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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 27.01.1998
Aktenzeichen: VIII R 64/96
Rechtsgebiete: EStG, BGB


Vorschriften:

EStG § 3 Nr. 66
EStG § 6 Abs. 1 Nr. 3
BGB § 397
BUNDESFINANZHOF

Der Erlaß von Schulden aus dem Bereich des Sonderbetriebsvermögens eines Gesellschafters kann zu einem steuerfreien Sanierungsgewinn führen, wenn die Gesellschaft ohne den Erlaß sanierungsbedürftig würde (Abgrenzung zum BFH-Urteil vom 3. Juli 1997 IV R 31/96, BFHE 183, 509, BStBl II 1997, 690).

EStG §§ 3 Nr. 66, 6 Abs. 1 Nr. 3 BGB § 397

Urteil vom 27. Januar 1998 - VIII R 64/96 -

Vorinstanz: Niedersächsisches FG (EFG 1996, 1016)


Gründe

I.

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist eine OHG, die ein Hoch- und Tiefbauunternehmen betreibt. Im Jahr 1973 erwarb der Beigeladene (B) einen Gesellschaftsanteil in Höhe von 50 % vom Gesellschafter L. Als Gegenleistung verpflichtete sich B, eine Leibrente von monatlich 4 000 DM an L zu zahlen. Nach dessen Tod sollte die Ehefrau ein Drittel der Rente erhalten. Der Vertrag enthielt sowohl eine Wertsicherungsklausel zur Erhöhung der Rente, als auch eine Regelung zur Ermäßigung für den Fall, daß nach dem Stand der Gesellschaft und unter Berücksichtigung der angemessenen Unterhaltsbedürfnisse des Käufers die Rente in der vereinbarten Höhe nicht mehr tragbar erschien. Die Kürzungsbeträge sollten ggf. verzinslich bis zur Besserung der wirtschaftlichen Lage gestundet werden.

Die Klägerin erwirtschaftete in den Jahren 1981 bis 1988 überwiegend Gewinne, die dem B in folgender Höhe zuzurechnen waren:

1981: 95 715 DM

1982: 281 984 DM

1983: ./. 88 344 DM

1984: 28 412 DM

1985: 4 289 DM

1986: 116 588 DM

1987: 59 995 DM

1988: 57 743 DM

Aufgrund der Wertsicherungsklausel war die Leibrente auf monatlich 6 400 DM angestiegen. Ab dem Jahr 1985 konnte B die Rente infolge der schlechten Ertragssituation der Klägerin nicht mehr in voller Höhe bezahlen. Sonstige Einkünfte erzielte B, der ausschließlich für die Klägerin tätig war und hierfür keine gesonderte Vergütung erhielt, nicht. Ebensowenig besaß er neben dem Gesellschaftsanteil verwertbares Vermögen. Die Bilanz der Klägerin wies zum 31. Dezember 1987 ein positives Kapital des B in Höhe von 242 686 DM aus, eine "Ergänzungsbilanz" (es handelt sich offenkundig um die Sonderbilanz), in der der Barwert der Rentenverpflichtung passiviert war, ein negatives Kapital von 532 901 DM.

Bis zum 31. Dezember 1987 beliefen sich die Rückstände nicht bezahlter Renten auf 66 300 DM zuzüglich 1 676 DM Zinsen. Im Dezember 1987 vereinbarten B und L eine Änderung der Rentenverpflichtung. L verzichtete auf die rückständigen Rentenbeträge und die Zinsen. Weiter erklärte er sich damit einverstanden, daß die Rente ab 1. Januar 1988 auf 4 000 DM monatlich abgesenkt werde. Durch diese Änderungsvereinbarung verringerte sich der passivierte Barwert der Rentenverpflichtung um 168 338 DM auf 280 653 DM. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) erfaßte den Ertrag als Sonderbetriebseinnahme. Die Klage hatte Erfolg. Das Urteil des Finanzgerichts (FG) ist in Entscheidungen der Finanzgerichte 1996, 1016 veröffentlicht.

