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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 29.04.2008
Aktenzeichen: VIII R 67/06
Rechtsgebiete: EStG, AO


Vorschriften:

EStG § 4 Abs. 3
EStG § 4 Abs. 4
EStG § 6 Abs. 1 Satz 1
EStG § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2
EStG § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 3
AO § 164 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I. Die Beteiligten streiten über die Anwendbarkeit der 1 %-Regelung nach § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) auf einen geleasten PKW, den der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) zu weniger als 50 % im Rahmen seiner Tätigkeit als selbständiger Arzt betrieblich nutzt.

Der zusammen mit seiner Ehefrau zur Einkommensteuer veranlagte Kläger ermittelte den Gewinn aus seiner ärztlichen Praxis im Streitjahr 2000 durch Einnahme-Überschussrechnung nach § 4 Abs. 3 EStG. In seinem Anlageverzeichnis führte er einen im Streitjahr zugegangenen PKW der Marke X auf. Für dieses Fahrzeug wie auch für einen seit 1998 geleasten PKW der Marke Y setzte er im Streitjahr Kfz-Kosten in Höhe von insgesamt 36 391 DM als Betriebsausgaben an und erhöhte gleichzeitig seine Einnahmen um einen Privatanteil (Nutzungsentnahme) hinsichtlich des Y von 9 271,50 DM. Ein Fahrtenbuch führte der Kläger im Streitjahr nicht.

Unter Bezugnahme auf den Bericht über eine Außenprüfung im Betrieb des Klägers für die Jahre 1997 bis 1999, demzufolge

- die im Prüfungszeitraum geführten Fahrtenbücher aufgrund formeller sowie materieller Unrichtigkeiten nicht anerkannt werden könnten,

- der Y kein Gegenstand des notwendigen Betriebsvermögens sei und nur 20 % der tatsächlich angefallenen Kraftfahrzeugkosten als Betriebsausgaben anerkannt werden könnten,

sowie unter Bezugnahme auf einen ergänzenden Aktenvermerk des Prüfers vom 9. April 2003, dass der Einkommensteuerbescheid 2000 hinsichtlich der Kfz-Kosten und des Eigenverbrauchs unter Ansatz von nur 20 % dieser Kosten als Betriebsausgaben zu ändern und der Gewinn unter Beibehaltung des bisher erklärten Eigenverbrauchs um 19 842 DM zu erhöhen sei, setzte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) die Einkommensteuer für das Streitjahr 2000 mit nach § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO) geändertem Bescheid entsprechend fest.

Der Einspruch blieb erfolglos. Der Klage mit der Begründung, für beide Fahrzeuge könne aufgrund ihrer Zuordnung zum gewillkürten Betriebsvermögen § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG in Anspruch genommen werden, gab das Finanzgericht (FG) mit seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2007, 908 veröffentlichten Urteil statt.

Mit der Revision trägt das FA vor, die angefochtene Entscheidung verletze § 6 Abs. 1 Satz 1 EStG. Zu Unrecht habe das FG diese Vorschrift auf den Y angewandt, obwohl das geleaste Fahrzeug weder zum rechtlichen noch zum wirtschaftlichen Eigentum des Klägers gehört habe und zu weniger als 50 % betrieblich genutzt worden sei. Wegen dieses geringen Umfangs betrieblicher Nutzung scheide auch eine entsprechende Anwendung der Vorschrift aus.

Das FA beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entgegen der Auffassung des FA sei § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG schon dann anzuwenden, wenn das Fahrzeug nicht zwingend zum Privatvermögen gehöre; diese Voraussetzung sei angesichts der Feststellung einer privaten Nutzung von nur 20 % im Rahmen der Betriebsprüfung für die Jahre 1997/1998 gegeben. Für eine davon abweichende Behandlung geleaster Fahrzeuge sei der Vorschrift nichts zu entnehmen. Durch das Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 2. Oktober 2003 IV R 13/03 (BFHE 203, 373, BStBl II 2004, 985) sei die frühere Auffassung, dass bei Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG die betriebliche Nutzung mehr als 50 % betragen müsse, überholt. Die Zuordnung des Fahrzeugs zum Betriebsvermögen sei mit Abschluss des Leasingvertrages dadurch bekundet, dass ab diesem Zeitpunkt alle im Zusammenhang stehenden Aufwendungen (Leasingraten und laufende Kraftfahrzeugkosten) monatlich in die Aufzeichnungen verbucht worden seien. Eine andere Form der Dokumentation sei nicht erforderlich. Ein vom FA gefordertes freiwillig geführtes Anlageverzeichnis über geleaste Wirtschaftsgüter habe keinen höheren Dokumentationswert.

