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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 24.02.2005
Aktenzeichen: X B 183/03
Rechtsgebiete: FGO, ZPO, BewG, EStG


Vorschriften:

FGO § 76 Abs. 1
FGO § 96 Abs. 1 Satz 1
FGO § 115 Abs. 2
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 2 2. Alternative
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 3
FGO § 116 Abs. 3 Satz 3
FGO § 155
ZPO § 295
BewG § 2
BewG § 93
BewG § 93 Abs. 1
EStG § 15 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

1. Die Beschwerde ist unzulässig. Die Beschwerdebegründung der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) genügt nicht den Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) an die Darlegung eines Zulassungsgrunds i.S. von § 115 Abs. 2 FGO.

2. Die Klägerin hat nicht schlüssig das Vorliegen eines Verfahrensmangels i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO gerügt.

a) Das Übergehen eines Beweisantrags kann den Anspruch der Beteiligten auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes --GG--) und die Pflicht des Finanzgerichts (FG) zur Sachaufklärung gemäß § 76 Abs. 1 FGO verletzen. Die schlüssige Rüge eines solchen Verfahrensmangels erfordert jedoch u.a. den Vortrag, dass das Übergehen des Beweisantrags in der mündlichen Verhandlung von dem sachkundigen Vertreter der Klägerin gerügt worden ist bzw. die Darlegung, weshalb eine solche Rüge nicht möglich war. Dies folgt daraus, dass die Regelungen über den Untersuchungsgrundsatz und insbesondere über die grundsätzlich gegebene Pflicht des FG, schlüssigen und rechtserheblichen Beweisanträgen nachzugehen, nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) zu den Verfahrensvorschriften gehören, auf die ein Beteiligter gemäß § 155 FGO i.V.m. § 295 der Zivilprozessordnung (ZPO) verzichten kann. Hierbei geht das Rügerecht nicht nur durch eine ausdrückliche oder konkludente Verzichtserklärung gegenüber dem FG verloren. Auch das bloße Unterlassen einer rechtzeitigen Rüge hat den endgültigen Rügeverlust zur Folge, ein Verzichtswille ist hierfür nicht erforderlich (ständige Rechtsprechung; vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 24. November 2003 IV B 124/01, BFH/NV 2004, 519, und vom 12. März 2004 XI B 114/02, juris, m.w.N.).

Diesen Anforderungen wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht. Die Klägerin trägt hierzu vor, das FG habe den in der Klagebegründungsschrift gestellten Antrag, einen Zeugen dazu zu hören, dass in der als "Werkstatt" bezeichneten Teileigentumseinheit Nr. 9 kein Abwasseranschluss vorhanden war, übergangen. Da in der mündlichen Verhandlung dieser Gesichtspunkt nicht problematisiert worden sei, sei es nicht möglich gewesen, die Rüge der fehlenden Sachaufklärung zu Protokoll zu erklären. Die Klägerin habe darauf vertrauen dürfen, dass das FG den von ihr vorgetragenen Sachverhalt als wahr unterstellen wird.

Die Klägerin räumt somit ein, dass in der mündlichen Verhandlung vom 26. Juni 2003, an der ausweislich der hierüber gefertigten Niederschrift sie selbst und ihre rechtskundigen Prozessbevollmächtigten teilgenommen haben, das Übergehen des Beweisantrags nicht gerügt wurde. Nach der Niederschrift hat die Klägerin in dieser mündlichen Verhandlung ihren Beweisantrag nicht einmal wiederholt.

