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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 24.03.2009
Aktenzeichen: X B 154/08
Rechtsgebiete: FGO, BGB


Vorschriften:

FGO § 56 Abs. 1
FGO § 56 Abs. 2 S. 1 Hs. 2
FGO § 116 Abs. 2 S. 1
BGB § 187 Abs. 1
BGB § 188 Abs. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I.

Mit Urteil vom 21. Mai 2008 wies das Finanzgericht (FG) die Klage, mit der die Aufhebung der Einkommensteuerbescheide des Klägers und Beschwerdeführers (Kläger) für 1992 bis 1996 beantragt wurde, als unbegründet ab. Revision wurde nicht zugelassen. Das Urteil wurde dem Prozessbevollmächtigten des Klägers am 31. Mai 2008 durch Einlegen in den zum Geschäftsraum gehörenden Briefkasten zugestellt. Der Prozessbevollmächtigte des Klägers legte mit Schreiben vom 30. Juni 2008, per Telefax beim Bundesfinanzhof (BFH) am 1. Juli 2007 um 17 Uhr eingegangen, Nichtzulassungsbeschwerde ein.

Nachdem der Prozessbevollmächtigte durch Schreiben des Vorsitzenden des Senats vom 28. Juli 2008 sowohl auf den Fristablauf am 30. Juni 2008 als auch auf § 56 der Finanzgerichtsordnung (FGO) hingewiesen wurde, begründete er die Nichtzulassungsbeschwerde mit Schriftsatz vom 30. Juli 2008, der am selben Tag beim BFH eingegangen ist. In diesem Schriftsatz begehrt der Prozessbevollmächtigte des Klägers ebenfalls im Hinblick auf die versäumte Frist die Gewährung einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Zur Begründung trägt er vor, er persönlich habe die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision am 30. Juni 2008 gefertigt, weil seine ständige Mitarbeiterin sowie deren Vertreterin an dem Tag nicht anwesend gewesen seien. Den gesamten Abend ab ca. 18 Uhr habe er sich bemüht, das Schreiben via Telefax an das angerufene Gericht zu senden. Aus unerklärlichen Gründen, wahrscheinlich aufgrund einer technischen Störung des in seiner Kanzlei befindlichen Geräts, sei die Telefaxübermittlung nicht gelungen. Das regelmäßig gewartete Gerät der Firma X Typ Y befinde sich seit zwei Jahren ohne jegliche Störungen im täglichen Einsatz. Die Übermittlung des Schriftsatzes sei erst am Folgetag gelungen, ohne dass die Ursache für die Störung --sei es am Sendegerät, sei es am Empfangsgerät-- aufgeklärt werden konnte.

Die Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde sei auch nicht verspätet, weil nach seiner, auch § 188 Abs. 3 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) berücksichtigenden Rechtsauffassung eine Frist, die auf den letzten Tag eines vorausgegangenen Monats, der 31 Tage umfasst, erst am 1. Tag des nachfolgenden Monats ende. Zudem bestimme § 187 Abs. 1 BGB, dass für den Anfang einer Frist bei deren Berechnung der Tag nicht mitgerechnet werde, in welchen das Ereignis oder der Zeitpunkt falle.

Im Übrigen begründet der Kläger die Nichtzulassungsbeschwerde damit, dass die Einkommensteuerbescheide wegen fehlender wirksamer Zustellung nicht bestandskräftig geworden seien und das FG den Sachverhalt nicht ausreichend aufgeklärt habe.

II.

Die Beschwerde ist unzulässig und deshalb durch Beschluss zu verwerfen (§ 116 Abs. 5 Satz 1 FGO).

1.

Die Nichtzulassungsbeschwerde ist innerhalb eines Monats nach der Zustellung des vollständigen Urteils einzulegen (§ 116 Abs. 2 Satz 1 FGO). Im Streitfall ist die Einlegungsfrist für eine Nichtzulassungsbeschwerde gegen das am 31. Mai 2008 zugestellte Urteil am 30. Juni 2008 abgelaufen. Die davon abweichende Rechtsansicht des Prozessbevollmächtigten des Klägers widerspricht dem klaren Wortlaut des § 188 Abs. 3 BGB, der über § 54 Abs. 2 FGO und § 222 Abs. 1 der Zivilprozessordnung (ZPO) Anwendung findet. Mit seinem Hinweis auf § 187 Abs. 1 BGB zur Bestimmung des Fristbeginns übersieht der Prozessbevollmächtigte zudem die einschlägige Vorschrift des § 54 Abs. 1 FGO. Im Übrigen widersprechen seine rechtlichen Erläuterungen dem Tatsachenvortrag des Prozessbevollmächtigten, er habe die Frist zur Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde auf den 30. Juni 2008 notiert und sich am Abend des 30. Juni 2008 um die Übersendung des Schriftsatzes bemüht. Die erst am 1. Juli 2008 beim BFH eingegangene Beschwerde des Klägers war mithin verspätet.

