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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 23.12.2005
Aktenzeichen: VIII R 96/03
Rechtsgebiete: EStG, FGO, StBerG


Vorschriften:

EStG § 4 Abs. 4a
EStG § 52 Abs. 11 Satz 2
FGO § 48 Abs. 1
FGO § 48 Abs. 1 Nr. 5
FGO § 60 Abs. 3
FGO § 123 Abs. 1 Satz 2
FGO § 123 Abs. 2 Satz 2 n.F.
StBerG § 3 Nr. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I. Zwischen den Beteiligten ist die Gewinnhinzurechnung nach § 4 Abs. 4a des Einkommensteuergesetzes (EStG) im Streit.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) ermittelte im Anschluss an eine bei der Klägerin und Revisionsbeklagten (Klägerin) --der X KG-- durchgeführte Betriebsprüfung für das Streitjahr (1999) sog. Überentnahmen (377 049 DM) und erhöhte demgemäß mit Feststellungsbescheid vom 23. Mai 2001 den Gewinn der Klägerin nach § 4 Abs. 4a EStG um 22 622 DM. Die Gewinnerhöhung fußt zum einen auf der sog. gesellschaftsbezogenen Beurteilung (vgl. hierzu auch Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen --BMF-- 17. November 2005, Der Betrieb --DB-- 2005, 2549, Rdnr. 30) und wurde den beiden Kommanditisten (A und B) entsprechend ihrem Anteil am Gewinn und Verlust (jeweils 50 v.H.) zugerechnet; sie beruhte zum anderen auf der Ansicht, dass Unterentnahmen vor dem Wirtschaftsjahr 1999 --hier: positive Kapitalkonten zum 31. Dezember 1998-- in Höhe von insgesamt rd. 5,2 Mio. DM (davon A rd. 2,541 Mio. DM, B rd. 2,654 Mio. DM) bei der Bestimmung der Überentnahmen i.S. von § 4 Abs. 4a EStG nicht zu berücksichtigen seien (vgl. hierzu § 52 Abs. 11 Satz 2 EStG i.d.F. des Steueränderungsgesetzes 2001 vom 20. Dezember 2001, BStBl I 2002, 4). Das Finanzgericht (FG) hat der nach erfolglosem Einspruch erhobenen Klage stattgegeben, weil die Regelung des § 52 Abs. 11 Satz 2 EStG für das Streitjahr (1999) nicht anwendbar sei. Es hat dabei offen gelassen, ob der gesellschaftsbezogenen Betrachtung des FA zu folgen sei; angesichts der positiven Kapitalkonten beider Kommanditisten müsse auch bei einer individuellen (d.h. gesellschafterbezogen) Beurteilung eine Gewinnhinzurechnung nach § 4 Abs. 4a EStG ausscheiden. Mit der vom FG zugelassenen Revision hält das FA zwar an seinem Rechtsstandspunkt fest, dass für die ab dem Jahre 1999 zu beachtende Neuregelung des § 4 Abs. 4a EStG zuvor entstandene positive (oder negative) Kapitalkonten nicht anzusetzen seien. Auch hiernach sei aber dem Klageantrag insoweit zu entsprechen, als das FA bisher bei der Bestimmung des Korrekturbetrags nach § 4 Abs. 4a EStG außerbilanzielle Gewinnhinzurechnungen zu Unrecht außer Ansatz gelassen habe; bereinige man dies, vermindere sich die Schuldzinsenkorrektur nach § 4 Abs. 4a EStG von 22 622 DM auf 20 053 DM.