Die Klägerin hat auch keinen Sachverhalt geschildert, auf Grund dessen ihr eine Rüge nicht möglich war. Ein Verfahrensbeteiligter, der von einem fachkundigen Prozessbevollmächtigten vertreten wird, kann grundsätzlich nicht darauf vertrauen, das FG werde sein Vorbringen entweder als wahr unterstellen, oder die vom FG am Schluss der mündlichen Verhandlung angekündigte Entscheidung habe einen Beweisbeschluss zum Gegenstand (BFH-Beschluss in BFH/NV 2004, 519). Anders kann dies nur dann sein, wenn der Verfahrensbeteiligte auf Grund des Verhaltens des FG die Rüge des Übergehens des Beweisantrags für entbehrlich halten durfte, was beispielsweise dann der Fall ist, wenn das FG selbst zum Ausdruck gebracht hat, eine weitere Sachaufklärung sei erforderlich (BFH-Beschluss vom 18. März 2003 VIII B 154/02, juris). Das Vorliegen eines solchen Ausnahmefalls hat die Klägerin nicht dargelegt. Im Gegenteil musste sie auf Grund der Tatsache, dass das FG den von ihr benannten Zeugen nicht zu der mündlichen Verhandlung geladen hat, mit der Nichterhebung des Beweises durch das FG rechnen.

Soweit das Vorbringen der Klägerin auch in dem Sinne zu verstehen sein sollte, das FG habe eine Sachaufklärung zur Frage des Vorhandenseins eines Abwasseranschlusses gemäß § 76 Abs. 1 FGO von Amts wegen durchführen müssen, ist dieser Vortrag ebenfalls nicht schlüssig. Es fehlt an Darlegungen dazu, weshalb sich dem FG auf der Grundlage seiner Rechtsauffassung eine solche Sachaufklärung hätte aufdrängen müssen (vgl. hierzu BFH-Beschluss vom 26. März 2004 XI B 24/03, juris).

Das FG hat in seinem Urteil (unter 5 a und b der Urteilsgründe) die Rechtsauffassung vertreten, für die Frage, ob die "Werkstatt" einer selbständigen Nutzung fähig sei, komme es nicht darauf an, ob derzeit eine funktionsfähige Anlage zur Beseitigung des Abwassers vorhanden sei. Ob eine solche Anlage benötigt werde, hänge von der (künftigen) konkreten Nutzung ab. Für die selbständige Nutzungsfähigkeit sei im Streitfall allein entscheidend, dass die Teilungserklärung für die "Werkstatt" eine gewerbliche Nutzungsmöglichkeit gestatte. Hierbei bestimme der jeweilige Eigentümer über die Art der gewerblichen Nutzung. Ausgehend von diesem Rechtsstandpunkt des FG bedurfte es hinsichtlich der Frage des Vorhandenseins eines Abwasseranschlusses keiner weiteren Aufklärung.

b) Die Klägerin hat auch keinen Verstoß gegen den klaren Inhalt der Akten dargelegt. Ein solcher Verstoß ist nur dann ein Zulassungsgrund, wenn er gleichzeitig einen Verfahrensfehler darstellt. Die hierfür grundsätzlich vorauszusetzende Verletzung des § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO liegt u.a. vor, wenn das FG seiner Entscheidung einen Sachverhalt zugrunde gelegt hat, der dem schriftlich festgehaltenen Vorbringen der Beteiligten nicht entspricht, oder der eine nach den Akten klar feststehende Tatsache unberücksichtigt lässt (Senatsbeschluss vom 17. Juni 1997 X B 193/96, BFH/NV 1997, 794).

Für eine solche Rüge genügt der klägerische Vortrag nicht, das FG habe im Rahmen seiner Entscheidung nicht berücksichtigt, dass die Klägerin drei Wohneinheiten auf der Grundlage eines einheitlichen Kaufvertrags an einen Erwerber (die Eheleute K.) veräußert hat. Auch seien in der Folgezeit diese drei Wohneinheiten zweimal jeweils einheitlich weiter veräußert worden.

Nimmt das FG, was die Beschwerdebegründung einräumt, das Beteiligtenvorbringen in den Tatbestand seiner Entscheidung auf, dann ist im Regelfall davon auszugehen, dass das Gericht diese Ausführungen nicht nur zur Kenntnis genommen, sondern auch in Erwägung gezogen hat. Eine Verpflichtung, sich mit jedem Vorbringen in den Entscheidungsgründen ausdrücklich zu befassen, besteht grundsätzlich nicht (Beschluss des Bundesverfassungsgerichts --BVerfG-- vom 5. Dezember 1995 1 BvR 1463/89, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung --HFR-- 1996, 153).

