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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 29.11.2005
Aktenzeichen: X B 111/05
Rechtsgebiete: FGO, EStG, AO 1977


Vorschriften:

FGO § 94
FGO § 115 Abs. 2
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 3
FGO § 116 Abs. 3 Satz 3
EStG § 4 Abs. 1
EStG § 5
AO 1977 § 90 Abs. 2
AO 1977 § 158
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

Die Beschwerde des Klägers und Beschwerdeführers (Kläger) hat keinen Erfolg.

Nach § 115 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ist die Revision zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO), das Urteil des Finanzgerichts (FG) von einer Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) abweicht (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO) oder die angegriffene Entscheidung auf einem geltend gemachten Verfahrensmangel beruhen kann (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO). In der Beschwerdeschrift --oder in einem innerhalb der Beschwerdefrist einzureichenden ergänzenden Schriftsatz-- muss die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt, oder die Entscheidung des BFH, von der das FG abgewichen sein soll, oder der Verfahrensmangel bezeichnet werden (§ 115 Abs. 3 Satz 3 FGO). Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdeschrift nicht.

1. Der Kläger hat die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache nicht schlüssig dargelegt, weil er nicht darauf eingegangen ist, inwieweit die von ihm aufgeworfenen Rechtsfragen im allgemeinen Interesse klärungsbedürftig und in welchem Umfang, von welcher Seite und aus welchen Gründen sie umstritten sind. Zu einer schlüssigen Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung der von ihm aufgeworfenen Rechtsfragen hätte auch gehört, dass sich der Kläger mit der bereits vorhandenen höchstrichterlichen Rechtsprechung zu den von ihm für klärungsbedürftig gehaltenen Rechtsfragen auseinander setzt und substantiiert darlegt, in welchen Punkten und weshalb nach seiner Ansicht diese Rechtsprechung bislang keine Klärung herbeigeführt hat (vgl. z.B. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl., § 116 Rz. 32 und 33, m.w.N. aus der Rechtsprechung des BFH).

Im Übrigen sind die Anforderungen, die an eine Hinzuschätzung von Einkünften aufgrund einer Gesamtgeldverkehrsrechnung zu stellen sind, durch die Rechtsprechung geklärt. Da der Grundgedanke der Geldverkehrsrechnung ist, dass ein Steuerpflichtiger während des Vergleichszeitraumes nicht mehr Geld ausgeben oder anlegen kann, als ihm aus Einkünften oder sonstigen Quellen zufließt, muss die Rechnung den gesamten Geldverkehr des Steuerpflichtigen während des Vergleichszeitraumes erfassen. Unter Geldverkehr sind nicht nur die Bargeldbewegungen zu verstehen, sondern auch die Bewegungen auf den Bank- und Postscheckkonten (Giroverkehr). Nicht dazu gehören Wechsel- und Scheckbegebungen, die noch keinen Zu- oder Abfluss bewirken. Vermögensveränderungen sind nur zu berücksichtigen, sofern sie mit einer Geldbewegung verbunden sind (Auszahlung oder Rückzahlung eines Darlehens, nicht hingegen der Erlass eines Darlehens oder die Kursveränderung eines Wertpapiers). Die erklärten Einkünfte sind für Zwecke der Geldrechnungen um Vermögensänderungen und steuerliche Ansätze zu bereinigen, die nicht die Geldrechnung beeinflussen. So sind der Eigenverbrauch und ein Mietwert der eigenen Wohnung wieder abzusetzen; andererseits sind Beträge für Absetzung für Abnutzung (AfA) und Steuerfreibeträge hinzuzurechnen. Anschaffungs- oder Herstellungskosten sind im Ausmaß und im Zeitpunkt der Zahlung als Geldbedarf anzusetzen. Die betrieblichen und außerbetrieblichen Geldbestände und Guthaben zu Beginn und am Ende des Vergleichszeitraumes müssen in die Rechnung einbezogen werden. Die Bestände zu Beginn des Vergleichszeitraumes sind verfügbare Mittel. Die Bestände am Ende des Vergleichszeitraumes sind hingegen wie Mittel anzusehen, die zur Vermögensbildung verwandt werden (Geldbedarf). Steuerfreie Einnahmen und Einnahmen außerhalb der Einkunftsarten sind zusätzlich verfügbare Mittel. Entnahmen und Einlagen bleiben --auch soweit es sich um Barentnahmen und Bareinlagen handelt-- bei der Gesamtgeldverkehrsrechnung außer Ansatz (vgl. BFH-Urteil vom 21. Februar 1974 I R 65/72, BFHE 112, 213, BStBl II 1974, 591). Diese Grundsätze gelten nicht nur für Steuerpflichtige, die ihren Gewinn nach §§ 4 Abs. 1, 5 des Einkommensteuergesetzes (EStG) ermitteln, sondern auch für Einnahme-Überschuss-Rechner.

