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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 07.11.2007
Aktenzeichen: X R 16/07
Rechtsgebiete: EStG


Vorschriften:

EStG § 4 Abs. 3
EStG § 6c
EStG § 7g
EStG § 7g Abs. 1
EStG § 7g Abs. 3
EStG § 7g Abs. 3 Satz 2
EStG § 7g Abs. 4
EStG § 7g Abs. 5
EStG § 7g Abs. 6
EStG § 7g Abs. 7
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) war bis zum 31. Dezember 2000 als Bankkaufmann nichtselbständig tätig und erzielte im Streitjahr ein Bruttojahresgehalt von 142 625 DM. Am 13. Dezember 2000 meldete er einen Gewerbebetrieb zur Vermittlung von Versicherungen und Kapitalanlagen an. Dem Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt --FA--) zeigte er die Aufnahme seiner gewerblichen Tätigkeit ab 1. Januar 2001 mit Schreiben vom 3. April 2001 an. Das FA berücksichtigte den nach § 4 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) ermittelten Verlust aus der gewerblichen Tätigkeit im Einkommensteuerbescheid 2000. Dem aus anderen Gründen eingelegten Einspruch des Klägers gegen die Steuerfestsetzung half das FA ab, ohne eine förmliche Einspruchsentscheidung zu erlassen.

Mit Schreiben vom 22. August 2002 machte der Kläger geltend, das Einspruchsverfahren sei nicht abgeschlossen. Er bat um Erteilung eines "abschließenden Bescheids" und um Berücksichtigung einer Ansparabschreibung nach § 7g EStG in Höhe von 50 000 DM für die Anschaffung eines PKW und eines Schreibtisches mit Kosten von 5 000 DM.

Das FA wies den Einspruch zurück, ohne die Ansparabschreibung anzusetzen. Das Finanzgericht (FG) wies die dagegen erhobene Klage ab. Der Kläger habe die Ansparabschreibung nicht durch Einreichen korrigierter Einnahmen-Überschussrechnungen sowohl für das Streitjahr als auch für das Folgejahr (2001) dokumentiert. Zudem habe der Kläger nicht erläutert, aus welcher Quelle die Rücklage angesichts der im Streitjahr nicht vorhandenen Betriebseinnahmen "gespeist" worden sei.

Mit der Revision rügt der Kläger Verletzung materiellen Rechts. Der vom FG geforderte Finanzierungsnachweis ergebe sich weder aus § 7g EStG noch aus der höchstrichterlichen Rechtsprechung. Er beantragt sinngemäß, das FG-Urteil sowie die Einspruchsentscheidung aufzuheben und die Einkommensteuer für das Jahr 2000 unter Berücksichtigung einer Rücklage nach § 7g EStG in Höhe von 50 000 DM festzusetzen.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

II. Die Revision wird als unbegründet zurückgewiesen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Im Ergebnis zu Recht hat das FG die Berücksichtigung einer Ansparrücklage in Höhe von 50 000 DM als Betriebsausgabe gemäß § 7g Abs. 6 EStG versagt.

1. a) Nach § 7g Abs. 3 bis 5 EStG in der im Streitjahr geltenden Fassung können Steuerpflichtige, die den Gewinn durch Bestandsvergleich ermitteln, für die künftige Anschaffung oder Herstellung eines neuen beweglichen Wirtschaftsguts des Anlagevermögens eine den Gewinn mindernde Rücklage bilden. Die Ansparrücklage darf dabei 50 v.H. der Anschaffungs- oder Herstellungskosten des begünstigten Wirtschaftsguts nicht überschreiten, das der Steuerpflichtige "voraussichtlich" bis zum Ende des zweiten auf die Bildung der Rücklage folgenden Wirtschaftsjahrs anschaffen oder herstellen wird. Eine Ansparrücklage kann auch gebildet werden, wenn dadurch --wie hier-- ein Verlust entsteht oder sich erhöht (§ 7g Abs. 3 Satz 4 EStG).

b) Ermittelt der Steuerpflichtige --wie im Streitfall-- den Gewinn nach § 4 Abs. 3 EStG, so sind gemäß § 7g Abs. 6 EStG die Abs. 3 bis 5 mit Ausnahme von Abs. 3 Nr. 1 mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, dass die Bildung der Rücklage als Betriebsausgabe (Abzug) und ihre spätere Auflösung als Betriebseinnahme (Zuschlag) zu behandeln ist.

