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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 07.03.2006
Aktenzeichen: X B 158/05
Rechtsgebiete: FGO, AO 1977


Vorschriften:

FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2
FGO § 116 Abs. 3 Satz 3
AO 1977 § 89
AO 1977 § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2
AO 1977 § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

Die Beschwerde ist unzulässig. Die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) haben die von ihnen geltend gemachten Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) und der Erforderlichkeit einer Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO) nicht in der nach § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO gebotenen Weise begründet.

1. Dies gilt zunächst für die Rüge der Kläger, dass die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung (vgl. § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) habe.

a) Eine Rechtsfrage hat grundsätzliche Bedeutung, wenn ihre Beantwortung durch den BFH aus Gründen der Rechtssicherheit, der Rechtseinheitlichkeit und/oder Rechtsentwicklung im allgemeinen Interesse liegt. Es muss sich um eine klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage handeln (vgl. z.B. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl., § 115 Rz. 23, m.w.N. aus der Rechtsprechung des BFH).

Die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache muss --vom hier nicht gegebenen Fall ihrer Offenkundigkeit abgesehen-- schlüssig und substantiiert dargelegt werden. Dies erfordert ein konkretes Eingehen des Beschwerdeführers darauf, inwieweit die aufgeworfene Rechtsfrage im allgemeinen Interesse klärungsbedürftig und in welchem Umfang, von welcher Seite und aus welchen Gründen sie umstritten ist. Dazu gehört auch, dass sich der Beschwerdeführer mit der zu der von ihm für klärungsbedürftig gehaltenen Rechtsfrage bereits vorhandenen höchstrichterlichen Rechtsprechung auseinander setzt und substantiiert darlegt, weshalb nach seiner Ansicht diese Rechtsprechung bislang keine Klärung herbeigeführt habe (vgl. z.B. Gräber/Ruban, a.a.O., § 116 Rz. 32 und 33, m.w.N. aus der Rechtsprechung des BFH).

b) Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung der Kläger nicht. Sie werfen zwar mit der Frage, "unter welchen Umständen das Finanzamt bei unklaren oder unvollständigen Angaben in Erfüllung seiner Fürsorgepflicht aus § 89 der Abgabenordnung (AO 1977) auf eine sachgerechte Ergänzung hinzuwirken hat", eine Rechtsfrage auf. Ihre Ausführungen beschränken sich aber darauf, die aus ihrer Sicht für den entschiedenen Fall klärungsbedürftige Frage zu stellen, ohne dass sie eine über ihr Interesse am Ausgang dieses Verfahrens hinausreichende, allgemein interessierende, klärungsbedürftige und in diesem Rechtsstreit klärungsfähige Rechtsfrage erkennen lassen. Sie haben zudem außer Acht gelassen, dass sich die Frage, unter welchen Umständen der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) bei unklaren oder unvollständigen Angaben in Erfüllung seiner Fürsorgepflicht aus § 89 AO 1977 auf eine sachgerechte Ergänzung hinzuwirken hat, nur von Fall zu Fall --unter Heranziehung der tatsächlichen Besonderheiten des konkreten Sachverhalts-- entscheiden lässt. Beruht eine Entscheidung jedoch auf der Würdigung von Tatsachen bzw. einer Gesamtbeurteilung der besonderen tatsächlichen Umstände des jeweiligen Einzelfalls, wirft sie, selbst wenn sie fehlerhaft wäre, keine Frage von grundsätzlicher Bedeutung auf (vgl. Senatsbeschluss vom 18. Februar 1997 X B 256/96, BFH/NV 1997, 593; Gräber/Ruban, a.a.O., § 115 Rz. 24; Beermann/Gosch, Finanzgerichtsordnung, § 115 Rz. 109). In einem solchen Fall ist nicht erkennbar, welche über den Streitfall hinausgehenden allgemeinen Erkenntnisse von einer Revisionsentscheidung in dieser Sache zu erwarten sein könnten. Dass für einen Sachverhalt wie den vorliegend zu beurteilenden noch keine höchstrichterliche Entscheidung vorliegt, rechtfertigt die Annahme der grundsätzlichen Bedeutung nicht.

2. Ebenso wenig genügt die Beschwerdebegründung den Anforderungen an die schlüssige Darlegung eines Revisionszulassungsgrundes i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO.

Insoweit fehlt es bereits an der notwendigen Herausarbeitung von Rechtssätzen sowohl aus der angefochtenen Vorentscheidung als auch aus der (mutmaßlichen) Divergenzentscheidung des BFH und deren --die (vermeintliche) Abweichung dokumentierenden-- Gegenüberstellung.

Die geltend gemachte Abweichung des Urteils des Finanzgerichts (FG) von der Entscheidung des BFH vom 9. Oktober 1992 III R 72/91 (BFH/NV 1994, 217) liegt zudem nicht vor. Zum einen ist im Streitfall nicht die Frage zu entscheiden, ob der Antrag für die Gewährung einer antragsgebundenen Steuerermäßigung grundsätzlich auch noch nach Bestandskraft des Einkommensteuerbescheides nachgeholt werden kann. Vielmehr begehren die Kläger, dass die Veranlagung in den Streitjahren hinsichtlich des Ertragsanteils bei der Erwerbsunfähigkeitsrente der Klägerin vorläufig durchgeführt werden soll. Zudem ist im Streitfall --anders als in der Entscheidung in BFH/NV 1994, 217-- nicht die Anwendbarkeit von § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO 1977 streitig.

3. Im Übrigen weist der Senat auf Folgendes hin:

Die Kläger hatten keinen Anspruch auf die von ihnen begehrte Vorläufigkeitserklärung. Diese Vorläufigkeitserklärung stellt eine Änderung der bestandskräftigen Einkommensteuerbescheide dar (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 11. Februar 1994 III R 117/93, BFHE 173, 390, BStBl II 1994, 380). Als Rechtsgrundlagen für eine derartige Änderung würden nur § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO 1977 und § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO 1977 in Betracht kommen. Die Voraussetzungen beider Bestimmungen liegen nicht vor.

Eine Änderung nach § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO 1977 ist --unter weiteren Voraussetzungen-- nur möglich, wenn Tatsachen bereits eingetreten sind. Das ist hier nicht der Fall und wird von den Klägern auch nicht geltend gemacht. In tatsächlicher Hinsicht können die Kläger zur Zeit allenfalls eine Ungewissheit dahin geltend machen, ab wann der Klägerin ein vorgezogenes Altersruhegeld gewährt werden wird. Demgemäß begehren die Kläger auch nur die Vorläufigkeitserklärung der bestandskräftigen Steuerbescheide, um ihren Fall offen zu halten. § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO 1977 bietet aber nur eine Anspruchsgrundlage für die Festsetzung einer niedrigeren Steuer und nicht für das Offenhalten des Steuerfalles für künftige Entwicklungen. Die Ungewissheit, ob künftig etwas eintreten wird, kann für die Anwendung dieser Bestimmung nicht ausreichen.

Aus ähnlichen Erwägungen scheidet auch ein Anspruch der Kläger auf die Vorläufigkeitserklärung aufgrund des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO 1977 aus. Die Vorschrift ist nur anwendbar, wenn die Ereignisse bereits eingetreten sind (BFH-Urteil in BFHE 173, 390, BStBl II 1994, 380). Daran fehlt es im Streitfall.

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