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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 23.11.2005
Aktenzeichen: X B 77/05
Rechtsgebiete: FGO
Vorschriften:
FGO § 76 | |
FGO § 76 Abs. 1 Satz 1 | |
FGO § 76 Abs. 2 | |
FGO § 96 Abs. 2 | |
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 2 | |
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 3 | |
FGO § 116 Abs. 3 Satz 3 |
Gründe:
Die Beschwerde ist unzulässig. Die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) haben die von ihnen geltend gemachten Zulassungsgründe der Erforderlichkeit einer Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) sowie des Vorliegens eines Verfahrensmangels nicht in der nach § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO gebotenen Weise begründet.
1. Ohne Erfolg machen die Kläger geltend, das Urteil des Finanzgerichts (FG) weiche von der Entscheidung des BFH vom 13. Dezember 1990 IV R 87/88 (BFH/NV 1992, 12) ab. Eine Divergenz i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO ist nicht dargetan, weil das FG lediglich sachverhaltsbezogen zu dem Ergebnis kam, dass von den auf dem Verrechnungskonto entstandenen Schuldzinsen kein höherer Betrag als Betriebsausgaben anzuerkennen sei, als ihn der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) bereits bei der Veranlagung berücksichtigt habe, und im Übrigen der Argumentation im BFH-Urteil in BFH/NV 1992, 12 ausdrücklich gefolgt ist. Letztlich rügen die Kläger eine ihrer Meinung nach unrichtige Anwendung der einschlägigen Rechtssätze auf den im Streitfall gegebenen Sachverhalt. Die Kläger lassen dabei außer Acht, dass die Anwendung dieser Grundsätze notwendigerweise eine tatrichterliche Gesamtwürdigung der Umstände des Einzelfalls erfordert. Ihre Einwände gelten in Wahrheit der im Verfahren der Revisionszulassung unbeachtlichen Subsumtion des vom FG ermittelten Sachverhalts unter die prinzipiell nicht mehr klärungsbedürftige Frage, wie die betrieblich veranlassten Schuldzinsen bei einem gemischten Kontokorrentkonto zu ermitteln sind.
2. Die Kläger haben zudem nicht dargelegt, dass dem FG bei der Ermittlung des betrieblichen Anfangssaldos ein besonders schwerwiegender materiell-rechtlichen Fehler unterlaufen ist, der nach den Vorstellungen des Gesetzgebers (vgl. Begründung zum Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung der Finanzgerichtsordnung und anderer Gesetze --2.FGOÄndG-- vom 19. Dezember 2000, BGBl I 2000, 1757, BTDrucks 14/4061, 9) und der Rechtsprechung des BFH (vgl. Beschluss vom 13. Oktober 2003 IV B 85/02, BFHE 203, 404, BStBl II 2004, 25, m.w.N.) ausnahmsweise zur Zulassung der Revision führen kann.
Ein "besonders schwerwiegender Fehler" im Sinne der zitierten Gesetzesbegründung zum 2.FGOÄndG und der darauf beruhenden Rechtsprechung liegt nur dann vor, wenn die Entscheidung des FG objektiv willkürlich erscheint oder auf sachfremden Erwägungen beruht und unter keinem denkbaren Gesichtspunkt rechtlich vertretbar ist. Einen derartig schwerwiegenden Rechtsanwendungsfehler haben die Kläger zwar behauptet, jedoch nicht schlüssig dargelegt.
3. Eine Verfahrensrüge genügt nur dann den Anforderungen des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO, wenn die Tatsachen bezeichnet werden, aus denen sich der Verfahrensmangel ergibt, und dargelegt wird, dass das angefochtene Urteil auf ihm beruhen kann (vgl. Gräber/ Ruban, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl. 2002, § 115 Rz. 96). Wird mit der Nichtzulassungsbeschwerde mangelnde Sachaufklärung --Verletzung des Amtsermittlungsgrundsatzes-- gerügt, muss u.a. dargelegt werden, welche Beweismittel zu welchen Beweisthemen das FG nicht erhoben hat und warum der Beschwerdeführer, sofern er durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten war, nicht von sich aus einen entsprechenden Beweisantrag gestellt hat, die Beweiserhebung sich aber dem FG auch ohne besonderen Antrag hätte aufdrängen müssen. Hat das FG seine Entscheidung alternativ auf zwei Begründungen gestützt, kann die angefochtene Entscheidung nur dann auf dem geltend gemachten Verfahrensmangel beruhen, wenn dieser beide Begründungen betrifft (BFH-Beschluss vom 19. Januar 2000 II B 41/99, BFH/NV 2000, 1102; Gräber/ Ruban, a.a.O., § 115 Rz. 97). Infolgedessen gehört es zur schlüssigen Darlegung eines derartigen Verfahrensmangels, dass die vorgetragenen Tatsachen, die den Mangel ergeben sollen, beide Begründungen berühren.
a) Die Rüge, das FG habe gegen die Verpflichtung zur Gewährung rechtlichen Gehörs verstoßen, greift nicht durch.
