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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 13.10.1998
Aktenzeichen: VIII R 61/96
Rechtsgebiete: FGO, EStG, AO 1977, GewStG
Vorschriften:
FGO § 126 Abs. 2 | |
EStG § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 | |
AO 1977 § 180 Abs. 4 | |
AO 1977 § 154 | |
AO 1977 § 159 | |
GewStG § 2a |
Gründe
I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine OHG, schloß am 1. August 1987 mit der W-GmbH einen Arbeitsgemeinschaftsvertrag. Zweck der Arbeitsgemeinschaft (Arge) war der Bau von Anlagen. Der Auftrag sollte in einem Zeitraum von weniger als drei Jahren abgewickelt werden. Die Arge ermittelte ihren Gewinn durch Betriebsvermögensvergleich.
Für die Arge wurde ein Geschäftskonto (Girokonto) unter dem Namen "Arbeitsgemeinschaft Klägerin/W-GmbH" eingerichtet. Die Auftraggeber der Arge zahlten noch vor Baubeginn einen Vorschuß, der nach dem Arbeitsgemeinschaftsvertrag den Mitgliedern der Arge für Einkäufe zur Verfügung stehen sollte. Der Vorschuß wurde dem Girokonto der Arge gutgeschrieben.
Der Nettobetrag des Vorschusses wurde am 24. September 1987 mit einem von den beiden Gesellschaftern der Klägerin unterschriebenen Überweisungsauftrag auf ein anderes Girokonto bei derselben Bank überwiesen. Dieses Girokonto war zusammen mit einem Depot von den Gesellschaftern der Klägerin und dem Alleingesellschafter der GmbH unter Angabe ihrer Privatanschriften und ihrer persönlichen Daten (Familienstand, Geburtsdaten, Staatsangehörigkeit u.a.) eröffnet worden. Als Kontobezeichnung waren die Familiennamen der drei Gesellschafter vorgesehen. Die Mitteilungen der Bank (Kontoauszüge, Depotauszüge, Abrechnungen) sollten für die Gesellschafter der Klägerin "c/o" an die Adresse der Klägerin, für den GmbH-Gesellschafter an dessen Privatanschrift versandt werden. Jeder der Kontoinhaber war allein berechtigt, über das (Oder-)Konto und das (Oder-)Depot zu verfügen. Zu Lasten des Oder-Kontos wurden bis Ende September 1987 Wertpapiere erworben und im Depot verwahrt. Bis zum 31. Dezember 1987 fiel der Kurswert des Depots erheblich.
Die Arge erfaßte den Geschäftsvorfall "Ankauf von Wertpapieren" in ihrer Buchführung und machte im Jahr 1987 die Verluste als Betriebsausgaben geltend. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) führte für die Arge keine einheitliche und gesonderte Gewinnfeststellung durch und erfaßte den auf die Klägerin entfallenden Gewinnanteil direkt bei deren Gewinnfeststellung. Den anteiligen Verlust aufgrund der Wertpapiergeschäfte ließ das FA nicht zum Abzug als Betriebsausgaben zu. Einspruch und Klage blieben erfolglos. Das Finanzgericht (FG) ging von Verlusten im Privatbereich aus, da die Geldmittel durch die Überweisung von einem betrieblichen auf ein privates Konto aus dem Betriebsvermögen entnommen worden seien (Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 1997, 207).
Mit der Revision macht die Klägerin geltend, die Geldmittel seien nicht aus dem Betriebsvermögen der Arge entnommen worden. Das zweite Girokonto sei ebenfalls ein Betriebskonto gewesen. Der Übertrag sei nur aus Gründen der Übersichtlichkeit der Buchführung erfolgt. Die Gelder seien nicht sofort zur Finanzierung von Bauarbeiten benötigt worden und hätten zwischenzeitlich möglichst ertragreich angelegt werden sollen. Hierfür seien die Wertpapierkäufe geeignet gewesen, denn mit der Börsenbaisse im Oktober 1987 habe nicht gerechnet werden können. Insbesondere die zeitnahe Verbuchung der Wertpapierkäufe beweise ihre Zugehörigkeit zum gewillkürten Betriebsvermögen der Arge.
