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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 30.05.2007
Aktenzeichen: X B 177/06
Rechtsgebiete: AO 1977, FGO
Vorschriften:
AO 1977 § 164 Abs. 2 | |
FGO § 96 Abs. 1 Satz 1 | |
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 3 | |
FGO § 116 Abs. 6 |
Gründe:
I. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) war im Streitjahr 1994 als selbstständiger Immobilienmakler tätig. Mit Vertrag vom 22. Dezember 1994 vereinbarten er und die Zeugin X eine an den Kläger zu zahlende Maklerprovision in Höhe von 3,45 v.H. des Kaufpreises (einschließlich Umsatzsteuer), falls es zum Erwerb des Grundstücks K-Straße in A durch die Zeugin kommen sollte. Als Kaufpreis waren 480 000 DM angegeben.
In einem "Zusatzvertrag zum Maklervertrag vom 22.12.1994" heißt es:
"Der Makler, Herr ... (Kläger), erhält am 23.12.1994 eine Zahlung von DM 10 000 und sichert der Käuferin zu, dass die Immobilie K-Str. zum Preis von DM 480 000 auf die o.g. Käuferin übergeht. Der Eigentümer ... erhält am 28.12.1994 eine Kaufpreissumme von DM 80 000 in bar von der Käuferin ... (= Zeugin X). Der notarielle Kaufvertrag ... wird am 12.01.1995 beim Notar ... B ... geleistet. Der Kaufpreis beträgt DM 400 000. Die Zahlung des genannten Kaufpreises von DM 400 000 wird bis 31.03.1994 (Anmerkung: meint offensichtlich 1995) auf das ... Notaranderkonto geleistet."
Unter dem Datum vom 23. Dezember 1994 erteilte der Kläger der Zeugin G eine Rechnung über 13 800 DM (netto 12 000 DM plus 1 800 DM Umsatzsteuer), die die Zeugin Anfang Januar 1995 durch Überweisung des Rechnungsbetrages auf das Konto des Klägers bei der V-Bank A beglich. In dem zwischen dem Grundstücksveräußerer und der Zeugin abgeschlossenen notariell beurkundeten Grundstückskaufvertrag vom 12. Januar 1995 wurde der Kaufpreis mit 400 000 DM angegeben.
Im Rahmen eines Strafverfahrens beschlagnahmte die Steuerfahndung Y im Februar 2001 zahlreiche Unterlagen des Klägers; darunter befanden sich auch der o.a. Maklervertrag sowie der Zusatzvertrag vom 22. Dezember 1994. Der Prüfer ging davon aus, dass die im Zusatzvertrag zum Maklervertrag getroffenen Vereinbarungen durchgeführt worden seien. Bei den steuerpflichtigen Umsätzen des Klägers sei deshalb eine zusätzliche, bislang nicht erklärte Provisionseinnahme in Höhe von netto 8 695 DM (= brutto 10 000 DM) zu erfassen. Dem Prüfer folgend erließ der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) am 14. Oktober 2002 einen entsprechenden, auf § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO) gestützten Umsatzsteueränderungsbescheid für 1994.
Mit der dagegen nach erfolglosem Einspruch erhobenen Klage machte der Kläger geltend, dass er den streitigen Provisionsbetrag in Höhe von 10 000 DM nicht erhalten habe. Er stützte sich dabei auf eine schon dem Betriebsprüfer vorgelegte --vorgeblich von der Zeugin X stammende-- Erklärung vom 27. März 2002, in der es heißt:
"Hiermit erkläre ich, dass Herr ... (Kläger) für die Vermittlung des Objekts ... im Jahre 1994 nur eine Provision i.H. von 13 800 DM in bar erhalten hat."
Das Finanzgericht (FG) hat die Klage nach vorheriger Einvernahme der Grundstückskäuferin X als Zeugin als unbegründet abgewiesen.
Ausweislich des Protokolls zur mündlichen Verhandlung vom 14. September 2006 hatte die Zeugin X u.a. Folgendes ausgesagt:
"Angesprochen auf die im Zusatzvertrag erwähnten Beträge von 10.000,-- DM und 80.000,-- DM:
Ich weiß noch, dass der Kläger Bargeld haben wollte. Ich kann mich allerdings nicht mehr daran erinnern, dass ich ihm Bargeld übergeben habe. Ich meine mich daran zu erinnern, dass meine Mutter ... mir abgeraten hat, Bargeld zu übergeben, ich solle lieber eine Überweisung vornehmen. Ich kann mich auch nicht daran erinnern, dem Grundstücksveräußerer ... vor der Beurkundung des Kaufvertrages etwas gezahlt zu haben.
