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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 01.07.2003
Aktenzeichen: VIII R 96/02
Rechtsgebiete: EStG 1997, EStG 2002
Vorschriften:
EStG 1997 § 9a Satz 1 Nr. 1 | |
EStG 1997 § 32 Abs. 4 Satz 2 | |
EStG 1997 § 32 Abs. 4 Satz 6 | |
EStG 1997 § 32 Abs. 4 Satz 7 | |
EStG 2002 § 32 Abs. 4 Satz 2 | |
EStG 2002 § 32 Abs. 4 Satz 7 | |
EStG 2002 § 32 Abs. 4 Satz 8 |
Gründe:
I.
Der im Juni 1976 geborene Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) beantragte am 12. Januar 1998 die Auszahlung des Kindergelds im Wege der Abzweigung an sich.
Im Zeitraum von Januar 1997 bis Mai 1997 war er als Bauhelfer beschäftigt. Im Juni und Juli 1997 war er arbeitslos gemeldet und bezog Arbeitslosengeld von insgesamt 2 246,40 DM. Im Juli 1997 bemühte er sich um eine Ausbildungsstelle, die er ab August 1997 auch erhielt. Im Rahmen dieses Ausbildungsverhältnisses floss ihm 1997 (einschließlich Weihnachtsgeld) Arbeitslohn in Höhe von 5 490 DM zu. Ferner wurde an ihn im Jahr 1997 für die Monate September bis Dezember eine Ausbildungsbeihilfe nach § 40 des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG) von insgesamt 696 DM geleistet. Hingegen wurde die dem Kläger für die Zeit ab August 1997 zustehende Halbwaisenrente erst im Jahr 1998 ausbezahlt.
Der Beklagte und Revisionskläger (Beklagter) lehnte mit Bescheid vom 24. April 1998 den Kindergeld-Antrag unter Hinweis darauf ab, die Einkünfte und Bezüge des Klägers hätten den anteiligen Grenzbetrag des § 32 Abs. 4 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes (in der im Streitjahr 1997 gültigen Fassung --EStG 1997--, im Folgenden EStG) überschritten.
Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt. Es vertrat den Standpunkt, der Arbeitnehmer-Pauschbetrag des § 9a Satz 1 Nr. 1 EStG sei anteilig mit sieben Zwölfteln anzusetzen, weil der Kläger als Kind gemäß § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1, Nr. 2 a und Nr. 2 c EStG für insgesamt sieben Monate zu berücksichtigen sei.
Mit der Revision macht der Beklagte geltend, der Arbeitnehmer-Pauschbetrag sei lediglich mit fünf Zehnteln zu berücksichtigen. Dieser Pauschbetrag stehe in unmittelbarem Zusammenhang mit Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit. Er sei deshalb zwingend auf die Monate des Kalenderjahrs aufzuteilen, in denen solche Einnahmen erzielt worden seien. Der Kläger habe insgesamt nur während zehn Monaten Lohneinkünfte gehabt, von denen fünf Monate auf die nach § 32 Abs. 4 Satz 1 EStG zu berücksichtigenden Zeiten entfallen seien.
Der Beklagte beantragt, das Urteil der Vorinstanz aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Er bezieht sich auf die Gründe des Urteils der Vorinstanz.
II.
Die Revision ist begründet. Das Urteil der Vorinstanz wird aufgehoben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
Der Senat vermag der Rechtsansicht des FG nicht zu folgen, dass der Arbeitnehmer-Pauschbetrag des § 9a Satz 1 Nr. 1 EStG in Fällen, in denen ein Kind in einem Jahr nur zeitweise nach § 32 Abs. 4 Satz 1 EStG zu berücksichtigen ist, stets anteilig nach dem Verhältnis dieser Monate zum Gesamtjahr aufzuteilen ist. Der Senat kann in der Rechtssache eine abschließende Entscheidung aber nicht treffen, weil er aufgrund der vom FG getroffenen Feststellungen nicht beurteilen kann, ob bzw. in welchem Umfang die vom Kläger erlangte Ausbildungsbeihilfe zu den anrechenbaren Bezügen i.S. von § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG gehört.
a) Nicht zu folgen vermag der Senat der Auffassung des FG zur Berechnung des nur anteilig anzusetzenden Arbeitnehmer-Pauschbetrags nach § 9a Satz 1 Nr. 1 EStG.
aa) Zutreffend ist das FG allerdings davon ausgegangen, dass dieser Pauschbetrag nur anteilig angesetzt werden kann, wenn ein volljähriges Kind während eines Jahres nur zeitweise nach § 32 Abs. 4 Satz 1 EStG zu berücksichtigen ist und es innerhalb und außerhalb dieses Zeitraums Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit erzielt. Der Pauschbetrag ist nämlich ein Jahresbetrag. Er muss deshalb anteilig dem Berücksichtigungszeitraum i.S. von § 32 Abs. 4 Satz 1 EStG und dem übrigen Zeitraum zugeordnet werden.