2.

Die von dem Kläger begehrte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 56 FGO wegen der Versäumung der Einlegungsfrist kann nicht bewilligt werden.

a)

Wiedereinsetzung ist zu gewähren, wenn jemand ohne Verschulden an der Einhaltung der gesetzlichen Frist gehindert war (§ 56 Abs. 1 FGO). Dies setzt in formeller Hinsicht voraus, dass innerhalb einer Frist von einem Monat (§ 56 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 FGO) nach Wegfall des Hindernisses die versäumte Rechtshandlung nachgeholt und diejenigen Tatsachen vorgetragen und im Verfahren über den Antrag glaubhaft gemacht werden, aus denen sich die schuldlose Verhinderung ergeben soll. Die Tatsachen, die eine Wiedereinsetzung rechtfertigen können, sind innerhalb dieser Frist vollständig, substantiiert und in sich schlüssig darzulegen (ständige Rechtsprechung, z.B. Senatsbeschluss vom 8. Februar 2008 X B 95/07, BFH/NV 2008, 969, m.w.N.). Hiernach schließt jedes Verschulden --also auch einfache Fahrlässigkeit-- die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand aus. Der Beteiligte muss sich ein Verschulden seines Prozessbevollmächtigten zurechnen lassen (§ 155 FGO i.V.m. § 85 Abs. 2 ZPO).

b)

Wenn --wie im Streitfall-- Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen eines entschuldbaren Büroversäumnisses begehrt wird, muss substantiiert und in sich schlüssig vorgetragen werden, wie die Fristen im Büro des Prozessbevollmächtigten überwacht werden und auf welche Weise organisatorisch dafür Sorge getragen wird, dass die technischen Übertragungsmöglichkeiten funktionieren.

Im vorliegenden Fall kann dabei dahingestellt bleiben, ob der Vortrag des Prozessbevollmächtigten des Klägers den gerade dargestellten Anforderungen einer ordnungsgemäßen büromäßigen Organisation genügt, da er die regelmäßige Wartung und das störungsfreie Funktionieren des Faxgeräts lediglich pauschal behauptet. Auch fehlt eine plausible Erläuterung des Prozessbevollmächtigten, warum er nicht in der Zeit von 18 bis 24 Uhr versucht hat, seinen zweiseitigen Schriftsatz mittels eines anderen Faxgeräts fristgerecht dem BFH zu übermitteln.

c)

Im Streitfall scheitert die Wiedereinsetzung jedenfalls daran, dass der Prozessbevollmächtigte des Klägers die Wiedereinsetzungsgründe nicht ausreichend glaubhaft gemacht hat. Als präsentes Beweismittel (vgl. § 294 Abs. 1 ZPO) liegt dem Senat nur die als anwaltliche Versicherung zu wertende Erklärung des Prozessbevollmächtigten des Klägers vor.

Eine anwaltliche Versicherung wäre ebenso wie eine eidesstattliche Versicherung nur dann uneingeschränkt zur Glaubhaftmachung eines Sachverhalts geeignet, wenn --außer der eigenen Erklärung des Antragstellers oder dritter Personen-- keine weiteren Mittel der Glaubhaftmachung zur Verfügung stehen. In den übrigen Fällen muss dargelegt werden, weshalb objektive Beweismittel nicht vorgelegt werden können (vgl. dazu Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 11. Februar 1976 2 BvR 849/75, BVerfGE 41, 332; Senatsbeschluss vom 13. Dezember 2001 X R 42/01, BFH/NV 2002, 533).

Im Streitfall genügt die anwaltliche Versicherung des Prozessbevollmächtigten des Klägers als Mittel der Glaubhaftmachung nicht, da weitere Mittel der Glaubhaftmachung zur Verfügung gestanden hätten, diese aber nicht vorgelegt wurden (vgl. BFH-Beschluss vom 10. Oktober 2003 VI B 95/03, BFH/NV 2004, 219, m.w.N.). Es fehlt z.B. die Vorlage einer Ablichtung der Sendeberichte seines Telefaxgeräts vom 30. Juni 2008 für den betreffenden Zeitraum ab 18 Uhr. Als weiteres notwendiges Mittel der Glaubhaftmachung seines Vorbringens zur nicht verschuldeten Fristversäumung hätte es der eidesstattlichen Versicherungen seiner Mitarbeiterinnen zur Richtigkeit der Sachverhaltsschilderung des Prozessbevollmächtigten des Klägers in Bezug auf die regelmäßige Wartung des Telefaxgeräts sowie des störungsfreien Betriebs bedurft (BFH-Beschluss in BFH/NV 2002, 533). Auch diese hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers nicht vorgelegt.

Ende der Entscheidung

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