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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 17.06.1998
Aktenzeichen: X B 174/97
Rechtsgebiete: FGO


Vorschriften:

FGO § 65 Abs. 2 Satz 2
FGO § 56
FGO § 115 Abs. 3 Satz 3
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 3
FGO § 65
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1 u. 2
FGO § 65 Abs. 1 Satz 1
FGO § 65 Abs. 1 Satz 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe

I. Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) hat die Besteuerungsgrundlagen der Gewerbesteuermeßbescheide der Streitjahre 1993 und 1994 geschätzt, weil der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) für die Streitjahre 1992 bis 1994 keine Steuererklärungen abgegeben hat. Die hiergegen erhobenen Einsprüche hat das FA zurückgewiesen, weil weder die Steuererklärungen nachgereicht noch sonst dargelegt worden ist, inwiefern die Besteuerungsgrundlagen unzutreffend sein könnten.

Da der Kläger weder die mit der Klageschrift angekündigten Steuererklärungen vorgelegt noch sonst die Klage begründet hat, hat das Finanzgericht (FG) dem Kläger am 1. Oktober 1996 eine Ausschlußfrist gemäß § 65 Abs. 2 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) gesetzt, die mehrfach, zuletzt bis zum 21. Februar 1997 --erfolglos-- verlängert worden ist. Der Kläger hat auch in der mündlichen Verhandlung lediglich Fristverlängerung für die Abgabe der Steuererklärungen beantragt.

Das FG hat die Klage als unzulässig abgewiesen. Denn der Kläger habe innerhalb der Ausschlußfrist den Gegenstand des Klagebegehrens nicht bezeichnet. Auch aus den Akten ergebe sich kein Anhaltspunkt dafür, in welcher Hinsicht der Kläger eine Korrektur der angefochtenen Bescheide erstrebe. Die beantragte Fristverlängerung könne schon deshalb nicht berücksichtigt werden, weil der Antrag erst nach Ablauf der Ausschlußfrist gestellt worden sei. Gründe für eine Wiedereinsetzung (§ 56 FGO) lägen nicht vor.

Das FG hat die Revision nicht zugelassen.

Das FG hat dieses Urteil (Az: 2 A 11/96) zusammen mit den ebenfalls am 14. März 1997 gegenüber dem Kläger ergangenen Urteilen wegen Einkommensteuer 1992 und 1993 (Az: 2 A 10/96) und Umsatzsteuer 1992 bis 1994 (Az: 2 A 12/96) durch die Post mit Postzustellungsurkunde zustellen lassen. Die Postzustellungsurkunde bestätigt die Zustellung der Sendung an den Prozeßbevollmächtigten des Klägers durch Niederlegung am 4. Juli 1997. Auf der Postzustellungsurkunde war als Aktenzeichen 2 A 10-12/96 vermerkt und als weitere Kennzeichnung "3 U. v. 14.3.1997 (je 2fach)" angegeben. Weil nach Auffassung des FG die Zustellung fehlerhaft war, ließ es das hier angefochtene Urteil am 15. August 1997 erneut zustellen.

Mit der am 15. September 1997 erhobenen Beschwerde begehrt der Kläger die Zulassung der Revision wegen eines Verfahrensmangels. Er macht sinngemäß geltend, das FG habe den Begriff des Klagebegehrens verkannt; ausreichend bezeichnet sei dieses, wenn die Abänderung eines Bescheides mit geschätzten Besteuerungsgrundlagen nach Maßgabe der noch nachzureichenden Steuererklärungen begehrt werde. Obwohl er "als Gegenstand des Klagebegehrens die Änderung der Steuer-, Vorauszahlungs-, Verspätungs- und Zinsfestsetzungen nach Vorlage der bezeichneten Steuererklärungen und Jahresabschlüsse des Klägers" benannt habe, habe das FG die Klage als unzulässig abgewiesen.

Das FA ist der Auffassung, die Beschwerde sei verspätet erhoben worden; die Zustellung des Urteils sei nicht fehlerhaft gewesen, weil nach ständigem Brauch die Zusammenfassung mehrerer Aktenzeichen in ununterbrochen aufsteigender Reihenfolge angegeben werde und deshalb die zutreffende Reihe "2 A 10-12/96" offenkundig sei. Im übrigen sei die Beschwerde auch mangels schlüssiger Darlegung unzulässig.

II. Die Beschwerde ist unzulässig.

1. Entgegen der Auffassung des FA ist die Beschwerde nicht bereits wegen Fristversäumnis unzulässig. Die fehlerhafte Zustellung vom 4. Juli 1997 konnte die Rechtsmittelfrist nicht in Lauf setzen. Der Senat verweist zur Vermeidung von Wiederholungen auf den gegenüber den Beteiligten ergangenen Beschluß wegen Umsatzsteuer 1992 bis 1994 (X B 139/97) vom 17.6.1998. Die Beschwerde vom 15. September 1997 ist rechtzeitig innerhalb der mit der ordnungsgemäßen Zustellung vom 15. August 1997 beginnenden Frist erhoben worden.

