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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 07.10.1997
Aktenzeichen: VIII R 84/94
Rechtsgebiete: EStG, HGB
Vorschriften:
EStG § 5 Abs. 1 Satz 1 | |
HGB § 249 Abs. 1 Satz 1 |
Für die Verpflichtung zur gewordene Geschäftsräume Verluste aus schwebenden Zahlung der Mietzinsen für nutzlos ist eine Rückstellung für drohende Geschäften zu bilden.
EStG § 5 Abs. 1 Satz 1 HGB § 249 Abs. 1 Satz 1
Urteil vom 7. Oktober 1997 - VIII R 84/94 -
Vorinstanz: Hessisches FG
Gründe
Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), eine GmbH & Co. KG (S-KG), gab die bisher von ihr gemieteten Geschäftsräume zum 30. April 1990 auf und bezog ab 1. Mai 1990 neu errichtete eigene Geschäftsräume. Die angemieteten Geschäftsräume wurden von der Klägerin nicht mehr genutzt. Es war auch nicht möglich, sie unterzuvermieten. Das war bereits bei Aufstellung der Jahresbilanz für das Streitjahr 1989 am 2. Mai 1990 erkennbar.
Die Klägerin war verpflichtet, die Miete für die angemieteten Räume von monatlich 7 250 DM bis zum 30. Juni 1991 weiterzubezahlen. In Höhe des vom 1. Mai 1990 bis zum Auslaufen des Mietvertrages zu zahlenden Betrag in Höhe von (7 250 DM x 14 =) 101 500 DM bildete sie in der Bilanz zum 31. Dezember 1989 eine Rückstellung.
Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) berücksichtigte die Rückstellung im Rahmen der gesonderten und einheitlichen Feststellung des Gewinns der Klägerin für 1989 nicht. Er vertrat die Ansicht, daß sich nicht feststellen lasse, ob der Wert der monatlich zu zahlenden Mietzinsen den Wert des Nutzungsrechts an den gemieteten Räumen in den Jahren 1990 und 1991 übersteigen werde. Der Einspruch blieb erfolglos.
Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt. Das Mietverhältnis sei bei Aufstellung der Bilanz zum 31. Dezember 1989 erkennbar nicht mehr ausgewogen gewesen. Die Räume hätten für das Unternehmen der Klägerin keinen "positiven Erfolgsbeitrag" mehr geleistet. Dagegen stehe der "negative Erfolgsbeitrag" mit dem noch zu zahlenden Gesamtmietzins in Höhe von 101 500 DM fest. In Höhe dieses Verpflichtungsüberschusses sei eine Rückstellung zu bilden.
Mit der --vom FG zugelassenen-- Revision rügt das FA Verletzung materiellen Rechts (§ 5 Abs. 1 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes --EStG-- i.V.m. § 249 Abs. 1 Satz 1 des Handelsgesetzbuches --HGB--).
Das FA beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt sinngemäß, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Die Revision ist nicht begründet. Sie war deshalb zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
Die Klägerin mußte für die Verpflichtung zur Zahlung der Mietzinsen für die nutzlos gewordenen Räume eine Rückstellung für drohende Verluste aus schwebenden Geschäften bilden (§ 5 Abs. 1 Satz 1 EStG, § 249 Abs. 1 Satz 1 HGB).
1. Die Voraussetzungen für eine nach diesen Vorschriften zu bildende Rückstellung sind im Streitfall erfüllt.
a) Ein schwebendes Geschäft i.S. von § 249 Abs. 1 Satz 1 HGB liegt vor. Zu diesen Geschäften gehören auch Dauerschuldverhältnisse (vgl. z.B. Beschluß des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 23. Juni 1997 GrS 2/93, BFHE 183, 199, BStBl II 1997, 735).
Sie sind solange in der Schwebe, bis die zur Sach- oder Dienstleistung verpflichtete Vertragspartei ihre Leistung erbracht hat (BFH-Urteil vom 25. Oktober 1994 VIII R 65/91, BFHE 176, 359, BStBl II 1995, 312, m.w.N.).
