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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 15.06.2004
Aktenzeichen: VIII R 72/03
Rechtsgebiete: EStG, HwO


Vorschriften:

EStG § 24 Nr. 1 Buchst. a
EStG § 24
EStG § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2
HwO § 97 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) betreibt als KG einen Handwerksbetrieb. Der Beigeladene war in den Streitjahren als Komplementär mit einem Anteil von 20 v.H. an der Klägerin beteiligt.

Er war außerdem u.a. als Präsident der Handwerkskammer ehrenamtlich tätig. Die Satzung der Handwerkskammer sieht vor, dass dem Präsidenten für den mit seiner Tätigkeit verbundenen Aufwand eine angemessene Entschädigung gewährt werden kann. Die durch Vorstandsbeschluss bestimmte Entschädigung des Präsidenten betrug in den Streitjahren 40 v.H. der beamtenrechtlichen Besoldung des Hauptgeschäftsführers (Besoldungsgruppe B 6).

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) behandelte die Aufwandsentschädigung des Beigeladenen aus seiner ehrenamtlichen Tätigkeit als Präsident der Handwerkskammer als Sonderbetriebseinnahme und erhöhte den Gewinn der Klägerin entsprechend.

Die Einsprüche der Klägerin, mit denen sie begehrte, die Entschädigungen des Beigeladenen für seine ehrenamtliche Tätigkeit nicht als Sonderbetriebseinnahmen gesondert festzustellen, hatten nur insoweit Erfolg, als das FA von den Entschädigungen ohne weiteren Nachweis einen steuerlich anzuerkennenden Aufwand von jährlich 3 600 DM abzog (entspr. Abschn. 13 Abs. 4 Satz 3 der Lohnsteuer-Richtlinien 1996 --LStR 1996--).

Das Finanzgericht (FG) hat die Klage als unbegründet abgewiesen. Der Leitsatz der Entscheidung ist veröffentlicht in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2003, 1538.

Zur Begründung hat das FG u.a. ausgeführt, es schließe sich den Ausführungen des Bundesfinanzhofs (BFH) im Urteil vom 26. Februar 1988 III R 241/84 (BFHE 153, 33, BStBl II 1988, 615) an. Dass der Beigeladene kein Einzelunternehmen betreibe, sondern Gesellschafter einer KG sei, ändere nichts daran, dass die Entschädigung zu den gewerblichen Einkünften gehöre.

Mit der Revision rügt die Klägerin die Verletzung materiellen Rechts.

Sie beantragt sinngemäß,

das Urteil des FG aufzuheben und den Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für 1997 vom 15. November 2000 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 1. Juni 2001 sowie den geänderten Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für 1998 vom 22. Mai 2003 mit der Maßgabe zu ändern, dass die Sonderbetriebseinnahmen des Beigeladenen entfallen.

Das FA beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Der Beigeladene hat keinen Antrag gestellt.

II. Die Revision ist unbegründet und deshalb zurückzuweisen. Das FA hat jedenfalls im Ergebnis zu Recht die Entschädigungen des Beigeladenen aus seiner ehrenamtlichen Tätigkeit als Präsident der Handwerkskammer bei der Klägerin als Sonderbetriebseinnahme gesondert festgestellt.

1. Mit Urteil in BFHE 153, 33, BStBl II 1988, 615 hat der BFH entschieden, die dem ehrenamtlich tätigen Präsidenten einer Berufskammer von der Kammer gezahlte Aufwandsentschädigung erhöhe den gewerblichen Gewinn. Soweit sie den durch die ehrenamtliche Tätigkeit verursachten abzugsfähigen betrieblichen Mehraufwand abgelte, sei sie Betriebseinnahme, soweit sie darüber hinausgehe, handele es sich um eine Entschädigung für entgangene oder entgehende Einnahmen i.S. des § 24 Nr. 1 Buchst. a des Einkommensteuergesetzes (EStG). Dafür sei zwar erforderlich, dass der Steuerpflichtige das zur Ausgleichsleistung führende Ereignis nicht aus eigenem Antrieb herbeigeführt habe. Für die Übertragung des Ehrenamts sei jedoch ein von seinem Willen unabhängiger Wahlakt entscheidend. Demgegenüber trete es in den Hintergrund, wenn der Steuerpflichtige seine Wahl angenommen und sich sogar darum bemüht habe.

