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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 31.07.2002
Aktenzeichen: X R 103/96
Rechtsgebiete: EStG, AO 1977
Vorschriften:
EStG § 9 | |
EStG § 12 Nr. 2 | |
EStG § 4 Abs. 4 | |
AO 1977 § 164 Abs. 2 | |
AO 1977 § 173 Abs. 1 Nr. 1 |
Gründe:
I. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger), der in den Streitjahren mit seiner zu 1. mitklagenden Ehefrau (Klägerin) zusammen zur Einkommensteuer veranlagt wurde, betrieb seit Jahrzehnten ein Einzelunternehmen, in dem sein Sohn von 1980 an als Arbeitnehmer tätig war. Im Jahr 1985 trat der Kläger an seine damalige steuerliche Beraterin heran, um deren Rat wegen der Beteiligung seines Sohnes an dem Unternehmen im Hinblick auf eine baldige Geschäftsübergabe einzuholen. Schließlich entschied man sich, diesen Plan mit Hilfe eines partiarischen Darlehens zu verwirklichen, und zwar auf folgende Weise: Am 16. Dezember 1985 überwies der Kläger aus seinem Betriebsvermögen einen Betrag von 90 000 DM auf das Privatkonto seines Sohnes. Am 24. Dezember 1985 schlossen beide einen privatschriftlichen Vertrag "über eine Schenkung und ein partiarisches Darlehen", in dem zunächst von der Schenkung der 90 000 DM "am 31.12.1985" die Rede ist; dieser Betrag sollte auf das Erbteil des Sohnes angerechnet werden. Im Anschluss hieran wird zum partiarischen Darlehen im Wesentlichen Folgendes bestimmt:
- Verpflichtung des Sohnes, den Betrag von 90 000 DM der Firma als partiarisches Darlehen zur Verfügung zu stellen (§ 1);
- frühestmöglicher Kündigungszeitpunkt ist Ende 1990 (§ 2, in dem außerdem die Verlängerungsmodalitäten geregelt sind);
- Beteiligung des Darlehensgebers am Betriebsgewinn in Höhe von 15 %; Ausschluss jeglicher Verlustbeteiligung (§ 3);
- Befugnis des Darlehensgebers, seinen jährlichen Gewinnanteil innerhalb von drei Monaten nach Mitteilung des Ergebnisses ausbezahlt zu verlangen oder aber ihn (mit der Folge der Erhöhung des partiarischen Darlehens) stehen zu lassen (§ 4);
- für den Fall der Vertragsbeendigung: Anspruch des Darlehensgebers entsprechend einem Abfindungsguthaben, das sich aus dem Nominalwert seiner Vermögenseinlage zuzüglich etwaiger stehen gelassener Gewinnanteile abzüglich etwaiger Verbindlichkeiten errechnen und alle anderen Werte unberücksichtigt lassen sollte (§ 5 mit weiteren Einzelheiten).
Sicherheiten wurden nicht vereinbart. Am 27. Dezember 1985 überwies der Sohn den Betrag von 90 000 DM an den Kläger zurück.
Aufgrund des Vertrages vom 24. Dezember 1985 ergaben sich in den Streitjahren folgende Gewinnbeteiligungen des Sohnes:
- 1986: 20 368 DM - 1987: 13 096 DM und - 1988: 14 498 DM
Hiervon wurden insgesamt 4 000 DM an den Sohn ausbezahlt. Dieser hat zum 1. Januar 1991 den Betrieb des Klägers als Alleininhaber übernommen.
Der mit der Erfüllung des partiarischen Darlehens verbundene Aufwand wurde vom Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt --FA--) bei der Ermittlung der Einkünfte des Klägers aus Gewerbebetrieb und beim Gewerbeertrag erklärungsgemäß als Betriebsausgaben berücksichtigt. Als das FA im Anschluss an eine 1989 durchgeführte, die Jahre 1986 bis 1988 betreffende Außenprüfung von der Existenz des Vertrages und den Modalitäten seiner Durchführung erfuhr, erließ es entsprechende Änderungsbescheide, die für 1986 auf § 173 Abs. 1 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO 1977), für die Jahre 1987 und 1988 auf § 164 Abs. 2 AO 1977 gestützt sind und zu zwischen den Beteiligten (dem Grunde nach) streitigen Erhöhungen führten.
