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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 20.10.1999
Aktenzeichen: X R 132/95
Rechtsgebiete: EStG
Vorschriften:
EStG § 22 Nr. 1 Satz 1 |
Verzichtet ein zur gesetzlichen Erbfolge Berufener auf seinen künftigen Erb- und Pflichtteil und erhält er hierfür an Stelle eines Einmalbetrages der Höhe nach begrenzte wiederkehrende Zahlungen, sind diese bei ihm nicht als wiederkehrende Leistungen (§ 22 Nr. 1 Satz 1 EStG) steuerbar (Abweichung vom BFH-Urteil vom 7. April 1992 VIII R 59/89, BFHE 167, 515, BStBl II 1992, 809).
EStG § 22 Nr. 1 Satz 1
Urteil vom 20. Oktober 1999 - X R 132/95 -
Vorinstanz: FG Baden-Württemberg
Gründe
I.
Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Eheleute, die zur Einkommensteuer zusammen veranlagt wurden. Die 1930 geborene Klägerin ist die Adoptivtochter der Beigeladenen, die u.a. Alleingesellschafterin einer GmbH war. Da für die Geschäftsleitung der GmbH die beiden Söhne der Beigeladenen vorgesehen waren, trat diese an die Klägerin mit der Bitte um eine vorzeitige Regelung ihres Erb- und Pflichtteilsanspruchs heran. Die Klägerin und die Beigeladene schlossen daraufhin am 10. November 1975 einen notariellen "Erb- und Pflichtteilsverzichtsvertrag", in dem die Klägerin auf ihre Erb- und Pflichtteilsansprüche verzichtete und "als Gegenleistung ohne Rücksicht auf den Wert des Erb- und Pflichtteilsverzichts" eine "Rente" in Höhe von jährlich 100 000 DM auf die Dauer von 11 Jahren, erstmals zum 1. Dezember 1975, erhalten sollte.
In Abschn. II des Vertrags ist weiter bestimmt, die Rente diene ausschließlich der Versorgung der Klägerin sowie ihrer leiblichen Abkömmlinge und sei im Falle des Todes der Klägerin an deren Kinder bzw. --bei deren Vorversterben-- an die Erben der Klägerin zu zahlen.
Das für die Veranlagung der Kläger zunächst zuständige Finanzamt beurteilte die Zahlungen im Streitjahr 1976 als wiederkehrende Bezüge i.S. von § 22 Nr. 1 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) 1975, die es in voller Höhe --abzüglich des Werbungskostenpauschbetrags-- der Einkommensteuer unterwarf. Der nunmehr zuständige Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) wies den Einspruch unter Hinweis auf das --denselben Sachverhalt, aber den Veranlagungszeitraum 1975 betreffende-- Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 7. April 1992 VIII R 59/89 (BFHE 167, 515, BStBl II 1992, 809) zurück.
Mit der Klage begehrten die Kläger, die Zahlungen nicht der Einkommensteuer zu unterwerfen. Sie machten geltend, es sei stets von einer Abfindung in Höhe von 1 Mio. DM gesprochen worden, die ratenweise ausgezahlt werden solle. Der Klägerin seien zwar Auskünfte über die geschäftliche Situation des Unternehmens und damit des voraussichtlichen Erbrechts verweigert worden; die Abfindung habe jedoch ohne Übervorteilung einer Seite bemessen werden sollen. Nachdem man sich schließlich auf einen Betrag von 1 Mio. DM geeinigt habe, sei vereinbart worden, daß die Schuld teilweise gestundet und in 10 Raten getilgt werden solle, um die Liquidität des Unternehmens nicht zu gefährden; die 11. Rate sei zur Bezahlung der anfallenden Schenkungsteuer und zum Ausgleich der laufenden Geldentwertung gedacht gewesen. Die Klägerin habe die Vereinbarung arglos im Vertrauen auf die Ehrlichkeit der Beigeladenen unterschrieben, nachdem der Notar nur auf anfallende Schenkungsteuer hingewiesen gehabt habe. Dem Umstand, daß in die Vereinbarung die Begriffe "Rente und Versorgung" und nicht "Ratenzahlungen" aufgenommen worden seien, habe sie keine Bedeutung beigemessen. Eine "Versorgung" habe sie nicht nötig gehabt, da sie mit ihrer Familie in geordneten finanziellen Verhältnissen lebe. Jedenfalls sei die dem notariellen Vertrag vorausgehende Vereinbarung der Besteuerung zugrunde zu legen, da die Beteiligten das wirtschaftliche Ergebnis dieses Rechtsgeschäfts hätten eintreten und bestehen lassen.
