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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 21.02.2008
Aktenzeichen: X B 155/07
Rechtsgebiete: AO, FGO


Vorschriften:

AO § 174 Abs. 4
AO § 174 Abs. 5
AO § 174 Abs. 5 Satz 2
FGO § 60 Abs. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) betrieb bis zum 31. Dezember 1996 einen ...betrieb als Einzelunternehmer. Am 22. Dezember 1996 schloss er mit der X-GmbH (sonstige Beteiligte zu 1.) einen Pacht- und Betriebsüberlassungsvertrag. Alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer der X-GmbH war zu dieser Zeit der Vater des Klägers. Der Kläger stellte sein Einzelunternehmen zum 31. Dezember 1996 ein und verpachtete das unbewegliche und bewegliche Anlagevermögen mit Wirkung zum 1. Januar 1997 an die X-GmbH, welche den ...betrieb fortführte. Am 7. Juni 1999 veräußerte der Vater des Klägers 50 v.H. seiner Geschäftsanteile an der X-GmbH an den Kläger, der zugleich zum weiteren Geschäftsführer der X-GmbH bestellt wurde.

Am 31. Dezember des Streitjahres 2000 verkaufte und veräußerte der Kläger sämtliche bislang verpachteten Wirtschaftsgüter zu Buchwerten an die X-GmbH und die Y-GmbH (sonstige Beteiligte zu 2.). Anteilseigner und Geschäftsführer der Y-GmbH waren zu diesem Zeitpunkt der Kläger und sein Vater. Am 15. März 2002 übernahm der Kläger 100 v.H. der Anteile an beiden Gesellschaften mbH.

In seiner Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 2000 bezifferte der Kläger seinen Gewinn aus Gewerbebetrieb mit 140 370 DM. Im Anschluss an eine in der Zeit vom 1. März 2004 bis 15. Juli 2004 beim Kläger durchgeführte Außenprüfung ging der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) davon aus, dass der Kläger seinen Betrieb am 31. Dezember 2000 aufgegeben habe. Dem Prüfer folgend legte das FA dem angefochtenen Einkommensteueränderungsbescheid 2000 einen Betriebsaufgabegewinn in Höhe von 343 735,95 DM zugrunde, wovon 259 605,25 DM auf den Geschäftswert und 84 130,70 DM auf die (übrigen) stillen Reserven entfielen. Mit der dagegen nach erfolglosem Einspruch erhobenen Klage macht der Kläger geltend, ein einlagefähiger Geschäftswert sei zum Zeitpunkt des Verkaufs nicht mehr vorhanden gewesen. Für einen Geschäftswert sei weder von ihm (Verpächter) etwas gefordert noch von der Pächterin eine Zahlung geleistet worden. Er (Kläger) habe lediglich die vorhandenen Maschinen zurückbehalten und verpachtet. Dabei habe es sich um Serienprodukte gehandelt, die von jedermann hätten beschafft werden können. Nach Kündigung des Pachtvertrages habe er vor der Wahl gestanden, die Pachtgegenstände einzeln zu verkaufen, was mit Wahrscheinlichkeit zu großen Verlusten geführt hätte. Für einige Maschinen hätten vielleicht gute Preise erzielt werden können. Dagegen zu rechnen sei, dass ein großer Teil unverkäuflich gewesen sei. Es sei daher sinnvoll gewesen, die Maschinen zu Buchwerten übergehen zu lassen. Im Übrigen sei eine Bewertung mangels Ermittlung der Teilwerte oder gemeinen Werte nicht zulässig.

Das Finanzgericht (FG) hat über diese Klage noch nicht entschieden.

Mit Schriftsatz vom 23. Januar 2007 hat das FA beantragt, die X-GmbH und die Y-GmbH gemäß § 174 Abs. 4 und 5 der Abgabenordnung (AO) zum Klageverfahren beizuladen.

Mit den angefochtenen Beschlüssen hat das FG diesem Antrag entsprochen. Es hat im Wesentlichen ausgeführt:

Der Kläger meine, es sei kein Geschäftswert vorhanden gewesen und die Buchwertansätze der veräußerten Wirtschaftsgüter hätten keine stillen Reserven enthalten. Sollte der Kläger mit seiner Ansicht durchdringen, bestehe die Möglichkeit, dass dies zu Änderungen bei den Wertansätzen der Wirtschaftsgüter bei den beiden Gesellschaften mbH führen könne. Denn das FA habe ausgeführt, dass der Steuerberater der Gesellschaften mbH aufgrund der Auffassung des FA, die Wirtschaftsgüter seien mit den Teilwerten anzusetzen, für die Gesellschaften entsprechend korrigierte Bilanzen vorgelegt habe. Desgleichen seien auch der durch den Verkauf der Wirtschaftsgüter aufgedeckte Geschäftswert aktiviert und die Absetzungen für Abnutzung (AfA) hierfür in Anspruch genommen worden. In den folgenden Veranlagungszeiträumen hätten die Gesellschaften mbH daher ein erhöhtes AfA-Volumen in Anspruch genommen.

Bei dieser Sachlage müsse dem Antrag des FA auf die Beiladungen gefolgt werden. Dabei brauche nicht geprüft zu werden, ob es tatsächlich zu steuerlichen Auswirkungen bei den beigeladenen Gesellschaften mbH kommen werde. Für die Beiladungen genüge vielmehr, dass die Möglichkeit von (die Beigeladenen betreffenden) Folgeänderungen nicht von der Hand zu weisen sei (Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 22. Oktober 2001 XI B 16/00, BFH/NV 2002, 308).