Einspruch und Klage hatten insoweit keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) kam in Anwendung der zur steuerrechtlichen Beurteilung von Angehörigenverträgen entwickelten Grundsätze zu dem Ergebnis, der Vorgang sei insgesamt dem privaten Bereich (§ 12 des Einkommensteuergesetzes --EStG--) zuzuordnen: Nach den vom Sohn des Klägers in seiner Zeugenaussage --ebenso wie durch das Vorbringen der Kläger-- bestätigten Feststellungen der Prüfer seien beide Verträge von vornherein als Einheit geplant gewesen. Für die später im Rahmen des Aussetzungsverfahrens aufgestellte Behauptung, der Sohn habe frei über den Betrag verfügen können und sich erst am 24. Dezember 1985 zur Darlehensgewährung entschlossen, gebe es keine Anhaltspunkte. Gegen die Glaubwürdigkeit dieses Vorbringens spreche auch der bis zum Schluss hervorgehobene Gesichtspunkt der Unternehmensnachfolge. Schließlich hätten die Kläger noch in der mündlichen Verhandlung ausgeführt, die mit dem Sohn geführten Vorgespräche über das partiarische Darlehen könne man schon als mündliche Vereinbarung hierüber ansehen. Entscheidend für die Bindung des Sohnes an das Unternehmen seien, so die Schlussfolgerung des FG, nicht betriebliche Erwägungen gewesen.
Wegen weiterer Einzelheiten der Urteilsbegründung wird auf ihre Veröffentlichung in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1996, 868 verwiesen.
Mit der Revision tragen die Kläger u.a. vor, die mit dem Vertrag verfolgten Ziele der Anbindung des Sohnes an den Betrieb und der Vorbereitung der Unternehmensnachfolge seien --entgegen der Meinung des FG-- als betriebliche Veranlassung zu werten. Unter den gegebenen Umständen, vor allem im Hinblick auf die Aussicht der Betriebsübernahme, hätte auch ein fremder Dritter bei der Darlehensgewährung auf eine Absicherung verzichtet.
Die Kläger beantragen
die Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils in dem im Revisionsverfahren noch streitigen Umfang und insoweit Änderung der angefochtenen Bescheide.
Das FA beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Zur Begründung verweist es auf sein bisheriges Vorbringen sowie auf die Ausführungen im FG-Urteil.
II. Die Revision ist unbegründet. Sie war deshalb zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Die angefochtenen Bescheide sind auch in dem hier streitigen Umfang rechtmäßig. Zu Recht haben FA und FG den in Frage stehenden Aufwand des Klägers dem privaten und nicht dem betrieblichen Bereich zugeordnet.
Die vom Kläger als Darlehenszinsen gezahlten Beträge sind keine Betriebsausgaben (§ 4 Abs. 4 EStG), weil sie nicht betrieblich veranlasst sind. Vielmehr handelt es sich um steuerrechtlich unbeachtliche Zuwendungen des Klägers an seinen Sohn. Sie mindern deshalb den Gewinn des Klägers aus Gewerbebetrieb und damit die einkommensteuerliche wie die gewerbesteuerliche Bemessungsgrundlage (§ 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 1, § 4 Abs. 1 Satz 1 und Satz 6 EStG; § 6 Abs. 1 Satz 1 und § 7 Satz 1 des Gewerbesteuergesetzes --GewStG--) nicht.
1. Die Zinszahlungen sind nicht betrieblich veranlasst (§ 4 Abs. 4 EStG). Der Sohn des Klägers hat dem Betrieb seines Vaters kein Darlehen aus seinem eigenen Vermögen gewährt.
a) Ein Darlehensvertrag kann auch dann steuerlich anzuerkennen sein, wenn die Valutabeträge aus Mitteln stammen, die den Kindern zuvor von den Eltern geschenkt worden waren. Dies hat der VIII. Senat des Bundesfinanzhofs (BFH) mit Urteil vom 18. Dezember 1990 VIII R 1/88 (BFHE 163, 444, BStBl II 1991, 911) für den Fall anerkannt, dass Schenkung und Darlehen "unabhängig voneinander" vereinbart werden. Die Vermögensbereiche der Beteiligten stehen sich von vornherein selbständig gegenüber, wenn der Gläubiger das Darlehen allein aus seinen Mitteln gewährt (BFH-Urteil vom 4. Juni 1991 IX R 150/85, BFHE 165, 53, BStBl II 1991, 838). An der betrieblichen Veranlassung eines Darlehens kann es jedoch dann fehlen, wenn der Betriebsinhaber seinen Kindern Geldbeträge unentgeltlich zuwendet, die die Kinder dem Vertrag zufolge sogleich wieder als "Darlehen" zur Verfügung zu stellen haben (vgl. BFH-Urteile vom 12. Februar 1992 X R 121/88, BFHE 167, 119, BStBl II 1992, 468; vom 18. Januar 2001 IV R 58/99, BFHE 194, 377, BStBl II 2001, 393). Dann besteht lediglich ein privat veranlasstes Versprechen des Betriebsinhabers, künftig, d.h. mit der Rückgewähr des angeblichen Darlehens, dem Kind einen Geldbetrag zur endgültigen Verfügung zuzuwenden. Daraus folgt, dass die Zinsen keine abziehbaren Betriebsausgaben sind, sondern nach § 12 Nr. 2 EStG nicht abziehbare Zuwendungen aufgrund einer freiwillig begründeten Rechtspflicht.