Die Beigeladene trägt dagegen vor, sie habe nie den Eindruck erweckt, daß die Abfindungssumme dem Wert des Erbrechts der Klägerin angemessen sei. Von vornherein hätten deshalb nur jährliche Zahlungen zur Diskussion gestanden; die Behauptung, es handle sich nur um die Zahlungsmodalität einer im Vorfeld rechtlich unwirksam vereinbarten Kapitalabfindung, entbehre deshalb einer tatsächlichen Grundlage.
Die Klage hatte keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) --dessen Urteil im Verfahren wegen Einkommensteuer 1975 durch das BFH-Urteil in BFHE 167, 515, BStBl II 1992, 809 aufgehoben worden war-- hat sich der Auffassung des VIII. Senats des BFH angeschlossen und weiter ausgeführt:
Die vor Vertragsschluß am 10. November 1975 geführten Gespräche und Überlegungen der Parteien oder --wie die Klägerin behaupte-- eine anderslautende mündliche Vorvereinbarung seien nicht erheblich, denn allein maßgebend sei der endgültige notarielle Vertrag (vgl. § 2348 des Bürgerlichen Gesetzbuches --BGB--). Es liege allenfalls ein unbeachtlicher Motivirrtum über die einkommensteuerrechtlichen Folgen des Rechtsgeschäfts vor.
Mit der Revision rügen die Kläger Verletzung materiellen und formellen Rechts.
Der Erb- und Pflichtteilsvertrag sei ein entgeltliches Geschäft. Auch könne die vorliegende Vereinbarung nicht als Vermögensübertragung im Wege vorweggenommener Erbfolge gegen Versorgungsleistungen beurteilt werden; denn weder habe die Beigeladene ertragbringendes Vermögen von der Klägerin erworben noch würden "Erträge aus dem übertragenen Vermögen vorbehalten". Vielmehr seien die Zahlungen Entgelt für den Pflichtteilsverzicht.
Verfahrensfehlerhaft habe das FG nicht Beweis erhoben über die Behauptung der Klägerin, es sei zunächst die Höhe der Abfindung für den Erb- und Pflichtteilsverzicht vereinbart worden und danach dieses Ergebnis sowie die Einigung über die Zahlungsmodalität in der notariellen Urkunde festgelegt worden.
Die Raten seien allerdings in einen Tilgungsanteil und in einen gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 4 EStG steuerbaren und steuerpflichtigen Zinsanteil aufzuteilen. Der Zinsanteil lasse sich aus der Differenz zwischen der jährlichen Gesamtleistung und der jährlichen Wertminderung errechnen. In Übereinstimmung mit dem FA betrage der Zinsanteil für das Jahr 1976 38 237,07 DM.
Die Kläger beantragen, das angefochtene Urteil aufzuheben und unter Änderung des Einkommensteuerbescheides vom 16. Juni 1982 i.d.F. des Bescheids vom 25. Oktober 1994 und der Einspruchsentscheidung vom 6. Oktober 1992 sonstige Einkünfte in Höhe von 99 800 DM nicht der Einkommensteuer zu unterwerfen, jedoch bei den Einkünften aus Kapitalvermögen zusätzliche Einnahmen in Höhe von 38 237,07 DM zu berücksichtigen.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Die Beigeladene schließt sich im wesentlichen der Auffassung des FG an und führt ergänzend aus, entgegen Fischer (Finanz-Rundschau --FR-- 1992, 627) sei die Erwerbsaussicht des Erb- und Pflichtteilsberechtigten kein bewertbares Verfügungsobjekt. Nach § 312 Abs. 2 BGB zulässige Verträge über den gesetzlichen Erb- oder Pflichtteil hätten ausschließlich schuldrechtliche, nicht verfügende Wirkung. Im übrigen entfalle deren Geschäftsgrundlage, soweit ein zur Verfügung über seinen Erb- oder Pflichtteil Verpflichteter im Erbfall die entsprechende Rechtsposition nicht erlange. Vertragsgegenstand sei deshalb nicht die Erwerbschance, sondern der künftige tatsächliche Vermögenswert.
