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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 18.11.1998
Aktenzeichen: X R 110/95
Rechtsgebiete: EStG, BauNVO


Vorschriften:

EStG § 10e
EStG § 34f
BauNVO § 10
BauNVO § 11 Abs. 2
BUNDESFINANZHOF

Ferien- und Wochenendwohnungen i.S. des § 10e Abs. 1 Satz 2 EStG sind Wohnungen, die baurechtlich nicht ganzjährig bewohnt werden dürfen oder sich aufgrund ihrer Bauweise nicht zum dauernden Bewohnen eignen; nicht begünstigt ist deshalb auch eine in einem Kurgebiet belegene Wohnung, die baurechtlich nicht dauernd bewohnt werden darf (Fortführung der Senatsurteile vom 28. März 1990 X R 160/88, BFHE 160, 481, BStBl II 1990, 815, und vom 31. Mai 1995 X R 140/93, BFHE 178, 140, BStBl II 1995, 720).

Die nachträgliche Genehmigung der Dauernutzung berechtigt nur für die Zukunft zur Inanspruchnahme der Steuerbegünstigung.

EStG §§ 10e, 34f BauNVO §§ 10, 11 Abs. 2

Urteil vom 18. November 1998 - X R 110/95 -

Vorinstanz: FG Rheinland-Pfalz (EFG 1995, 1017)


Gründe

I.

Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) erwarben am 22. August 1990 eine Eigentumswohnung zum Preis von 95 000 DM. Die Wohnung liegt in einem Kurgebiet (Sondergebiet nach § 11 Abs. 2 der Baunutzungsverordnung --BauNVO--); eine dauernde Wohnnutzung war im Streitjahr 1990 nicht zulässig. Nach dem Erwerb renovierten die Kläger die Wohnung; dabei entfernten sie die Wände zwischen Kinderzimmer und Wohnzimmer. Seit dem 9. Dezember 1990 nutzen sie die Wohnung zu eigenen Wohnzwecken.

In ihrer Erklärung zur gesonderten und einheitlichen Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für das Jahr 1990 machten die Kläger einen Abzugsbetrag nach § 10e Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) in Höhe von 5 579 DM, Vorkosten nach § 10e Abs. 6 EStG in Höhe von 14 818 DM und eine Steuerermäßigung für das zu ihrem Haushalt gehörende Kind des Klägers nach § 34f EStG geltend.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) ließ im Feststellungsbescheid für 1990 die beantragten Steuerbegünstigungen unberücksichtigt, weil die Wohnung baurechtlich nicht dauernd benutzt werden dürfe.

Während des Einspruchsverfahrens legten die Kläger eine Baugenehmigung vom 8. April 1992 vor, wonach ihnen auf ihren Baugenehmigungsantrag vom 27. Januar 1992 die Nutzungsänderung "einer Ferienwohnung in eine Dauerwohnung" gestattet werde. Die Genehmigung war mit der Auflage verbunden, daß der im Grundriß als Schlafzimmer bezeichnete Raum nur als Abstellraum genutzt werden dürfe, weil er nicht die Anforderungen an einen Aufenthaltsraum gemäß § 44 Abs. 2 der Landesbauordnung erfülle. Wenn die Schlafzimmerfläche zu Aufenthaltszwecken genutzt werden solle, seien die Wände zwischen Wohn- und Schlafzimmer zu entfernen. Die Kläger erläuterten, die in der Auflage angesprochene bauliche Veränderung entspreche den vor dem Einzug vorgenommenen Umbaumaßnahmen. Sie hätten die Genehmigung der Nutzungsänderung früher beantragt, wenn ihnen beim Erwerb die Nutzungsbeschränkung bekannt gewesen wäre. Daß die Dauernutzung erst nachträglich genehmigt worden sei, dürfe nicht entscheidend sein. Im übrigen werde nach einer Verfügung der Oberfinanzdirektion (OFD) Düsseldorf vom 17. Januar 1991 die Steuervergünstigung nach § 10e EStG auch für Ferien- und Wochenendwohnungen gewährt, wenn der Kaufvertrag --wie im Streitfall-- vor dem 1. Dezember 1990 abgeschlossen worden sei.

Das FA wies den Einspruch als unbegründet zurück; die Wohnung sei als Ferien- oder Wochenendwohnung i.S. des § 10e Abs. 1 EStG nicht begünstigt, weil die Genehmigung nur für die Zukunft wirke und im Streitjahr die Wohnung nicht habe dauernd bewohnt werden dürfen.

Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt. Dessen Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte 1995, 1017 veröffentlicht.