b) § 12 Nr. 2 EStG grenzt einkommensteuerrechtlich irrelevante Leistungen der privaten Vermögenssphäre von solchen ab, die als Betriebsausgaben (§ 4 Abs. 4 EStG) oder Werbungskosten (§ 9 EStG) abgezogen werden können. Der Zweck der Vorschrift gebietet es, die Abgrenzung weniger an formalen Erklärungen als an wirklichen (wirtschaftlichen) Gegebenheiten auszurichten. Geht es darum, ob Zahlungen von Eltern an Kinder Zuwendungen oder Leistungen für Gegenleistungen der Kinder an die Eltern sind, so ist auf den wirtschaftlichen Gehalt der Befugnisse abzustellen, die den Kindern eine Gegenleistung an die Eltern ermöglichen. Eine solche Gegenleistung der Kinder an die Eltern ist dann ausgeschlossen, wenn Eltern zuvor lediglich formalrechtlich Vermögen an ihre Kinder übertragen, es tatsächlich und wirtschaftlich aber gegenwärtig (noch) nicht aus der Hand gegeben und den Kindern deswegen auch kein Recht zur freien Entscheidung darüber zugestanden haben, ob sie das "übertragene" Vermögen im Betrieb der Eltern oder in anderer Weise verwenden wollen. Ist die "Übertragung" an die Kinder von vornherein an die Voraussetzung geknüpft, dass die Kinder das Vermögen der Eltern "zur Nutzung" belassen müssen, verbleibt das Vermögen tatsächlich und wirtschaftlich den Eltern. Es ist im Verhältnis der Eltern zu den Kindern alles beim Alten geblieben. Was den Kindern in der äußeren Form von Schuldzinsen bezahlt wird, ist in Wirklichkeit eine Zuwendung (Senatsurteil in BFHE 167, 119, BStBl II 1992, 468).
Demgegenüber setzt der Abzug von Schuldzinsen voraus, dass im Verhältnis von Schenker und Beschenktem eine endgültige Vermögensverschiebung bewirkt worden ist: Der Schenker muss bereits in der Gegenwart Kapital übertragen haben, das ihm der Zuwendungsempfänger wiederum aufgrund eigener Verfügungsmacht zur Nutzung überlassen hat. Nur unter dieser Voraussetzung fällt ein an die Kinder gezahltes Nutzungsentgelt nicht unter das Abzugsverbot des § 12 Nr. 2 EStG. Der dem Kind angeblich überlassene und dem Betrieb angeblich als Darlehen wieder zur Verfügung gestellte Geldbetrag bleibt steuerrechtlich Kapital des Schenkers, so lange er nicht mit der "Darlehensrückgewähr" dem Kind tatsächlich als Schenkung zufließt (Senatsurteil in BFHE 167, 119, BStBl II 1992, 468).
2. Dies vorausgesetzt ist der beantragte Betriebsausgabenabzug zu versagen.
a) Die Frage, ob der geschenkte Betrag dem Schenker "sogleich" wieder als Darlehen zurückgewährt wird, ist von der Rechtsprechung zunächst nur für Fälle entschieden worden, in denen Schenkungs- und Darlehensvertrag in ein und derselben Urkunde niedergelegt worden sind. Inzwischen wird diese Frage jedoch auch bei längeren Abständen zwischen den Verträgen bejaht, wenn die Verträge durch einen der formalen Hin- und Rückgabe von Geld zugrunde liegenden Gesamtplan miteinander sachlich verknüpft sind (BFH-Urteil in BFHE 194, 377, BStBl II 2001, 393), der bezweckt, dass der "Beschenkte" die Darlehensvaluta gerade nicht zu seiner freien Verfügung und damit zum Erzielen eigener Einkünfte erhalten sollte, und der dem "Schenker" ermöglicht, die Darlehensvaluta dem "Beschenkten" erst zu einem späteren Zeitpunkt zur freien Verfügung auszuzahlen. Dieser Beurteilung schließt sich der erkennende Senat an. Ob ein solcher die Verträge sachlich miteinander verknüpfender Gesamtplan vorliegt, ist vom FG anhand von Indizien festzustellen.