Mir wird nunmehr vorgelegt eine Erklärung vom 27.03.2002 ... Ich kann mich nicht daran erinnern, dieses Schriftstück unterzeichnet zu haben. Der Text ist nicht von mir geschrieben worden. Das ist nicht meine Handschrift. Ob die Unterschrift von mir stammt, kann ich nicht sagen. Die Schreibweise entspricht jedenfalls nicht meiner üblichen Unterschrift. Ich hatte auch mit dem Kläger im Jahre 2002 keinen Kontakt ...
...
(Nochmals) Angesprochen auf den Zusatzvertrag (...):
... Die Frage, ob es sein kann, dass ich zusätzlich zu der Maklerprovision 10.000,-- DM an den Kläger gezahlt habe für die Zusicherung, dass ich das Grundstück erhalte, beantworte ich mit nein."
Das FG begründete seine klageabweisende Entscheidung u.a. wie folgt:
Unter Würdigung der in der Betriebsprüfungsakte befindlichen Unterlagen und des Ergebnisses der Beweisaufnahme stehe zur Überzeugung des Senats fest, dass der streitige Betrag von 10 000 DM dem Kläger im Streitjahr 1994 zugeflossen sei und dass die Nichtangabe dieser Einnahme in der Umsatzsteuererklärung 1994 eine vorsätzliche Steuerhinterziehung darstelle.
Letztlich ausschlaggebend für die Überzeugungsbildung des Senats sei es, dass sich die Behauptung des Klägers, die Zeugin X habe schriftlich bestätigt, der Kläger habe neben dem Rechnungsbetrag von 13 800 DM keine weitere Provision erhalten, als falsch erwiesen habe. Die Zeugin habe nämlich bekundet, dass die Bescheinigung vom 27. März 2002 nicht von ihr ausgestellt und unterschrieben worden sei. Diesen Teil der Aussage der Zeugin halte der Senat für glaubhaft, weil die Bescheinigung erst 2002 ausgestellt worden sei und damit bei weitem nicht so weit zurückliege wie der Zusatzvertrag vom 22. Dezember 1994. Zum anderen habe die Zeugin schon zu Beginn ihrer Aussage, als es noch nicht um die Bescheinigung vom 27. März 2002 gegangen sei, erklärt, sie habe seit der Abwicklung des Grundstückskaufs --also seit Ende 1994/Anfang 1995-- keine geschäftlichen und privaten Kontakte zum Kläger gehabt.
Wenn aber die Bescheinigung vom 27. März 2002 nicht von der Zeugin stamme, bleibe nur die Schlussfolgerung, dass sie gefälscht worden sei, um eine für den Kläger niedrigere Steuerfestsetzung herbeizuführen.
Im Hinblick auf die vorliegende Steuerhinterziehung sei die Festsetzungsfrist bei Erlass des angefochtenen Umsatzsteuerbescheids 1994 vom 14. Oktober 2002 noch nicht abgelaufen gewesen.
Mit seiner dagegen erhobenen Nichtzulassungsbeschwerde macht der Kläger u.a. Verfahrensmängel geltend. Das FG habe trotz Beweisantritts den entscheidungserheblichen Sachverhalt nicht vollständig festgestellt. Die schriftliche Erklärung der Zeugin X vom 27. März 2002 habe der Kläger eingeholt; sie sei von der Zeugin unterschrieben worden. Dass die Unterschrift von der Zeugin stamme, sei ohne Weiteres festzustellen. Der Antrag, ein Sachverständigengutachten dazu einzuholen, ob die Unterschrift auf dem Zusatzvertrag von der Zeugin stamme, sei ausdrücklich gestellt worden. Dieser Antrag sei auch im Anschluss an die Vernehmung der Zeugin aufrechterhalten worden.
Maßgeblich für das FG sei gewesen, dass die Zeugin bekundet habe, die Bescheinigung vom 27. März 2002 sei nicht von ihr ausgestellt und unterschrieben worden. Diesen Teil der Aussage der Zeugin habe das FG für glaubhaft erachtet und daraus abgeleitet, dass die Erklärung vom 27. März 2002 gefälscht worden sei. Das sei unhaltbar. Der Beweisantritt schließe eine Fälschung aus.