1. Die Vorinstanz hat nicht beachtet, dass die Kommanditisten zum finanzgerichtlichen Verfahren betreffend die Gewinnfeststellung 1999 nach § 60 Abs. 3 i.V.m. § 48 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) notwendig beizuladen sind.

a) Unerheblich hierfür ist, ob --wozu das FG keine Feststellungen getroffen hat-- die vom FA angenommene Gewinnhinzurechnung nach § 4 Abs. 4a EStG auf der Rückzahlung von Gesellschafterdarlehen oder auf Entnahmen aus dem Gesamthandsvermögen der Klägerin beruhte.

aa) Geht man von Ersterem und damit davon aus, dass die Klägerin (X-KG) in ihrer Steuerbilanz passivierte und in den Sonderbilanzen der Kommanditisten aktivierte Gesellschafterdarlehen zurückbezahlt hat, so wären im anhängigen Verfahren die steuerrechtlichen Folgen von Entnahmen aus dem Sonderbetriebsvermögen der Gesellschafter (vgl. Senatsurteil vom 13. Oktober 1998 VIII R 78/97, BFHE 187, 227, BStBl II 1999, 163 zu II.2.b; unklar BMF-Schreiben in DB 2005, 2549 Rdnr. 32d, letzter Satz) und damit Fragen zu beurteilen, die die Kommanditisten i.S. von § 48 Abs. 1 Nr. 5 FGO persönlich angingen (Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 11. Dezember 1986 IV R 77/84, BFH/NV 1987, 768).

bb) Nichts anderes gilt im Ergebnis, wenn man annimmt, die Kommanditisten hätten Wirtschaftgüter der Klägerin (z.B. Bar- oder Buchgeld der X-KG) in ihr Privatvermögen überführt.

(1) Zwar hat --wie ausgeführt-- das FA seiner Würdigung die sog. gesellschaftsbezogene Betrachtungsweise zugrunde gelegt. Gleichwohl sind die Kommanditisten notwendig beizuladen, weil in der Literatur auch die individuelle Bestimmung der Tatbestandsmerkmale des § 4 Abs. 4a EStG (sog. gesellschafterbezogene Betrachtung) vertreten wird (vgl. z.B. die Nachweise im Senatsbeschluss vom 6. Februar 2002 VIII B 82/01, BFH/NV 2002, 647; Schmidt/Heinicke, EStG, 24. Aufl., § 4 Rz. 529) Demgemäß kann --jedenfalls vor einer Entscheidung des BFH zu dieser Streitfrage-- auch nicht ausgeschlossen werden, dass aufgrund der finanzgerichtlichen Überprüfung des Feststellungsbescheids die Gewinnkorrektur nach § 4 Abs. 4a EStG bei den Kommanditisten abweichend von der allgemeinen Gewinn- und Verlustverteilung anzusetzen ist (vgl. hierzu auch Steinhauff in Hübschmann/ Hepp/Spitaler --HHSp--, § 48 FGO Rz. 270 und 274).

(2) Abweichendes ergibt sich nicht daraus, dass das Erfordernis einer Beiladung sich nach dem durch den Klageantrag bestimmten Streitgegenstand richtet (Steinhauff in HHSp, § 48 FGO Rz. 275).