Das FA beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

II.

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und Zurückverweisung der Sache an das FG (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Entgegen dem erstinstanzlichen Urteil ist das Sonderbetriebsvermögen eines Mitunternehmers kein Unternehmen, das steuerfrei saniert werden kann. Der Erlaß von Schulden aus dem Bereich des Sonderbetriebsvermögens eines Gesellschafters kann aber zu einem steuerfreien Sanierungsgewinn führen, wenn die Gesellschaft ohne den Erlaß sanierungsbedürftig würde.

Nach § 3 Nr. 66 des Einkommensteuergesetzes (EStG) sind Erhöhungen des Betriebsvermögens, die dadurch entstehen, daß Schulden zum Zwecke der Sanierung ganz oder teilweise erlassen werden, von der Einkommensteuer befreit. Die Steuerfreiheit setzt voraus, daß das Unternehmen sanierungsbedürftig ist, daß Schulden ganz oder teilweise erlassen werden, daß die Gläubiger in der Absicht handeln, die geschäftliche und finanzielle Gesundung des Schuldners herbeizuführen, und daß der Schulderlaß geeignet ist, das sanierungsbedürftige Unternehmen vor dem Zusammenbruch zu bewahren und wieder ertragsfähig zu machen. Fehlt eine dieser Voraussetzungen, ist das Vorliegen eines steuerfreien Sanierungsgewinns zu verneinen (ständige Rechtsprechung; vgl. z.B. Urteile des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 22. November 1983 VIII R 14/81, BFHE 140, 521, BStBl II 1984, 472; vom 19. März 1991 VIII R 214/85, BFHE 164, 70, BStBl II 1991, 633; vom 19. März 1993 III R 79/91, BFH/NV 1993, 536, und vom 24. Februar 1994 IV R 71/92, BFH/NV 1995, 15).

1. Im Ergebnis zutreffend hat das FG einen Erlaß durch Herabsetzung der Kaufpreisleibrente bejaht.

Schulden werden erlassen, wenn Gläubiger und Schuldner eine vertragliche Vereinbarung i.S. des § 397 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) abschließen. Ein Erlaß ist danach entweder eine Vereinbarung zwischen dem Schuldner und dem Gläubiger, durch die der Gläubiger auf eine Forderung verzichtet (Erlaßvertrag gemäß § 397 Abs. 1 BGB) oder ein Anerkenntnis, daß ein Schuldverhältnis nicht bestehe (negatives Schuldanerkenntnis gemäß § 397 Abs. 2 BGB). Andere Maßnahmen zur Sanierung eines Unternehmens hat der BFH regelmäßig nicht als Erlaß angesehen (vgl. BFH-Urteile vom 31. Januar 1985 IV R 149/82, BFHE 143, 267, BStBl II 1985, 365; in BFHE 164, 70, BStBl II 1991, 633, und vom 8. April 1992 I R 41/88, BFH/NV 1992, 799).

Mit dem vertraglichen Verzicht auf einen Teil der Leibrente hat L dem B eine Forderung erlassen. Dabei kommt es auf die Frage, ob zukünftige Forderungen erlassen werden können, nicht an (offen gelassen in BFHE 143, 267, BStBl II 1985, 365, und in BFH/NV 1995, 15; zivilrechtlich einen Erlaß zukünftiger Forderungen bejahend: Urteile des Bundesgerichtshofes vom 28. November 1963 II ZR 41/62, BGHZ 40, 326, und vom 25. Mai 1993 VI ZR 272/92, Zeitschrift für Versicherungsrecht 1993, 981, 983). Die Pflicht des B, die Leibrente zu bezahlen (vgl. §§ 759, 760 BGB), ist keine zukünftige Forderung, denn sie entstand unmittelbar mit Abschluß des Vertrags über den Erwerb der Gesellschaftsanteile bereits im Jahr 1973 (§ 241 BGB; Amann in Staudinger, Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 13. Aufl. 1996, § 759 Rz. 1). Der Umstand, daß die einzelnen Rentenzahlungen erst in der Zukunft fällig werden (§ 271 BGB) und die Rentenzahlungspflicht auflösend bedingt durch den Tod der Rentenberechtigten ist, ändert hieran nichts.

