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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 09.07.1998
Aktenzeichen: X B 44/98
Rechtsgebiete: FGO, AO 1977, EStG, ZPO


Vorschriften:

FGO § 116 Abs. 1 Nr. 5
FGO § 115 Abs. 3 Satz 3
FGO § 155
AO 1977 § 38
EStG § 2 Abs. 1 Satz 1
EStG § 15 Abs. 1 und 2 Satz 2
EStG § 15 Abs. 7 Satz 1
EStG § 25
EStG § 36 Abs. 1
ZPO § 295
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe

I. Vor dem Finanzgericht (FG) stritt die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) mit dem Beklagten und Beschwerdegegner (Finanzamt --FA--) um die Anerkennung von Verlusten, welche die Klägerin in den Streitjahren 1990 bis 1994 aus einem seit 1989 neben ihrer nichtselbständigen Tätigkeit (als Bankangestellte) betriebenen Büroservice erzielt hat. Das FG wies die Klage mit der Begründung ab, die Klägerin habe mangels Gewinnerzielungsabsicht keine gewerblichen Einkünfte erzielt: Der in Fällen der streitigen Art geltende gegenteilige Anscheinsbeweis sei hier durch Umstände entkräftet, die es als ernsthaft möglich erscheinen ließen, daß die Klägerin ihre verlustbringende Tätigkeit aus Gründen ausübe, die dem Bereich der Lebensführung zuzuordnen seien. Dies folge daraus, daß

- die Klägerin ihr Unternehmen in einer Weise betreibe, die in vielen Punkten geschäftsunüblich sei (Vermietung von Büromöbeln ohne schriftliche Verträge; Verzicht auf Bezahlung ohne Stundungs-, Zins- und Sicherheitsabreden, bei gleichzeitiger Darlehensgewährung an den einzigen Kunden; Verzicht auf die Möglichkeit, wenigstens teilweise mit Gegenforderungen aufzurechnen);

- der einzige Geschäftspartner der Klägerin zugleich seit vielen Jahren ihr Lebensgefährte sei;

- die von der Klägerin vorgenommene Totalgewinnberechnung in sich nicht schlüssig sei.

Die Nichtzulassung der Revision greift die Klägerin mit der Beschwerde an, das FG-Urteil selbst mit der auf § 116 Abs. 1 Nr. 5 FGO gestützten Revision.

Zur Beschwerdebegründung macht die Klägerin geltend,

- das angefochtene Urteil weiche ab von den Urteilen des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 15. November 1984 IV R 139/81 (BFHE 142, 464, BStBl II 1985, 205), vom 28. August 1987 III R 273/83 (BFHE 151, 42, BStBl II 1988, 10) und vom 11. April 1990 I R 22/88 (BFH/NV 1990, 768), wonach "der Totalgewinn in der Totalperiode maßgeblich" sei, die Grundsätze für die Annahme steuerlicher Liebhaberei in der Anlaufzeit eines neu aufgebauten Betriebs keine Gültigkeit hätten, eine solche Anlaufzeit "betriebsspezifisch" festzulegen sei und bei über die Anlaufzeit hinaus andauernden Verlustperioden weitere Umstände hinzutreten müßten, um eine Nichtanerkennung zu rechtfertigen. Für Verluste der Anlaufzeit komme das nach den genannten BFH-Urteilen nur in Betracht, wenn "aufgrund der bekannten Entwicklung des Betriebs eindeutig feststehe, daß er so, wie vom Steuerpflichtigen betrieben, von vornherein nicht in der Lage sei, nachhaltig Gewinne abzuwerfen. - Das FG habe der Klägerin keinerlei Anlaufphase zugebilligt und in seinem Urteil zu diesem Thema nichts ausgeführt.

- Die Sache sei außerdem hinsichtlich der zur Divergenz aufgeworfenen, vom FG nicht erörterten Fragen von grundsätzlicher Bedeutung.

- Schließlich leide das Urteil auch an einem Verfahrensmangel; der Klägerin sei rechtliches Gehör versagt worden: Statt dem wegen Abwesenheit der Klägerin gestellten Antrag auf Terminsverlegung zu entsprechen, habe das FG drei Tage vor dem Termin einen Katalog von elf Fragen unterbreitet, zu deren Beantwortung die Klägerin selbst berufen gewesen sei.

Das FA hält die Beschwerde für unbegründet.

II. Das Rechtsmittel kann keinen Erfolg haben, teils weil die geltend gemachten Zulassungsgründe nicht in der erforderlichen Weise dargetan wurden (§ 115 Abs. 3 Satz 3 FGO), teils weil sie nicht gegeben sind.

