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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 25.08.1999
Aktenzeichen: VIII R 76/95
Rechtsgebiete: FGO, AO 1977, GewStG


Vorschriften:

FGO § 42
AO 1977 § 351 Abs. 2
AO 1977 § 171 Abs. 10
AO 1977 § 184 Abs. 1 Satz 4
AO 1977 § 182 Abs. 1
AO 1977 § 184 Abs. 1 Satz 2
AO 1977 § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1
GewStG § 16 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe

Zwischen den Beteiligten ist die Gewerbesteuerpflicht der Klägerin und Revisionsbeklagten (Klägerin) im Streit.

Durch Vertrag vom 30. November 1987 wurde die Klägerin von sieben Mitreedern als Partenreederei, zu deren Vermögen ein Motorschiff gehörte, gegründet. Dabei wurden fünfzig Parten von sechs natürlichen Personen (Gruppe E) und fünfzig Parten von der A AG übernommen; das Motorschiff wurde in ein ausländisches Schiffsregister eingetragen.

Die Klägerin bestellte am 30. November 1987 die C.F. E Ltd., Douglas, Isle of Man, und mit Beschluß vom 10. November 1989 die Firma C Ltd., Limassol/Zypern zum Korrespondentreeder. Dabei sollten die Verpflichtungen des Korrespondentreeders zur Befrachtung des Schiffes für die Periode des Einsatzes im U-Pool suspendiert sein. Am 14. März 1990 verkaufte ein Mitreeder eine seiner Parten an die Firma C.F. E Shipmanagement (Cyprus) Ltd., Limassol, die Nachfolgefirma des Korrespondentreeders C Ltd. (Limassol).

Von den Korrespondentreedern auf der Isle of Man und auf Zypern, die dort jeweils einen Bürobetrieb mit eigenem Personal unterhielten, wurden die täglichen Geschäfte sowie der Zahlungsverkehr und die Buchführung abgewickelt. Für die Beschaffung der Schiffsmannschaft beschäftigten sie teilweise ausländische Crewing-Manager. Während der gesamten Streitjahre wurde das Schiff ausschließlich vom U-Pool befrachtet, einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR), an der in den Streitjahren zahlreiche Gesellschaften der E-Gruppe und der X-Gruppe beteiligt waren. Verwaltet wurde der Pool durch einen Pool-Sekretär, die U-GmbH mit Sitz in Hamburg, deren Gesellschafter die E GmbH und eine Gesellschaft aus dem Bereich der X-Gruppe waren. Der Pool schließt mit großen Befrachtern jeweils längerfristige Verträge über die Befrachtung der im Pool befindlichen Schiffe.

Mit Ausnahme der Befrachtung oblagen den Korrespondentreedern alle übrigen, mit dem Betrieb des Schiffes zusammenhängenden Aufgaben, wie beispielsweise die Sorge für die technische Instandhaltung, die Bemannung (Personalverwaltung) und die Buchführung. Auch die Abrechnung und der Zahlungsverkehr mit den Befrachtern lief über den Korrespondentreeder.

Mitreederversammlungen der Klägerin fanden in Hamburg ca. einmal jährlich statt. Auf diesen Versammlungen wurde auch über etwaige Einschüsse der Mitreeder beschlossen.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) erließ für die Streitjahre (1987 bis 1991) Gewerbesteuermeßbescheide und Gewerbesteuerbescheide. Hiergegen wandte sich die Klägerin nach erfolglosem Einspruch mit ihren Klagen, die das Finanzgericht (FG) zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung miteinander verbunden hat.

Das FG hat den Klagen ... stattgegeben. Hiergegen richtet sich die Revision des FA, mit der die Verletzung formellen und materiellen Rechts gerügt wird.

Die Revisionsbegründung ist nach Ablauf der (verlängerten) Revisionsbegründungsfrist beim Bundesfinanzhof (BFH) eingegangen. Das FA hat daraufhin Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt und geltend gemacht, die Revisionsbegründung sei zusammen mit den Akten drei Tage vor Ablauf der Revisionsbegründungsfrist zur Post gegeben worden. Es habe darauf vertraut, daß dieses Paket innerhalb der von der Post publizierten regulären Laufzeit (48 Stunden) --spätestens jedoch am dritten Tag nach Absendung-- den BFH erreichen werde.

Das FA beantragt, die Entscheidung der Vorinstanz aufzuheben und die Klagen abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.

A. Die Revision ist zulässig. Wegen der Versäumnis der Revisionsbegründungsfrist hat der Senat mit Zwischenurteil vom 7. Mai 1996 VIII R 60/95 (BFH/NV 1997, 34) Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt.

B. Die Revision ist jedoch nur insoweit begründet, als das FG die Gewerbesteuerbescheide 1987 bis 1991 sowie die hierzu ergangenen Einspruchsentscheidungen aufgehoben hat.