b) In revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise hat das FG das Vorliegen eines solchen Gesamtplans bejaht.
aa) Es konnte ohne Gesetzesverstoß zu der Auffassung gelangen, dass der enge zeitliche Zusammenhang zwischen der "Schenkung" und der Rückgewähr des "geschenkten" Betrags gegen eine ernstgemeinte und endgültige Übertragung einer Einkunftsquelle auf den Sohn spricht. Der Kläger wollte sich hiernach der Verfügungsmacht über die letztlich bei ihm verbliebenen Mittel nicht entäußern. Niemand hat etwas zu verschenken, was zugleich wieder benötigt wird. Die Modalitäten des Darlehensvertrags sind ein gewichtiges Indiz dafür, dass der Kläger das --nur pro forma geschenkte-- Kapital solange wie möglich "selbst nutzen" wollte.
Es ist nicht zu beanstanden, dass das FG der nachträglich aufgestellten Behauptung, der Sohn hätte den geschenkten Geldbetrag auch anders verwenden können, keinen Glauben geschenkt hat: Für deren Richtigkeit hat es keinerlei konkrete Anhaltspunkte gesehen. Aus der allgemein gehaltenen Behauptung des Sohnes in der mündlichen Verhandlung vor dem FG und der hierzu geäußerten Vermutung, sein Vater wäre "sicherlich sehr enttäuscht gewesen", wenn er von der angeblich eröffneten Möglichkeit der freien Verwendung auch wirklich Gebrauch gemacht hätte, kann vielmehr das Gegenteil geschlossen werden. Der angestrebten Unternehmensnachfolge hätte es nicht gedient, wenn der Sohn von seiner angeblichen Verfügungsbefugnis über das Geld in anderer Weise als tatsächlich geschehen Gebrauch gemacht hätte.
bb) Nicht unberücksichtigt kann die Abfassung beider Verträge in einer Urkunde bleiben. Denn dieser Umstand ist Ausdruck der inneren Verknüpfung. Dahinter tritt die Tatsache zurück, dass der Geldbetrag einige Tage vor der Abfassung der Verträge auf das Konto des Sohnes überwiesen wurde. Die Beteiligten haben in der mündlichen Verhandlung ausgeführt, dass dem Vertrag Vorgespräche vorausgingen, die schon als mündliche Vereinbarung angesehen werden könnten. Deshalb kann auch vernachlässigt werden, dass möglicherweise nicht mit der erforderlichen Sicherheit nachgewiesen werden kann, dass die alsbaldige Rückgewähr des "geschenkten" Geldbetrags in Form eines Darlehens ausdrücklich zur Bedingung der Schenkung gemacht worden war.
3. Die getroffene Entscheidung steht schon deshalb nicht in Widerspruch zum BFH-Urteil in BFHE 194, 377, BStBl II 2001, 593, weil sich die steuerliche Anerkennung der Darlehensgewährung dort nur als Ergebnis einer anderen tatrichterlichen Gesamtwürdigung eines in entscheidenden Punkten anders gelagerten Sachverhalts erweist, während hinsichtlich der maßgeblichen rechtlichen Erwägungen keine Abweichungen erkennbar sind. Dasselbe gilt hinsichtlich des Urteils des BFH in BFHE 163, 444, BStBl II 1991, 911. Dort konnte bejaht werden, dass Schenkung und Darlehensgewährung unabhängig voneinander vorgenommen wurden, während das FG im Streitfall gerade die auf einem Gesamtplan beruhende gegenseitige Abhängigkeit von Schenkung und Darlehen in nicht zu beanstandender Weise festgestellt hat.
Aus denselben Gründen bereitet auch das eine andere Fallgestaltung (Generationennachfolge in eine Familiengesellschaft) betreffende BFH-Urteil vom 6. April 1979 I R 116/77 (BFHE 128, 202, BStBl II 1979, 620) keine Abgrenzungsprobleme; dies hat das FG zutreffend näher ausgeführt.
4. Für die private Veranlassung der zwischen dem Kläger und seinem Sohn getroffenen Vereinbarungen spricht auch deren von ihnen angegebene Zweck, die Unternehmensnachfolge des Sohnes vorzubereiten. Denn Vorgänge, die vorrangig der Regelung der Unternehmensnachfolge dienen, sind prinzipiell der Privatsphäre zuzuordnen (vgl. Senatsurteil vom 29. Oktober 1997 X R 129/94 BFHE 184, 369, BStBl II 1998, 149).
Ende der Entscheidung
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