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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 25.05.2004
Aktenzeichen: VIII R 66/99
Rechtsgebiete: EStG, AO 1977
Vorschriften:
EStG § 32 Abs. 4 Satz 2 | |
AO 1977 § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 |
Gründe:
I. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist der Vater des am ... Juni 1972 geborenen Sohnes I. Dieser befand sich im Streitjahr 1996 in einer Ausbildung zum ...ingenieur. Er ging gleichzeitig einer ausbildungsbegleitenden Tätigkeit nach und erzielte damit Einkünfte aus selbständiger Arbeit, die er gemäß § 4 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) ermittelte. Ausweislich des Einkommensteuerbescheides des Sohnes für 1996 beliefen sich seine Einkünfte aus selbständiger Arbeit auf 12 870 DM. Darin enthalten war eine Erstattung von für 1995 zuviel entrichteter Umsatzsteuer in Höhe von 2 968,33 DM.
Der Kläger erhielt zunächst aufgrund von Bewilligungsbescheiden vom 7. März, 7. Mai und 23. Mai 1996 ab Januar 1996 für seinen Sohn Teilkindergeld gemäß § 65 Abs. 2 EStG in Höhe von 48 DM monatlich. Bei der Einkommensteuerveranlagung des Klägers für 1996 wurde im Rahmen der Günstigerprüfung ein Kinderfreibetrag berücksichtigt und das erhaltene Kindergeld in Höhe von 576 DM gemäß § 36 Abs. 2 Satz 1 EStG der Einkommensteuerschuld hinzugerechnet.
Mit Bescheid vom 8. April 1998 änderte der Beklagte und Revisionsbeklagte (Beklagter) die Festsetzung des Kindergeldes wegen Überschreitens der Einkunftsgrenze des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG von im Streitjahr 12 000 DM unter Berufung auf § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 der Abgabenordnung (AO 1977) und forderte das für 1996 gezahlte Kindergeld in Höhe von 576 DM zurück. In dem Bescheid wies die Familienkasse auf die Notwendigkeit der Einreichung einer berichtigten Anlage "Kinder" bei dem zuständigen Finanzamt hin, wenn für das Kind ein Kinderfreibetrag abgezogen worden sei.
Einspruch und Klage des Klägers gegen die Aufhebung der Kindergeldfestsetzung hatten keinen Erfolg.
Mit seiner Revision macht der Kläger geltend, dass die von seinem Sohn im Jahr 1996 vereinnahmte Umsatzsteuererstattung nicht zu dessen Einkünften i.S. des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG gehöre. Weiter ist der Kläger der Auffassung, dass die Verfassungsmäßigkeit der Regelungen des Familienleistungsausgleichs insgesamt zweifelhaft sei, so dass das FG gehalten gewesen wäre, das Klageverfahren auszusetzen und das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) anzurufen.
Der Kläger hat ursprünglich beantragt, das Urteil des Finanzgerichts (FG) sowie den angefochtenen Bescheid vom 8. April 1998 aufzuheben und die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären.
Nunmehr beantragt er, das Verfahren bis zur Entscheidung des BVerfG in dem Verfahren 2 BvR 1781/00 auszusetzen,
hilfsweise, mit Zustimmung des Beklagten das Ruhen des Verfahrens anzuordnen.
Der Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
II. Die Revision ist nicht begründet. Sie war daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Die Anordnung des Ruhens des Verfahrens hält der Senat nicht für geboten.
1. Dem Kläger stand für 1996 kein Kindergeld für seinen Sohn zu. Gemäß § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a i.V.m. Satz 2 EStG wird ein Kind für das Kindergeld nur dann berücksichtigt, wenn es sich in einer Ausbildung befindet und eigene Einkünfte und Bezüge von --in der für das Streitjahr geltenden Gesetzesfassung (im Folgenden: EStG)-- nicht mehr als 12 000 DM im Jahr hat. Der Sohn des Klägers befand sich während des gesamten Jahres 1996 in der Ausbildung. Seine Einkünfte und Bezüge in diesem Jahr überschritten den Grenzbetrag von 12 000 DM. Sie sind weder um den Sonderausgaben-Pauschbetrag gemäß § 10c Abs. 1 EStG noch um den Umsatzsteuer-Erstattungsbetrag in Höhe von 2 968,33 DM zu kürzen.