Für ein vorurkundliches Grundgeschäft, welches die Klägerin behaupte und das Gegenstand einer Beweisaufnahme hätte sein können, beständen keinerlei Anhaltspunkte.
II.
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des FG-Urteils und Entscheidung in der Sache selbst (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
Zu Unrecht hat das FG die Zahlungen unter Berufung auf das Urteil des VIII. Senats in BFHE 167, 515, BStBl II 1992, 809 als Einkünfte aus wiederkehrenden Bezügen (§ 22 Nr. 1 Satz 1 EStG) in voller Höhe der Einkommensteuer unterworfen.
Verzichtet ein zur gesetzlichen Erbfolge Berufener auf seinen künftigen Erb- und/oder Pflichtteil und erhält er hierfür an Stelle eines Einmalbetrages wiederkehrende Zahlungen, sind diese bei ihm grundsätzlich nicht als wiederkehrende Leistungen (§ 22 Nr. 1 Satz 1 EStG) steuerbar --und beim Zahlenden nicht als Sonderausgaben (§ 10 Abs. 1 Nr. 1 a EStG) abziehbar--.
1. Nach § 22 Nr.1 EStG sind Einkünfte aus wiederkehrenden Bezügen, soweit sie nicht zu den in § 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 6 EStG bezeichneten Einkunftsarten gehören, als sonstige Einkünfte steuerbar. Allein die Tatsache, daß eine Leistung nicht in einem Betrag, sondern in Form wiederkehrender Zahlungen zu erbringen ist, kann deren Steuerbarkeit nicht begründen. Denn bei der Anwendung und Auslegung des § 22 Nr. 1 EStG sind die normativen Grundaussagen des § 2 Abs. 1 EStG zu beachten (Senatsurteil vom 26. November 1992 X R 187/87, BFHE 170, 98, BStBl II 1993, 298 unter II. 2. b; BFH-Urteil vom 25. Oktober 1994 VIII R 79/91, BFHE 175, 439, 444, BStBl II 1995, 121, jeweils m.w.N.). Danach erfaßt die Einkommensteuer nur "erzieltes" Einkommen, mithin die erwirtschaftete Mehrung objektiver Leistungsfähigkeit. Eine Leistung, die bei Einmalzahlung nicht der Einkommensteuer unterliegt, kann nicht deshalb in voller Höhe steuerbar werden, weil sie in Form wiederkehrender (zeitlich begrenzter oder auf Lebenszeit einer Person bezogener) Zahlungen zu erbringen ist (BFH-Urteil in BFHE 175, 439, BStBl II 1995, 121; ebenso Senatsurteil vom 14. Dezember 1994 X R 106/92, BFHE 176, 402, BStBl II 1995, 410). Als einkommensteuerrechtlich relevanter Zuwachs von Leistungsfähigkeit kommt allenfalls ein in den wiederkehrenden Leistungen enthaltener Zinsanteil gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 4 EStG in Betracht (BFH-Urteil in BFHE 175, 439, BStBl II 1995, 121; vgl. z.B. auch BFH in BFHE 170, 98, BStBl II 1993, 298).
2. Nach diesen Grundsätzen dürfen als Abfindung für einen Erb- und Pflichtteilsverzicht geleistete wiederkehrende Zahlungen nicht in voller Höhe als wiederkehrende Bezüge besteuert werden, weil eine einmalige Abfindung für einen Erb-/Pflichtteilsverzicht nicht steuerbar ist, unabhängig davon, ob die Abfindung als Entgelt für den Verzicht oder als unentgeltliche Zuwendung beurteilt wird (hierzu unter 3.).