1. Von vornherein unbeachtlich in diesem Verfahren sind alle Angriffe, die sich in Einwänden gegen die Richtigkeit des angefochtenen Urteils erschöpfen (s. dazu näher: Gräber, Finanzgerichtsordnung, 4. Aufl., 1997, § 115 Rz. 58, m.w.N.).

2. Die in der Beschwerdeschrift behauptete Divergenz besteht nicht. In keiner der von der Klägerin in diesem Zusammenhang zitierten Entscheidungen wird ausdrücklich oder stillschweigend ein abstrakter Rechtssatz des Inhalts aufgestellt, Anlaufverluste seien steuerlich stets anzuerkennen. Das wird nur als Regelfall vorausgesetzt, wie sich auch daraus ergibt, daß der in BFH/NV 1990, 768 entschiedene Fall von Anfang an als Liebhaberei beurteilt wurde, der in BFHE 151, 42, BStBl II 1988, 10 entschiedene offensichtlich nur deshalb erst für das vierte Verlustjahr, weil die vorangegangene Zeit nicht im Streit stand. Umgekehrt ist dem angefochtenen Urteil keine gegenläufige Rechtsansicht zu entnehmen. Daß dort keine Ausführungen zum Thema Anlaufverluste zu finden sind, hat seinen Grund allein darin, daß das FG aufgrund der von ihm festgestellten (mit Verfahrensrügen nicht angegriffenen) Tatsachen zu der Überzeugung gekommen ist, hier habe das Streben nach Totalgewinn von Anfang an gefehlt, seien vielmehr für Gründung und Fortführung des Unternehmens durchweg persönliche Motive maßgeblich gewesen. Die Vorinstanz hat aus den verschiedenen in der Urteilsbegründung angesprochenen Umständen, aus der darin manifestierten geschäftsunüblichen Weise, in der die Klägerin ihr Unternehmen in den Streitjahren betrieb, die Folgerung gezogen, hier fehle ausnahmsweise --anders als in den sonst im Grenzbereich der Liebhaberei zu entscheidenden Fällen-- jegliches Gewinnstreben von vornherein. Darin liegt weder ein Widerspruch zu den zitierten Urteilen noch zur sonstigen einschlägigen höchstrichterlichen Rechtsprechung.

3. Auch grundsätzliche Bedeutung ist nicht erkennbar. Die einzige über den Streitfall hinausreichende allgemeine, nach Ansicht der Klägerin offenbar problematische Erkenntnis, daß es Fälle gibt, in denen nicht einmal Anlaufverluste steuerlich anzuerkennen sind, läßt sich ohne weiteres aus dem Gesetz bzw. aus der einschlägigen Rechtsprechung und Literatur herleiten (zum fehlenden Klärungsbedürfnis in solchen Fällen, Gräber, a.a.O., § 115 Rz. 9, m.w.N.). Sie ist die notwendige Konsequenz dessen, daß Einkünfteerzielung (§ 38 der Abgabenordnung --AO 1977-- i.V.m. § 2 Abs.1 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes --EStG--) nur gegeben ist, wenn und soweit Jahr für Jahr (§ 2 Abs. 7 Satz 1, § 25 und § 36 Abs. 1 EStG) alle gesetzlichen Tatbestandsmerkmale, im Fall der §§ 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, 15 Abs. 1 und Abs. 2 EStG also einschließlich der Gewinnerzielungsabsicht, erfüllt sind, oder nichts weiter als ein Beispiel für die nicht erläuterungsbedürftige Erkenntnis, daß auch die Gewinnerzielungsabsicht im Einzelfall von Anfang an fehlen, später wegfallen oder einsetzen kann (Schmidt/Weber-Grellet, Einkommensteuergesetz, 17. Aufl., 1998, § 15 Rz. 37, m.w.N.).

4. Schließlich ist auch der geltend gemachte Verfahrensmangel nicht geeignet, der Beschwerde zum Erfolg zu verhelfen. Zum einen läßt die Beschwerdebegründung offen, was genau an Entscheidungerheblichem noch hätte vorgetragen werden sollen, aber nicht vorgetragen werden konnte (Gräber, a.a.O. § 115 Rz. 65, § 120 Rz. 37 ff., § 119 Rz. 12 ff., jeweils m.w.N.), zum anderen bleibt unklar, inwiefern kein Rügeverzicht (§ 155 FGO i.V.m. § 295 der Zivilprozeßordnung) darin zu sehen ist, daß seitens der (doppelt) fachkundig vertretenen Klägerin in der mündlichen Verhandlung laut Sitzungsprotokoll nur ein Sachantrag gestellt wurde (s. dazu Gräber, a.a.O., § 115 Rz. 37 f., m.w.N.).



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