a) Unter Einkünften i.S. des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG sind die Einkünfte gemäß § 2 Abs. 2 EStG und nicht das Einkommen i.S. des § 2 Abs. 4 EStG oder das zu versteuernde Einkommen i.S. des § 2 Abs. 5 EStG zu verstehen (Urteile des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 21. Juli 2000 VI R 153/99, BFHE 192, 316, BStBl II 2000, 566, 568; vom 25. Juli 2001 VI R 174/99, BFH/NV 2001, 1559, 1560; ebenso Senatsbeschluss vom 28. Mai 2003 VIII B 47/03, juris). Die Einkünfte des Sohnes des Klägers aus selbständiger Arbeit beliefen sich ausweislich des Einkommensteuerbescheides auf 12 870 DM.
aa) Die in dem Betrag von 12 870 DM enthaltene Umsatzsteuererstattung von 2 968,33 DM ist entgegen der Auffassung des Klägers nicht in Abzug zu bringen. Einkünfte sind gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 1 EStG bei selbständiger Arbeit der Gewinn. Bei Steuerpflichtigen, die wie der Sohn des Klägers keine Bücher führen und nicht regelmäßig Abschlüsse machen, ist Gewinn gemäß § 4 Abs. 3 Satz 1 EStG der Überschuss der Betriebseinnahmen über die Betriebsausgaben, wobei allerdings gemäß § 4 Abs. 3 Satz 2 EStG solche Betriebseinnahmen und -ausgaben ausscheiden, die im Namen und für Rechnung eines anderen vereinnahmt und verausgabt werden (sog. durchlaufende Posten). Die Umsatzsteuererstattung gehört zu den Betriebseinnahmen und stellt keinen durchlaufenden Posten i.S. des § 4 Abs. 3 Satz 2 EStG dar (vgl. u.a. Weber-Grellet in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, Einkommensteuergesetz, § 4 Rdnr. D 143, D 310). Der Sohn des Klägers hat den Erstattungsbetrag nicht im Namen und für Rechnung eines anderen, sondern im eigenen Namen und für eigene Rechnung vereinnahmt. Da er ihm im Jahr 1996 zugeflossen ist, erhöht er den Gewinn dieses Jahres (ebenso für vereinnahmte und in einem späteren Jahr abzuführende Umsatzsteuer BFH-Urteil vom 11. Dezember 2001 VI R 5/00, BFHE 197, 408, BStBl II 2002, 205, unter 2.a der Gründe).
Eine Ungleichbehandlung des Sohnes gegenüber Steuerpflichtigen, die ihren Gewinn durch Betriebsvermögensvergleich ermitteln, entsteht dadurch nicht, da die Umsatzsteuerzahlungen und -erstattungen sich letztlich ausgleichen und somit im Ergebnis erfolgsneutral sind. Ein Unterschied besteht nur darin, dass der Ausgleich u.U. in verschiedenen Veranlagungszeiträumen stattfindet. Es stand dem Sohn des Klägers im Übrigen frei, seinen Gewinn durch Betriebsvermögensvergleich zu ermitteln und so diese zeitlichen Verschiebungen zu vermeiden.
bb) Soweit der Kläger meint, dass der Sonderausgaben-Pauschbetrag gemäß § 10c EStG in Höhe von 108 DM einkunftsmindernd zu berücksichtigen sei, kann dies der Revision schon deshalb nicht zum Erfolg verhelfen, weil auch nach Abzug dieses Betrages der Jahresgrenzbetrag von 12 000 DM nicht unterschritten wird. Im Übrigen hat der BFH bereits entschieden, dass bei der Berechnung der Einkünfte eines Kindes Sonderausgaben nicht zu berücksichtigen sind (BFH-Urteile in BFHE 192, 316, BStBl II 2000, 566; vom 4. November 2003 VIII R 59/03, BFHE 204, 126; BFH-Beschluss vom 11. Dezember 2001 VI R 16/00, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung --HFR-- 2002, 508). Er hat insbesondere ausgesprochen, dass die von einem in einem Ausbildungsverhältnis stehenden Kind zwingend abzuführenden Sozialversicherungsbeiträge bei der Berechnung der Einkünfte eines Kindes nicht als Abzugsposten zu berücksichtigen sind (BFH-Urteile in BFHE 192, 316, BStBl II 2000, 566; in BFHE 204, 126). Dies gilt umso mehr für den Sonderausgaben-Pauschbetrag, der steuerlich sogar dann berücksichtigt wird, wenn der Steuerpflichtige --hier das Kind-- überhaupt keine entsprechenden Aufwendungen hatte, so dass eine Einkunftsschmälerung nicht vorliegen muss.