Ein Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG), § 76 FGO und § 96 Abs. 2 FGO liegt vor, wenn das Gericht seine Entscheidung auf einen bis dahin nicht erörterten rechtlichen oder tatsächlichen Gesichtspunkt gestützt und damit dem Rechtsstreit eine Wendung gegeben hat, mit der auch ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter selbst unter Berücksichtigung der Vielzahl vertretbarer Rechtsauffassungen nach dem bisherigen Verlauf des Verfahrens nicht rechnen musste (Beschluss des Bundesverfassungsgerichts --BVerfG-- vom 29. Mai 1991 1 BvR 1383/90, BVerfGE 84, 188; BFH-Urteil vom 17. Februar 1998 VIII R 28/95, BFHE 186, 29, BStBl II 1998, 505; Senats-Beschlüsse vom 15. März 2002 X B 175/01, BFH/NV 2002, 944, und vom 2. April 2002 X B 56/01, BFH/NV 2002, 947). Der Anspruch auf rechtliches Gehör und die richterliche Hinweispflicht i.S. des § 76 Abs. 2 FGO verlangen jedoch nicht, dass das Gericht die maßgeblichen Rechtsfragen mit den Beteiligten umfassend erörtert und ihnen die einzelnen für die Entscheidung erheblichen Gesichtspunkte im Voraus andeutet (vgl. BFH-Entscheidungen vom 23. September 1999 VI R 106/98, BFH/NV 2000, 448, und vom 25. Mai 2000 VI B 100/00, BFH/NV 2000, 1235, m.w.N.). Auf nahe liegende rechtliche oder tatsächliche Gesichtspunkte braucht es zumindest dann nicht ausdrücklich hinzuweisen, wenn die Beteiligten --wie im Streitfall-- fachkundig vertreten sind (vgl. BFH-Beschluss vom 20. August 1998 XI B 110/95, BFH/NV 1999, 329).
Danach war das FG entgegen der Ansicht der Kläger nicht verpflichtet, sie vor Erlass seines Urteils ausdrücklich darauf hinzuweisen, es werde den am 1. Januar 1991 bestehenden Sollsaldo des Verrechnungskontos nicht in vollem Umfang als betrieblich veranlasst einstufen, da diese Frage nicht nur im Verwaltungs-, sondern auch im Klageverfahren zwischen den Beteiligten streitig erörtert wurde. So haben die Kläger im Schriftsatz an das FG vom 19. Juni 2001 ausgeführt, das Verrechnungskonto sei bei Begründung der Betriebsaufspaltung, also durch einen betrieblichen Vorgang, entstanden. Zu Beginn habe es sich deshalb um ein rein betriebliches Konto gehandelt, das sich in der Folgezeit in ein gemischtes Konto gewandelt habe (vgl. S. 3 oben). Das FA hat hingegen in der Klageerwiderung vom 18. Juli 2001 (S. 2 Mitte) unter Hinweis auf Abschn. 14a Abs. 4 Sätze 5 und 6 der Einkommensteuer-Richtlinien 1990 darauf hingewiesen, dass der Schuldsaldo eines Kontokorrentkontos nur dann zum Betriebsvermögen gehöre, wenn die Schulden eindeutig nicht für außerbetriebliche Zwecke aufgenommen worden seien. Der Behauptung der Kläger, das Verrechnungskonto sei im Zusammenhang mit der Betriebsaufspaltung entstanden und deshalb als rein betriebliches Konto anzusehen, werde widersprochen, da der Kläger seit Begründung der Betriebsaufspaltung im Jahr 1985 nur in geringem Umfang Investitionsaufwendungen zu tragen gehabt habe. Auch in den folgenden Schriftsätzen befassen sich die Beteiligten mit der Frage, ob das Verrechnungskonto am 1. Januar 1991 als rein betriebliches Konto einzustufen ist. Zudem hat das FG mit Schreiben vom 27. Februar 2004 zur Aufteilung der Schuldzinsen dem Prozessbevollmächtigten der Kläger mitgeteilt, dass es sich vermutlich der Vorgehensweise des FG Düsseldorf in seiner Entscheidung vom 27. Mai 1999 8 K 8218/97 E (Entscheidungen der Finanzgerichte 2002, 202), nachfolgend BFH-Urteil vom 17. Dezember 2003 XI R 19/01 (BFH/NV 2004, 1277), anschließen werde. Diese beiden Entscheidungen legen --wie im Streitfall die Berechnungen des FA-- aus Vereinfachungsgründen bei der Ermittlung des privaten Anteils an dem Anfangssaldo eines gemischten Kontos den durchschnittlichen Anteil der privaten Auszahlungen an den Gesamtauszahlungen des Streitzeitraums zugrunde.
