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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 27.03.2007
Aktenzeichen: VIII R 60/05
Rechtsgebiete: EStG, KStG
Vorschriften:
EStG § 3 Nr. 40 Satz 1 Buchst. c | |
EStG § 17 Abs. 4 Satz 1 | |
EStG § 52 Abs. 4 b Satz 1 Nr. 2 | |
EStG § 52 Abs. 34 a | |
KStG § 11 Abs. 1 | |
KStG § 34 Abs. 1 | |
KStG § 34 Abs. 14 |
Gründe:
I.
Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) wurden im Streitjahr 2001 als Eheleute zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Die Klägerin war mit 25 000 DM am Stammkapital der X-GmbH (künftig: GmbH) beteiligt. Die Kläger hatten der GmbH mit Vertrag vom 31. Mai 1994 ein Darlehen in Höhe von 150 000 DM gewährt. Auf den Antrag vom 12. April 2001 wurde die GmbH am 16. Juli 2001 wegen Vermögenslosigkeit im Handelsregister gelöscht. Das Darlehen valutierte zu diesem Zeitpunkt noch mit 78 286,86 DM.
Den in der Einkommensteuererklärung für 2001 von den Klägern geltend gemachten Verlust des Stammkapitals sowie der Restdarlehensforderung berücksichtigte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) zunächst nicht als gewerblichen Verlust nach § 17 Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Mit ihrem Einspruch schränkten die Kläger den zunächst weiterhin in voller Höhe geltend gemachten Verlust nach Hinweis des FA auf den Anteil der Klägerin am Stammkapital und den hälftigen Anteil an der Darlehensforderung ein. Mit Teilabhilfebescheid berücksichtigte das FA den hälftigen gewerblichen Verlust in Höhe von 32 072 DM und wies den Einspruch im Übrigen (mit Einspruchsentscheidung vom 12. Januar 2004) als unbegründet zurück.
Das Finanzgericht (FG) gab der Klage unter Bezugnahme auf das Urteil des FG Rheinland-Pfalz vom 15. März 2005 2 K 1437/03 (Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 2005, 1347, Revision VIII R 25/05) statt.
Mit der Revision macht das FA die Verletzung materiellen Rechts geltend (§ 3 Nr. 40 Satz 1 Buchst. c i.V.m. § 52 Abs. 4 b Satz 1 Nr. 2 EStG).
§ 3 Nr. 40 Satz 1 Buchst. c EStG setze den Ablauf des ersten Wirtschaftsjahres der Kapitalgesellschaft voraus, auf welches das neue Körperschaftsteuerrecht anzuwenden sei. Es sei auf das Wirtschaftsjahr der Beteiligungsgesellschaft abzustellen. Das Körperschaftsteuergesetz i.d.F. des Art. 3 des Gesetzes zur Senkung der Steuersätze und zur Reform der Unternehmensbesteuerung vom 23. Oktober 2000 --StSenkG 2001/2002-- (BGBl I 2000, 1433, BStBl I 2000, 1428) --KStG-- sei aber erstmals für den Veranlagungszeitraum 2001 anzuwenden (vgl. § 34 Abs. 1 KStG).
Die Anwendungsregelung des § 52 Abs. 4 b Satz 1 Nr. 2 EStG setze ein Erstjahr für die erstmalige Anwendung des neuen Körperschaftsteuerrechts bei der Kapitalgesellschaft und ein diesem folgendes zweites Wirtschaftsjahr, ab dem für einkommensteuerliche Zwecke das Halbeinkünfteverfahren zu berücksichtigen sei, voraus. Auf das am 16. Juli 2001 beendete Rumpfwirtschaftsjahr der GmbH sei bereits das KStG i.d.F. des StSenkG 2001/2002 anwendbar. Unerheblich sei, ob sich ein Liquidationszeitraum angeschlossen habe, denn nach der Auflösung werde nichts mehr erwirtschaftet, so dass ein Liquidationszeitraum ohnehin kein Wirtschaftsjahr mehr darstelle. Deshalb gehe das Bundesministerium der Finanzen (BMF) im Schreiben vom 26. August 2003 IV A 2 -S 2760- 4/03 (BStBl I 2003, 434 Tz. 1) davon aus, dass es im Abwicklungszeitraum keine Wirtschaftsjahre im steuerrechtlichen Sinne mehr gebe. Somit sei hinsichtlich der erstmaligen Anwendung des Halbeinkünfteverfahrens auf die Grundregelung in § 52 Abs. 1 EStG i.d.F. des StSenkG 2001/2002 zurückzugreifen. Danach unterliege der Auflösungsverlust ab dem Veranlagungszeitraum 2001 dem Halbeinkünfteverfahren.