Zutreffend ist auch der Ansatz des FG, den Pauschbetrag dann nach dem Monatsprinzip zu verteilen, wenn für den Berücksichtigungszeitraum keine höheren tatsächlichen Werbungskosten nachgewiesen werden (Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 12. April 2000 VI R 34/99, BFHE 191, 60, BStBl II 2000, 464). Soweit abweichend hiervon in der Literatur unter Hinweis auf das BFH-Urteil vom 1. März 2000 VI R 32/99 (BFH/NV 2000, 1083) die Auffassung vertreten wird, es sei auch zulässig, den Pauschbetrag nach dem Verhältnis der jeweiligen Einnahmen zu verteilen (Blümich/Heuermann, Einkommensteuergesetz, Körperschaftsteuergesetz, Gewerbesteuergesetz, § 32 EStG Rz. 141, und Pust in Littmann/Bitz/Pust, Das Einkommensteuerrecht, § 32 EStG Rz. 680), vermag dem der Senat nicht zu folgen.
Gegen einen solchen Aufteilungsmaßstab spricht der Zweck der pauschalierenden Regelung des § 9a EStG, die dann zur Anwendung kommt, wenn die tatsächlichen Werbungskosten den Pauschbetrag nicht übersteigen. Dessen Ansatz dient der Verwaltungsvereinfachung. Käme es auf das Verhältnis der jeweiligen Einnahmen an, dann müssten allein zum Zwecke der Ermittlung des Aufteilungsmaßstabs auch die Höhe der zugeflossenen Löhne festgestellt werden, die außerhalb des Berücksichtigungszeitraums nach § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG angefallen sind. Auch besteht kein Erfahrungssatz, dass bei höheren Einnahmen höhere Werbungskosten anfallen (BFH-Urteil vom 7. November 2000 III R 79/97, BFHE 193, 536, BStBl II 2001, 702).
bb) Nicht zu folgen vermag der Senat dem FG aber insoweit, als es den Arbeitnehmer-Pauschbetrag nach dem Monatsprinzip auch dann im Verhältnis des Berücksichtigungszeitraums nach § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG zum Gesamtjahr aufteilt, wenn das Kind zwar innerhalb und außerhalb dieses Zeitraums Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit erzielt, jedoch nicht in allen Monaten des Jahres. In einem solchen Fall ist aber --sofern nicht höhere tatsächliche Werbungskosten für den Berücksichtigungszeitraum nachgewiesen werden-- entgegen der Auffassung des FG und im Einklang mit der herrschenden Meinung der Pauschbetrag zeitanteilig nur auf die Monate aufzuteilen, in denen Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit erzielt werden (Berlebach/Helmke, Familienleistungsausgleich, Fach A, Steuerlicher Familienleistungsausgleich, I. Kommentierung, § 32 EStG Rz. 98; Korn/ Greite, Einkommensteuergesetz, Kommentar, § 32 Rz. 92; Pust, a.a.O., § 32 EStG Rz. 684; ebenso Niedersächsisches FG, Urteil vom 26. April 1999 VIII 852/98 Ki, Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 1999, 1235, und Dienstanweisung zur Durchführung des Familienleistungsausgleichs --DA-FamEStG-- 63.4.2.10 Abs. 2 Nr. 1, BStBl I 2002, 369, 414).
Dies folgt aus der typisierenden Regelung des § 9a Satz 1 Nr. 1 EStG. Diese sieht von jeglichen Einzelermittlungen zur Höhe der tatsächlichen Werbungskosten ab und unterstellt, dass solche in Höhe des Pauschbetrags angefallen sind. Muss dieser Pauschbetrag wegen der gebotenen anteiligen Zuordnung zum Berücksichtigungszeitraum des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG aufgeteilt werden, dann entspricht es dem Gesichtspunkt der Typisierung, als Aufteilungsmaßstab die Monate zugrunde zu legen, in denen Einkünfte i.S. von § 19 EStG erzielt werden. Es entspricht nämlich der überwiegenden Wahrscheinlichkeit, dass mit solchen Einkünften im Zusammenhang stehende Werbungskosten lediglich in solchen Monaten angefallen sind.
