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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 15.10.2008
Aktenzeichen: X B 255/07
Rechtsgebiete: FGO, AO, BGB


Vorschriften:

FGO § 115 Abs. 2 Nr. 2
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 3
FGO § 116 Abs. 3
AO § 41 Abs. 2
BGB § 117
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Die von der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) erhobenen Rügen sind zum Teil unbegründet, im Übrigen aber unzulässig.

Der von der Klägerin geltend gemachte Verfahrensmangel i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) liegt nicht vor (unten 1.); die Voraussetzungen der Notwendigkeit einer Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) zur Fortbildung des Rechts (unten 2. und 3.) sowie zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (unten 4.) sind nicht schlüssig dargelegt worden.

1. Die Rüge der Klägerin, das angefochtene Urteil stelle eine Überraschungsentscheidung dar und verletze daher ihren Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes, § 96 Abs. 2 FGO), weil das Finanzgericht (FG) in der mündlichen Verhandlung die Frage eines "Scheingeschäftes" nicht angesprochen habe, rechtfertigt nicht die Annahme eines Verfahrensfehlers i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO. Eine Überraschungsentscheidung liegt vor, wenn das Gericht seine Entscheidung auf einen bis dahin nicht erörterten rechtlichen oder tatsächlichen Gesichtspunkt gestützt und damit dem Rechtsstreit eine Wendung gegeben hat, mit der auch ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter selbst unter Berücksichtigung der Vielzahl vertretbarer Rechtsauffassungen nach dem bisherigen Verlauf des Verfahrens nicht rechnen musste (Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 29. Mai 1991 1 BvR 1383/90, BVerfGE 84, 188; Senatsbeschlüsse vom 15. März 2002 X B 175/01, BFH/NV 2002, 944, und vom 2. April 2002 X B 56/01, BFH/NV 2002, 947). Im Streitfall hatte das FG bereits in dem Beschluss vom 18. April 2007 1 S 2328/06 die Ablehnung des Prozesskostenhilfeantrags der Klägerin u.a. damit begründet, es sei bei summarischer Betrachtung der Auffassung, dass es sich bei der zwischen der S-GmbH und der F-GmbH abgeschlossenen Provisionsvereinbarung vom 10. März 1993 um ein Scheingeschäft handele, das für die Besteuerung unerheblich sei. Ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter musste deswegen davon ausgehen, dass das FG auch in dem Hauptsacheverfahren diesen Gesichtspunkt bei der Entscheidungsfindung heranziehen würde.

2. Auch die Zulassung der Revision wegen Fortbildung des Rechts (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 1 FGO) kommt nicht in Betracht.

a) Zur schlüssigen Darlegung dieses Zulassungsgrundes muss der Beschwerdeführer nicht nur substantiiert ausführen, in welchem Umfang, von welcher Seite und aus welchen Gründen die Beantwortung der Rechtsfrage zweifelhaft und streitig ist, sondern auch dass es sich um eine klärungsbedürftige, entscheidungserhebliche und klärbare Rechtsfrage handelt, deren Klärung in einem künftigen Revisionsverfahren auch zu erwarten ist (Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 115 Rz 41, m.w.N.; § 116 Rz 38).

b) Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung der Klägerin in dem Schriftsatz vom 17. September 2007 nicht. Die Klägerin rügt zwar eine --vermeintlich-- unterschiedliche Auslegung des Begriffs des Scheingeschäftes in § 41 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO) und in § 117 des Bürgerlichen Gesetzbuchs in der Rechtsprechung des BFH und des Bundesgerichtshofs, indem sie vor allem auf den Aufsatz von Hahn, Das Scheingeschäft im steuerrechtlichen Sinne in Deutsche Steuerzeitung 2000, S. 433 ff., verweist.