Ebensowenig steht einem Erlaß entgegen, daß in dem zwischen L und B vereinbarten Kaufvertrag Änderungen der Rentenhöhe von vornherein vorgesehen waren und eine solche vertragliche Anpassung kein Erlaßvertrag gemäß § 397 BGB wäre. Die Klausel im Kaufvertrag zur Absenkung der Rentenhöhe sah nur die vorübergehende verzinsliche Stundung eventueller Ermäßigungsbeträge vor. Demgegenüber hatte die Vereinbarung im Dezember 1987 den endgültigen Verzicht auf an sich in der Zukunft fällige Rentenzahlungen zur Folge. Für eine solche Vertragsänderung ergab sich aus dem Kaufvertrag keine Rechtsgrundlage.

2. Durch die Herabsetzung der Rentenverpflichtung ist eine Erhöhung von Betriebsvermögen (Sonderbetriebsvermögen des B) entstanden, die im Streitjahr 1988 zu berücksichtigen ist.

a) Erwirbt ein Steuerpflichtiger einen Betrieb gegen eine Veräußerungsleibrente, sind Anschaffungskosten in Höhe des kapitalisierten Barwerts der Rentenverpflichtung anzusetzen. Zugleich ist der Barwert der Rentenverpflichtung zu passivieren. Diese Verbindlichkeit ist für jeden Bilanzstichtag erneut anhand des jeweiligen (sich ständig verringernden) Barwerts nach der verbleibenden Lebenserwartung des Veräußerers zu ermitteln. Die jährlichen Barwertminderungen werden als Ertrag behandelt, die Rentenzahlungen als Betriebsausgaben abgezogen. Erhöhen sich nachträglich aufgrund einer Wertsicherungsklausel die Rentenzahlungen, ist der erhöhte Kapitalwert der Rentenverpflichtung neu zu berechnen und zu passivieren. Die hieraus folgende Erhöhung der Verpflichtung wirkt sich in vollem Umfang gewinnmindernd aus. Die Anschaffungskosten bleiben unverändert. Entsprechend führt der Wegfall oder eine Minderung des Barwerts zu einem Ertrag (BFH-Urteile vom 23. Februar 1984 IV R 128/81, BFHE 140, 548, BStBl II 1984, 516; vom 24. Oktober 1990 X R 64/89, BFHE 163, 42, BStBl II 1991, 358, und vom 9. Februar 1994 IX R 110/90, BFHE 175, 212, BStBl II 1995, 47 unter 4. b).

b) Der Rentenbarwert der Kaufpreisleibrente war in der Sonderbilanz für B zu passivieren. Die durch die Minderung der Rentenverpflichtung entstandene Mehrung des Sonderbetriebsvermögens hat das FA zutreffend im Streitjahr 1988 erfaßt.

Leibrenten sind, da sie keinen Nennwert haben, gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 3 EStG mit dem Barwert zu bewerten (BFH-Urteil vom 31. Januar 1980 IV R 126/76, BFHE 130, 372, BStBl II 1980, 491, m.w.N.). Barwert ist die auf die den Bilanzstichtag abgezinste Summe der künftigen Erfüllungsbeiträge (Karrenbauer in Küting/Weber, Handbuch der Rechnungslegung, § 253 HGB Rz. 5). Ändern sich die künftigen Rentenzahlungen durch eine nachträgliche Vereinbarung, ist dies bei der Bewertung grundsätzlich zu berücksichtigen (vgl. Berechnung im Urteil in BFHE 130, 372, BStBl II 1980, 491; Rössler/Troll, Bewertungsgesetz und Vermögensteuergesetz, 17. Aufl., S. 185; Biergans, Renten und Raten, 4. Aufl., S. 317). Die im Dezember 1987 getroffene Vereinbarung einer niedrigeren Rente hätte danach bereits in der Bilanz zum 31. Dezember 1987 beachtet werden müssen.

