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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 30.07.1998
Aktenzeichen: X B 92/98
Rechtsgebiete: FGO, EStG


Vorschriften:

FGO § 69 Abs. 2 und 3
EStG § 2 Abs. 1 Nr. 7
EStG § 22 Abs. 1 Nr. 2
EStG § 23 Abs. 1 Nr. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe

I. In dem vor dem Finanzgericht (FG) anhängigen Klageverfahren streiten die Beteiligten um die zutreffende Behandlung der Veräußerung des mit einem Einfamilienhaus bebauten Grundstücks in A. im Bescheid über Einkommensteuer 1993. Dieses Grundstück hatte der Antragsteller und Beschwerdegegner (Beschwerdegegner), ein Versicherungskaufmann, im Jahre 1989 zu Alleineigentum ersteigert und danach zu 23,5 % betrieblich, zu 76,5 % zusammen mit seiner Ehefrau zu privaten Wohnzwecken genutzt.

Durch notariell beurkundeten Vertrag vom 31. Juli 1991 (Vertrag I) übertrug der Beschwerdegegner den hälftigen Eigentumsanteil an dem zuvor genannten Objekt auf seine Ehefrau. Zur Sicherung einer Forderung der Bank X war in Abt. III/9 des Grundbuchs eine Grundschuld über 270 000 DM nebst 16 % Jahreszins und 5 % Nebenleistung eingetragen, die lt. Vertrag zum Übertragungszeitpunkt noch in gleicher Höhe valutierte. Im Anschluß an diese Feststellung heißt es im Übergabevertrag hierzu weiter wörtlich:

"... so daß auf den übertragenen Hälfteanteil ca. 135.000.-- DM entfallen. Der Gläubigerin des Rechts III/9 gegenüber haften die Eheleute ... bereits als Gesamtschuldner ...

Die Erwerberin verpflichtet sich hiermit, die Hälfte der durch das vorbezeichnete Grundpfandrecht gesicherten Forderung ab dem 1.8.1991 zu bezahlen und den Veräußerer von allen Ansprüchen hieraus freizustellen ...

Weitere Gegenleistung hat die Erwerberin nicht zu erbringen.

Der Verkehrswert der übertragenen Grundbesitzhälfte wird mit etwa 200.000.-- DM angegeben ..."

Die inzwischen in Kopie --allerdings ohne Datum-- vorliegenden Darlehensverträge (über 165 000 DM bzw. 105 000 DM) bestätigen, daß Schuldner der dinglich gesicherten Forderung der Bank X jeweils beide Ehegatten waren.

Nachdem die Ehe des Beschwerdegegners am 8. September 1992 rechtskräftig geschieden worden war, vereinbarte er in notariell beurkundetem Vertrag vom 26. Februar 1993 (Vertrag II) mit seiner früheren Ehefrau zum Zwecke der Beendigung zweier zwischen ihnen schwebenden Prozesse u.a. die (Rück-)Übertragung des hälftigen Eigentums an dem Grundstück in A. und im einzelnen hierzu folgendes:

"Als Gegenleistung für diese Übertragung ...:

1. Der Erwerber verpflichtet sich, die dem Recht III/9 ... zugrundeliegende Forderung bis zum 1. Mai 1993 vollständig abzulösen ...

Das Recht III/9 ist zur Zeit noch mit insgesamt 265.000 DM valutiert ...

2. Ferner ist in Abteilung III ... auf dem Hälfteanteil des ... (Beschwerdegegner) folgendes eingetragen:

III/10 43.397.-- DM Sicherungshypothek für (Ehefrau des Beschwerdegegners),

III/11 3.253,32 DM Sicherungshypothek für (Ehefrau des Beschwerdegegners).

Die Rechte III/10 und 11 werden wie folgt abgelöst:

Der Erwerber hat einen Betrag in Höhe von 20.000 DM an die Veräußerin zur Ablösung der Rechte III/10 und 11 gezahlt ...

Ferner verpflichtet sich der Erwerber, einen weiteren Teilbetrag in Höhe von 25.000.-- DM bis zum 1. Mai 1993 an die Veräußerin zu zahlen.

Die Beteiligten sind sich darüber einig, daß mit der Zahlung des Betrages von 45.000.-- DM die Rechte III/10 und 11 vollständig abgelöst sind ...

Weitere Gegenleistungen hat der Erwerber nicht zu erbringen.

