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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 29.01.2003
Aktenzeichen: VIII R 85/00
Rechtsgebiete: EStG


Vorschriften:

EStG § 62 Abs. 1
EStG § 63 Abs. 1
EStG § 32 Abs. 1
EStG § 32 Abs. 1 Nr. 1
EStG § 32 Abs. 1 Nr. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) und seine Ehefrau haben zwei eheliche Kinder. Außerdem betreuen sie die Kinder A, B, C und D. Alle in die Familie aufgenommenen Kinder sind körperlich behindert; teilweise sind sie auch geistig behindert. Das Kind B ist während des Klageverfahrens verstorben. Bis zum 31. August 1996 waren die Kinder in einem Heim (Verein) untergebracht. Bei dem Verein handelte es sich um einem Verbund von ca. 50 Pflegefamilien mit ca. 150 Kindern, der nach dem seinerzeit geltenden Jugendwohlfahrtsgesetz als Heim gegründet worden war, um sicherzustellen, dass die jeweiligen Pflegefamilien entsprechend hohe Pflegesätze für die Betreuung und Pflege der Kinder beziehen konnten. Die Pflegeeltern waren bei dem Verein angestellt, bezogen ein an den kommunalen Tarif angelehntes Festgehalt für die Betreuung der Kinder und erhielten darüber hinaus nach monatlicher Abrechnung für jedes in den Haushalt aufgenommene Kind anteilig Wohngeld, Wirtschaftsgeld, Bekleidungsgeld und Taschengeld. Der Kläger und seine Ehefrau bezogen von dem Verein Gehälter der Gehaltsgruppen des Bundes-Angestelltentarifvertrags (BAT) Vc und BAT IVb. Im Rahmen der Anstellung hatten sie vier Kinder zu betreuen. Der Kläger und seine Ehefrau erhielten für den Monat Juni 1996 neben ihren Gehältern monatlich zusammen ca. 4 445 DM für die Zusatzaufwendungen für die Kinder. Zum 31. August 1996 wurden die Arbeitsverhältnisse aufgelöst. Der Kläger war von August 1996 bis 1997 im Rahmen eines Honorarverhältnisses Geschäftsführer an der ... Seit 1997 ist er nebenberuflich für ein Unternehmen tätig. Aus dieser Tätigkeit bezieht er geringe Einkünfte. Die Ehefrau des Klägers ist seit der Auflösung des Arbeitsverhältnisses mit dem Verein nicht mehr berufstätig. Seit dem 1. September 1996 beziehen der Kläger und seine Ehefrau für die vier Kinder direkt von den jeweils zuständigen Jugendämtern Pflegesätze für die Kinder. Diese beliefen sich --je Kind-- bis 1997 auf 197,07 DM täglich, für 1998 steigerte der Betrag sich auf 203,00 DM, für 1999 auf 209,09 DM und für 2000 auf 215,36 DM. Zusätzlich erhielten sie Beträge für Taschengeld und Schul- bzw. Kindergartenbeiträge. Die Höhe der Pflegesätze beruht auf einer von dem Kläger und seiner Ehefrau ermittelten Kostenaufstellung über Erziehungsgeld, Pflegegeld und Fachberatung. Das Erziehungsgeld bestand dabei aus zwei vollen Jahresgehältern einschließlich Weihnachtsgeld in Anlehnung an den Bruttotariflohn gemäß BAT IVb sowie Aufwendungen für eine Haushaltshilfe pro Kind. Das Pflegegeld umfasste anteiliges Wirtschafts-, Bekleidungs- und Feriengeld sowie anteilige Kosten des Inventars, der Miete und der Instandhaltung. Für die Fachberatung wurden pro Kind 2,5 Stunden monatlich zu einem Stundensatz von 106,17 DM angesetzt.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (Beklagter) lehnte den Antrag des Klägers auf Kindergeld für die vier Kinder mit Bescheiden vom 21. November 1996 (betreffend die Kinder A und B) und vom 7. April 1997 (betreffend die Kinder C und D) ab. Die Einsprüche des Klägers hatten keinen Erfolg.

Das Finanzgericht (FG) hat die dagegen gerichteten Klagen zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden. Es wies sie mit den in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2000, 952 veröffentlichten Gründen ab.

Mit seiner Revision macht der Kläger geltend, dass seine Leistungen und die Leistungen seiner Ehefrau für die vier aufgenommenen Kinder sich deutlich über dem für die Kinder vereinnahmten Pflegesatz bewegten. Würden er, der Kläger, und seine Ehefrau ihren Lebensunterhalt in einem Pflegeheim verdienen und die Pflege ihrer Pflegekinder durch externe Kräfte organisieren, stünde ihnen nach der Rechtsprechung des FG Kindergeld zu.