Die Klägerin beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und unter Abänderung des Feststellungsbescheids vom 9. Oktober 1991 und der Einspruchsentscheidung vom 12. Oktober 1992 den Gewinn um 426 263 DM zu vermindern.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
II. Die Revision ist unbegründet. Sie war deshalb zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Die Verluste aus den Wertpapiergeschäften waren nicht bei der Einkünfteermittlung der Klägerin zu erfassen. Die Wertpapiere gehörten nicht zum Betriebsvermögen.
1. Zu Recht hat das FG auf das Betriebsvermögen der Arge abgestellt.
Zivilrechtlich sind Argen regelmäßig als Gesellschaften bürgerlichen Rechts (GbR) anzusehen. Steuerrechtlich sind sie nach den für GbR allgemein geltenden Grundsätzen Personengesellschaften i.S. des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Dem stehen nach dem Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 2. Dezember 1992 I R 165/90 (BFHE 170, 224, BStBl II 1993, 577), dem sich der erkennende Senat anschließt, die Sondervorschriften für Argen nicht entgegen. Nach § 180 Abs. 4 der Abgabenordnung (AO 1977) in der im Streitjahr geltenden Fassung findet für eine Arge keine gesonderte und einheitliche Feststellung der Einkünfte statt, wenn ihr alleiniger Zweck sich auf die Erfüllung eines einzigen Werkvertrags oder Werklieferungsvertrags beschränkt und bei Abschluß des Vertrags anzunehmen ist, daß er innerhalb von drei Jahren erfüllt werden wird. Ferner gilt nach den §§ 2a des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) und 98 des Bewertungsgesetzes (BewG; jeweils in der im Streitjahr geltenden Fassung) unter diesen Voraussetzungen eine Arge nicht als selbständiger Gewerbebetrieb. Verfahrensrechtlich wird in diesen Fällen eine Arge nicht als Personengesellschaft behandelt. Statt dessen setzen die Besteuerungsfolgen unmittelbar bei den Mitgliedern der Arge (Gesellschafter der Personengesellschaft) an. Auf die materiell-rechtliche Ermittlung der Einkünfte haben diese besonderen Verfahrensregelungen indes keinen Einfluß. Vielmehr sind die allgemein für Personengesellschaften geltenden Vorschriften anzuwenden.
Im Streitfall ist die von der Klägerin und der GmbH gegründete Arge unstreitig eine GbR, für die eine gesonderte und einheitliche Feststellung nach § 180 Abs. 4 AO 1977 nicht durchzuführen ist. Folglich war im Feststellungsverfahren zur Ermittlung der Einkünfte der Klägerin zu entscheiden, ob die Wertpapiere zum Betriebsvermögen der selbständigen Personengesellschaft Arge gehörten und die Verluste der Klägerin zuzurechnen waren.
