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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 01.04.2008
Aktenzeichen: X B 224/07
Rechtsgebiete: FGO, GVG


Vorschriften:

FGO § 76 Abs. 1 Satz 1
FGO § 76 Abs. 2
FGO § 110 Abs. 1
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 2
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 3
FGO § 116 Abs. 3 Satz 3
GVG § 17 Abs. 2 Satz 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

Die Beschwerde ist unzulässig. Die fachkundig vertretenen Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) haben die von ihnen geltend gemachten Revisionszulassungsgründe nicht in der nach § 116 Abs. 3 Satz 3 i.V.m. § 115 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) gebotenen Art und Weise dargelegt.

1. Die Rüge der Kläger, das Finanzgericht (FG) habe durch das Unterlassen weiterer Ermittlungsmaßnahmen seine Pflicht zur Aufklärung des Sachverhalts verletzt und deshalb gegen § 76 Abs. 1 Satz 1 FGO verstoßen, ist unbeachtlich.

Macht der Beschwerdeführer --wie im Streitfall-- einen Verstoß gegen die Sachaufklärungspflicht mit der Begründung geltend, das FG habe auch ohne entsprechenden Beweisantritt von Amts wegen den Sachverhalt weiter aufklären müssen, so sind nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) u.a. substantiierte Ausführungen zu folgenden Punkten erforderlich:

- warum der Beschwerdeführer nicht von sich aus entsprechende Beweisanträge gestellt hat;

- welche konkreten entscheidungserheblichen Tatsachen sich bei einer weiteren Sachaufklärung oder Beweisaufnahme voraussichtlich ergeben hätten;

- inwiefern eine weitere Aufklärung des Sachverhalts auf der Grundlage des materiell-rechtlichen Standpunkts des FG zu einer anderen Entscheidung hätte führen können und

- dass der Mangel vor dem FG gerügt worden sei oder aus welchen entschuldbaren Gründen eine solche Rüge dem Beschwerdeführer nicht möglich gewesen sei (vgl. z.B. Gräber/ Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 120 Rz 70, m.w.N.).

Im Streitfall fehlt es an jedem dieser Erfordernisse.

2. Ebenso wenig haben die Kläger die behauptete Verletzung der gerichtlichen Hinweispflichten nach § 76 Abs. 2 FGO schlüssig gerügt.

a) Der richterliche Hinweis nach § 76 Abs. 2 FGO soll in erster Linie zur Gewährleistung eines fairen Verfahrens, zur Wahrung des Anspruchs auf rechtliches Gehör und zur Vermeidung von Überraschungsentscheidungen Schutz und Hilfestellung für die Beteiligten geben, ohne dass indes deren Eigenverantwortlichkeit dadurch eingeschränkt oder beseitigt wird. Der Vorsitzende hat im Rahmen seiner richterlichen Prozessförderungs- und Fürsorgepflichten u.a. darauf hinzuweisen, dass Formfehler beseitigt und sachdienliche Anträge gestellt werden. Der Erfolg einer Klage soll nicht an der Rechtsunerfahrenheit des Klägers, zumal in Formsachen, scheitern. Inhalt und Umfang der aus § 76 Abs. 2 FGO folgenden Hinweispflichten sind indes von der Sach- und Rechtslage des einzelnen Falles abhängig, von der Mitwirkung der Beteiligten und von deren individuellen Möglichkeiten.

Für die schlüssige Rüge der Verletzung der Hinweispflicht durch das Gericht ist nicht nur anzugeben, worauf das Gericht hätte hinweisen sollen, sondern auch, was die Beteiligten im Falle des Hinweises konkret vorgetragen bzw. inwieweit sie ihren Klageantrag umgestellt hätten und inwiefern das angefochtene Urteil --nach der insoweit maßgebenden materiell-rechtlichen Auffassung des Gerichts-- auf dem vermeintlichen Verfahrensmangel beruhen kann (vgl. BFH-Beschlüsse vom 5. Mai 2000 III B 14/00, BFH/NV 2000, 1349, und vom 21. November 2001 III B 66/01, BFH/NV 2002, 517).

