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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 29.08.2000
Aktenzeichen: VIII R 7/99
Rechtsgebiete: EStG, KStG, GmbHG
Vorschriften:
EStG § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 | |
EStG § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 | |
EStG § 17 Abs. 1 | |
EStG § 17 Abs. 2 | |
EStG § 4 Abs. 1 Satz 1 | |
EStG § 4 Abs. 1 Satz 5 | |
KStG § 8 Abs. 1 | |
KStG § 30 Abs. 2 Nr. 4 | |
KStG § 40 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 | |
GmbHG § 30 Abs. 1 | |
GmbHG § 31 Abs. 1 |
Muss ein GmbH-Gesellschafter eine offene Gewinnausschüttung an die GmbH nach § 31 Abs. 1 GmbHG zurückzahlen, so stellt die Rückzahlung nicht nur aus Sicht der GmbH, sondern auch aus Sicht des Gesellschafters eine Einlage dar, die nur im Rahmen des § 17 EStG als nachträgliche Anschaffungskosten des Gesellschafters auf seine Beteiligung an der GmbH berücksichtigt werden kann. Die Rückzahlung führt hingegen nicht zu negativen Einnahmen des Gesellschafters bei den Einkünften aus Kapitalvermögen (Fortführung des BFH-Urteils vom 25. Mai 1999 VIII R 59/97, BFHE 188, 569).
EStG § 20 Abs. 1 Nr. 1 Sätze 1 und 3, § 17 Abs. 1 und 2, § 4 Abs. 1 Sätze 1 und 5 KStG § 8 Abs. 1, § 30 Abs. 2 Nr. 4, § 40 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 GmbHG § 30 Abs. 1, § 31 Abs. 1
Urteil vom 29. August 2000 - VIII R 7/99 -
Vorinstanz: FG Köln (EFG 1999, 380)
Gründe
I.
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) war an der X-GmbH zu 45 % beteiligt; weitere Gesellschafterin der X-GmbH war die R GmbH & Co. KG (R-KG). Mit notariellem Vertrag vom 12. November 1993 veräußerte der Kläger seine Beteiligung an der X-GmbH an die R-KG. Nach § 3 des Vertrags sollte die R-KG vorab einen Teilkaufpreis von 254 454,30 DM an den Kläger leisten.
Demgegenüber sollte der Kläger 29 454,30 DM an die X-GmbH gemäß § 31 Abs. 1 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbHG) zurückzahlen. Hintergrund für die Rückzahlung nach § 31 Abs. 1 GmbHG war eine im Jahr 1992 vorgenommene offene Gewinnausschüttung der X-GmbH an den Kläger in Höhe von 39 272,40 DM zuzüglich anrechenbarer Körperschaftsteuer, die --wie zwischen den Beteiligten unstreitig ist-- zu einer teilweisen Rückzahlung des Stammkapitals der X-GmbH geführt und damit einen Rückzahlungsanspruch der X-GmbH gemäß § 31 Abs. 1 GmbHG begründet hatte. Der Kläger erklärte sich damit einverstanden, dass der Rückzahlungsbetrag in Höhe von 29 454,30 DM von der R-KG für die X-GmbH eingezogen und mit dem Teilkaufpreisanspruch des Klägers verrechnet werden sollte, so dass ein zu zahlender Teilkaufpreis von 225 000 DM verblieb. Den Rückzahlungsbetrag in Höhe von 29 454,30 DM führte die R-KG noch im selben Jahr an die X-GmbH ab.