Zwar umfasst ein Gewinnfeststellungsbescheid regelmäßig mehrere selbständig anfechtbare Regelungen, die zudem eigenständig in Bestandskraft erwachsen können (Senatsurteil vom 10. Februar 1988 VIII R 352/82, BFHE 152, 414, BStBl II 1988, 544); auch ist der Klageantrag der X-KG nach seinem Wortlaut lediglich darauf gerichtet, den festgestellten Gewinn um den nach § 4 Abs. 4a EStG angesetzten Erhöhungsbetrag zu mindern. Gleichwohl kann hieraus keine Begrenzung des Streitgegenstands mit der Folge abgeleitet werden, dass es dem FG verwehrt wäre, den Hinzurechnungsbetrag nach § 4 Abs. 4a EStG gesellschafterbezogen zu ermitteln und gegenüber den hiervon betroffenen Kommanditisten festzustellen. Dies ließe unberücksichtigt, dass nach zwischenzeitlich ständiger Rechtsprechung die Einzelregelungen eines Feststellungsbescheids nur dann --im darlegten Sinne-- gesondert anfechtbar sind, wenn sie eines rechtlich selbständigen Schicksals fähig sind. Demgemäß ist eine Teilbestandskraft des Feststellungsbescheids mit Rücksicht auf solche Teilfeststellungen zu verneinen, die mit der begehrten Änderung einer anderen (festgestellten) Besteuerungsgrundlage untrennbar verknüpft sind (vgl. zum Verhältnis von Aufgabegewinn und laufendem Gewinn einschließlich der Fragen des sog. Verböserungsverbots BFH-Urteile vom 8. Juni 2000 IV R 65/99, BFHE 192, 207, BStBl II 2001, 89; vom 20. Januar 2005 IV R 22/03, BFHE 209, 108, BStBl II 2005, 559). Dem ist die das anhängige Verfahren kennzeichnende Konstellation, für die angesichts der Unsicherheit in der materiell-rechtlichen Würdigung nicht ausgeschlossen werden kann, dass die streitige Gewinnhinzurechnung gemäß § 4 Abs. 4a EStG nach Maßgabe gesellschafterbezogener, d.h. den Gesellschafter persönlich betreffender Merkmale (vgl. § 48 Abs. 1 Nr. 5 FGO) zu bestimmen und damit der Anteil der Kommanditisten am Gesamtgewinn der Mitunternehmerschaft zu korrigieren ist (vgl. § 48 Abs. 1 Nr. 4 FGO), gleichzustellen.

2. Die notwendige Beiladung gehört zwar zur Grundordnung des Verfahrens; auf sie kann deshalb auch nicht verzichtet werden. Das Unterlassen einer notwendigen Beiladung ist deshalb verfahrensfehlerhaft. Dieser Verfahrensfehler kann jedoch geheilt werden, nachdem § 123 Abs. 1 Satz 2 FGO i.d.F. des Zweiten Gesetzes zur Änderung der Finanzgerichtsordnung und anderer Gesetze (2.FGOÄndG) vom 19. Dezember 2000 (BGBl I 2000, 1757) es ab dem 1. Januar 2001 (Art. 6 Satz 1 2.FGOÄndG) zulässt, dass eine vom FG unterlassene notwendige Beiladung im Revisionsverfahren nachgeholt werden kann. Der Senat übt sein ihm in dieser Vorschrift eingeräumtes Ermessen dahin gehend aus, dass er von einer Zurückverweisung der Sache an das FG aus verfahrensrechtlichen Gründen absieht und die Beiladung selbst vornimmt.

3. Durch den Beiladungsbeschluss erlangen die Kommanditisten die Stellung von Beteiligten (vgl. § 57 Nr. 3 FGO; dazu Gräber/ Koch, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl., § 60 Rz. 140 ff.) mit der Folge, dass die Rechtskraft einer Entscheidung in diesem Verfahren auch ihnen gegenüber wirkt (vgl. § 110 Abs. 1 FGO).

4. Der Senat weist darauf hin, dass die Beigeladenen Verfahrensmängel nur innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieses Beschlusses rügen können (§ 123 Abs. 2 Satz 1 FGO n.F.). Die Frist kann nach Maßgabe des § 123 Abs. 2 Satz 2 FGO n.F. verlängert werden. Jeder Beteiligte --also auch jeder der Beigeladenen-- muss sich vor dem BFH durch eine Person i.S. des § 3 Nr. 1 des Steuerberatungsgesetzes vertreten lassen (§ 62a Abs. 1 FGO n.F.; vgl. auch Gräber/Koch, a.a.O., § 62a Rz. 18). Zur Vertretung der Beteiligten vor dem BFH berechtigt sind Steuerberater, Steuerbevollmächtigte, Rechtsanwälte, niedergelassene europäische Rechtsanwälte, Wirtschaftsprüfer und vereidigte Buchprüfer; ferner Steuerberatungsgesellschaften, Rechtsanwaltsgesellschaften, Wirtschaftsprüfungsgesellschaften und Buchprüfungsgesellschaften sowie Partnerschaftsgesellschaften, die durch einen der in dem vorherigen Halbsatz aufgeführten Berufsangehörigen tätig werden.

Ende der Entscheidung

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