfrist am 31. Dezember 1993 geendet habe.

Das FA beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben.

Die Kläger beantragen, die Revision zurückzuweisen.

Sie machen geltend, das FG habe das FA entgegen seiner Darstellung darauf aufmerksam gemacht, daß die Akten über die Außenprüfung nicht vorgelegt worden seien. Dies ergebe sich aus einem Aktenvermerk des Berichterstatters des FG vom 5. März 1997.

Die Revision des FA ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO).

1. Die Vorentscheidung ist aufzuheben, weil sie auf einer Verletzung von Verfahrensrecht beruht. Die schlüssig erhobene Rüge des FA, das FG habe unter Verstoß gegen seine Verpflichtung zur Aufklärung des Sachverhalts (§ 76 Abs. 1 Satz 1 FGO) festgestellt, daß bei der KG keine Außenprüfung durchgeführt worden sei, ist begründet.

a) Das FG hat seine Feststellung, bei der KG habe keine Außenprüfung stattgefunden, darauf gestützt, daß die Durchführung einer Außenprüfung aus den dem Gericht vorliegenden Akten nicht ersichtlich sei. Diese tatsächliche Feststellung ist verfahrensfehlerhaft zustande gekommen, weil das FG ausweislich der das Klageverfahren betreffenden Akte das FA nicht zur Vorlage der Akten über die Außenprüfung aufgefordert hatte. Übersendet das FA mit der Klageerwiderung entgegen seiner Verpflichtung (§ 71 Abs. 2 FGO) die den Streitfall betreffenden Akten nicht oder nur unvollständig, so hat das Gericht diese Akten ggf. anzufordern (Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 26. Juni 1996 X R 53/95, BFH/NV 1997, 293, m.w.N.). Es verstößt gegen seine Verpflichtung zur Ermittlung des Sachverhalts, wenn es --wie im Streitfall-- ohne vorherige Aufforderung zur Übersendung der Akten Schlußfolgerungen aus dem Fehlen der Akten zieht.

Dieser Verfahrensfehler liegt selbst dann vor, wenn das FA im Streitfall nicht in der Lage gewesen wäre, bei einer entsprechenden Aufforderung durch das FG die Akten über die Außenprüfung zu übersenden. Denn auch in diesem Fall wäre das FG nicht ohne weiteres zu der Feststellung berechtigt gewesen, daß eine Außenprüfung nicht stattgefunden habe. Solange das FA seine Behauptung, es sei eine Außenprüfung durchgeführt worden, aufrechterhält, muß das FG in anderer geeigneter Weise über den Erlaß der Prüfungsanordnung und die Durchführung der Außenprüfung Beweis erheben.

Das FA hat durch sein Verhalten in der mündlichen Verhandlung auch nicht auf die Rüge des Aufklärungsmangels verzichtet. Denn da es nach seinem Vortrag davon ausging, daß es dem FG die Akten über die Außenprüfung übersandt habe, war aus seiner Sicht ein ausreichender Nachweis für die Durchführung der Außenprüfung erbracht und waren weitere Beweisantritte ohne eine entsprechende Aufforderung durch das FG nicht erforderlich. Das FG hat ausweislich des Sitzungsprotokolls auch in der mündlichen Verhandlung nicht auf das Fehlen der Akten über die Außenprüfung hingewiesen oder zum Beweisantritt aufgefordert.

b) Zu einem anderen Ergebnis führt auch nicht der Aktenvermerk des Berichterstatters des FG vom 5. März 1997. Er ist erst mehrere Wochen nach Abschluß des Verfahrens gefertigt worden. Das FA hat die Richtigkeit des Inhalts des Aktenvermerks nicht zugestanden. Doch selbst wenn der Inhalt des Aktenvermerks den tatsächlichen Gegebenheiten entspricht, durfte --wie oben dargelegt-- allein der Umstand, daß das FA die Außenprüfungsakte nicht vorgelegt hatte, das FG nicht zu der Feststellung veranlassen, es habe eine Außenprüfung nicht stattgefunden.

2. Die Sache ist nicht spruchreif und deshalb an das FG zurückzuverweisen. Das FG wird unter Berücksichtigung des Inhalts der nunmehr vorliegenden Außenprüfungsakte erneut über die Frage der Verjährung und sodann ggf. über den Hilfsantrag auf Änderung des angefochtenen Gewinnfeststellungsbescheides zu entscheiden haben.

Ende der Entscheidung

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