Diese Argumentation ist auf Kritik gestoßen (Bordewin, Rechts- und Wirtschaftspraxis --RWP-- 1988/1172 SG 1.3, 2611; Horn in Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz, Kommentar, § 24 EStG Anm. 25). Nach neuerer Rechtsprechung des BFH zu § 24 EStG setzt der Begriff der Entschädigung zumindest voraus, dass der Steuerpflichtige, der selbst an der Herbeiführung des Einnahmenausfalls mitgewirkt hat, unter erheblichem rechtlichem, wirtschaftlichem oder tatsächlichem Druck gehandelt hat (vgl. BFH-Urteile vom 24. Oktober 1990 X R 161/88, BFHE 162, 329, BStBl II 1991, 337, und vom 9. Juli 1992 XI R 5/91, BFHE 168, 338, BStBl II 1993, 27). Unter diesen Voraussetzungen erscheint es zweifelhaft, ob das angefochtene Urteil mit der vom BFH im Urteil in BFHE 153, 33, BStBl II 1988, 615 gegebenen Begründung aufrechterhalten werden könnte. Die Frage kann indes auf sich beruhen, weil sich die Entscheidung jedenfalls aus anderen Gründen als richtig darstellt (§ 126 Abs. 4 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Die Einnahmen aus der ehrenamtlichen Tätigkeit des Beigeladenen als Präsident der Handwerkskammer sind nach allgemeinen Grundsätzen durch den Gewerbebetrieb der Klägerin veranlasst und erhöhen als Sonderbetriebseinnahme des Beigeladenen den Gewinn der Klägerin.

2. Zu den einheitlich und gesondert festzustellenden Einkünften aus der Beteiligung an einer Personengesellschaft gehören neben den Anteilen am Gewinn der Gesellschaft auch die Sonderbetriebseinnahmen und Sonderbetriebsausgaben der Gesellschafter, die im Zusammenhang mit der Beteiligung entstehen (vgl. BFH-Urteil vom 9. Februar 1993 VIII R 29/91, BFHE 171, 419, BStBl II 1993, 747, m.w.N.).

a) Die von der Handwerkskammer an den Beigeladenen gezahlte Entschädigung ist keine Sondervergütung i.S. des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG. Nach dieser Vorschrift gehören zu den gewerblichen Einkünften des Gesellschafters einer gewerblich tätigen Personengesellschaft auch die Vergütungen, die der Gesellschafter außerhalb der Gewinnverteilung für eine Tätigkeit im Dienst der Gesellschaft, für die Hingabe von Darlehen oder die Überlassung von Wirtschaftsgütern bezogen hat. Im Streitfall hat nicht die Klägerin, sondern die Handwerkskammer dem Beigeladenen eine Entschädigung gezahlt. Allerdings können auch Zahlungen Dritter Betriebseinnahmen sein; das ist jedenfalls dann der Fall, wenn sie an die Stelle von Sondervergütungen treten. So liegt der Streitfall.

b) Die von der Handwerkskammer gezahlte Entschädigung soll die durch die ehrenamtliche Tätigkeit möglicherweise entstehenden Nachteile für die Gewerbebetriebe ihrer Mitglieder ausgleichen (vgl. BFH-Urteil in BFHE 153, 33, BStBl II 1988, 615). Voraussetzung für die Wahl zur Vollversammlung und zum Vorstand der Handwerkskammer ist nach Maßgabe des § 97 Abs. 1 der Handwerksordnung (HwO) die aktive Ausübung des Handwerks. Die von der Handwerkskammer für die ehrenamtliche Mitarbeit ihrer Mitglieder gezahlte Entschädigung soll gewährleisten, dass die in ihren Organen tätigen Mitglieder ihr Handwerk weiter aktiv betreiben können und dem Tagesgeschehen verbunden bleiben (vgl. Honig, Handwerksordnung, Kommentar, § 66 Rn. 18). Zu den durch die Aufwandsentschädigung abgegoltenen beruflichen oder betrieblichen Nachteilen zählen nicht nur die unmittelbar durch die Wahrnehmung des Ehrenamts veranlassten zusätzlichen betrieblichen Aufwendungen wie Vertretungskosten, sondern auch durch die ehrenamtliche Tätigkeit möglicherweise eintretende Einnahmenausfälle. Dabei wird sinngemäß und typisierend unterstellt, dass der in der Handwerkskammer ehrenamtlich aktive Handwerker seine Arbeitskraft und Arbeitszeit ansonsten mit Erfolg seinem Handwerksbetrieb widmen würde. Diese typisierende Annahme begründet den steuerlichen Zurechnungszusammenhang grundsätzlich ohne Rücksicht auf die tatsächlichen Umstände des Einzelfalles.

Unerheblich ist deshalb, ob der Beigeladene in seinem Handwerksbetrieb noch handwerklich aktiv tätig ist. Als am Gewinn beteiligter einziger Komplementär der Klägerin ist er Mitunternehmer (vgl. BFH-Urteil vom 9. Februar 1999 VIII R 43/98, BFH/NV 1999, 1196) und erzielt als solcher Einkünfte aus Gewerbebetrieb. Auf andere berufliche Aktivitäten, denen der Beigeladene seine Zeit überwiegend gewidmet haben will, kommt es ebenfalls nicht an. Weder als Vermieter noch als Landwirt hätte der Beigeladene zum Präsidenten der Handwerkskammer gewählt werden können. Die durch seine ehrenamtliche Tätigkeit als Präsident der Handwerkskammer erzielten Einnahmen sind seiner Zugehörigkeit zum Handwerk geschuldet und allein dem gewerblichen Handwerksbetrieb zuzurechnen.



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