Es sei geboten, das Gesamtergebnis des Verfahrens ausreichend und umfassend zu berücksichtigen. Die Zeugin habe zur Erklärung vom 27. März 2002 ausgeführt, sie könne sich "nicht daran erinnern, dieses Schriftstück unterzeichnet zu haben. Der Text (sei) nicht von (ihr) geschrieben worden. Das (sei) nicht (ihre) Handschrift. Ob die Unterschrift von (ihr stamme, könne sie) nicht sagen".
Daraus habe das FG hergeleitet, die Zeugin habe "nämlich bekundet, dass die Bescheinigung vom 27.03.2002 nicht von ihr ausgestellt und unterschrieben worden (sei)".
Dies sei unhaltbar und willkürlich. Der Tatsachenvortrag und das Ergebnis der Beweisaufnahme seien nicht gewürdigt worden. Wären der Vortrag und die Erklärungen der Zeugin eingeordnet und gewürdigt worden und wäre weiter Beweis erhoben worden, so wäre das FG zwingend zu einem anderen Ergebnis gelangt.
II. Die Beschwerde ist begründet. Der Kläger hat schlüssig einen Verfahrensmangel i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) dargelegt. Ein solcher liegt auch tatsächlich vor.
1. Ein Verfahrensmangel i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 3 i.V.m. § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO ist gegeben, wenn das FG seiner Entscheidung nicht das Gesamtergebnis des Verfahrens zugrunde legt, insbesondere wenn das Gericht bei seiner Entscheidung von einem Sachverhalt ausgeht, welcher dem schriftlichen oder protokollierten Vorbringen der Beteiligten widerspricht, oder wenn das Gericht eine nach den Akten klar feststehende Tatsache unberücksichtigt gelassen hat (vgl. z.B. die Nachweise aus der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs bei Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 115 Rz 80). Entsprechendes gilt, wenn die Entscheidung des FG auf einer Zeugenaussage beruht, die mit den protokollierten Bekundungen dieses Zeugen nicht im Einklang steht.
a) Letzteres trifft im Streitfall --wie der Kläger in seiner Beschwerdebegründungsschrift zutreffend gerügt hat-- zu. Nach den Ausführungen des FG im angefochtenen Urteil soll die Zeugin X bei ihrer Vernehmung in der mündlichen Verhandlung vom 14. September 2006 bekundet haben, "dass die Bescheinigung vom 27.03.2002 nicht von ihr ... unterschrieben worden (sei)". Dies widerspricht der im Protokoll zur mündlichen Verhandlung vom 14. September 2006 festgehaltenen Aussage der Zeugin X. Ausweislich dieses Protokolls hat die Zeugin lediglich bekundet, dass sie sich nicht erinnern könne, die Erklärung vom 27. März 2002 unterzeichnet zu haben. Wörtlich heißt es dort:
"Ich (Anmerkung: Zeugin X) kann mich nicht erinnern, dieses Schriftstück unterzeichnet zu haben. Der Text ist nicht von mir geschrieben worden. ... Ob die Unterschrift von mir stammt, kann ich nicht sagen. Die Schreibweise entspricht jedenfalls nicht meiner üblichen Unterschrift. Ich hatte auch mit dem Kläger im Jahre 2002 keinen Kontakt..."
Unter diesen Umständen hat der Kläger zu Recht beanstandet, dass das FG nicht ohne weitere Aufklärungsmaßnahmen davon ausgehen durfte, die Unterschrift der Zeugin in der genannten Erklärung sei gefälscht.
b) Ebenso zutreffend hat der Kläger in seiner Beschwerdebegründungsschrift geltend gemacht, dass die klageabweisende Entscheidung auf dem dargelegten Verfahrensfehler beruhen könne. Dies folgt bereits aus dem ausdrücklichen Hinweis im angefochtenen FG-Urteil in der Parallelsache 8 K 1071/05 E (Seite 6, letzter Absatz), "letztlich ausschlaggebend für die Überzeugungsbildung des Senats (sei gewesen), dass sich die Behauptung des Klägers, die Zeugin habe schriftlich bestätigt, dass der Kläger neben dem Rechnungsbetrag von 13 800 DM keine weitere Provision erhalten habe, als falsch erwiesen (habe)".
2. Der angerufene Senat hält es für angezeigt, nach § 116 Abs. 6 FGO zu verfahren.
Ende der Entscheidung
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