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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 25.04.2006
Aktenzeichen: X B 38/05
Rechtsgebiete: FGO, StPO, AO 1977


Vorschriften:

FGO § 76 Abs. 1
FGO § 96 Abs. 2
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 3
StPO § 170 Abs. 2
AO 1977 § 90 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

Die Beschwerde ist unzulässig. Die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) legen in ihrer Beschwerdebegründung nicht in schlüssiger Weise einen Verfahrensfehler i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) dar.

1. Ein Verfahrensfehler kann darin liegen, dass das Finanzgericht (FG) entgegen § 96 Abs. 2 FGO und unter Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes --GG--) sein Urteil auf Tatsachen und Beweisergebnisse stützt, zu denen sich die Beteiligten nicht äußern konnten. Die schlüssige Rüge eines solchen Verfahrensmangels setzt die Darlegung voraus, welche konkreten Tatsachen oder Beweisergebnisse das FG in seinem Urteil verwertet hat, zu denen die Beteiligten nicht Stellung nehmen konnten. Hingegen genügt der Vortrag nicht, das FG habe in der mündlichen Verhandlung nicht darauf hingewiesen, dass es den Angaben der Zeugen nicht folgen werde, die im Rahmen eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens in der Türkei vernommen worden waren. Das FG ist im Rahmen der Gewährung rechtlichen Gehörs nach ständiger Rechtsprechung nicht gehalten, den Beteiligten seine mögliche Beweiswürdigung anzudeuten (Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 21. April 1995 VIII B 133/94, BFH/NV 1995, 954, m.w.N.).

2. Auch das Vorliegen einer unzulässigen sog. Überraschungsentscheidung (§ 139 Abs. 2 der Zivilprozessordnung --ZPO-- i.V.m. § 155 FGO) haben die Kläger nicht schlüssig aufgezeigt. Eine solche Überraschungsentscheidung liegt dann vor, wenn das FG einen bisher nicht erörterten Gesichtspunkt zur Grundlage seiner Entscheidung macht und damit dem Rechtsstreit eine Wendung gibt, mit der auch ein kundiger Beteiligter nach dem bisherigen Verlauf des Verfahrens nicht hat rechnen müssen (Senatsbeschluss vom 14. Oktober 2003 X B 77/03, juris Nr: STRE200351303). Dies ist dann nicht der Fall, wenn dieser Gesichtspunkt zuvor Gegenstand des Vorbringens der Beteiligten gewesen ist. Aus diesem Grund darf sich das Beschwerdevorbringen nicht darauf beschränken, das Verhalten des FG zu schildern, sondern muss sich auch mit dem Vortrag der anderen Beteiligten befassen (BFH-Beschluss vom 2. Februar 2004 VIII B 59/03, juris Nr: STRE200450246).

Diesen Anforderungen genügt der Vortrag der Kläger nicht, das FG habe nicht darauf hingewiesen, es halte mehrere in der Türkei vernommene Zeugen für unglaubwürdig und folge auch nicht deren Angaben, wonach für den Kläger Grundstücks- und Viehverkäufe erfolgt seien. Die Kläger berücksichtigen insoweit nicht, dass der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) in Zweifel gezogen hat, dass die von den Zeugen bestätigten Verkäufe in der Türkei tatsächlich stattgefunden haben (vgl. Tatbestand des Urteils des FG, S. 26). Die Kläger durften deshalb nicht ohne weiteres davon ausgehen, das FG werde die Angaben dieser Zeugen als glaubhaft beurteilen. Abweichendes ergibt sich auch nicht deshalb, weil die Zeugenvernehmung im Rahmen eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens erfolgt ist und die zuständige Staatsanwaltschaft im Hinblick auf diese Zeugenaussagen die Einlassung des Klägers als (in strafrechtlicher Hinsicht) nicht widerlegbar angesehen hat. Zwar kann sich das FG die in einem Strafverfahren getroffenen tatsächlichen Feststellungen und Beweiswürdigungen zu Eigen machen, wenn hiergegen keine substantiierten Einwendungen erhoben werden (BFH-Beschluss vom 9. Dezember 2004 VII B 17/04, BFH/NV 2005, 935). Dabei kann dahinstehen, ob dies auch für Erkenntnisse der Staatsanwaltschaft gilt, wenn das strafrechtliche Ermittlungsverfahren wie im Streitfall insoweit mit einer Einstellung des Verfahrens nach § 170 Abs. 2 der Strafprozessordnung (StPO) geendet hat. Denn jedenfalls kommt eine Übernahme der im Strafverfahren erfolgten Beweiswürdigung nur in Betracht, wenn das FG nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung (§ 96 Abs. 1 Satz 1 FGO) diese Beweiswürdigung für zutreffend erachtet (BFH-Beschluss vom 29. Juli 2004 V B 79/03, juris Nr: STRE200451204).