Die Behandlung der Liquidation auf der Gesellschaftsebene sei mit derjenigen auf der Gesellschafterebene verknüpft, denn bei der Kapitalgesellschaft sei auf alle erst nach dem 31. Dezember 2000 endenden Liquidationen neues Recht anzuwenden.
Zu Unrecht meine das FG, der auf das als erstes Wirtschaftsjahr i.S. von § 52 Abs. 4 b Satz 1 Nr. 2 EStG einzustufende Rumpfwirtschaftsjahr folgende Gewinnermittlungszeitraum sei als zweites Wirtschaftsjahr zu werten.
Das FA beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Kläger beantragen, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
II.
Die Revision ist begründet. Das angefochtene Urteil ist aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
Der Senat teilt zwar im Ergebnis die Rechtsauffassung des FG, dass auf den im Veranlagungszeitraum 2001 entstandenen Auflösungsverlust noch nicht das Halbeinkünfteverfahren anzuwenden ist. Der Senat kann indes mangels ausreichender Feststellungen nicht abschließend darüber entscheiden, ob und ggf. in welcher Höhe auch der Verlust des der GmbH gewährten Darlehens als eigenkapitalersetzende Maßnahme und damit als nachträgliche Anschaffungskosten einzubeziehen ist. Ggf. wird das FG im zweiten Rechtsgang bis zur Grenze des Verböserungsverbotes zu saldieren haben.
1. Gemäß § 17 Abs. 4 Satz 1 i.V.m. § 17 Abs. 1 Satz 1 und § 52 Abs. 34 a Satz 1 2. Halbsatz EStG gehört zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb auch der Gewinn aus der Auflösung einer Kapitalgesellschaft, wenn der Anteilseigner in den letzten fünf Jahren am Kapital der Gesellschaft wesentlich (nach Satz 4 in § 17 Abs. 1 EStG i.d.F. des Gesetzes vom 22. Dezember 1999 zu mindestens 10 v.H.) beteiligt war und er diese Beteiligung in seinem Privatvermögen gehalten hat.
Entsprechendes gilt für die aus der Auflösung einer Kapitalgesellschaft entstehenden Verluste (Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 4. November 1997 VIII R 18/94, BFHE 184, 374, BStBl II 1999, 344; zu den Voraussetzungen BFH-Urteile vom 25. Januar 2000 VIII R 63/98, BFHE 191, 115, BStBl II 2000, 343; vom 12. Dezember 2000 VIII R 36/97, BFH/NV 2001, 761 zum Zeitpunkt der Realisierung eines Auflösungsverlustes und einer ausnahmsweise früheren Realisierung vor Abschluss eines Liquidationsverfahrens).
2. Das FA wendet sich ausschließlich gegen die Nichtanwendung des Halbeinkünfteverfahrens und den dementsprechend erfolgten Ansatz des Auflösungsverlustes in voller Höhe.
a) Nach § 3 Nr. 40 Satz 1 Buchst. c Satz 1 EStG ist die Hälfte des Veräußerungspreises oder des gemeinen Wertes i.S. des § 17 Abs. 2 EStG steuerfrei. Satz 1 ist nach Satz 2 dieser Vorschrift entsprechend in den Fällen des § 17 Abs. 4 EStG anzuwenden. Diese Regelung ist nach § 52 Abs. 4 b Nr. 2 EStG i.d.F. des Gesetzes vom 23. Dezember 2002 (BGBl I 2002, 4621) erstmals anzuwenden auf Erträge i.S. des § 3 Nr. 40 Satz 1 Buchst. c (Sätze 1 und 2) EStG nach Ablauf des ersten Wirtschaftsjahres der Gesellschaft, an der die Anteile bestehen, für das das KStG i.d.F. des StSenkG 2001/2002 erstmals anzuwenden ist.