Es fehlt jedoch an der Darlegung der Entscheidungserheblichkeit im konkreten Streitfall. Nach Auffassung der Klägerin liegt ein Scheingeschäft i.S. des § 41 Abs. 2 AO dann vor, "wenn das wirtschaftlich gewollte von dem zivilrechtlich gewollten abweicht und deshalb (das Rechtsgeschäft) nach Maßgabe des wirtschaftlich gewollten zu qualifizieren ist". Die Zugrundelegung dieser Interpretation führt jedoch zu demselben Ergebnis, zu dem auch das FG in seinem angegriffenen Urteil gekommen ist. Das FG hat festgestellt, dass nach seiner Überzeugung das zivilrechtlich Gewollte --die Provisionsvereinbarung zwischen der S-GmbH und der F-GmbH vom 10. März 1993-- von dem wirtschaftlich Gewollten --die Provisionsvereinbarung zwischen der Klägerin persönlich und der F-GmbH-- abweicht. Damit ist das Rechtsgeschäft nach Maßgabe des tatsächlich Gewollten zugrunde zu legen, was bedeutet, dass die Provisionsvereinbarung mit der Klägerin für die Besteuerung maßgeblich ist, so dass die erzielten Provisionserträge auch bei ihr der Besteuerung zugrunde zu legen sind.

Im Kern erschöpfen sich die Ausführungen der Klägerin in kritischen Äußerungen darüber, dass und warum das FG den Streitfall in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht unzutreffend gewürdigt habe. Die Rüge solcher Fehler rechtfertigt indessen die Zulassung der Revision gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO grundsätzlich nicht (vgl. z.B. Gräber/Ruban, a.a.O., § 115 Rz 55, m.w.N.).

3. Auch das Vorbringen der Klägerin in dem weiteren Schriftsatz vom 28. November 2007 genügt nicht den Darlegungsanforderungen des § 116 Abs. 3 FGO.

In diesem Schriftsatz arbeitet die Klägerin die Rechtsfrage heraus, die sie für klärungsbedürftig hält, nämlich ob "Einkünfte aus Vermittlungsprovisionen, die aus der Vermittlung von Immobiliengeschäften und Versicherungen herrühren, die die S-GmbH vermittelt hat, nicht ihr, sondern ihrem Gesellschafter-Geschäftsführer zuzurechnen (sind), weil

1. der im Gesellschaftsvertrag enthaltene Gesellschaftszweck der S-GmbH eine Vermittlung von Immobilien und Versicherungen nicht beinhaltet;

2. die sich der S-GmbH gebotene und wahrgenommene Geschäftschance (Vermittlung von Immobilien und Versicherungen) zur zwingenden Verbesserung ihrer Liquiditätslage wegen 1. nicht dem Verhaltensmaßstab des Handelns eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters entspricht und deshalb als Scheingeschäft anzusehen ist;

3. es für die steuerrechtliche Zurechnung von Provisionseinkünften von Bedeutung ist, wenn der ursprüngliche Bezieher von Vermittlungseinkünften (S-GmbH) vor oder nach dem Zufluss der Provisionserträge (zugunsten eines Dritten) darüber verfügt und das bezogene Einkommen verwendet."

a) Der erkennende Senat kann es dahingestellt sein lassen, ob dieses Vorbringen noch berücksichtigt werden darf oder ob es nicht vielmehr als verspätet anzusehen ist, da der Schriftsatz vom 28. November 2007 erst nach Ablauf der Beschwerdebegründungsfrist beim BFH eingegangen ist und es zumindest zweifelhaft ist, ob das erstmalige Herausarbeiten einer Rechtsfrage lediglich als eine Erläuterung oder Vervollständigung der bis zum Fristablauf geltend gemachten Zulassungsgründe angesehen werden kann (vgl. dazu Gräber/Ruban, a.a.O., § 116 Rz 22 und 55, m.w.N. aus der BFH-Rechtsprechung).

b) Das klägerische Vorbringen ist jedoch insgesamt nicht geeignet, eine in diesem Verfahren klärungsbedürftige Rechtsfrage darzulegen. Abgesehen davon, dass es an einer abstrakten Rechtsfrage fehlt, da nur einzelfallspezifische Aspekte angesprochen werden, geht das klägerische Vorbringen von einer falschen Voraussetzung aus, nämlich dass die S-GmbH die Immobiliengeschäfte und Versicherungen vermittelt hat; das FG hat aber --den erkennenden Senat bindend-- festgestellt, dass nach seiner Überzeugung die Vermittlung der Geschäfte der Klägerin selbst und nicht der S-GmbH zuzurechnen sei.

4. Ebenso unschlüssig ist deswegen auch die Rüge der Klägerin, dass eine Entscheidung des BFH im Hinblick auf die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich sei (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO). Die von ihr zitierte Rechtsprechung, u.a. des erkennenden Senats, steht nicht im Widerspruch zur Entscheidung des FG, sondern stützt sie vielmehr.

Ende der Entscheidung

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