Nach der Rechtsprechung (vgl. Senatsbeschluss vom 19. Oktober 2005 X B 88/05, juris Nr: STRE200551506) ist eine Schätzung der Besteuerungsgrundlagen (§ 162 Abs. 2 der Abgabenordnung --AO 1977--) zulässig, wenn der Steuerpflichtige über seine Angaben keine ausreichenden Aufklärungen zu geben vermag oder weitere Auskunft oder eine Versicherung an Eides statt verweigert oder seine Mitwirkungspflicht nach § 90 Abs. 2 AO 1977 verletzt. Das Gleiche gilt, wenn der Steuerpflichtige Bücher oder Aufzeichnungen, die er nach den Steuergesetzen zu führen hat, nicht vorlegen kann oder wenn die Buchführung oder die Aufzeichnungen der Besteuerung nicht nach § 158 AO 1977 zugrunde gelegt werden können. Läuft parallel zum Besteuerungsverfahren ein Steuerstrafverfahren, gilt für das Besteuerungsverfahren nichts anderes, auch wenn der Steuerpflichtige im Strafverfahren von seinem verfassungsrechtlich gesicherten Recht Gebrauch macht, Angaben zu verweigern ("nemo tenetur se ipsum accusare").

Im Kern wendet sich der Kläger mit seinem Vorbringen zur grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache nur gegen die Umsetzung der Grundsätze der Geldverkehrsrechnung durch den Beklagten und Beschwerdegegner (Finanzamt --FA--) und diesem folgend durch das FG für den im Streitfall zu entscheidenden Sachverhalt. Allein die --behauptete-- Fehlerhaftigkeit des FG-Urteils rechtfertigt jedoch keine Zulassung der Revision.

2. Auch die weitere Rüge des Klägers, eine Entscheidung des BFH sei im Hinblick auf die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich (vgl. § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO), ist nicht schlüssig erhoben, weil er nicht tragende und abstrakte Rechtssätze aus dem angefochtenen Urteil einerseits und aus dem Urteil des FG Düsseldorf vom 4. November 2004 11 K 2072/02 E (Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 2005, 246) andererseits herausarbeitet und einander gegenübergestellt hat, um so eine Abweichung zu verdeutlichen (vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 12. Juli 2002 XI B 152/01, BFH/NV 2002, 1484; Gräber/Ruban, a.a.O., § 116 Rz. 42). Im Übrigen hat sich das FG in der angefochtenen Entscheidung nicht mit der Frage befasst, ob die Grundsätze "in dubio pro reo" und "nemo-tenetur" auch dann gelten, wenn die an die Steuerstraftat anknüpfenden steuerlichen Folgen festgestellt werden sollen. Für die Zulassung der Revision reicht es aber auch nach neuem Zulassungsrecht grundsätzlich nicht aus, wenn ein FG eine Rechtsfrage übersehen bzw. --aus welchen Gründen auch immer-- nicht erörtert hat (Gräber/Ruban, a.a.O., § 115 Rz. 54).

3. Auch die geltend gemachten Verfahrensfehler hat der Kläger nicht schlüssig gerügt.

a) Soweit der Kläger vorträgt, das Protokoll über die mündliche Verhandlung sei unvollständig und unrichtig, genügt dies zur Darlegung eines Verfahrensfehlers nicht. Der Kläger hätte insoweit im Rahmen der Nichtzulassungsbeschwerde u.a. vortragen müssen, dass das Gericht die Aufnahme bestimmter Äußerungen und Anträge in das Protokoll abgelehnt habe (vgl. § 94 FGO i.V.m. § 160 Abs. 4 der Zivilprozessordnung) und er oder sein Prozessbevollmächtigter von der Möglichkeit Gebrauch gemacht haben, die Berichtigung des Protokolls zu beantragen (vgl. BFH-Beschlüsse vom 24. November 1997 V B 107/97, BFH/NV 1998, 859; vom 27. März 2000 III B 67/99, BFH/NV 2000, 1091; vom 16. Oktober 2000 VI B 168/00, BFH/NV 2001, 464).

b) Der vom Kläger daneben gerügte Verstoß gegen die Denkgesetze stellt --sein Vorliegen vorausgesetzt-- keinen Verfahrensmangel i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO, sondern einen materiell-rechtlichen Fehler dar, der für sich genommen die Zulassung der Revision nicht eröffnet (ständige Rechtsprechung; vgl. z.B. Senatsbeschluss vom 27. Juni 2002 X B 144/01, BFH/NV 2002, 1336, und die Nachweise bei Gräber/Ruban, a.a.O., § 115 Rz. 76 und 82 f.).

c) Auch die weitere Rüge des Klägers, das FG habe gegen seine Pflicht zur Sachaufklärung (vgl. § 76 Abs. 1 FGO) verstoßen, entspricht nicht den Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO.

Wird ein Verstoß gegen die Sachaufklärungspflicht mit der Begründung gerügt, das FG habe den Sachverhalt auch ohne entsprechenden Beweisantritt von Amts wegen weiter aufklären müssen, so sind nach ständiger Rechtsprechung des BFH (vgl. die Nachweise bei Gräber/Ruban, a.a.O., § 120 Rz. 70) substantiierte Angaben des Beschwerdeführers u.a. darüber zu machen

- welche Tatsachen das FG auch ohne besonderen Antrag hätte aufklären oder welche Beweise es von Amts wegen hätte erheben müssen;

- welche entscheidungserheblichen Tatsachen sich bei einer weiteren Sachaufklärung oder Beweisaufnahme voraussichtlich ergeben hätten und

- inwiefern eine weitere Aufklärung des Sachverhalts auf der Grundlage des materiell-rechtlichen Standpunkts des FG zu einer anderen Entscheidung hätte führen können.

Diesen Anforderungen wird die Beschwerdebegründung schon deswegen nicht gerecht, weil der Kläger auch dort keine substantiierten Angaben darüber gemacht hat, von welchen Mitteln er seinen Lebensunterhalt bestritten hat.

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