Der fehlerhafte Bilanzansatz muß nach den Grundsätzen des Bilanzenzusammenhangs in der ersten Bilanz, die noch geändert werden kann, richtiggestellt werden (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 4. November 1986 VIII R 322/83, BFHE 148, 513, BStBl II 1987, 333; vom 11. Februar 1988 IV R 19/87, BFHE 153, 26, BStBl II 1988, 825, und vom 8. Dezember 1988 IV R 33/87, BFHE 155, 532, BStBl II 1989, 407). Dies ist die Bilanz des Streitjahres. Eine Korrektur im Jahr 1987 lassen die Änderungsvorschriften der Abgabenordnung (AO 1977) nicht zu, weil bereits mit Ablauf des Jahres 1992 Festsetzungsverjährung eingetreten ist. Auch eine Bescheidänderung nach § 174 Abs. 4 AO 1977 scheidet aus (vgl. Beschluß des Großen Senats vom 10. November 1997 GrS 1/96, BFHE 184, 1, BStBl II 1998, 83).

3. Der Senat kann nicht abschließend beurteilen, ob der Schulderlaß zu einem nach § 3 Nr. 66 EStG steuerfreien Sanierungsgewinn geführt hat.

a) Durch die Herabsetzung der Leibrentenverpflichtung ist eine Vermögensmehrung im Sonderbetriebsvermögen des B eingetreten. Auch eine solche Erhöhung des Sonderbetriebsvermögens kann ein Sanierungsgewinn i.S. von § 3 Nr. 66 EStG sein. Entscheidend ist, ob die Schuld "zum Zweck der Sanierung" erlassen wurde (vgl. BFH-Urteil vom 6. März 1997 IV R 47/95, BFHE 183, 78, BStBl II 1997, 509, unter 2. a der Gründe). Das ist, wie ausgeführt, nach der Rechtsprechung dann der Fall, wenn der Schulderlaß dazu bestimmt und geeignet ist, ein sanierungsbedürftiges Unternehmen vor dem Zusammenbruch zu bewahren und wieder ertragsfähig zu machen. Dabei ist auf das Unternehmen der Gesellschaft abzustellen; das Sonderbetriebsvermögen des Gesellschafters ist kein Unternehmen, das nach § 3 Nr. 66 EStG saniert werden kann. Es reicht deshalb nicht aus, wenn lediglich der Gesellschafter nicht mehr in der Lage ist, seinen finanziellen Verpflichtungen nachzukommen (BFH-Urteil vom 3. Juli 1997 IV R 31/96, BFHE 183, 509, BStBl II 1997, 690, und BFH-Beschluß vom 10. September 1997 VIII B 91/96, BFH/NV 1998, 451). Bei einer Überschuldung des Sonderbetriebsvermögens eines Gesellschafters ist das Merkmal der Sanierungsbedürftigkeit nur dann gegeben, wenn die Gesellschaft als solche ohne den Schulderlaß in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten wäre.

b) Nach diesen Grundsätzen hat das FG seine Entscheidung zu Unrecht darauf gestützt, B sei mit seinem Sonderbetriebsvermögen das maßgebliche Sanierungssubjekt. Es hätte vielmehr prüfen müssen, ob sich die Klägerin in wirtschaftlichen Schwierigkeiten befand. Dies konnte nicht allein mit dem Hinweis verneint werden, daß die Gesellschaft nicht überschuldet sei und Gewinne erzielt habe; vielmehr muß auch die wirtschaftliche Situation des überschuldeten Gesellschafters berücksichtigt werden. Diese kann im Einzelfall dazu führen, daß die Gesellschaft selbst in eine Notlage gerät. Zum einen kann das Unternehmen infolge der wirtschaftlichen Verhältnisse des persönlich haftenden Gesellschafters nicht mehr kreditwürdig sein. Zum anderen kann es zur Zerschlagung des Unternehmens führen, wenn Gläubiger in den Gesellschaftsanteil vollstrecken. Dies lag im Streitfall aufgrund der Kapitalausstattung der Klägerin, die wesentlich durch die Beteiligung des B bestimmt war, und seiner persönlichen Mitarbeit, auf der der Betrieb wesentlich beruhte und die durch eine Vollstreckung in das Gesellschaftsvermögen ggf. beendet worden wäre, nahe. Das FG wird dies im zweiten Rechtsgang noch prüfen müssen.