Bei einem dem Kalenderjahr entsprechenden Wirtschaftsjahr wird das neue Körperschaftsteuerrecht erstmals im Jahr 2001 angewendet. Bei einem nicht dem Kalenderjahr entsprechenden Wirtschaftsjahr wird das neue Körperschaftsteuerrecht nach § 34 Abs. 2 KStG erstmals im Veranlagungszeitraum 2002 angewandt, wenn das erste im Veranlagungszeitraum 2001 endende Wirtschaftsjahr vor dem 1. Januar 2001 begonnen hat.
Veräußerungen werden bei kalenderjahrgleichem Wirtschaftsjahr somit erstmals nach dem Halbeinkünfteverfahren besteuert, wenn die Veräußerung im Jahr 2002 erfolgt, bei einem vom Kalenderjahr abweichenden Wirtschaftsjahr für Veräußerungen erst im Jahr 2003.
Hingegen ist nach § 34 Abs. 11 Satz 1 KStG i.d.F. des Unternehmenssteuerfortentwicklungsgesetzes vom 20. Dezember 2001 (BGBl I 2001, 3858) und nach § 34 Abs. 14 Satz 1 KStG i.d.F des Fünften Gesetzes zur Änderung des Steuerbeamten-Ausbildungsgesetzes und zur Änderung von Steuergesetzen vom 23. Juli 2002 (BGBl I 2002, 2715 --dort inhaltsgleich übernommen--) das neue Körperschaftsteuerrecht erstmals auf Liquidationen anzuwenden, deren Besteuerungszeitraum im Jahr 2001 endet.
Diese Anordnung entspricht dem allgemeinen Grundsatz, dass für den gesamten Besteuerungszeitraum das zum Ende des Liquidationszeitraums geltende Recht anzuwenden ist (vgl. Gosch/ Lambrecht KStG § 34 Rz 155).
Nach § 11 Abs. 1 KStG wird der Besteuerungszeitraum abweichend von § 7 Abs. 4 KStG nicht kalenderjahrbezogen bestimmt, sondern als der die Abwicklung umfassende Zeitraum, der allerdings nach Satz 2 drei Jahre nicht übersteigen soll.
Besteuerungszeitraum ist somit grundsätzlich nicht das einzelne Kalenderjahr, sondern der gesamte Abwicklungszeitraum (BFH-Urteil vom 22. Februar 2006 I R 67/05, BFHE 213, 301). Auf der Ebene der Körperschaft ist die Liquidationsbesteuerung somit nach den Regeln des Halbeinkünfteverfahrens vorzunehmen.
Grundsätzlich wird die Anwendung des neuen Rechts auf der Ebene des Anteilseigners von der Besteuerung auf der Ebene der Kapitalgesellschaft abhängig gemacht (vgl. Crezelius, Der Betrieb --DB-- 2001, 221, 222).
b) Die besondere Anwendungsregelung in § 52 Abs. 4 b Satz 1 Nr. 2 EStG bezieht sich sowohl auf den Veräußerungsgewinn/ -verlust i.S. von § 17 Abs. 1 EStG als auch auf den Auflösungsgewinn/-verlust i.S. von § 17 Abs. 4 EStG, denn sie nimmt auf die gesamte Regelung zum Halbeinkünfteverfahren in § 3 Nr. 40 Satz 1 Buchst. c EStG Bezug (so zutreffend Oltmanns, DB 2005, 2713, 2714).
Da die Anwendungsregelung für die erstmalige Anwendung des Halbeinkünfteverfahrens indes an das Wirtschaftsjahr der Kapitalgesellschaft, nicht jedoch an den Besteuerungszeitraum der Gesellschaft anknüpft, wird die Frage unterschiedlich beantwortet, ab welchem Zeitpunkt das Halbeinkünfteverfahren auf den Anteilseigner in Liqidationsfällen anzuwenden ist.