b) Die weitere Rüge der Kläger, das FG habe § 76 Abs. 1 Satz 1 FGO verletzt, weil es nicht ermittelt habe, worauf die Differenz des Darlehensstandes am 1. Januar 1996 bzw. 31. Dezember 1996 bei den verschiedenen Zinsberechnungen im Streitfall zurückzuführen ist, führt schon deswegen nicht zur Zulassung der Revision, weil die Kläger nicht vorgetragen haben, inwieweit die Entscheidung des FG auf diesem Verfahrensfehler beruhen kann.
Im Übrigen hat das FG seine Entscheidung nicht nur auf diese Begründung, sondern vor allem darauf gestützt, dass der Annahme der Kläger, der Schuldsaldo des Verrechnungskontos zum 1. Januar 1991 sei in vollem Umfang als betrieblich veranlasst anzusehen, nicht gefolgt werden könne und darüber hinaus die Zuordnungen, die in den Jahren ab 1991 zum betrieblichen bzw. privaten Bereich vorgenommen worden seien, nicht glaubhaft gemacht worden seien. Diese Alternativbegründung des FG-Urteils erfasst der von den Klägern geltend gemachte Verfahrensfehler nicht.
c) Als materiell-rechtlicher Fehler und nicht als Verfahrensfehler wäre es zu bewerten, wenn dem FG entsprechend der Auffassung der Kläger entgegen gehalten werden könnte, es habe zu Unrecht die Berechnung der Zinsen gerügt. Zudem übersehen die Kläger, dass das Gesamtvolumen der Zinsen des Verrechnungskontos nach den Ermittlungen des Außenprüfers 161 156,98 DM (vgl. S. 4 unten der Entscheidungsgründe) betragen hat, während die Kläger ihrer Berechnung lediglich einen Gesamtbetrag in Höhe von 152 828,74 DM zugrunde legen.
d) Zu der Rüge, das FG habe Teile des Gesamtergebnisses des Verfahrens unberücksichtigt gelassen und nach Aktenlage feststehende Tatsachen nicht berücksichtigt, haben die Kläger vorgetragen, selbst wenn die von ihnen eingereichte mehrseitige Aufstellung, aus der sich die Zuordnung der Ausgaben zum betrieblichen und privaten Bereich ergebe, nicht als Berechnung nach der Zinsstaffelmethode anzuerkennen sei, sei sie zumindest geeignet, den Umfang der privaten und betrieblichen Vorgänge des Streitjahres zu ermitteln. Diese Kritik der Kläger richtet sich in ihrem Kern gegen die vom FG vorgenommene Tatsachenwürdigung und betrifft damit einen für sich genommen die Zulassung der Revision nicht rechtfertigenden vermeintlichen materiell-rechtlichen Mangel der Vorentscheidung (vgl. Gräber/Ruban, a.a.O., § 115 Rz. 82, mit zahlreichen Nachweisen aus der Rechtsprechung des BFH). Der Vortrag der Kläger lässt nicht erkennen, dass das FG bei seiner Entscheidung eine nach Aktenlage feststehende Tatsache unberücksichtigt gelassen hätte oder vom Nichtvorliegen einer solchen Tatsache ausgegangen wäre (sog. Verstoß gegen den klaren Inhalt der Akten; vgl. hierzu z.B. Gräber/Ruban, a.a.O., § 115 Rz. 80, letzter Absatz). Im Übrigen hat sich das FG mit der Aufstellung der Kläger vom 16. Februar 2005 auseinander gesetzt, ist aber zu dem Ergebnis gekommen, dass die Mängel dieser Aufstellung so erheblich sind, dass sie nicht zur Grundlage des FG-Urteils gemacht werden kann (S. 14 Abs. 2 der Entscheidungsgründe).
Ende der Entscheidung
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