1. Die Vorinstanz hat verkannt, daß die Klage gegen die Gewerbesteuerbescheide unzulässig ist.

Nach § 42 der Finanzgerichtsordnung (FGO) i.V.m. § 351 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO 1977) können Entscheidungen, die in einem Grundlagenbescheid (§ 171 Abs. 10 AO 1977) zu treffen sind, nur durch Anfechtung dieses Bescheids, nicht hingegen durch Anfechtung des Folgebescheids angegriffen werden. Diese Beschränkung der Klagebefugnis ist auch im Verhältnis von Gewerbesteuermeßbescheid und Gewerbesteuerbescheid zu beachten (§§ 184 Abs. 1 Satz 4, 182 Abs. 1 AO 1977). Da ferner mit der Festsetzung des Gewerbesteuermeßbescheids (§ 16 Abs. 1 des Gewerbesteuergesetzes --GewStG--) auch über die Frage der Gewerbesteuerpflicht zu entscheiden ist (§ 184 Abs. 1 Satz 2 AO 1977) und demgemäß auch die hierzu getroffenen Feststellungen für den Erlaß oder die Aufhebung des Gewerbesteuerbescheids Bindungswirkung entfalten (§ 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO 1977), ist die gegen die Gewerbesteuerbescheide 1987 bis 1991 gerichtete Klage als unzulässig abzuweisen und das Urteil der Vorinstanz insoweit aufzuheben (vgl. BFH-Entscheidungen vom 25. April 1989 VIII R 294/84, BFH/NV 1990, 261; vom 11. Juli 1996 IV R 67/95, BFH/NV 1997, 114).

2. Im übrigen ist die Revision jedoch unbegründet.

a) Zwischen den Beteiligten ist umstritten, ob die Klägerin eine Betriebsstätte (§ 12 AO 1977) im Inland unterhielt und demgemäß der Gewerbesteuer nach § 2 Abs. 1 Sätze 1 und 3 GewStG unterliegt. Streiterheblich ist mithin die Frage, ob sich die Stätte der Geschäftsleitung der Klägerin, die in § 10 AO 1977 als Mittelpunkt der geschäftlichen Oberleitung definiert ist, in den Jahren 1987 bis 1991 im Inland befand. Hierzu hat der IV. Senat mit Urteil vom 3. Juli 1997 IV R 58/95 (BFHE 184, 185, BStBl II 1998, 86) entschieden, daß --je nach den vom FG festgestellten und in ihrer Bedeutung für die laufende Geschäftsführung ("Tagesgeschäfte") zu gewichtenden tatsächlichen Umständen-- bei einem Schiffahrtsunternehmen dieser Mittelpunkt auch in den Geschäftsräumen eines ausländischen Korrespondentreeders (oder Managers) liegen könne. Der erkennende Senat stimmt dem zu. Das Urteil des IV. Senats ist zu einem in allen entscheidungserheblichen Umständen identischen Sachverhalt ergangen; zur Vermeidung von Wiederholungen wird deshalb --auch soweit das FA eine Verletzung der Sachaufklärungspflicht des FG gerügt hat-- auf die Gründe dieses Urteils Bezug genommen.

b) Entgegen der Auffassung des FA widerstreitet diese Beurteilung nicht der jüngeren Rechtsprechung des I. Senats des BFH, nach der --(jedenfalls) im Rahmen der Auslegung des § 21 Abs. 2 des Berlinförderungsgesetzes-- nicht ausgeschlossen werden könne, einzelne Geschäftsleitungstätigkeiten verschiedenen Mittelpunkten (Betriebsstätten) zuzuordnen (Urteil vom 15. Oktober 1997 I R 76/95, BFH/NV 1998, 434; vgl. hierzu auch Gosch, Die steuerliche Betriebsprüfung 1998, 106). Wie der I. Senat mit Urteil vom 16. Dezember 1998 I R 138/97 (BFHE 188, 251, BStBl II 1999, 437) unter ausdrücklicher Bezugnahme auf die Entscheidung des IV. Senats in BFHE 184, 185, BStBl II 1998, 86 bekräftigt hat, sind laufende Geschäftsführungsaufgaben, die an verschiedenen Orten ausgeübt werden, vorrangig zu gewichten (vgl. hierzu auch Kempermann, Finanz-Rundschau 1999, 758).

3. Der Senat entscheidet durch Urteil. Das hierfür erforderliche Einverständnis (§§ 90 Abs. 2, 121 FGO) kann --mit bindender Wirkung (vgl. hierzu Gräber/Koch, Finanzgerichtsordnung, 4. Aufl., § 90 Rz. 13 f.)-- bis zum Abschluß des Verfahrens und damit auch dann noch erklärt werden, wenn --wie vorliegend-- bereits mündlich verhandelt worden ist (Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 31. Oktober 1963 VI C 115/62, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 1966, 235; Gräber/Koch, a.a.O., § 90 Rz. 11; Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, § 90 FGO Rz. 10). Im übrigen weist der Senat darauf hin, daß die mündliche Verhandlung vom 26. Januar 1999 gemäß §§ 93 Abs. 3 Satz 1, 121 Satz 1 FGO für geschlossen erklärt wurde.

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