Dass das FG im Streitfall das klägerische Vorbringen nicht in Erwägung gezogen hat, wird in der Beschwerdebegründung nicht schlüssig dargetan. Das Vorbringen erschöpft sich im Ergebnis darin, das FG habe unter Berücksichtigung des klägerischen Vorbringens im Rahmen der Sachverhaltswürdigung zu einem anderen Ergebnis kommen müssen. Insoweit wird aber kein Verfahrensfehler, sondern ein materiell-rechtlicher Fehler geltend gemacht (vgl. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl., § 115 Rz. 80, m.w.N.).

c) Die rechtliche Definition des "Objekts" ergibt sich in Anlehnung an § 2 des Bewertungsgesetzes --BewG-- (vgl. Senatsurteil vom 3. August 2004 X R 40/03, BFHE 207, 213, BStBl II 2005, 35). Die Frage, ob Grundstücke in einem oder in mehreren Verkaufsakten veräußert worden sind, berührt das in § 15 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes normierte Tatbestandsmerkmal "nachhaltig" (BFH-Urteil vom 7. Oktober 2004 IV R 27/03, BStBl II 2005, 164, BFH/NV 2005, 288). Nach dem Beschluss des Großen Senats des BFH vom 10. Dezember 2001 GrS 1/98 (BFHE 197, 240, BStBl II 2002, 291) stellt die Drei-Objekt-Grenze keine Mindestgrenze in Bezug auf das Tatbestandsmerkmal der Nachhaltigkeit dar. Soweit die Indizwirkung der Objektzahl im Rahmen der Abgrenzung zum ungeschriebenen Tatbestandsmerkmal "Nichtvorliegen einer privaten Vermögensverwaltung" relevant ist, ist die Anzahl der Verkaufsakte unerheblich. Unter diesem rechtlichen Gesichtspunkt hätte es einer Darlegung zur Einscheidungserheblichkeit der von der Klägerin aufgeworfenen Rechtsfrage bedurft.

3. Die Klägerin hat auch nicht in der erforderlichen Weise dargelegt, dass die Revision deshalb gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 2. Alternative FGO zuzulassen ist, weil die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des BFH erfordert.

Wird geltend gemacht, das angefochtene Urteil weiche von einem BFH-Urteil ab, dann sind die tragenden Erwägungen des BFH-Urteils und des FG-Urteils in einer Weise herauszuarbeiten und gegenüber zu stellen, dass eine Nichtübereinstimmung der Entscheidungen im Grundsätzlichen erkennbar wird (Gräber/Ruban, a.a.O., § 115 Rz. 55, m.w.N.).

Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung nicht. In ihr wird zwar dargelegt, dass nach der Rechtsprechung zwei bürgerlich-rechtlich selbständige Wohnungseigentumsrechte nur ein Objekt im Sinne der zum gewerblichen Grundstückshandel ergangenen Drei-Objekt-Grenze sein können, wenn es sich nur um eine wirtschaftliche Einheit i.S. von § 93 Abs. 1 BewG handelt (BFH-Urteile vom 11. März 1992 XI R 17/90, BFHE 167, 401, BStBl II 1992, 1007; vom 21. Mai 1993 VIII R 10/92, BFH/NV 1994, 94, und vom 16. Mai 2002 III R 9/98, BFHE 199, 245, BStBl II 2002, 571).

Hiervon ausgehend wird in der Beschwerdebegründung ausgeführt, das FG weiche von dem BFH-Urteil vom 23. Februar 1979 III R 73/77 (BFHE 128, 83, BStBl II 1979, 547) ab. Nach dieser Entscheidung seien zwei nebeneinander liegende Eigentumswohnungen, die zu einer Wohnung umgestaltet worden sind und als eine Wohnung genutzt werden, nur eine wirtschaftliche Einheit, wenn sie nach den Verhältnissen am Stichtag nicht ohne größere Veränderungen voneinander getrennt und veräußert werden können. Von diesem Ansatz weiche das FG-Urteil ab. Es behandle die als Werkstatt bezeichnete Teileigentumseinheit nicht als Zubehörraum, sondern als eigenständiges Objekt, weil hierfür insbesondere Größe, Lage sowie die frühere eigenständige Zweckbestimmung als Hafnerwerkstatt spreche.