cc) Schließlich ist vom Kläger nicht vorgetragen und auch sonst nicht ersichtlich, dass dem Sohn des Klägers ausbildungsbedingter Mehrbedarf --im Einzelnen nachgewiesene Aufwendungen, die wegen der Ausbildung zu den Lebenshaltungskosten hinzukommen, z.B. für Fahrten zwischen Wohnung und Ausbildungsstätte, Fachbücher-- entstanden wäre, der nach den Grundsätzen der Rechtsprechung (BFH-Urteile vom 14. November 2000 VI R 62/97, BFHE 193, 444, BStBl II 2001, 491; VI R 52/98, BFHE 193, 453, BStBl II 2001, 489; VI R 128/00, BFHE 193, 457, BStBl II 2001, 495; vom 25. Juli 2001 VI R 77/00, BFHE 196, 159, BStBl II 2002, 12) von seinen Einkünften abzuziehen wäre.
b) Ohne Erfolg macht der Kläger auch geltend, dass der Grenzbetrag des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG im Hinblick auf auswärtig untergebrachte Kinder in verfassungswidriger Weise zu niedrig bemessen sei. Die Höhe des Grenzbetrages ist vielmehr, wie der BFH für das Streitjahr 1996 bereits ausgesprochen hat, nicht nur nach Art der gewählten Bemessungsgrundlage, sondern auch der Höhe nach verfassungsgemäß (BFH-Urteil in BFHE 192, 316, BStBl II 2000, 566, 569). Der BFH hat in dieser Entscheidung insbesondere dargelegt, dass sich der existenznotwendige Bedarf eines über 18 Jahre alten, in Berufsausbildung befindlichen und auswärtig untergebrachten Kindes im Jahr 1996 auf 10 468,80 DM jährlich beläuft und damit von dem Grenzbetrag des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG von 12 000 DM gedeckt ist. Die gegen diese Entscheidung eingelegte Verfassungsbeschwerde (Az. 2 BvR 1781/00) ist vom BVerfG durch Beschluss vom 30. September 2002 nicht zur Entscheidung angenommen worden.
c) Verfassungsrechtlich unbedenklich ist schließlich nach inzwischen gefestigter Rechtsprechung des BFH die Ausgestaltung des Jahresgrenzbetrages als Freigrenze ohne gleitende Übergangsregelung (vgl. Senatsurteil in BFHE 192, 316, BStBl II 2000, 566, 573; BFH-Beschlüsse vom 11. Dezember 2001 VI R 16/00, HFR 2002, 508; vom 1. März 2002 VIII B 156/01, BFH/NV 2002, 788; vom 3. Juni 2003 VIII B 35/03, juris).
2. Zu Unrecht rügt der Kläger, dass die Familienkasse die Kindergeldfestsetzung nicht rückwirkend hätte aufheben dürfen. Stellt sich nach Ablauf eines Kalenderjahres heraus, dass die Einkünfte und Bezüge eines Kindes den Jahresgrenzbetrag des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG überschreiten, so ist die Familienkasse berechtigt, die Festsetzung des Kindergeldes rückwirkend mit Wirkung zum Beginn dieses Kalenderjahres aufzuheben. Dabei kann offen bleiben, ob die Änderung in diesen Fällen auf § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO 1977 allein oder i.V.m. § 175 Abs. 2 AO 1977 oder auf § 70 Abs. 2 EStG zu stützen ist (BFH-Urteile vom 26. Juli 2001 VI R 55/00, BFHE 196, 270, BStBl II 2002, 86; vom 6. November 2001 VI R 76/01, BFH/NV 2002, 343; vom 16. April 2002 VIII R 76/01, BFHE 199, 116, BStBl II 2002, 525).
3. Da aufgrund der rechtmäßigen Aufhebung der Kindergeldfestsetzung der rechtliche Grund für die Zahlung des Kindergeldes an den Kläger weggefallen ist, durfte der Beklagte gemäß § 37 Abs. 2 AO 1977 auch das für 1996 gezahlte Teilkindergeld in Höhe von 576 DM zurückfordern.
4. Über den Antrag des Klägers, den Rückforderungsbetrag in Raten einzubehalten, kann der Senat in diesem Verfahren nicht entscheiden. Dazu bedarf es eines Antrags des Klägers auf eine Billigkeitsmaßnahme, über die zunächst die Familienkasse zu befinden hätte.
Ende der Entscheidung
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