Der Verkehrswert des übertragenen Grundbesitzanteils wird mit etwa 200.000.-- DM angegeben ..."

Am 22. Juli 1993 verkaufte der Beschwerdegegner das Objekt zum Preis von 550 000 DM.

Hieraus errechnete der Prüfer im Rahmen einer Betriebsprüfung einen gewerblichen Veräußerungsgewinn von 51 501 DM und einen Spekulationsgewinn von 74 588 DM; im Bescheid des Antragsgegners und Beschwerdeführers (Finanzamt --FA--) über Einkommensteuer 1993 änderten sich diese Werte geringfügig: auf 51 825 DM bzw. 74 876 DM. Der Einspruch des Beschwerdegegners hiergegen führte aufgrund der Einspruchsentscheidung vom 9. Juni 1997 (nach entsprechender Vorankündigung) zu einer Erhöhung des gewerblichen Veräußerungsgewinns auf 62 219 DM, des Spekulationsgewinns auf 109 012 DM und der Einkommensteuer von 37 078 DM auf 46 904 DM.

Mit der beim FG anhängigen Klage macht der Beschwerdegegner geltend, der gewerbliche Veräußerungsgewinn sei nur mit 22 194 DM, der Spekulationsgewinn mit 0 DM anzusetzen. Der "Ersteigerungswert" habe nach dem Gutachten des Architekten F. erheblich unter dem Verkehrswert, nämlich bei 420 000 DM, gelegen, nach einer am 18. März 1993 vom Architekten G. aufgestellten neueren Schätzung hingegen bei 600 000 DM. Diese Werterhöhung sei auf Investitionen und Preiserhöhungen zurückzuführen. Die abweichenden Angaben im Vertrag II erklärten sich ausschließlich aus der "Abgeltung von in der Ehe erworbenen Zugewinnansprüchen auf der Vermögensebene".

Nach Ablehnung eines entsprechenden Begehrens durch das FA wandte sich der Beschwerdegegner mit dem Antrag, die Vollziehung des Einkommensteuerbescheids 1993 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 9. Juni 1997 auszusetzen, an das FG und hatte dort im wesentlichen Erfolg. Mit Beschluß vom 13. März 1998 sprach das FG hinsichtlich des Spekulationsgewinns die begehrte Aussetzung der Vollziehung (AdV) aus - mit der Begründung, es sei fraglich, ob der Beschwerdegegner den hälftigen Grundstücksanteil seiner früheren Ehefrau im Vertrag vom 31. Juli 1991 nicht geschenkt habe. Dieser Vertrag liege nicht vor. Deshalb könne nicht beurteilt werden, ob die frühere Ehefrau des Beschwerdegegners jemals persönliche Schuldnerin der durch die Grundschuld gesicherten Forderung gewesen sei bzw. ob die im Vertrag II getroffenen Vereinbarungen nicht etwa dahin verstanden werden müßten, daß die frühere Ehefrau nur aus der dinglichen (Mit-)Haftung entlassen wurde. Dann wäre auch der Vertrag II insoweit als Rückgängigmachen einer Schenkung, als unentgeltliches Geschäft also, anzusehen. Damit würde die Annahme eines Spekulationsgewinns ausscheiden, zumal auch das FA selbst die vom Beschwerdegegner lt. Vertrag II geschuldete Zahlung der 45 000 DM nicht zu den Anschaffungskosten des anderen Grundstücksanteils rechne.

Gegen die teilweise AdV wendet sich das FA mit der --vom FG zugelassenen-- Beschwerde. Zur Begründung verweist es vor allem auf den Vertrag I, der inzwischen vom Beschwerdegegner nachgereicht wurde und sich bei den Gerichtsakten befindet, aus dem sich ergebe, daß die Ehefrau seinerzeit als Gegenleistung für die Anteilsübertragung die Hälfte der durch das Grundpfandrecht gesicherten Schuld übernommen habe, so daß weder Vertrag I noch Vertrag II als Schenkung beurteilt werden könnten.

Das FA beantragt, zum Teil sinngemäß, den AdV-Antrag unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses abzulehnen.

Der Beschwerdegegner hat von der Möglichkeit, sich zu äußern, keinen Gebrauch gemacht.