Mit diesen Ausführungen wird die Divergenz nicht in ausreichender Weise dargelegt. Es wird nicht der tragende Rechtssatz des angefochtenen Urteils aufgezeigt. Stattdessen werden aus der vom FG vorgenommenen Gesamtwürdigung der im Streitfall gegebenen Verhältnisse einzelne Teile der Urteilsbegründung herausgegriffen und auf dieser Grundlage eine Divergenz behauptet.

Die Beschwerdebegründung berücksichtigt insoweit nicht, dass der rechtliche Ansatz, von dem das FG ausgegangen ist, mit demjenigen des BFH-Urteils in BFHE 128, 83, BStBl II 1979, 547 übereinstimmt. Auch das FG beurteilt zwei Wohnungs- oder Teileigentumsrechte steuerrechtlich als ein einheitliches Wirtschaftsgut, wenn die rechtlich selbständigen Einheiten baulich umgestaltet wurden und ohne größere bauliche Veränderungen nur noch als eine Wohnung genutzt werden können.

Das FG hat das Vorliegen dieser Voraussetzungen aber im Streitfall verneint. Es liegt deshalb keine Abweichung hinsichtlich des rechtlichen Grundansatzes vor. Gegeben ist daher allenfalls eine unzutreffende Würdigung der tatsächlichen Gegebenheiten. Eine bloße Fehlerhaftigkeit im Bereich der Tatsachenwürdigung oder bei der Anwendung höchstrichterlich entwickelter Rechtsgrundsätze erfüllt aber keinen die Zulassung der Revision rechtfertigenden Grund (BFH-Beschluss vom 30. April 2004 III B 90/03, juris).

Klarstellend weist der Senat darauf hin, dass das FG hinsichtlich der eigenständigen Nutzbarkeit der "Werkstatt" auch nicht entscheidend auf die früher gegebene Nutzung abgestellt hat. Es hat stattdessen auf den Gesichtspunkt abgehoben, dass in der Teilungserklärung für diese Teileigentumseinheit dauerhaft eine gewerbliche Nutzung zugestanden wurde. Vor diesem Hintergrund sind die Ausführungen des FG zur früheren Nutzung als Hafnerwerkstatt lediglich als Hinweis darauf zu verstehen, dass das FG eine solche zukünftige eigenständige gewerbliche Nutzung für möglich erachtet hat. Soweit das FG die hierfür erforderliche Entfernung der von der Werkstatt zum Wohnungseigentum Nr. 1 führenden Wendeltreppe als eine mit keinen größeren baulichen Veränderungen verbundene Baumaßnahme angesehen hat, ist dies eine auf dem tatsächlichen Gebiet liegende Würdigung, die jedenfalls denkbar ist und rechtlichen Bedenken nicht begegnet (vgl. BFH-Urteil in BFH/NV 1994, 94).

Da die Art der künftigen gewerblichen Nutzung vom jeweiligen Eigentümer bestimmt werden kann und daher auch eine solche als gewerblicher Lagerraum in Betracht kam, ist es rechtlich auch nicht zu beanstanden, dass das FG den in der "Werkstatt" fehlenden sanitären Einrichtungen und dem Nichtvorhandensein eines funktionsfähigen Abwasseranschlusses keine entscheidende Bedeutung beigemessen hat.

Im Übrigen sind die mit der Definition des "Objekts" auf der Rechtsgrundlage der §§ 2, 93 BewG zusammenhängenden Rechtsfragen im Grundsätzlichen geklärt (vgl. Senatsurteil in BFHE 207, 213, BStBl II 2005, 35).

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