Der im Streitfall geschlossene Mietvertrag war am Bilanzstichtag 31. Dezember 1989 hinsichtlich der künftigen Leistungsverpflichtungen noch von keiner Vertragspartei erfüllt.
b) Ein Verlust aus einem schwebenden Geschäft droht, wenn konkrete Anzeichen dafür vorliegen, daß wahrscheinlich der Wert der eigenen Verpflichtungen aus dem Geschäft den Wert der Ansprüche auf die Gegenleistungen übersteigt (sog. Verpflichtungsüberschuß; BFH-Beschluß in BFHE 183, 199, BStBl II 1997, 735).
Entscheidend sind die objektiven Wertverhältnisse am Bilanzstichtag. Danach liegt im Streitfall ein Verpflichtungsüberschuß vor.
aa) Der Wert der eigenen Verpflichtung der Klägerin aus dem Mietvertrag steht mit 101 500 DM fest.
Für die Dauer des schwebenden Geschäfts besteht die Vermutung der Ausgeglichenheit von Leistung und Gegenleistung (vgl. die Rechtsprechungsnachweise bei Schmidt/Weber-Grellet, Einkommensteuergesetz, 15. Aufl., § 5 Rdnr. 456). Die Vermutung bezieht sich bei gleichmäßig zu erfüllenden Dauerschuldverhältnissen nicht nur auf die von den Vertragsparteien insgesamt zu erbringenden, sondern auch auf die noch ausstehenden Leistungen. Die das schwebende Geschäft beendigenden Erfüllungsleistungen des Sachleistungsverpflichteten (hier: des Vermieters) werden kontinuierlich in Zeitablauf erbracht (vgl. z.B. --für Nutzungsverhältnisse-- BFH-Urteile vom 20. Mai 1992 X R 49/89, BFHE 168, 182, BStBl II 1992, 904; vom 3. Dezember 1991 VIII R 88/87, BFHE 167, 322, BStBl II 1993, 89; in BFHE 176, 359, BStBl II 1995, 312, und --für Dienstleistungsverhältnisse-- BFH-Urteil vom 6. April 1993 VIII R 86/91, BFHE 171, 221, BStBl II 1993, 709, m.w.N.). Das bedeutet, daß zu jedem Zeitpunkt des Nutzungsverhältnisses der Wert der erbrachten und der Wert der noch ausstehenden gegenseitigen Verpflichtungen in Höhe des vereinbarten Entgelts feststeht.
Die künftige Mietzahlungsverpflichtung der Klägerin beträgt danach am 1. Mai 1990 noch 101 500 DM.
bb) Dieser Verpflichtung der Klägerin steht am 1. Mai 1990 ein Wert des Nutzungsanspruchs in Höhe von 0 DM gegenüber.
Bei den auf Beschaffung gerichteten Dauerschuldverhältnissen darf der eigenen Verpflichtung des Sachleistungsberechtigten entgegen der Ansicht des FA nicht der allgemeine Wert des Sachleistungsanspruchs gegenübergestellt werden; es muß vielmehr der betriebsindividuelle Beitrag bewertet werden, den die Mietsache zum Erfolg oder Mißerfolg des Unternehmens leistet (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 25. Februar 1986 VIII R 377/83, BFHE 146, 146, BStBl II 1986, 465 unter 2 a der Gründe; vom 27. Juli 1988 I R 133/84 BFHE 154, 121, BStBl II 1988, 999; vom 16. Dezember 1987 I R 68/87, BFHE 152, 250, BStBl II 1988, 338, und zu dieser Rechtsprechung u.a. --erweiternd-- Christiansen, Deutsches Steuerrecht 1993, 1242, 1245 f. und --einengend-- Schön, Betriebs-Berater, Beilage 9/1994, S. 16, m.w.N.).
Im Regelfall läßt sich dieser Beitrag --wie der BFH in den angeführten Entscheidungen näher ausgeführt hat-- allerdings nicht bewerten; die Auswirkungen der einzelnen Produktionsfaktoren auf das Betriebsergebnis ist nicht hinreichend objektivierbar.