Der erkennende Senat weicht damit vom Urteil des VIII. Senats in BFHE 167, 515, BStBl II 1992, 809 ab. Der VIII. Senat hat in dieser Entscheidung die Abfindungen für einen Erb- und Pflichtteilsverzicht beim Empfänger als wiederkehrende Bezüge nach § 22 Nr. 1 EStG und beim Geber als Sonderausgaben i.S. des § 10 Abs. 1 Nr. 1 a EStG beurteilt, weil keiner der Ausnahmefälle vorliege, in denen § 22 Nr. 1 Satz 1 EStG trotz vorliegender Bezüge nicht anwendbar sei; insbesondere seien weder die Voraussetzungen einer Veräußerungszeitrente noch diejenigen einer Unterhaltsrente erfüllt.
Der VIII. Senat hat der Abweichung "mit der Maßgabe zugestimmt, daß der Entscheidung die Qualifizierung des Erbverzichts als unentgeltliche Zuwendung" zugrunde gelegt wird.
3. Zivilrechtlich ist umstritten, ob Abfindungen für einen Erb- und Pflichtteilsverzicht entgeltliche oder unentgeltliche Zuwendungen sind (z.B. Frank in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch --MünchKomm--, § 2325 Rz. 14, m.w.N.; vgl. hierzu auch BFH-Urteil in BFHE 167, 515, BStBl II 1992, 809, m.w.N.). Der VIII. Senat hat im Urteil in BFHE 175, 439, BStBl II 1995, 121 den Erb- und Pflichtteilsverzicht als unentgeltliches Rechtsgeschäft beurteilt. Der erkennende Senat läßt dahingestellt, ob er sich dieser Auffassung anschließen könnte. Die Frage bedarf hier keiner Entscheidung; denn unabhängig davon, ob der Erbverzicht als entgeltliches (folgend unter a) oder unentgeltliches Rechtsgeschäft (folgend unter b) zu beurteilen ist, wäre bei Vereinbarung einer Einmalzahlung deren Zufluß nicht steuerbar.
a) Wäre die Vereinbarung als entgeltlich zu beurteilen, käme als Rechtsgrundlage für die Steuerbarkeit der Einmalzahlung beim Empfänger nur § 22 Nr. 3 EStG in Betracht.
Da einkommensteuerlich nur erwirtschaftetes Einkommen erfaßt wird, ist die Umschichtung privaten Vermögens grundsätzlich nicht steuerbar (vgl. Beschluß des Bundesverfassungsgerichts --BVerfG-- vom 22. Juni 1995 2 BvL 37/91, BStBl II 1995, 655 --betr. Einheitswerte-- unter C. II. 3.). Eine Ausnahme gilt lediglich für die Tatbestände des Spekulationsgeschäftes (§ 22 Nr. 2 i.V.m. § 23 EStG) und der Veräußerung einer wesentlichen Beteiligung (§ 17 EStG), die aber beide allein die nach näherer Maßgabe der §§ 23 Abs. 4 Satz 1 bzw. 17 Abs. 2 EStG zu ermittelnde Vermögensänderung, nicht jedoch die Substanz des Vermögens erfassen. Auch bei der Ermittlung des Gewinns durch Bestandsvergleich wird das Vermögen zum Stichtag nur festgestellt, um den Vermögenszuwachs bzw. die Vermögensminderung zu beziffern.
Veräußerungsvorgänge --Veräußerungen eines Wirtschaftsgutes i.S. von § 22 Nr. 2, § 23 Abs. 1 EStG (BFH-Urteil vom 14. November 1978 VIII R 72/76, BFHE 127, 9, BStBl II 1979, 298)-- oder veräußerungsähnliche Vorgänge im privaten Bereich, bei denen ein Entgelt dafür bezahlt wird, daß ein Vermögensgegenstand in seiner Substanz endgültig aufgegeben wird (z.B. BFH-Urteile vom 21. September 1982 VIII R 73/79, BFHE 137, 251, BStBl II 1983, 201; vom 17. Mai 1995 X R 64/92, BFHE 177, 479, BStBl II 1995, 640, m.w.N.), führen zu keinen Einkünften aus Leistungen i.S. des § 22 Nr. 3 EStG. Ist hiernach der Verzicht auf eine Rechtsposition einer Veräußerung gleichzustellen, entfällt eine Besteuerung nach § 22 Nr. 3 EStG (vgl. z.B. BFH-Urteil in BFHE 127, 9, BStBl II 1979, 298 --Verzicht auf Rückkaufsrecht--).