In ihrer Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 1993 erklärten der Kläger und seine mit ihm zusammen veranlagte Ehefrau (Klägerin und Revisionsklägerin --Klägerin--) einen Veräußerungsgewinn gemäß § 17 des Einkommensteuergesetzes (EStG) in Höhe von 206 406 DM. Des Weiteren machten sie im Hinblick auf die Erfüllung des Erstattungsanspruchs der X-GmbH gemäß § 31 Abs. 1 GmbHG negative Einnahmen aus Kapitalvermögen in Höhe von 29 454 DM geltend.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) behandelte den Rückzahlungsbetrag von 29 454,30 DM als Einlage in das Betriebsvermögen der X-GmbH und damit als nachträgliche Anschaffungskosten des Klägers auf die Beteiligung an der X-GmbH und setzte den Veräußerungsgewinn gemäß § 17 Abs. 2 EStG nur in Höhe von 176 951 DM fest. Dementsprechend berücksichtigte das FA keine negativen Einnahmen aus Kapitalvermögen. Im Laufe des gegen den Einkommensteuerbescheid durchgeführten Einspruchsverfahrens erließ das FA einen Änderungsbescheid, in dem der Veräußerungsgewinn auf Grund nachträglicher Kaufpreisratenzahlungen unstreitig erhöht wurde.
Das Einspruchsverfahren hatte wegen der Anerkennung von hier nicht streitigen Aufwendungen Erfolg, blieb aber im Hinblick auf die Berücksichtigung der streitigen 29 454 DM ebenso wie die gegen die Einspruchsentscheidung erhobene Klage erfolglos (Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 1999, 380).
Mit der --vom Finanzgericht (FG) wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassenen-- Revision rügen die Kläger eine Verletzung materiellen Rechts (§ 20 EStG).
Die Kläger beantragen,
das Urteil des FG Köln vom 20. Januar 1999 12 K 8438/97 aufzuheben und die Einkommensteuer 1993 unter Berücksichtigung von negativen Einnahmen aus Kapitalvermögen in Höhe von 29 454 DM und eines Veräußerungsgewinns i.S. von § 17 EStG in Höhe von 432 541 DM auf 139 258 DM festzusetzen.
Das FA beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Die Beteiligten haben auf eine mündliche Verhandlung verzichtet (§ 90 Abs. 2 i.V.m. § 121 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
II.
Die zulässige Revision der Kläger ist unbegründet und deshalb zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 FGO).
Die Rückzahlung der im Jahr 1992 erfolgten offenen Gewinnausschüttung durch den Kläger ist nicht als negative Einnahme aus Kapitalvermögen zu berücksichtigen, sondern als Einlage gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 EStG i.V.m. § 8 Abs. 1 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) zu behandeln. Sie führt --wie vom FA bereits berücksichtigt-- beim Kläger zu nachträglichen Anschaffungskosten auf die Beteiligung an der X-GmbH gemäß § 17 Abs. 2 EStG.
a) Nach ständiger Rechtsprechung des I. Senats des Bundesfinanzhofs (BFH) ist die Rückgewähr von Gewinnausschüttungen durch den Gesellschafter an die Kapitalgesellschaft auf der Ebene der Kapitalgesellschaft als Einlage gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 EStG i.V.m. § 8 Abs. 1 KStG zu behandeln (zur Rückgewähr offener Gewinnausschüttungen vgl. z.B. BFH-Urteile vom 21. Juli 1999 I R 57/98, BFHE 190, 103; vom 18. Juli 1990 I R 173/87, BFH/NV 1991, 190; vom 14. März 1989 I R 105/88, BFHE 157, 72, BStBl II 1989, 741, unter II. 4. a der Gründe; zur Rückgewähr verdeckter Gewinnausschüttungen --vGA-- vgl. z.B. BFH-Urteile vom 29. Mai 1996 I R 118/93, BFHE 180, 405, BStBl II 1997, 92, unter II. 1. der Gründe, m.w.N.; vom 29. April 1987 I R 176/83, BFHE 150, 337, BStBl II 1987, 733). Dementsprechend ist die Rückzahlung einer erfolgten Gewinnausschüttung bei der Kapitalgesellschaft erfolgsneutral und gliederungsrechtlich im EK 04 zu erfassen.