Soweit das FG seinen hiervon abweichenden Rechtsstandpunkt aus § 32 Abs. 4 Satz 6 EStG (jetzt: § 32 Abs. 4 Satz 7 EStG 2002) herleitet, berücksichtigt es nicht, dass diese Vorschrift in anderem Zusammenhang steht. Die Ermäßigung des Grenzbetrags um jeweils ein Zwölftel für jeden Kalendermonat, in dem die Voraussetzungen des § 32 Abs. 4 Satz 1 EStG nicht vorliegen, ist § 33a Abs. 4 Satz 1 EStG nachgebildet und berücksichtigt, dass im Rahmen des § 32 EStG für die Berücksichtigung von Kindern das Monatsprinzip gilt (Kanzler in Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz mit Nebengesetzen, Kommentar, § 32 EStG Rz. 143). Rückschlüsse darauf, nach welchen Grundsätzen Einkünfte und damit auch Werbungskosten zu verteilen sind, lassen sich der Vorschrift nicht entnehmen. Auch der Bestimmung des § 32 Abs. 4 Satz 7 EStG (jetzt: § 32 Abs. 4 Satz 8 EStG 2002) ist nur zu entnehmen, dass Einkünfte und Bezüge, die außerhalb des Berücksichtigungszeitraums angefallen sind, nicht zum Ansatz kommen. In welcher Höhe sie auf den jeweiligen Zeitraum entfallen, bestimmt sich hingegen nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten (Pust, a.a.O., § 32 EStG Rz. 672). Auch dies spricht dafür, bei der Aufteilung des Arbeitnehmer-Pauschbetrags Monate unberücksichtigt zu lassen, in denen kein Arbeitslohn erzielt wird. Eine solche Auslegung dient zudem der Verwaltungsvereinfachung, weil sie den Arbeitnehmer-Pauschbetrag in gleicher Weise aufteilt wie die Kostenpauschale von 360 DM. Diese ist nämlich gemäß DA-FamEStG 63.4.2.10 Abs. 2 Nr. 1 (BStBl I 2002, 414) ebenfalls zeitanteilig nur auf die Monate zu verteilen, in denen Bezüge erzielt werden.
b) Ausgehend hiervon wäre im Streitfall der Grenzbetrag des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG dann überschritten, wenn die vom Kläger erlangte Berufsausbildungsbeihilfe in vollem Umfang einbezogen werden muss. Der Kläger hat in diesem Fall in der Zeit von Juni bis Dezember 1997 Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit und Bezüge von insgesamt 8 432,40 DM erlangt. Von diesen ist die Kostenpauschale nach DA-FamEStG 63.4.2.10 Abs. 5 i.V.m. DA-FamEStG 63.4.2.3 Abs. 4 --BStBl I 2002, 406, 415-- (vgl. auch BFH-Urteil vom 25. Juli 2001 VI R 78/00, BFH/NV 2001, 1558) in vollem Umfang mit 360 DM und nicht nur zeitanteilig abzuziehen, weil Bezüge nur innerhalb des Berücksichtigungszeitraums angefallen sind. Der Arbeitnehmer-Pauschbetrag ist jedoch nur mit fünf Zehnteln anzusetzen, weil der Kläger insgesamt nur während zehn Monaten Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit erzielt hat und auf den Berücksichtigungszeitraum fünf Monate entfallen. Er ist deshalb mit 1 000 DM anzusetzen. Somit würden die maßgeblichen Einkünfte und Bezüge 7 072 DM betragen und damit den anteiligen Grenzbetrag des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG von 7 000 DM (sieben Zwölftel von 12 000 DM) übersteigen.
Ob bzw. in welcher Höhe die Berufsausbildungsbeihilfe anzusetzen ist, vermag der Senat aufgrund der vom FG getroffenen Feststellungen nicht zu beurteilen.
Berufsausbildungsbeihilfe wird nach § 40 Abs. 1 a AFG für den Lebensunterhalt und für die Ausbildung oder die Teilnahme an einer berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahme gewährt. Diesem Bedarf sind nach § 40 Abs. 1 b Satz 2 AFG (jetzt: §§ 66 ff. des Dritten Buches Sozialgesetzbuch --SGB III--) notwendige Fahrtkosten, die Kosten für Lernmittel sowie Lehrgangsgebühren hinzuzurechnen. Soweit die Berufsausbildungsbeihilfe einen Bedarf i.S. von § 40 Abs. 1 b Satz 2 AFG abdeckt, handelt es sich um Bezüge, die wegen eines individuellen Sonderbedarfs gewährt werden und nicht anzusetzen sind (vgl. auch DA-FamEStG 63.4.2.6 Abs. 4 Satz 4 ff., BStBl I 2002, 410, zu Fahrtkosten nach § 67 SGB III). Das FG hat --von seinem Standpunkt aus gesehen zu Recht-- keine Feststellungen dazu getroffen, ob bzw. in welcher Höhe in der zugeflossenen Berufsausbildungsbeihilfe Leistungen zur Abdeckung eines Sonderbedarfs nach § 40 Abs. 1 b Satz 2 AFG enthalten sind. Das FG wird diese Feststellungen nachzuholen haben.
Das FG wird im zweiten Rechtsgang auch zu prüfen haben, ob die Berufsausbildungsbeihilfe, auch soweit sie nicht zur Abdeckung des genannten Sonderbedarfs geleistet worden ist, dann außer Ansatz zu lassen ist, wenn sich ergeben sollte, dass der Kläger gegenüber seinem Vater Unterhaltsansprüche hat, die der Träger der Berufsausbildungsbeihilfe in Höhe der gegenüber dem Kläger übernommenen Leistungen gemäß § 40 Abs. 3 AFG i.V.m. § 140 AFG (jetzt: § 72 Abs. 2 SGB III) auf sich übergeleitet hat (vgl. DA-FamEStG 63.4.2.3 Abs. 2 Nr. 8 Satz 1, BStBl I 2002, 405, und Berlebach/Helmke, a.a.O., § 32 EStG Rz. 105).
Ende der Entscheidung
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