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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 15.07.2003
Aktenzeichen: VIII R 56/00
Rechtsgebiete: EStG, AFG
Vorschriften:
EStG 1997 § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 | |
AFG § 101 | |
AFG § 103 | |
AFG § 132 Abs. 1 |
Gründe:
I.
Der 1976 geborene S, der Sohn der Klägerin und Revisionsbeklagten (Klägerin), war seit August 1996 bei der Arbeitsvermittlung des Arbeitsamtes X arbeitslos gemeldet. Ende November 1996 teilte das Kreiswehrersatzamt Z ihm mit, dass er möglicherweise kurzfristig zum 2. Januar 1997 zur Ableistung des Grundwehrdienstes einberufen werden würde. Falls er bis zum 23. Dezember 1996 keine Nachricht erhalte, werde er jedoch erst zum 3. März 1997 einberufen. Einladungen des Arbeitsamtes X gemäß § 132 des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG) zum 23. Dezember 1996 und zum 3. Januar 1997 nahm S nicht wahr. Der Wehrdienst des S begann am 1. März 1997 um 0.00 Uhr.
Der Beklagte und Revisionskläger (Beklagter) hob mit Bescheid vom 20. März 1997 die Festsetzung des Kindergeldes für S ab August 1996 auf und forderte danach zuviel gezahltes Kindergeld für die Monate August 1996 bis März 1997 in Höhe von 1 660 DM zurück. Der Einspruch der Klägerin gegen den Bescheid hatte nur insoweit Erfolg, als die Aufhebung der Kindergeldfestsetzung für die Monate August bis Dezember 1996 aufgehoben wurde. An der Aufhebung der Kindergeldfestsetzung für die Monate Januar bis März 1997 und der Erstattungspflicht der Klägerin in Höhe von 660 DM hielt der Beklagte jedoch fest.
Das Finanzgericht (FG) gab der Klage mit den in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2000, 1256 veröffentlichten Gründen insoweit statt, als die Aufhebung der Kindergeldfestsetzung für die Monate Januar und Februar 1997 aufgehoben wurde. Im Übrigen wies das FG die Klage ab.
Mit seiner Revision rügt der Beklagte die Verletzung des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Er macht geltend, dass ein Zuwarten des Kindes auf den Beginn des Wehrdienstes ohne subjektive Arbeitsbereitschaft keinen der Berücksichtigungstatbestände für das Kindergeld erfülle.
Der Beklagte beantragt, die Vorentscheidung insoweit aufzuheben, als für Januar und Februar 1997 Kindergeld festgesetzt worden ist, und die Klage vollständig abzuweisen.
Die Klägerin hat keinen Antrag gestellt.
II.
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils bezüglich des Kindergeldanspruchs für Januar und Februar 1997 und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
Der Klägerin steht für die Monate Januar und Februar 1997 kein Kindergeld für S zu.
a) Zu Unrecht hat das FG es für ausreichend erachtet, dass S wegen des bevorstehenden Beginns seines Wehrdienstes faktisch durch das Arbeitsamt schwer vermittelbar gewesen sein dürfte und sich daher in einer Zwangspause, vergleichbar der Zwangspause zwischen dem Ende des Wehrdienstes und dem Beginn einer Ausbildung i.S. des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b EStG, befand. Der Regelung des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b EStG liegt der Gedanke zugrunde, dass ein Kind bei einer Übergangszeit von nicht mehr als vier Monaten regelmäßig nicht in der Lage ist, eine Erwerbstätigkeit zu finden. Eine vergleichbare Situation besteht im Falle eines arbeitslosen Kindes nicht. Ein Kind, dessen Einberufung zum Wehrdienst unmittelbar bevorsteht, mag zwar schwer vermittelbar sein. Das Risiko der Vermittelbarkeit trägt in diesen Fällen jedoch das Arbeitsamt (vgl. Schieckel, Arbeitsförderungsgesetz, Kommentar, § 103 Anm. I.1.).
b) In Betracht kommt hier somit lediglich ein Anspruch der Klägerin aus § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 EStG. Die Vorschrift setzte in der im streitigen Zeitraum geltenden Fassung (EStG 1997, im Folgenden: EStG) voraus, dass ein Kind, welches das 18., aber noch nicht das 21. Lebensjahr vollendet hatte, arbeitslos war und der Arbeitsvermittlung im Inland zur Verfügung stand. Diese Voraussetzungen waren im Streitfall nicht erfüllt.