Das kann aber ausnahmsweise anders sein. Der Erfolgsbeitrag eines schwebenden Geschäfts für den Betrieb läßt sich --wie der erkennende Senat bereits in seinem Urteil in BFHE 146, 146, BStBl II 1986, 465 (dort unter 4. der Gründe) ausgeführt hat-- feststellen, wenn der Sach- oder Dienstleistungsanspruch des Unternehmers für den Betrieb keinen Wert (mehr) hat. Ein solcher Fall liegt auch vor, wenn eine Mietsache im oder für den Betrieb nicht mehr genutzt werden kann (vgl. u.a. Clemm/Nonnenmacher in Beckscher Bilanzkommentar, 3. Aufl., § 249 Rdnr. 74; Eifler, Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung für Rückstellungen, 1976, S. 127 f.; Friedrich, Grundsätze ordnungsmäßiger Bilanzierung für schwebende Geschäfte, 1975, S. 83, 86 f., 88; Geissen, Jahrbuch der Fachanwälte für Steuerrecht 1990/91, 478; Glade, Praxishandbuch der Rechnungslegung und Prüfung, 2. Aufl., 1995, § 249 Rdnr. 95, 104; Hoffmann in Littmann/Bitz/Hellwig, Das Einkommensteuerrecht, 15. Aufl., §§ 4, 5 EStG Rdnr. 903; Kupsch, Der Betrieb 1989, 53 f., 56; Lambrecht in Kirchhof/Söhn, Einkommensteuergesetz, § 5 Rdnr. D 119, 128; Schreiber in Blümich, Einkommensteuergesetz, 15. Aufl., § 5 Rdnr. 873). Der künftige Erfolgsbeitrag der Mietsache beträgt in diesem Fall 0 DM.
Davon ist im Streitfall auszugehen. Die angemieteten Räume sollten ab dem 1. Mai 1990 von der Klägerin nicht mehr selbst genutzt werden und konnten auch nicht untervermietet werden. Das stand nach den nicht angegriffenen Feststellungen des FG bereits am Bilanzstichtag fest (zur Maßgeblichkeit der Bewertung nach den Verhältnissen des Bilanzstichtages bei Rückstellungen für drohende Verluste aus schwebenden Geschäften vgl. u.a. BFH-Urteil vom 19. Juli 1983 VIII R 160/79 BFHE 139, 244, BStBl II 1984, 56 unter III. 4. der Gründe; Beschluß vom 26. Mai 1993 X R 72/90, BFHE 171, 455, BStBl II 1993, 855 unter B. III., m.w.N.). Die Unmöglichkeit der Weitervermietung der Räume war im Zeitpunkt der Bilanzaufstellung am 2. Mai 1990 für die Klägerin auch bereits erkennbar (zur Abgrenzung der wertbegründenden von den wertaufhellenden Umständen vgl. BFH-Urteil vom 2. Oktober 1992 III R 54/91, BFHE 169, 423, BStBl II 1993, 152). Die Rückstellung war deshalb bereits in der Bilanz zum 31. Dezember 1989 zu bilden.
2 Die Rückstellung ist nicht abzuzinsen. In der ihr zugrundeliegenden Mietzahlungsverpflichtung ist kein Zinsanteil enthalten (vgl. dazu BFH-Urteile vom 12. Dezember 1990 I R 153/86, BFHE 163, 146, BStBl II 1991, 479; vom 12. Dezember 1990 I R 18/89, BFHE 163, 157, BStBl II 1991, 485; vom 3. Dezember 1991 VIII R 88/87, BFHE 167, 322, 331, BStBl II 1993, 89; ebenso jetzt § 253 Abs. 1 Satz 2 2. Halbsatz HGB). Ob und unter welchen Voraussetzungen eine Abzinsung von Rückstellungen für drohende Verluste aus Absatzgeschäften möglich ist (vgl. dazu BFH in BFHE 171, 455, BStBl II 1993, 855 unter B. III.), braucht der Senat nicht zu entscheiden.
Ende der Entscheidung
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