b) Aus der Sicht des Kapitalgesellschafters ist die Rückzahlung einer --verdeckten wie auch offenen-- Gewinnausschüttung ebenfalls als Einlage zu behandeln, wenn die Rückzahlung durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst ist.
aa) In seiner früheren Rechtsprechung hat der BFH bei der steuerlichen Behandlung einer Rückzahlung einer Gewinnausschüttung auf der Ebene des Gesellschafters eine Einlage nur angenommen, wenn der Gesellschafter weder rechtlich noch tatsächlich zur Rückzahlung von Gewinnanteilen verpflichtet war. Bestand hingegen eine rechtliche oder tatsächliche Verpflichtung, so war die Rückzahlung nicht als Einlage, sondern als negative Einnahme aus Kapitalvermögen zu berücksichtigen (vgl. BFH-Urteile vom 6. März 1979 VIII R 26/78, BFHE 127, 514, BStBl II 1979, 510; vom 19. Januar 1977 I R 188/74, BFHE 123, 124, BStBl II 1977, 847).
bb) In seiner jüngeren Rechtsprechung hat der BFH jedoch die Eignung des Merkmals der rechtlichen oder tatsächlichen Verpflichtung für die steuerliche Behandlung der Rückzahlung eines Gewinnanteils in Zweifel gezogen; er hat aber die Frage, ob die Rechtsprechung des I. Senats des BFH, die die Sicht der Kapitalgesellschaft betrifft, auch für die steuerliche Behandlung beim Gesellschafter maßgeblich ist, ausdrücklich offen gelassen (vgl. BFH-Urteile vom 3. August 1993 VIII R 82/91, BFHE 174, 24, BStBl II 1994, 561, unter II. 2. a, cc und dd der Gründe; vom 25. Mai 1999 VIII R 59/97, BFHE 188, 569, unter II. 1. c und d der Gründe; in BFHE 190, 103).
cc) Der erkennende Senat schließt sich nunmehr der unter II. 1. a der Gründe aufgeführten Rechtsprechung des I. Senats dahin gehend an, dass eine Rückzahlung von Gewinnanteilen durch den Gesellschafter nicht nur aus der Sicht der Gesellschaft, sondern auch aus der Sicht des Kapitalgesellschafters als Einlage zu behandeln ist, wenn die Rückzahlung durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst ist. Eine derartige Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis besteht nicht nur bei einer auf einer Satzungsklausel beruhenden Rückzahlung einer vGA (vgl. BFH-Urteil in BFHE 188, 569, unter II. 1. d, aa der Gründe), sondern auch --wie im Streitfall-- bei der Rückzahlung eines offen ausgeschütteten Gewinnanteils an eine GmbH, um deren Erstattungsanspruch nach § 31 Abs. 1 GmbHG zu erfüllen.
aaa) Das Tatbestandsmerkmal, das die Einlage in eine Kapitalgesellschaft nach § 4 Abs. 1 Satz 1 EStG kennzeichnet, ist die durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasste Zuführung eines bilanzierungsfähigen Vermögensvorteils durch einen Gesellschafter (vgl. BFH-Urteile in BFHE 188, 569, unter II. 1. d, aa der Gründe; vom 15. Oktober 1997 I R 80/96, BFH/NV 1998, 624, unter 1. der Gründe, m.w.N.). Der erkennende Senat hat in seiner Entscheidung in BFHE 188, 569, unter II. 1. d, aa der Gründe, ausgeführt, dass dieses Merkmal aus der Sicht der Kapitalgesellschaft ebenso wie aus der Sicht des Kapitalgesellschafters --dem "Steuerpflichtigen" i.S. von § 4 Abs. 1 Satz 5 EStG-- der gleichen Beurteilung unterliegt. Auf Grund dieser einheitlichen Betrachtung ist maßgeblich, ob die Rückzahlung des Gewinnanteils durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst ist. Demgegenüber kommt es --entgegen der von Döllerer (Deutsches Steuerrecht --DStR-- 1989, 331, 334) vertretenen Auffassung-- nicht darauf an, ob sich durch die Rückzahlung der Wert der Beteiligung erhöht hat (vgl. hierzu die Ausführungen im BFH-Urteil in BFHE 188, 569, unter II. 1. d, bb der Gründe).