Der Erb- und Pflichtteilsverzicht ist, da er seinem Gegenstand nach auf eine endgültige, unmittelbar mit dem Erbfall eintretende Änderung der Verhältnisse gerichtet ist, ein erbrechtlicher Verfügungsvertrag (z.B. Strobel in MünchKomm, § 2346 Rz. 2, m.w.N.), der zum endgültigen Verlust erbrechtlicher Ansprüche gegenüber dem Erblasser führt. Beurteilte man die Ausgleichszahlung als Entgelt für den Verzicht auf künftige Erb-/ Pflichtteilsansprüche, handelte es sich um einen veräußerungsähnlichen Vorgang, der beim Bezieher allenfalls mit dem in den laufenden Zahlungen enthaltenen Zinsanteil berücksichtigt werden dürfte (BFH-Urteil in BFHE 170, 98, BStBl II 1993, 298, m.w.N.; für den Zahlenden vgl. z.B. BFH-Urteile vom 9. Februar 1994 IX R 110/90, BFHE 175, 212, BStBl II 1995, 47; vom 27. August 1997 X R 54/94, BFHE 184, 337, BStBl II 1997, 813, m.w.N.).
b) Wäre die Ausgleichszahlung als unentgeltliche Zuwendung anzusehen, wäre sie ebenfalls nicht einkommensteuerbar; denn Zuwendungen, die der Erbschaft-/bzw. Schenkungsteuer unterliegen, bilden kein "erzieltes" Einkommen i.S. des § 2 Abs. 1 EStG (vgl. Senatsurteile vom 7. Dezember 1990 X R 72/89, BFHE 163, 137, BStBl II 1991, 350, und in BFHE 170, 98, BStBl II 1993, 298).
aa) Gegenteiliges ergibt sich entgegen der Auffassung der Beigeladenen insbesondere nicht aus § 35 EStG in der für das Streitjahr geltenden Fassung. Die Vorschrift betrifft grundsätzlich Fälle, in denen ausnahmsweise Zahlungen zur Erfüllung einer --durch Erbanfall erworbenen und deshalb bei der Erbschaftsteuer als Erwerb von Todes wegen erfaßten-- Forderung kraft ausdrücklicher gesetzlicher Regelung (§ 24 Nr. 2 EStG) beim Rechtsnachfolger als Einkünfte einkommensteuerlich erfaßt werden, obwohl bei der Erfüllung einer Forderung nur ein Aktivtausch (Vermögensumschichtung) stattfindet.
bb) Nicht nur einkommensteuerrechtlich, sondern auch erbschaftsteuerrechtlich berührt die Form der Ausgleichszahlung für den Erb-/Pflichtteilsverzicht nicht die Frage der Steuerbarkeit des Erwerbs. Nach § 7 Abs. 1 Nr. 5 des Erbschaftsteuergesetzes unterliegt die Abfindung für den Erbverzicht, die wirtschaftlich gesehen eine volle oder teilweise Vorwegnahme des späteren Erwerbs auf der Grundlage der aufgegebenen Rechtsposition darstellt (vgl. z.B. Moench, Erbschaft- und Schenkungsteuergesetz, Kommentar, § 7 Rz. 214), als Zuwendung unter Lebenden der Erbschaft- bzw. Schenkungsteuer. Ohne Bedeutung ist insoweit, ob die Abfindung als Einmalzahlung oder in Form wiederkehrender Leistungen vereinbart ist. Die Form der Leistung hat lediglich nach näherer Maßgabe der §§ 12 bis 16 des Bewertungsgesetzes (BewG) Bedeutung für die Bewertung des Erwerbs.