3. Auch soweit die Kläger in diesem Zusammenhang vorbringen, das FG habe seine Sachaufklärungspflicht (§ 76 Abs. 1 Satz 1 FGO) dadurch verletzt, dass es die in der Türkei vernommenen Zeugen nicht selbst angehört hat, um sich ein eigenes Bild von der Glaubwürdigkeit der Zeugen und der Glaubhaftigkeit ihrer Angaben zu machen, fehlt es an der Schlüssigkeit der Rüge eines Verfahrensmangels.

Wird als Verfahrensfehler eine unzureichende Sachaufklärung nach § 76 Abs. 1 FGO geltend gemacht, dann ist, wenn ein Beweisantrag nicht gestellt worden ist, darzutun, dass sich dem FG eine weitere Sachaufklärung hätte aufdrängen müssen (Senatsbeschluss vom 8. November 2005 X B 105/05, juris Nr: STRE200551275). Bezieht sich die unterbliebene Sachaufklärung auf die Vernehmung eines im Ausland lebenden Zeugen, dann ist in der Beschwerde auch darzulegen, dass die Kläger ihrer abgabenrechtlichen Mitwirkungspflicht genügt haben. Nach § 90 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO 1977) haben Beteiligte Beweismittel, die sich auf Vorgänge außerhalb des Geltungsbereichs der AO 1977 beziehen, zu beschaffen. Hieraus folgt nach der ständigen höchstrichterlichen Rechtsprechung, dass ein Kläger einen im Ausland ansässigen Zeugen in die Sitzung stellen muss, wenn es um den Nachweis eines im Ausland verwirklichten Sachverhalts geht (BFH-Beschluss vom 14. Januar 2000 VIII B 72/99, juris Nr: STRE200050368). Eine Verletzung der Sachaufklärungspflicht durch das FG scheidet daher aus, wenn dem FG nicht die entsprechende Absicht angezeigt worden ist (zur Abgrenzung vgl. auch BFH-Beschluss vom 9. Februar 2001 II B 9/99, BFH/NV 2001, 933). Dass dies geschehen ist, wird von den Klägern selbst nicht behauptet.

Soweit die Kläger auch geltend machen wollen, das FG habe gegen die Pflicht verstoßen, sie hierauf hinzuweisen, rügen sie wiederum nicht schlüssig einen Verfahrensverstoß. Eine solche Hinweispflicht besteht regelmäßig nicht, wenn der Verfahrensbeteiligte wie im Streitfall in der mündlichen Verhandlung rechtskundig vertreten ist (BFH-Beschluss vom 25. November 2002 I B 32/02, BFH/NV 2003, 627). Soweit der BFH in dem zuletzt genannten Beschluss in einem Sonderfall einen solchen Hinweis zur Vermeidung eines Verstoßes gegen das rechtliche Gehör für erforderlich gehalten hat, liegt dieser Ausnahmefall schon deshalb nicht vor, weil ausweislich des eigenen Vorbringens der Kläger in ihrer Beschwerdeschrift bereits das FA in seinen Einspruchsentscheidungen die Kläger auf § 90 Abs. 2 AO 1977 hingewiesen hat. Die rechtskundig vertretenen Kläger hatten daher Anlass, sich ungeachtet eines gerichtlichen Hinweises mit dieser Regelung zu befassen.

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