Mit der dagegen erhobenen Beschwerde macht der Kläger im Wesentlichen geltend, dass die Beiladungen nicht hätten erfolgen dürfen, weil im Zeitpunkt des Erlasses der angefochtenen Beiladungsbeschlüsse hinsichtlich der die beigeladenen Gesellschaften mbH betreffenden Körperschaftsteuerbescheide 2000 und 2001 bereits Festsetzungsverjährung eingetreten gewesen sei.

Das FA beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen. Es trägt u.a. vor, die Beschwerde könne schon deswegen keinen Erfolg haben, weil die Beiladungen nicht allein zum Zweck der Änderung der die Gesellschaften mbH betreffenden Körperschaftsteuerbescheide für 2001, sondern auch für die Änderung der Körperschaftsteuerbescheide für 2002 bis 2005 erforderlich seien. Denn das erhöhte AfA-Volumen sei von den Gesellschaften mbH auch für die letztgenannten Veranlagungszeiträume in Anspruch genommen worden. Beide Gesellschaften hätten ihre Körperschaftsteuererklärungen 2002 im Jahr 2003 beim FA eingereicht, so dass die Festsetzungsverjährung für diesen Veranlagungszeitraum frühestens mit Ablauf des 31. Dezember 2007 eingetreten sei.

II. Die Beschwerde ist unbegründet. Das FG hat die Voraussetzungen einer Antragsbeiladung nach § 174 Abs. 5 Satz 2 AO zu Recht mit der Folge bejaht, dass den beigeladenen Gesellschaften mbH die Rechtsstellung von i.S. von § 60 Abs. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) notwendig Beigeladenen zukommt.

§ 174 Abs. 4 AO sieht vor, dass nach einer vom Steuerpflichtigen zu seinen Gunsten bewirkten Aufhebung oder Änderung des Steuerbescheids --wie dies vom Kläger verfolgt wird-- aus dem Sachverhalt nachträglich die richtigen steuerlichen Folgerungen gezogen werden und dazu Steuerbescheide erlassen oder geändert werden können. Die Folgeänderung kann grundsätzlich auch vollzogen werden, wenn der Steuerbescheid nach allgemeinen Vorschriften nicht mehr abänderbar ist und wenn die Festsetzungsfrist für die zu ändernde Steuerfestsetzung bereits abgelaufen ist.

Diese Rechtsfolgen gelten nach § 174 Abs. 5 AO auch für Dritte, wenn sie an dem Verfahren, das zur Aufhebung oder Änderung des ursprünglichen fehlerhaften Steuerbescheids geführt hat, beteiligt waren. Ihre Beiladung zu diesem Verfahren wird deshalb nach § 174 Abs. 5 Satz 2 AO für zulässig erklärt (vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 25. April 1986 IV B 126/85, BFH/NV 1988, 69, und in BFH/NV 2002, 308).

a) Im vorliegenden Streitfall ist die Möglichkeit nicht von der Hand zu weisen, dass der Kläger mit seiner Auffassung durchdringt und im Zuge der Übertragung der Wirtschaftsgüter vom Kläger auf die beiden Gesellschaften mbH zu Buchwerten weder ein Geschäftswert noch (sonstige) stille Reserven aufgedeckt wurden. Dies könnte sodann --wie das FA vom Kläger unwidersprochen vorgetragen hat-- Auswirkungen in Bezug auf die Buchwertansätze und künftigen AfA bei den beiden Gesellschaften mbH nicht nur für den Veranlagungszeitraum 2001, sondern auch für die nachfolgenden Veranlagungszeiträume zeitigen.

b) Das FG brauchte nicht zu prüfen, ob es im Falle des Obsiegens des Klägers tatsächlich zu steuerlichen Auswirkungen bei den beigeladenen Gesellschaften mbH kommen wird. Für die Beiladung i.S. von § 174 Abs. 4 und 5 AO genügt vielmehr, dass die Möglichkeit solcher Folgeänderungen nicht von der Hand zu weisen ist (BFH-Beschlüsse in BFH/NV 1988, 69, und in BFH/NV 2002, 308).

c) Der vom Kläger gegen die Beiladungen erhobene Einwand, dass hinsichtlich der die Gesellschaften mbH betreffenden Körperschaftsteuer 2001 bereits bei Erlass der angefochtenen Beiladungsbeschlüsse Festsetzungsverjährung eingetreten sei, greift nicht durch.

Richtig ist zwar, dass die Beiladung eines Dritten dann nicht (mehr) in Betracht kommt, wenn dessen Interessen durch den Ausgang des Rechtsstreits eindeutig nicht berührt sein können, etwa weil dem Erlass der auf § 174 Abs. 5 AO gestützten erstmaligen oder geänderten Steuerbescheide (Steuermessbescheide, Feststellungsbescheide) zweifelsfrei der Ablauf der Festsetzungsfrist (Feststellungsfrist) entgegenstünde (vgl. z.B. BFH-Beschluss in BFH/NV 2002, 308). Dies trifft indessen im Streitfall jedenfalls insoweit nicht zu, als es die nach dem unbestrittenen Vortrag des FA von einer möglichen Folgeänderung betroffenen Steuerbescheide gegen die Gesellschaften mbH für die Veranlagungszeiträume ab 2002 anbelangt.

Ende der Entscheidung

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