bbb) Ohne eine einheitliche Betrachtung könnte es zudem zu einer Besteuerungslücke kommen, wenn die Beteiligung an der Kapitalgesellschaft im Privatvermögen gehalten wird und nicht wesentlich i.S. von § 17 Abs. 1 EStG ist. Denn ließe man auf der Ebene des Gesellschafters die steuerliche Berücksichtigung der Rückzahlung als negative Einnahme (oder Werbungskosten) und damit die "Neutralisierung" der im Ausschüttungsjahr gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 EStG erfolgten Besteuerung des Gewinnanteils zu, könnte die Kapitalgesellschaft den bei ihr --auf Grund der steuerlichen Behandlung als Einlage-- im EK 04 gemäß § 30 Abs. 2 Nr. 4 KStG zu erfassenden Zugang nunmehr nach § 40 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 KStG, § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG steuerfrei an ihren Gesellschafter ausschütten (vgl. Wassermeyer in Kirchhof/Söhn, Einkommensteuergesetz, § 20 Rdnr. C 96; BFH-Urteil in BFHE 188, 569, unter II. 1. d, aa der Gründe, jeweils zur Rückzahlung von vGA).
ccc) Die nach den vorstehenden Ausführungen für die Annahme einer Einlage erforderliche Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis ist im Streitfall zu bejahen. Denn die Rückzahlung des Gewinnanteils diente der Erfüllung eines Anspruchs der X-GmbH nach § 31 Abs. 1 GmbHG, der durch die gesellschaftsrechtlich veranlasste Gewinnausschüttung (vgl. Scholz/ H. P. Westermann, Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung, 9. Aufl., § 30 Rz. 19) an die Gesellschafter unter Verstoß gegen die Kapitalerhaltungsvorschrift des § 30 Abs. 1 GmbHG entstanden war und der der Wiederaufbringung des durch die nach § 30 Abs. 1 GmbHG untersagte Gewinnausschüttung geschmälerten Stammkapitals der Gesellschaft dient. Dieser Anspruch ist funktional mit dem Einlageanspruch der Gesellschaft zu vergleichen (vgl. Urteil des Bundesgerichtshofs vom 29. Mai 2000 II ZR 118/98, DStR 2000, 1234; Lutter/Hommelhoff, Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung, 15. Aufl., § 31 Rz. 1) und findet daher --wie auch die Erfüllung dieses Anspruchs-- seine Grundlage im Gesellschaftsverhältnis (vgl. auch BFH-Urteil vom 13. September 1989 I R 41/86, BFHE 158, 338, BStBl II 1989, 1029; zum Rückforderungsanspruch nach §§ 30, 31 GmbHG bei vGA; Scholz/H. P. Westermann, a.a.O., § 31 Rz. 1).
dd) Ist die vom Kläger vorgenommene Rückzahlung nach den vorstehenden Ausführungen durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst, kommt eine Berücksichtigung als negative Einnahme aus Kapitalvermögen nicht in Betracht. Vielmehr ist sie angesichts der noch im Streitjahr erfolgten Weiterleitung des Betrags durch die R-KG an die X-GmbH als Einlage des Klägers zu berücksichtigen. Da das FA die Einlage als nachträgliche Anschaffungskosten auf die Beteiligung an der X-GmbH gemäß § 17 Abs. 2 EStG bereits berücksichtigt hat, scheidet eine Änderung des angefochtenen Steuerbescheides zugunsten der Kläger aus.
Ende der Entscheidung
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