aa) Die Tatbestandsmerkmale "arbeitslos" und "der Arbeitsvermittlung zur Verfügung stehend" des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 EStG richten sich für den streitigen Zeitraum nach den §§ 101, 103 AFG (ebenso bereits Niedersächsisches FG, Urteil vom 19. Januar 1999 I 158/98, juris; FG Berlin, Urteil vom 20. Juli 1999 5 K 5447/97, EFG 1999, 1188; FG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 9. August 1999 5 K 2610/98, EFG 1999, 1295, 1296).
Nach § 101 Abs. 1 Satz 1 AFG in der im Streitjahr von Januar bis 31. März gültigen Fassung war arbeitslos ein Arbeitnehmer, der vorübergehend nicht in einem Beschäftigungsverhältnis stand oder nur eine kurzzeitige Beschäftigung ausübte.
Der Arbeitsvermittlung stand gemäß § 103 Abs. 1 AFG zur Verfügung, wer
1. eine zumutbare, nach § 168 AFG die Beitragspflicht begründende Beschäftigung unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes ausüben konnte und durfte,
2. bereit war,
a) jede zumutbare Beschäftigung anzunehmen, die er ausüben konnte und durfte sowie
b) an zumutbaren Maßnahmen zur beruflichen Ausbildung, Fortbildung, Umschulung, zur beruflichen Rehabilitation sowie an Trainingsmaßnahmen teilzunehmen, sowie
3. das Arbeitsamt täglich aufsuchen konnte und für das Arbeitsamt erreichbar war.
Die Arbeitsbereitschaft i.S. von § 103 Abs. 1 AFG ist eine innere Tatsache, deren Vorliegen nach außen dokumentiert werden muss (vgl. Knigge/Ketelsen/Marschall/Wittrock, Kommentar zum Arbeitsförderungsgesetz, 2. Aufl., § 103 Anm. 25). Mangelnde Arbeitsbereitschaft wird z.B. durch die Verletzung der Meldepflicht gemäß § 132 Abs. 1 AFG indiziert (vgl. Schieckel, a.a.O., § 132 Anm. II.1.). Der fehlende Nachweis der Arbeitsbereitschaft geht jedenfalls dann zu Lasten des Arbeitslosen, wenn sein Verhalten den Schluss auf das Fehlen der Arbeitsbereitschaft zulässt (Schelter, Arbeitsförderungsgesetz, Kommentar, § 103 Rn. 19).
bb) S war während der Monate Januar und Februar 1997 arbeitslos i.S. des § 101 AFG, denn er stand vorübergehend nicht in einem Beschäftigungsverhältnis.
cc) S stand in dieser Zeit jedoch nicht der Arbeitsvermittlung zur Verfügung. Die mehrfache Verletzung der Meldepflicht begründet die tatsächliche Vermutung, dass S nicht bereit war, jede ihm zumutbare Beschäftigung anzunehmen. Die Vermutung der fehlenden Verfügbarkeit des S ist auch nicht erschüttert. Nach den vom FG getroffenen Feststellungen hat S keine Gesichtspunkte vorgetragen, aus denen sich auf seine fortbestehende Verfügbarkeit schließen ließe. Es ist auch nicht ersichtlich, dass er seine Arbeitsbereitschaft in sonstiger Weise gezeigt hätte. Dabei kann S sich nicht darauf berufen, dass er wegen des unmittelbar bevorstehenden Beginns seines Wehrdienstes weitere Bemühungen für entbehrlich halten durfte, denn jedenfalls bei der Einladung des Arbeitsamtes zum 3. Januar 1997, die ihm am oder nach dem 23. Dezember 1996 zugegangen sein muss, wusste er, dass er nicht zum 2. Januar 1997 würde einberufen werden. Daraus lässt sich schließen, dass S --unabhängig von dem Zeitpunkt des Beginns seines Wehrdienstes-- an einer Vermittlung durch das Arbeitsamt nicht mehr ernsthaft interessiert war.
Ende der Entscheidung
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