Das FG führt hierzu aus: Die Kläger hätten die Wohnung seit Dezember 1990 genutzt und diese sei --wie sich aus der Baugenehmigung vom 8. April 1992 ergebe-- auch baurechtlich und aufgrund ihrer Bauweise zum dauernden Bewohnen geeignet. Der dauernden Nutzung durch die Kläger habe nichts im Wege gestanden, da die Satzung der Gemeinde über den Bebauungsplan für das Kurgebiet bis zu 30 v.H. der zulässigen Geschoßfläche zur Wohnnutzung grundsätzlich erlaube. Daß die Nutzungsänderung tatsächlich erst im April 1992 genehmigt worden sei, sei ohne Bedeutung; die Genehmigung habe lediglich klarstellende Bedeutung.

Mit der Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts.

Es beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die durch einen nicht postulationsfähigen Steuerbevollmächtigten vertretenen Kläger beantragen, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

II.

Die Revision ist begründet; sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Die nachträglich erteilte Genehmigung einer Nutzungsänderung berechtigt nur für die Zukunft zur Inanspruchnahme der Steuerbegünstigung nach § 10e EStG.

1. § 10e Abs. 1 EStG begünstigt die Anschaffung oder Herstellung einer zu eigenen Wohnzwecken genutzten Wohnung, die keine Ferien- oder Wochenendwohnung ist. Der erkennende Senat hat in den Urteilen vom 28. März 1990 X R 160/88 (BFHE 160, 481, BStBl II 1990, 815) und vom 31. Mai 1995 X R 140/93 (BFHE 178, 140, BStBl II 1995, 720) entschieden, daß unter Ferien- und Wochenendwohnungen i.S. des § 10e Abs. 1 Satz 2 EStG solche Wohnungen zu verstehen sind, die baurechtlich nicht ganzjährig bewohnt werden dürfen oder sich aufgrund ihrer Bauweise nicht zum dauernden Bewohnen eignen.

a) Der Senat hat dies wie folgt begründet: Nach dem Wortlaut der Vorschrift ("zu eigenen Wohnzwecken genutzt hat und die Wohnung keine Ferienwohnung oder Wochenendwohnung ist") kommt es nicht auf die tatsächliche Nutzung als Ferienwohnung, sondern darauf an, ob es sich um eine nach objektiven Merkmalen zu bestimmende Wohnung handelt, d.h., ob die Wohnung rechtlich und/oder tatsächlich zum dauernden Wohnen ungeeignet ist. Ziel der Einschränkung ist --wie deren Entstehungsgeschichte und Begründung bestätigt-- die Herstellung oder Anschaffung von "Ferien- und Wochenendwohnungen", bei denen "die Befriedigung des allgemeinen Wohnbedürfnisses nicht im Vordergrund steht", von der Begünstigung auszuschließen. Weil das Tatbestandsmerkmal "Nutzung zu eigenen Wohnzwecken" aber nicht erfordert, daß die Wohnung Lebensmittelpunkt des Steuerpflichtigen ist, umschreiben die Begriffe Ferien- oder Wochenendwohnung Wohnungen, die wegen lagebedingter Nutzungsbeschränkung und/oder baulicher Beschaffenheit baurechtlich nicht dauernd bewohnt werden dürfen. Im einzelnen wird auf die in BFHE 160, 481, BStBl II 1990, 815 und in BFHE 178, 140, BStBl II 1995, 720 wiedergegebenen Begründungen verwiesen.

b) Ist hiernach maßgebend, ob sich die Wohnung rechtlich und/oder tatsächlich zum dauernden Wohnen eignet, kommt es nicht darauf an, ob die Nutzungsbeschränkung darauf beruht, daß die Wohnung in einem Sondernutzungsgebiet i.S. von § 10 BauNVO (Wochenendhausgebiete, Ferienhausgebiete oder Campingplatzgebiete) oder in einem zu den sonstigen Sondergebieten zählenden Kurgebiet nach § 11 Abs. 2 BauNVO liegt, durch deren Ausweis die Umstrukturierung zu Lasten der Fremdenverkehrsfunktionen verhindert werden soll (vgl. Ernst/Zinkahn/Bielenberg, Baugesetzbuch, Kommentar, § 11 BauNVO Rz. 37 f).

Liegt die Wohnung in einem Sondernutzungsgebiet mit Nutzungsbeschränkung, kann der Nachweis der baurechtlich zulässigen Nutzung grundsätzlich nur durch eine entsprechende Genehmigung der zuständigen Behörde erbracht werden (Senatsurteil vom 13. Dezember 1995 X R 103/94, BFH/NV 1996, 536, m.w.N.).

c) Entgegen der Auffassung des FG kann die spätere Genehmigung der Nutzungsänderung für vor diesem Zeitpunkt liegende Veranlagungszeiträume nicht berücksichtigt werden.