c) Bei der Prüfung, ob ein Unternehmen sanierungsbedürftig ist, sind die Verhältnisse im Zeitpunkt des Schulderlasses maßgebend. Es kommt entscheidend darauf an, wie sich das Unternehmen ohne den Schulderlaß weiterentwickeln würde. Für die Prognose sind insbesondere die Ertragslage, die Höhe des Betriebsvermögens vor und nach der Sanierung, die Kapitalverzinsung durch die Erträge des Unternehmens, das Verhältnis der flüssigen Mittel zur Höhe der Schuldenlast und die Gesamtleistungsfähigkeit des Unternehmens zu untersuchen. Haften natürliche Personen für die Unternehmensverbindlichkeiten, so ist die Höhe ihres Privatvermögens in die Betrachtung einzubeziehen. Ein Unternehmen ist nicht sanierungsbedürftig, wenn durch Heranziehen des Privatvermögens die Verpflichtungen erfüllt werden können (BFH-Urteile vom 3. Dezember 1963 I 375/60 U, BFHE 78, 327, BStBl III 1964, 128; in BFHE 140, 521, BStBl II 1984, 472; vom 20. Februar 1986 IV R 172/84, BFH/NV 1987, 493; vom 14. März 1990 I R 64/85, BFHE 161, 28, BStBl II 1990, 810; vom 14. März 1990 I R 106/85, BFHE 161, 34, BStBl II 1990, 813, und in BFH/NV 1993, 536). Die Überschuldung einer Gesellschaft mit persönlich haftenden Gesellschaftern führt deshalb nicht zwangsläufig zur Annahme der Sanierungsbedürftigkeit (BFH-Urteil vom 14. März 1990 I R 129/85, BFHE 161, 39, BStBl II 1990, 955). Das FG wird also auch die Vermögenssituation des zweiten Gesellschafters prüfen und unter Berücksichtigung des Ergebnisses dieser Prüfung feststellen müssen, ob die Klägerin durch den drohenden Verlust des Kapitals und der Mitarbeit des B sanierungsbedürftig war.

4. Das erstinstanzliche Urteil läßt auch nicht erkennen, ob der Gläubiger den Erlaß in Sanierungsabsicht vereinbarte. Sanierungsabsicht liegt vor, wenn eine Forderung zum Zwecke der Sanierung erlassen wird. Dabei werden regelmäßig eigennützige Motive des Gläubigers mitentscheidend sein, wie etwa die Rettung eines Teils der Restforderung oder der Erhalt von Geschäftsverbindungen. Solche Erwägungen sind unschädlich, sofern die Sanierungsabsicht mitentscheidend war. An das Vorliegen der Sanierungsabsicht sind nach der Rechtsprechung keine strengen Anforderungen zu stellen (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 22. Januar 1991 VIII R 12/88, BFH/NV 1991, 806, und in BFH/NV 1993, 536, m.w.N.). Beteiligen sich mehrere Gläubiger an einem Schuldenerlaß, kann in der Regel die Sanierungsabsicht unterstellt werden (BFH-Urteil in BFHE 161, 28, BStBl II 1990, 810). Erläßt nur ein einzelner Gläubiger eine Schuld, ist sie im Einzelfall zu prüfen (BFH-Urteil vom 19. Oktober 1993 VIII R 61/92, BFH/NV 1994, 790, m.w.N.).

Das FG hat die Absicht des L, den B zu sanieren, geprüft und bejaht. Indessen kommt es auf die Absicht, die Klägerin zu sanieren, an. Die fehlende Prüfung muß vom FG nachgeholt werden.

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