2. Die Beschwerde ist jedoch unzulässig, weil der Kläger einen Zulassungsgrund nicht ordnungsgemäß dargelegt hat.

Nach § 115 Abs. 3 Satz 3 FGO ist der Verfahrensmangel (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) zu bezeichnen, wenn ein solcher gerügt werden soll (vgl. z.B. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 4. Aufl., § 115 Rz. 65 ff., m.w.N.).

Der Senat läßt dahingestellt, ob der Vortrag des Klägers, das FG habe § 65 FGO falsch angewandt, eine Verfahrensrüge oder eine Sachrüge ist (vgl. Beschluß des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 6. Februar 1997 V B 105/96, BFH/NV 1997, 770, m.w.N.).

Handelt es sich um eine Sachrüge, ist die Revision nicht zuzulassen, weil insoweit Einwände gegen die Richtigkeit des Urteils unbeachtlich sind (z.B. BFH-Beschluß vom 6. Mai 1997 X B 143/96, BFH/NV 1997, 865) und der Kläger nicht vorgetragen hat, Zulassungsgründe des § 115 Abs. 2 Nr. 1 und 2 FGO lägen vor.

Ist ein Verfahrensmangel i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO gerügt, fehlt es an der erforderlichen Bezeichnung des Verfahrensmangels. Die Verfahrensrüge muß in sich schlüssig sein und sich mit der Vorentscheidung auseinandersetzen (vgl. z.B. BFH-Beschluß in BFH/NV 1997, 770, m.w.N.). Dem genügt die Beschwerdeschrift nicht.

Gemäß § 65 Abs. 1 Satz 1 FGO muß die Klage den Kläger, den Beklagten, den Gegenstand des Klagebegehrens und bei Anfechtungsklagen auch den angefochtenen Verwaltungsakt bezeichnen. Sie soll einen bestimmten Antrag enthalten (§ 65 Abs. 1 Satz 2 FGO). Eine i.S. des § 65 Abs. 1 Satz 1 FGO ausreichende Bezeichnung des Klagebegehrens (Streitgegenstand) erfordert die substantiierte Darlegung des Klägers, inwiefern der angefochtene Verwaltungsakt rechtswidrig und er, der Kläger, in seinen Rechten verletzt ist (ständige Rechtsprechung, z.B. Beschluß des Großen Senats des BFH vom 26. November 1979 GrS 1/78, BFHE 129, 117, BStBl II 1980, 99; BFH-Urteil vom 27. Juni 1996 IV R 61/95, BFH/NV 1997, 232, m.w.N.). Zur Bestimmung des Gegenstandes des Klagebegehrens bei Auslegung der Klageschrift sind alle dem FA und dem FG bekannten und vernünftigerweise erkennbaren Umstände tatsächlicher und rechtlicher Art zu berücksichtigen (ausführlich hierzu BFH in BFH/NV 1997, 232).

Wie weit ein Klagebegehren zu substantiieren ist, hängt von den Umständen des Einzelfalles, insbesondere von dem Inhalt des angefochtenen Verwaltungsaktes ab. Entscheidend ist, ob das Gericht durch die Angaben des Klägers in die Lage versetzt wird, zu erkennen, worin nach Ansicht des Klägers die ihn treffende Rechtsverletzung liegt (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 13. Juni 1996 III R 93/95, BFHE 180, 247, BStBl II 1996, 483). Selbst wenn der Streitgegenstand durch Bezugnahme auf eine nach Erlaß eines Steuerbescheides mit geschätzten Besteuerungsgrundlagen nachgereichte oder erst nachzureichende Steuererklärung ausreichend bezeichnet werden könnte, kommt es darauf an, ob bis zum maßgeblichen Zeitpunkt --hier dem Ablauf der Ausschlußfrist nach § 65 Abs. 2 Satz 2 FGO-- die Steuererklärungen für die Streitjahre tatsächlich vorgelegen haben (vgl. BFH-Urteil vom 16. März 1988 I R 93/84, BFHE 153, 290, BStBl II 1988, 895).

Hiervon ausgehend hat das FG ausgeführt, daß der Kläger innerhalb der Ausschlußfrist weder die angekündigten Steuererklärungen nachgereicht noch sonst substantiiert habe, inwiefern die Schätzungsbescheide seiner Auffassung nach fehlerhaft seien; auch aus den Steuerakten ergäben sich mangels Begründung des Einspruchs hierfür keine Anhaltspunkte.

Allein mit der Behauptung, er habe auf noch nachzureichende Steuererklärungen Bezug genommen, ist hiernach ein Verfahrensmangel nicht schlüssig bezeichnet, weil die bloße Ankündigung einer Steuererklärung zur Bezeichnung des Streitgegenstandes nicht ausreicht (BFH-Beschluß vom 24. März 1995 VIII B 155/94, BFH/NV 1995, 908).

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