§ 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG diene der vereinfachten Schätzung der privaten Nutzung. Sie komme stets in Betracht, wenn der Steuerpflichtige wie im Streitfall kein Fahrtenbuch i.S. des § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 3 EStG führe.

Die Revision des FA sei auch deshalb unverständlich, weil es die Anwendung des § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG in den Veranlagungen 2001 und 2004 anerkannt habe.

II. Die Revision ist begründet; das angefochtene Urteil ist aufzuheben und die Sache an das FG zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

Zu Unrecht ist das FG davon ausgegangen, dass das vom Kläger geleaste Fahrzeug ("Y") zu seinem Betriebsvermögen gehöre und deshalb die private Nutzung nach der typisierenden Regelung des § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG zu ermitteln sowie der Besteuerung zu Grunde zu legen sei. Zu Recht hat das FA danach nur den betrieblich veranlassten Anteil der Kfz-Kosten zum Abzug als Betriebsausgaben gemäß § 4 Abs. 4 EStG zugelassen, der nach den mit Revisionsrügen nicht angegriffenen Feststellungen des FG 20 % beträgt.

1. Die Voraussetzungen des § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG liegen im Streitfall nicht vor. Nach dieser Vorschrift ist die private Nutzung eines (betrieblichen) Kfz für jeden Kalendermonat mit 1 % des inländischen Listenpreises im Zeitpunkt der Erstzulassung zuzüglich der Kosten für Sonderausstattungen einschließlich der Umsatzsteuer anzusetzen. Davon abweichend kann die private Nutzung gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 3 EStG mit den auf die Privatfahrten entfallenden (tatsächlichen) Aufwendungen angesetzt werden, wenn die für das Fahrzeug insgesamt entstehenden Aufwendungen durch Belege und das Verhältnis der privaten zu den übrigen Fahrten durch ein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch nachgewiesen werden.

Im Streitfall gehörte der Y des Klägers nicht zu dessen Betriebsvermögen, so dass eine Grundvoraussetzung des § 6 Abs. 1 Satz 1 EStG (vgl. BFH-Urteile vom 13. Februar 2003 X R 23/01, BFHE 201, 499, BStBl II 2003, 472; vom 2. März 2006 IV R 36/04, BFH/NV 2006, 1277; FG München, Urteil vom 17. April 2007 6 K 2111/05, Neue Wirtschafts-Briefe --NWB-- Eilnachrichten 2007 Fach 1, 224; ablehnend FG Köln, Beschluss vom 29. Januar 2007 14 V 4485/06, EFG 2007, 578) nicht erfüllt ist.

Dabei kann dahinstehen, ob das FG zu Recht wirtschaftliches Eigentum des Klägers nach den Grundsätzen von Rechtsprechung und Verwaltung zur Zurechnung von Leasinggegenständen verneint hat (vgl. hierzu BFH-Urteile vom 26. Januar 1970 IV R 144/66, BFHE 97, 466, BStBl II 1970, 264; vom 24. November 1994 IV R 25/94, BFHE 176, 379, BStBl II 1995, 318; Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen --BMF-- vom 19. April 1971 IV B/2 -S 2170- 31/71, BStBl I 1971, 264 zu III.1.b und 2.b), weil schon die weiteren Voraussetzungen für die Annahme notwendigen oder gewillkürten Betriebsvermögens nicht gegeben sind.