Der Kläger beantragt, die Vorentscheidung sowie die angefochtenen Bescheide in Gestalt der Einspruchsentscheidungen aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, ihm ab September 1996 Kindergeld für die Kinder A, B, C und D in gesetzlicher Höhe zu gewähren.

Der Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Er ist der Auffassung, dass der Kläger die in seinen Haushalt aufgenommenen Kinder nicht zu einem nicht unwesentlichen Teil auf seine Kosten unterhalte.

II. Die Revision ist nicht begründet. Sie war daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

Das FG hat zu Recht entschieden, dass dem Kläger Kindergeld für die vier in seinen Haushalt aufgenommenen Kinder nicht zusteht.

a) Anspruch auf Kindergeld besteht gemäß §§ 62 Abs. 1, 63 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) für Kinder i.S. des § 32 Abs. 1 EStG. Gemäß § 32 Abs. 1 EStG sind Kinder im ersten Grad mit dem Steuerpflichtigen verwandte Kinder (§ 32 Abs. 1 Nr. 1 EStG) sowie Pflegekinder (§ 32 Abs. 1 Nr. 2 EStG). Im Streitfall kommt nur die Berücksichtigung der Kinder als Pflegekinder in Betracht.

b) Ein Pflegekind ist nach der Legaldefinition des § 32 Abs. 1 Nr. 2 EStG eine Person, mit der der Steuerpflichtige durch ein familienähnliches, auf längere Dauer berechnetes Band verbunden ist, sofern er sie in seinen Haushalt aufgenommen hat, das Obhuts- und Pflegeverhältnis zu den Eltern nicht mehr besteht und der Steuerpflichtige sie mindestens zu einem nicht unwesentlichen Teil auf seine Kosten unterhält.

c) Der Annahme eines Pflegekindverhältnisses i.S. von § 32 Abs. 1 Nr. 2 EStG (1996) steht entgegen, dass der Kläger die Kinder A, B, C und D nicht zu einem nicht unwesentlichen Teil auf seine Kosten unterhalten hat. Wie der erkennende Senat mit Urteil vom 29. Januar 2003 VIII R 71/00 (BStBl II 2003, 469) im Einzelnen dargelegt hat, bedarf es nach der Neuregelung des Familienleistungsausgleichs ab 1996 für die Berücksichtigung eines Kindes als Pflegekind der Prüfung des Einzelfalls, ob die den Pflegeeltern entstandenen --und grundsätzlich nur in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen der Pflegeeltern zu berücksichtigenden-- Unterhaltskosten (einschließlich der Kosten für die Betreuung, Ausbildung und Erziehung) die Aufwandserstattungen (z.B. Pflegegeld, Pflegesätze) mit der Folge überschreiten, dass die Pflegeeltern zumindest 20 v.H. --und damit einen nicht unwesentlichen Teil (§ 32 Abs. 1 Nr. 2 EStG 1996)-- der gesamten (angemessenen) Unterhaltskosten des Pflegekindes tragen.

aa) Der Kläger erhielt nach den Feststellungen des FG für die aufgenommenen Kinder Pflegesätze, die u.a. ein an den Bruttotariflohn gemäß BAT IVb angelehntes Gehalt für ihn und seine Ehefrau sowie anteilige Kosten des Inventars und der Instandhaltung umfassten. Darüber hinaus waren noch Kosten der Fachberatung angesetzt, die dem Kläger vergütet wurden. Die Summe dieser Zahlungen ist den tatsächlichen Aufwendungen, die für die Kinder anfallen, gegenüberzustellen. Eine eigene Unterhaltsbelastung des Klägers verbleibt danach nicht.

bb) Eine andere Beurteilung ergibt sich nicht aus der Erwägung des Klägers, dass das bei der Bemessung der Pflegesätze berücksichtigte Gehalt für ihn und seine Ehefrau auf einer Arbeitszeit von 39 Stunden je Woche beruhe, während die Pflege der aufgenommenen Kinder einen höheren Zeitaufwand erfordere. Der Einwand verkennt, dass nach den Grundsätzen des Urteils vom 29. Januar 2003 VIII R 71/00 die Berücksichtigung der Kinder als Pflegekinder nicht danach zu beurteilen ist, ob der Steuerpflichtige für die Betreuung der Kinder ein nach marktwirtschaftlichen Grundsätzen ausgehandeltes Entgelt erhält.

Ende der Entscheidung

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