II. Die Beschwerde ist begründet. Zu Unrecht hat das FG hinsichtlich des hier allein zu überprüfenden Spekulationsgewinns die AdV des angefochtenen Bescheids ausgesprochen. Die hierfür nach § 69 Abs. 2, 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) erforderlichen Voraussetzungen, im Streitfall ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Einkommensteuerbescheids in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 9. Juni 1997, sind bei der in diesem Verfahren gebotenen summarischen, auf präsente Beweismittel beschränkten Sach- und Rechtsprüfung (näher dazu Gräber, Finanzgerichtsordnung, 4. Aufl., 1997, § 69 Rz. 104 ff., m.w.N.) nicht gegeben: Nach Aktenlage sind keine gewichtigen Umstände erkennbar, die hinsichtlich des hier allein in Frage stehenden Spekulationsgewinns dem Grunde oder der Höhe nach Unsicherheit oder Unentschiedenheit in der Beurteilung von Rechtsfragen oder Unklarheit in der Beurteilung von Tatfragen (s. Gräber, a.a.O., Rz. 77 nebst den dortigen Nachweisen) auslösen.

1. Nach § 23 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a des Einkommensteuergesetzes in der für das Streitjahr maßgeblichen Fassung (EStG) liegen bei Grundstücken und grundstücksgleichen Rechten i.S. dieser Vorschrift (s. dazu die Senatsurteile vom 4. Oktober 1990 X R 148/88, BFHE 162, 304, BStBl II 1992, 211, und vom 10. Juli 1996 X R 103/95, BFHE 183, 1, BFH/NV 1997, 678) Spekulationsgeschäfte vor, die zu sonstigen Einkünften (§ 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7, § 22 Abs. 1 Nr. 2 EStG) führen, wenn es sich um Veräußerungsgeschäfte handelt, bei denen der Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung nicht mehr als zwei Jahre beträgt.

a) Der in die gesetzliche Zweijahresfrist fallende Anteilserwerb durch den Beschwerdegegner aufgrund des Vertrages II ist deshalb --anders als der Erwerb eines gesamthänderischen Eigentumsanteils (s. dazu die zuvor zitierte Senatsrechtsprechung)-- nach § 23 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a EStG zu beurteilen, weil er einen Miteigentumsanteil betraf, der --wie es dieser Besteuerungstatbestand verlangt-- nach den für das Alleineigentum geltenden Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) übertragen wird (s. Palandt/Bassenge, Bürgerliches Gesetzbuch, 57. Aufl., 1998, § 1008 Rz. 1, m.w.N.).

b) Entgegen der Meinung des FG ist der Anteilserwerb auch als Anschaffung i.S. des § 23 EStG, d.h. als entgeltliches Rechtsgeschäft (Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 22. September 1997 IX R 15/84, BFHE 151, 143, BStBl II 1988, 250; Schmidt/ Heinicke, Einkommensteuergesetz, 17. Aufl., 1998, § 23 Rz. 10) anzusehen. Dies ergibt sich unmißverständlich aus dem Vertrag II selbst ebenso wie aus dem nunmehr auch vorliegenden Vertrag I: In beiden Fällen standen dem Anteilserwerb Gegenleistungen insofern gegenüber, als jeweils der Erwerber zumindest in Form einer Erfüllungsübernahme (§ 415 Abs. 3 BGB) belastet wurde.

c) Unbeachtlich ist, daß der entgeltliche Rückerwerb des hälftigen Eigentumsanteils durch den Beschwerdegegner aufgrund der im Vertrag II getroffenen Vereinbarungen im Rahmen eines Vergleichs bzw. der Gesamtauseinandersetzung im Anschluß an eine Ehescheidung geschah, und zwar deshalb, weil der hier allein interessierende "Übertragungsvertrag" offensichtlich nichts anderes zum Gegenstand hatte als Erwerb bzw. Veräußerung des Miteigentumsanteils auf der einen und die Abgeltung der darin liegenden Leistung auf der anderen Seite (vgl. i.ü. auch BFH-Urteil vom 15. Februar 1977 VIII R 175/74, BFHE 121, 340, BStBl II 1977, 389; Schmidt/Heinicke, a.a.O., § 23 Rz. 13 ff., m.w.N.).

2. Anhaltspunkte dafür, daß die Berechnung des Spekulationsgewinns (§ 23 Abs. 4 EStG) in der Einspruchsentscheidung vom 9. Juni 1997 zum Nachteil des Beschwerdegegners zu hoch ausgefallen sein könnte, sind, bei summarischer Prüfung jedenfalls, nicht ersichtlich.



Ende der Entscheidung

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