b) Die Kläger machen geltend, sie seien in der mündlichen Verhandlung nicht darauf hingewiesen worden, dass im Streitfall eine Feststellungsklage unzulässig sei. Das Protokoll enthalte auch keinen Hinweis auf Empfehlungen des Gerichts, in anderer Art und Weise sachdienliche Anträge zu stellen. Die Kläger legen in der Beschwerdebegründung jedoch nicht dar, welchen Antrag sie im Falle eines entsprechenden Hinweises des Gerichts gestellt hätten und inwieweit das angefochtene Urteil auf dem vermeintlichen Verfahrensmangel beruhen kann. Im Übrigen hätte --worauf das FG zutreffend hinweist-- die Frage der Wirksamkeit der tatsächlichen Verständigung nur im Rahmen der Anfechtung der Steuerfestsetzungen der Jahre 1988 bis 1995 geprüft werden können. Hätte das FG darauf hingewirkt, dass die Kläger entsprechende Anträge stellen, hätte die Klage wegen des fehlenden Vorverfahrens ebenfalls als unzulässig abgewiesen werden müssen. Zudem sind nach den Feststellungen des FG Anfechtungsklagen gegen die Einkommensteuerfestsetzungen 1989 und 1992, gegen die Gewerbesteuerbescheide 1989, 1992, 1993 und wegen gesonderter Feststellung des Verlustabzugs zur Einkommensteuer zum 31. Dezember 1995 abgewiesen worden. Nach § 110 Abs. 1 FGO binden diese rechtskräftigen Entscheidungen die Beteiligten und ihre Rechtsnachfolger mit der Folge, dass sich jede neue Entscheidung (auch eine nur wiederholende, bestätigende) über die einmal rechtskräftig festgestellte Rechtsfolge verbietet (Gräber/von Groll, a.a.O., § 110 Rz 5). Auch aus diesem Grund wären Anfechtungsklagen unzulässig gewesen.

Über einen Schadensersatzanspruch (Amtshaftungsanspruch) hätte nach Art. 34 Satz 3 des Grundgesetzes i.V.m. § 17 Abs. 2 Satz 2 des Gerichtsverfassungsgesetzes im Übrigen nicht das FG, sondern die ordentliche Gerichtsbarkeit entscheiden müssen.

3. Auch die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) haben die Kläger nicht in der nach § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO gebotenen Weise dargelegt.

a) Macht der Beschwerdeführer die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend, so muss er zunächst eine bestimmte, für die Entscheidung des Streitfalles erhebliche abstrakte Rechtsfrage herausarbeiten, der grundsätzliche Bedeutung zukommen soll. Darüber hinaus muss er u.a. substantiiert darauf eingehen, weshalb die von ihm aufgeworfene Rechtsfrage aus Gründen der Rechtssicherheit, der Rechtseinheitlichkeit und/oder der Rechtsentwicklung im allgemeinen Interesse liegt. Zur schlüssigen Darlegung der Klärungsbedürftigkeit der Rechtsfrage muss er außerdem begründen, in welchem Umfang, von welcher Seite und aus welchen Gründen die Beantwortung der Rechtsfrage zweifelhaft und streitig ist. Dazu gehört auch, dass sich der Beschwerdeführer mit der zu dieser Rechtsfrage bereits vorhandenen Rechtsprechung auseinandersetzt und substantiiert darlegt, weshalb nach seiner Ansicht diese Rechtsprechung keine Klärung herbeigeführt habe (vgl. z.B. Gräber/Ruban, a.a.O., § 116 Rz 32, m.w.N. aus der Rechtsprechung).

b) Diesen Anforderungen genügt die Rüge der Kläger nicht. Sie haben sinngemäß die Frage aufgeworfen, welche Rechtsnatur einer "tatsächlichen Verständigung" zukommt und ob in Fällen, in denen eine Verständigung in einer "Drucksituation" (z.B. laufende strafrechtliche Ermittlungen) für den Steuerpflichtigen zustande kommt, diese nicht als Verwaltungsakt zu qualifizieren sei. Sie haben aber nicht ausgeführt, dass und weshalb die Beantwortung dieser Rechtsfrage im allgemeinen Interesse liege. Auch die gebotene Auseinandersetzung mit der einschlägigen Literatur und höchstrichterlichen Rechtsprechung fehlt in der Beschwerdebegründungsschrift.

4. Im Kern erschöpft sich die Beschwerdebegründung der Kläger in Ausführungen darüber, dass und warum das FG den Streitfall unrichtig entschieden habe. Fehler bei der Auslegung und Anwendung des materiellen Rechts im Einzelfall rechtfertigen jedoch für sich gesehen nicht die Zulassung der Revision (vgl. z.B. Gräber/Ruban, a.a.O., § 115 Rz 24 und § 116 Rz 34, jeweils m.w.N.).

Eine Ausnahme gilt nur dann, wenn das angefochtene Urteil derart schwerwiegende Mängel bei der Auslegung revisiblen Rechts aufweist, dass die Entscheidung des FG objektiv willkürlich erscheint oder auf sachfremden Erwägungen beruht und unter keinem denkbaren Gesichtspunkt rechtlich vertretbar ist (vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 30. August 2001 IV B 79, 80/01, BFHE 196, 30, BStBl II 2001, 837; ferner Lange, Deutsche Steuer-Zeitung 2002, 782, 784).

Dass das angefochtene Urteil solche gravierenden Mängel aufweist, haben die Kläger nicht substantiiert vorgetragen.

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