a) Der Annahme notwendigen Betriebsvermögens steht schon entgegen, dass der betriebliche Anteil nicht mehr als 50 % der gesamten Nutzung beträgt (BFH-Urteile vom 23. Mai 1991 IV R 58/90, BFHE 164, 537, BStBl II 1991, 798; in BFHE 203, 373, BStBl II 2004, 985). Diese 50 %-Grenze gilt nach der Rechtsprechung gleichermaßen für zu betrieblichen Zwecken genutzte Fahrzeuge, die der Steuerpflichtige, ohne deren wirtschaftliches Eigentum erlangt zu haben, lediglich als Leasingnehmer hält (BFH-Urteil in BFHE 201, 499, BStBl II 2003, 472; Schleswig-Holsteinisches FG, Urteil vom 3. November 1999 V 88/99, EFG 2000, 165; BMF-Schreiben vom 12. Mai 1997 IV B 2 -S 2177- 29/97, BStBl I 1997, 562, Tz. 1, und vom 21. Januar 2002 IV A 6 -S 2177- 1/02, BStBl I 2002, 148, Tz. 1; Wacker, NWB, Fach 3, S. 10119, 10129). Der Vorschrift unterfallen zudem gleichermaßen neue wie gebraucht erworbene Fahrzeuge (vgl. BFH-Urteile vom 24. Februar 2000 III R 59/98, BFHE 191, 286, BStBl II 2000, 273; vom 1. März 2001 IV R 27/00, BFHE 195, 200, BStBl II 2001, 403; BMF-Schreiben in BStBl I 1997, 562, Tz. 7, und in BStBl I 2002, 148, Tz. 8).

b) Für die Annahme gewillkürten Betriebsvermögens, das nach der jüngeren Rechtsprechung auch bei Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG grundsätzlich bei einem betrieblichen Nutzungsanteil von mehr als 10 % --wie im Streitfall-- gebildet werden kann (vgl. BFH-Urteile in BFHE 203, 373, BStBl II 2004, 985; vom 16. Juni 2004 XI R 17/03, BFH/NV 2005, 173; R 4.2 Abs. 1 Satz 3 der Einkommensteuer-Richtlinien --EStR-- 2005), fehlt es an der erforderlichen Zuordnung des Fahrzeugs zum Betriebsvermögen in unmissverständlicher Weise durch entsprechende, zeitnah erstellte Aufzeichnungen; entgegen der Auffassung des Klägers genügt dafür nicht schon die Erfassung der Leasingraten sowie der weiteren Betriebskosten des Kfz in der Gewinnermittlung als Betriebsausgaben (BFH-Urteil in BFH/NV 2006, 1277). Die Nichterfassung des Y im Rahmen der Aufzeichnungen, die der Kläger im Übrigen nach den tatsächlichen Feststellungen des FG durchaus --z.B. unter Berücksichtigung des weiteren PKW (X)-- geführt hat, steht damit der Annahme gewillkürten Betriebsvermögens entgegen.

2. Soweit der Kläger geltend macht, das FA sei mit dem angefochtenen Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr von seiner Behandlung der streitigen Kfz-Kosten in den Vorjahren abgewichen, kann er sich nicht auf die Schutzwürdigkeit seines Vertrauens in die Fortsetzung dieser Veranlagungspraxis berufen. Es entspricht dem Grundsatz der Abschnittsbesteuerung, dass das FA in jedem Veranlagungszeitraum die einschlägigen Besteuerungsgrundlagen erneut zu prüfen und rechtlich zu würdigen hat. Eine als falsch erkannte Rechtsauffassung muss es zum frühest möglichen Zeitpunkt aufgeben (BFH-Beschluss vom 12. Juli 2006 IV B 9/05, BFH/NV 2006, 2028; BFH-Urteil vom 12. April 2007 VI R 77/04, BFH/NV 2007, 1643).

3. Die Sache ist nicht spruchreif, weil das FG auf der Grundlage seiner bisherigen Rechtsauffassung keine Veranlassung für eine Aufteilung der Kfz-Aufwendungen auf die beiden Fahrzeuge hatte, diese Aufteilung aber nunmehr angesichts der auch vom FA hingenommenen Anwendbarkeit der 1 %-Regelung auf den X einerseits sowie ihrer Unanwendbarkeit auf den Y andererseits geboten ist, um den Betrag der zu einem Anteil von 20 % als Betriebsausgaben abziehbaren Aufwendungen für den Y bemessen zu können. Die dazu erforderlichen Feststellungen hat das FG nachzuholen.

Ende der Entscheidung

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