4. Die Bezüge der Klägerin sind schließlich auch nicht als wiederkehrende Leistungen aus einer "Vermögensübergabe im Wege vorweggenommener Erbfolge gegen Versorgungsleistungen" nach § 10 Abs. 1 Nr. 1 EStG als "dauernde Last" bei der Beigeladenen abziehbar und hiermit korrespondierend bei der Klägerin nach § 22 Nr. 1 EStG steuerbar.
a) Mit der Zuordnung der wiederkehrenden Leistungen zu den Sonderausgaben und den wiederkehrenden Bezügen folgt das Einkommensteuerrecht der besonderen erb- und familienrechtlichen Natur des zivilrechtlichen Typus des Vermögensübergabevertrages, bei dem sich der Übergeber --ähnlich dem Nießbrauch-- lediglich in Form von Versorgungsleistungen einen Teil der Erträge des übergebenen Vermögens zurückbehält. Obwohl die im Zusammenhang mit der Vermögensübertragung vereinbarten wiederkehrenden Leistungen begrifflich Veräußerungsentgelt und Anschaffungskosten sind, wird dieser Vertragstypus in einem spezifisch einkommensteuerrechtlichen Sinne als unentgeltlich beurteilt (Großer Senat des BFH, Beschluß vom 5. Juli 1990 GrS 4-6/89, BFHE 161, 317, BStBl II 1990, 847) und werden die wiederkehrenden Leistungen den Sonderausgaben (§ 10 Abs. 1 Nr. 1 a EStG) und den sonstigen Einkünften (§ 22 Nr. 1 Satz 1 EStG) zugeordnet.
Offenbleiben kann, ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen ein Erb-/Pflichtteilsverzicht gegen Zusage wiederkehrender Bezüge als "Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen" beurteilt werden könnte. Eine Zuordnung zu diesem Vertragstypus scheidet bei wertendem Vergleich mit einer Hof- und Betriebsübergabe als idealtypischem Fall (hierzu z.B. BFH-Urteile in BFHE 184, 337, BStBl II 1997, 813; vom 14. Februar 1996 X R 106/91, BFHE 180, 87, BStBl II 1996, 687) schon deshalb aus, weil der Steuerpflichtige für den Verzicht einen der Höhe nach bestimmten, wenn auch in mehreren --und insoweit "wiederkehrenden"-- Teilbeträgen zu entrichtenden Betrag erhält; denn ein solcher Vertrag wird geprägt durch seine Funktion, dem Verzichtenden ganz oder teilweise einen Ausgleich für die vollständige Aufgabe seiner Beteiligung am Nachlaß zu gewähren. Dies schließt eine Zuordnung zum Typus einer "Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen", der durch eine ganz andere Interessenlage bestimmt ist, von vornherein aus (vgl. ausführlich BFH-Urteil in BFHE 176, 19, BStBl II 1996, 676).
5. Das FG ist von anderen Grundsätzen ausgegangen. Sein Urteil war deshalb betragsmäßig auf das Revisionsbegehren beschränkt aufzuheben. Die Sache ist spruchreif.
a) Bei Anwendung der vorstehenden Grundsätze sind im Streitfall die wiederkehrenden Bezüge weder nach § 22 Nr. 1 EStG noch nach § 22 Nr. 3 EStG in voller Höhe steuerbar.
b) Offenbleiben kann, ob in den einzelnen Zahlungen ein Zinsanteil enthalten ist, der bei der Klägerin nach § 20 Abs. 1 Nr. 4 EStG zu versteuern wäre. Die Klägerin selbst hat lediglich eine Herabsetzung der Steuer in der Weise beantragt, daß die Zahlungen (nur) mit einem Zinsanteil von 38 237 DM als Einkünfte aus Kapitalvermögen besteuert werden.
6. Da die Revision bereits aus materiell-rechtlichen Gründen Erfolg hat, war über den geltend gemachten Verfahrensfehler nicht mehr zu entscheiden (BFH-Urteil vom 12. März 1992 V R 55/88, BFHE 168, 454, BStBl II 1992, 982).
7. Die Neuberechnung der Einkommensteuer entsprechend dem Revisionsantrag wird dem FA übertragen (§ 100 Abs. 2 Satz 2 FGO).
8. Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 136 Abs. 1 FGO. Der Senat hat eine nach Zeitabschnitten aufgeteilte Kostenentscheidung getroffen (vgl. BFH-Urteil vom 6. Juni 1984 II R 184/81, BFHE 141, 333, BStBl II 1985, 261).
Ende der Entscheidung
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