2. Zum Betriebsvermögen einer Mitunternehmerschaft gehört nach ständiger Rechtsprechung des BFH das Vermögen der Gesellschaft und das Vermögen der Gesellschafter, soweit es die Voraussetzungen von Sonderbetriebsvermögen erfüllt (z.B. BFH-Urteile vom 18. Dezember 1991 XI R 42-43/88, BFHE 167, 347, BStBl II 1992, 585; vom 3. Mai 1993 GrS 3/92, BFHE 171, 246, BStBl II 1993, 616, unter C. III. 6. a bb; vom 10. November 1994 IV R 15/93, BFHE 176, 535, BStBl II 1995, 452). Vermögen einer GbR sind die Wirtschaftsgüter, die zu ihrem Gesamthandsvermögen gehören. Das Gesamthandsvermögen ist grundsätzlich notwendiges Betriebsvermögen einer Personengesellschaft (z.B. Urteil vom 30. Juni 1987 VIII R 353/82, BFHE 151, 360, BStBl II 1988, 418; Schmidt, Einkommensteuergesetz, 16. Aufl., § 15 Rz. 481, m.w.N.). Gewillkürtes Betriebsvermögen kann eine Personengesellschaft nicht haben (BFH-Beschlüsse vom 27. April 1990 X B 11/89, BFH/NV 1990, 769, und vom 20. Mai 1994 VIII B 115/93, BFH/NV 1995, 101), wohl aber in Ausnahmefällen notwendiges Privatvermögen. Dies kann z.B. der Fall sein, wenn ein Wirtschaftsgut einer Personengesellschaft erkennbar keinen Nutzen, sondern nur Nachteile bringen kann (z.B. Urteil vom 9. Mai 1996 IV R 64/93, BFHE 180, 380, BStBl II 1996, 642, unter II. 4. b).
Scheidet ein Wirtschaftsgut aus dem Gesamthandsvermögen aus, so kann es nicht mehr Betriebsvermögen der Gesellschaft selbst sein (vgl. Schmidt/Weber-Grellet, a.a.O., § 5 Rz. 151). Es liegt regelmäßig eine Entnahme infolge des Wechsels der persönlichen Zuordnung des Wirtschaftsguts vor. Dies gilt auch, wenn liquide Mittel von einem betrieblichen Bankkonto der Gesellschaft abgebucht und einem privaten Bankkonto der Gesellschafter gutgeschrieben werden.
Die Feststellung, ob ein Wirtschaftsgut zum Gesamthandsvermögen einer Personengesellschaft oder zum Vermögen eines oder mehrerer Gesellschafter gehört, ist Sache der Tatsachen- und Beweiswürdigung des FG. Das Revisionsgericht kann die Feststellungen mangels erhobener Verfahrensrügen nur daraufhin prüfen, ob sie gegen die Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verstoßen. Die Schlußfolgerungen des FG haben schon dann Bestand, wenn sie zwar nicht zwingend, aber möglich sind (st. Rspr.; z.B. BFH-Urteil vom 14. Februar 1995 IX R 95/93, BFHE 177, 95, BStBl II 1995, 462; Gräber, Finanzgerichtsordnung, 4. Aufl. § 118 Rz. 23, m.w.N.).
3. Nach diesen Grundsätzen ist die Annahme des FG, die Wertpapiere gehörten nicht zum (notwendigen) Betriebsvermögen der Arge, revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Die Würdigung, bereits die Geldmittel seien durch die Überweisung von einem Betriebskonto auf ein Privatkonto der Gesellschafter aus dem Gesamthandsvermögen der Arge ausgeschieden und die Wertpapiere im Privatbereich angeschafft und als Privatvermögen im Depot verwahrt worden, ist möglich.
Inhaber eines (Oder-)Girokontos bzw. eines (Oder-)Depots ist derjenige, auf dessen Namen das Konto/Depot eröffnet wurde (vgl. Claussen, Bank- und Börsenrecht, Rz. 15, 276). Es gilt der Grundsatz der formalen Kontenwahrheit, d.h. ein Konto muß auf einen richtigen Namen eröffnet werden (§ 154 AO 1977). Auch eine Kontoeröffnung auf fremden Namen ist erlaubt. Voraussetzung ist, daß der Vertreter, der für einen Vertretenen handelt, seine Legitimation nachweist. Bei Unklarheiten in der Bezeichnung eines Kontos bestimmt sich nach dem Willen der an der Kontoeröffnung Beteiligten, also der Kontoeröffnenden, wem das Bankguthaben zusteht (Claussen, a.a.O., Rz. 19, 20). Im Streitfall haben die Gesellschafter der Klägerin und der GmbH nach den tatrichterlichen Feststellungen kein zweites Konto unter dem Firmennamen der Arge eröffnet. Sie sind nicht erkennbar als deren Vertreter aufgetreten. Vielmehr haben sie das Girokonto und das Depot unter ihren Familiennamen geführt. Zivilrechtlich waren sie damit persönlich, nicht aber die Arge, Konto- und Depotinhaber. Dies rechtfertigt den Schluß, es handele sich um ein Privatkonto und ein Privatdepot.