Eine Änderung des für die Besteuerung erheblichen Sachverhaltes nach Entstehung des Steueranspruchs (vgl. § 38 der Abgabenordnung --AO 1977-- i.V.m. § 36 Abs. 1 EStG) wirkt bei den laufend veranlagten Steuern wie der Einkommensteuer regelmäßig nicht zurück; ihr ist vielmehr in dem Besteuerungszeitraum Rechnung zu tragen, in dem sich der maßgebende Sachverhalt ändert. Ein nachträglich veränderter Sachverhalt kann anstelle des zuvor verwirklichten Sachverhaltes der Besteuerung nur zugrunde gelegt werden, wenn sich aus dem jeweils einschlägigen materiellen Recht ergibt, daß die Änderung des Sachverhaltes auch zu einer Korrektur bereits eingetretener steuerrechtlicher Rechtsfolgen berechtigt (vgl. Beschluß des Großen Senats des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 19. Juli 1993 GrS 2/92, BFHE 172, 66, BStBl II 1993, 897; BFH-Urteil vom 21. Dezember 1993 VIII R 69/88, BFHE 174, 324, BStBl II 1994, 648, jeweils m.w.N.). Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor.

Die Herstellungs- oder Anschaffungskosten einer Wohnung im eigenen Haus sind nach § 10e Abs. 1 Satz 2 EStG nur dann begünstigt, wenn der Steuerpflichtige "in dem jeweiligen Jahr des Abzugszeitraumes" die Wohnung zu eigenen Wohnzwecken genutzt hat und die Wohnung keine Ferienwohnung oder Wochenendwohnung ist. Das bedeutet, daß sowohl hinsichtlich der Nutzungs- als auch hinsichtlich der Objektvoraussetzungen die Verhältnisse des jeweiligen Jahres des Abzugszeitraumes maßgebend sind.

Die Benutzung einer mit einer Nutzungsbeschränkung belegten Wohnung zum dauernden Wohnen ist eine Nutzungsänderung i.S. des § 29 Satz 1 des Baugesetzbuchs, die nach den Vorschriften des Bauordnungsrechts der Länder im allgemeinen genehmigungsbedürftig ist (vgl. Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 27. März 1974 VIII C 21.73, BVerwGE 45, 120; BFH-Urteile in BFH/NV 1996, 536, und in BFHE 178, 140, BStBl II 1995, 720, m.w.N.); die eigenmächtige Nutzungsänderung ist materiell und formell baurechtswidrig. Sie bleibt es auch bis zum Zeitpunkt einer späteren, nur für die Zukunft berechtigenden Genehmigung der Nutzungsänderung. Bis zum Zeitpunkt der Nutzungsänderung kommt deshalb eine Förderung nach § 10e EStG nicht in Betracht.

2. Die Vorentscheidung, die von anderen Grundsätzen ausgegangen ist, war aufzuheben. Die Sache ist spruchreif. Im Streitfall liegen die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme der Förderung nach § 10e EStG nicht vor, da die dauernde Nutzung der Wohnung baurechtlich im Streitjahr noch nicht genehmigt war. Deshalb kann den Klägern auch die Steuervergünstigung nach § 34f Abs. 2 EStG nicht gewährt werden.

3. Entgegen der Auffassung der Kläger rechtfertigt die von ihnen zitierte Verfügung der --im übrigen für das beklagte FA nicht zuständigen-- OFD Düsseldorf kein anderes Ergebnis. Grundsätzlich können zwar unter bestimmten Voraussetzungen (vgl. hierzu z.B. BFH-Urteil vom 31. Oktober 1990 I R 3/86, BFHE 163, 478, BStBl II 1991, 610) Billigkeitsmaßnahmen der Verwaltung zur Anpassung der Verwaltungspraxis an eine von der bisherigen Verwaltungsauffassung abweichende Rechtsauffassung auch von den Gerichten zu beachten sein. Selbst wenn es sich bei der zitierten Regelung um eine solche Billigkeitsmaßnahme handelte, dürfte sie jedoch im vorliegenden Verfahren, das allein die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes zum Gegenstand hat, nicht geprüft werden, da die Entscheidung über eine abweichende Festsetzung (§ 163 AO 1977) oder einen Erlaß (§ 227 AO 1977) aus Billigkeitsgründen Gegenstand eines besonderen Verwaltungsverfahrens ist (zur verfahrensrechtlichen Selbständigkeit z.B. BFH-Urteil vom 26. Oktober 1994 X R 104/92, BFHE 176, 3, BStBl II 1995, 297).

Ende der Entscheidung

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