3. a) Im Streitfall fehlen zwar ausdrückliche Feststellungen des FG, jedoch ist in Verbindung mit dem Inhalt der beigezogenen Akten davon auszugehen, dass die GmbH erst im Zeitpunkt der Eintragung der Löschung im Handelsregister wegen Vermögenslosigkeit nach § 141a des Gesetzes über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FGG) aufgelöst (vgl. § 60 Abs. 1 Nr. 7 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung --GmbHG--), und damit zugleich --liquidationslos-- vollbeendet worden ist (vgl. BFH-Urteile vom 21. Januar 2004 VIII R 2/02, BFHE 205, 117, BStBl II 2004, 551; vom 10. November 1998 VIII R 6/96, BFHE 187, 480, BStBl II 1999, 348).
Findet indes eine Liquidation mangels Masse nicht statt, so ist der Auflösungsverlust bereits im Zeitpunkt der Auflösung in Form der Löschung der Gesellschaft im Handelsregister endgültig entstanden (BFH-Urteile vom 3. Juni 1993 VIII R 81/91, BFHE 172, 407, BStBl II 1994, 162; in BFHE 205, 117, BStBl II 2004, 551).
b) Ist kein Besteuerungszeitraum zu bilden, so stellt sich die Frage nicht, ob bei Bildung eines Besteuerungszeitraums eine Gesellschaft noch ein Wirtschaftsjahr hat, an welches die Übergangsregelung in § 52 Abs. 4 b EStG bezüglich der erstmaligen Anwendung des Halbeinkünfteverfahrens nach § 3 Nr. 40 Satz 1 Buchst. c EStG anknüpfen könnte. Vielmehr ist im Streitfall der Liquidationsverlust bereits im Rumpfwirtschaftsjahr der GmbH im Veranlagungszeitraum 2001 endgültig entstanden und nicht erst nach Ablauf des ersten Wirtschaftsjahres der Gesellschaft, in welchem nach § 34 Abs. 1 KStG das neue Körperschaftsteuerrecht anzuwenden ist. § 34 Abs. 14 Satz 1 KStG kommt mangels Liquidation nicht zum Zuge.
4. Der Senat kann nicht abschließend entscheiden. Das FA hat sich zwar ausschließlich gegen die Nichtanwendung des Halbeinkünfteverfahrens gewandt. Im Ergebnis kann der Senat das Urteil jedoch nur bestätigen, wenn der Verlust nach Grund und Höhe zutreffend ermittelt worden ist. Zwar ist den Akten die Behauptung der Kläger zu entnehmen, das von der Klägerin der GmbH mit Vertrag vom 31. Mai 1994 hingegebene Darlehen sei ein sog. Finanzplandarlehen gewesen (vgl. Schreiben der Steuerberaterin der Kläger vom 23. Oktober 2002 sowie den in der Einkommensteuerakte abgehefteten Darlehensvertrag). Die Annahme eines Finanzplankredits erfordert jedoch eine grundsätzlich anhand von Indizien vorzunehmende Gesamtwürdigung des Darlehens (vgl. grundlegend BFH-Urteile in BFHE 184, 374, BStBl II 1999, 344, 347; vom 13. Juli 1999 VIII R 31/98, BFHE 189, 390, BStBl II 1999, 724, 727).
Da das FG weder den Inhalt des Darlehensvertrages noch die Begleitumstände des Vertragsschlusses noch im Übrigen hierzu Tatsachenfeststellungen getroffen hat, wird das FG im zweiten Rechtsgang die notwendigen Feststellungen nachzuholen haben.
Verneint es die Voraussetzungen für eine eigenkapitalersetzende Maßnahme oder ggf. in der geltend gemachten Höhe, so muss es dementsprechend saldieren (vgl. zum Saldierungsgebot Beschluss des Großen Senats des BFH vom 17. Juli 1967 GrS 1/66, BFHE 91, 393, BStBl II 1968, 344; BFH-Beschluss vom 19. April 2005 III B 19/04, juris; BFH-Urteil vom 24. Februar 2000 III R 80/97, BFHE 191, 280, BStBl II 2000, 294, 296), und zwar bis zur Grenze des im finanzgerichtlichen Verfahren geltenden Verböserungsverbotes (§ 96 Abs. 1 Satz 2 FGO; BFH-Urteile vom 12. Dezember 1995 VIII R 59/92, BFHE 179, 335, BStBl II 1996, 219; vom 26. November 1997 X R 146/94, BFH/NV 1998, 961).
Ende der Entscheidung
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