Allerdings ist diese Schlußfolgerung des FG nicht zwingend, denn der mit der Bank geschlossene Vertrag über die Führung des Kontos und des Depots regelt lediglich die Rechtsbeziehungen der Kontoinhaber zur Bank, nicht aber deren Rechtsbeziehungen zur Arge. Wer indes behauptet, ein Recht, das auf seinen Namen lautet, nur als Treuhänder oder Vertreter eines anderen innezuhaben, muß dies nach § 159 AO 1977 nachweisen. Bei der Prüfung ist eine strenger Maßstab anzulegen (BFH-Urteil vom 15. Juli 1997 VIII R 56/93, BFHE 183, 518, BStBl II 1998, 152, unter 2. c dd). Letzteres gilt auch, wenn eine Gesellschaft geltend macht, ihre Gesellschafter würden betriebliche Bankkonten unter ihren Privatnamen führen. Zu Recht hat das FG daher eine Treuhänderschaft mangels für sie sprechender Anhaltspunkte verneint. Die Unerweislichkeit der entscheidungserheblichen Tatsachen geht insoweit zu Lasten der einen Verlust geltend machenden Klägerin (BFH-Urteile vom 15. Februar 1989 X R 16/86, BFHE 156, 38, BStBl II 1989, 462; vom 16. Dezember 1992 X R 77/91, BFH/NV 1993, 547).
Keine Bedeutung hat die Buchung der Wertpapiere als Betriebsvermögen der Arge. Die buchmäßige Behandlung eines Wirtschaftsguts belegt in der Regel den Willen des Steuerpflichtigen, das betreffende Wirtschaftsgut in das Betriebsvermögen einzulegen (Urteile vom 18. Oktober 1989 X R 99/87, BFH/NV 1990, 424; vom 23. Oktober 1990 VIII R 142/85, BFHE 162, 99, BStBl II 1991, 401; vom 22. September 1993 X R 37/91, BFHE 172, 354, BStBl II 1994, 172, und vom 20. September 1995 X R 46/94, BFH/NV 1996, 393). Im Streitfall geht es aber nicht um die Zuordnung der Wertpapiere zu einem gewillkürten Betriebsvermögen und dem hierfür notwendigen Widmungswillen eines Steuerpflichtigen. Fehlen objektive sachliche Voraussetzungen für die Zugehörigkeit eines Wirtschaftsguts zum Betriebsvermögen --hier die Zuordnung zum Gesamthandsvermögen der Arge-- ist eine Buchung fehlerhaft und unbeachtlich.
4. Zu Recht hat das FG auch den Abzug der Verluste aus den Wertpapiergeschäften als Sonderbetriebsausgaben abgelehnt. Tatsachen, die dafür sprechen, daß die Geldmittel vom Betriebsvermögen der Arge in ein Sonderbetriebsvermögen der Gesellschafter der Klägerin überführt wurden, hat das FG nicht festgestellt. Insbesondere kann allein aus dem Umstand, daß die Arge zur Durchführung von Bauvorhaben verpflichtet war und hierfür in absehbarer Zeit die Geldmittel wieder benötigte, nicht darauf geschlossen werden, daß das Wertpapierdepot dem Betrieb der Arge dienen sollte. Denn der zukünftige betriebliche Geldbedarf der Arge steht weder einer vorübergehenden noch einer entgültigen Verwendung der Geldmittel im Privatbereich in Verbindung mit einer Kreditfinanzierung des betrieblichen Geldbedarfs entgegen.
Ende der Entscheidung
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