c) Gemäß § 7g Abs. 7 EStG sind, wenn die Rücklage von einem Existenzgründer im Wirtschaftsjahr der Betriebseröffnung und in den fünf folgenden Wirtschaftsjahren (Gründungszeitraum) gebildet wird, die Abs. 3 bis 6 mit der Maßgabe anzuwenden, dass

- das begünstigte Wirtschaftsgut vom Steuerpflichtigen voraussichtlich bis zum Ende des fünften auf die Bildung der Rücklage folgenden Wirtschaftsjahrs angeschafft oder hergestellt wird;

- der Höchstbetrag in Abs. 3 Satz 5 für im Gründungszeitraum gebildete Rücklagen 600 000 DM beträgt und

- die Rücklage spätestens am Ende des fünften auf ihre Bildung folgenden Wirtschaftsjahrs gewinnerhöhend aufzulösen ist.

2. Das Gesetz enthält keine ausdrückliche Regelung darüber, ob und ggf. wie nachzuweisen ist, dass eine Investition i.S. von § 7g Abs. 3 i.V.m. Abs. 1 EStG "beabsichtigt" ist (Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 12. Dezember 2001 XI R 13/00, BFHE 197, 448, BStBl II 2002, 385).

a) Der XI. Senat des BFH hat in seinem Urteil in BFHE 197, 448, BStBl II 2002, 385 erkannt, dass die "voraussichtliche" Investition bei Bildung der Rücklage so genau bezeichnet werden müsse, dass im Investitionsjahr festgestellt werden könne, ob eine vorgenommene Investition derjenigen entspreche, für deren Finanzierung die Rücklage gebildet worden sei; es seien Angaben insbesondere zur Funktion des Wirtschaftsguts sowie zu den voraussichtlichen Anschaffungs- oder Herstellungskosten erforderlich.

b) Im Anschluss daran hat der erkennende Senat durch Urteil vom 19. September 2002 X R 51/00 (BFHE 200, 343, BStBl II 2004, 184) die nach § 7g Abs. 3 Satz 2 EStG erforderliche "voraussichtliche" Anschaffung oder Herstellung eines begünstigten Wirtschaftsguts dahingehend präzisiert, dass dies eine hinreichende Konkretisierung der geplanten Investition voraussetze. Die "voraussichtliche" Investition müsse bereits bei der Bildung der Rücklage so konkret und genau bezeichnet werden, dass im Jahr der Investition festgestellt werden könne, ob die vorgenommene Investition tatsächlich der "voraussichtlichen" Investition entspreche, für deren Finanzierung der Steuerpflichtige die Ansparrücklage gebildet habe (BFH-Beschluss vom 25. September 2002 IV B 55/02, BFH/NV 2003, 159). Dies erfordert bereits zu diesem Zeitpunkt konkrete Angaben zur Funktion des noch nicht vorhandenen Wirtschaftsguts (s. auch BFH-Urteil vom 25. April 2002 IV R 30/00, BFHE 199, 170, BStBl II 2004, 182, unter 3.b). Diese Angaben sind z.B. auch notwendig, wenn die geplante Investition unterbleibt und der Gewinnzuschlag nach § 7g Abs. 5 EStG exakt errechnet werden muss. Auch besteht zwischen der Bildung der Ansparrücklage und der eigentlichen Investition notwendigerweise ein Finanzierungszusammenhang (BFH-Urteil vom 14. August 2001 XI R 18/01, BFHE 198, 415, BStBl II 2004, 181). Denn der Gesetzgeber wollte mit der Ansparabschreibung und der dadurch möglichen Vorverlagerung der späteren Abschreibungsmöglichkeit die Investitions- und Innovationskraft mittelständischer Unternehmen stärken (BTDrucks 10/336, 13, 25/26; BTDrucks 11/257, 8 f.; BTDrucks 12/4487, 33). Deshalb muss die Bezeichnung der "voraussichtlichen" Investition eine (noch) durchführbare, objektiv mögliche Investition enthalten (BFH-Urteile in BFHE 197, 448, BStBl II 2002, 385, und in BFHE 200, 343, BStBl II 2004, 184).

3. Durch die Bezugnahme auf § 7g Abs. 3 EStG setzt § 7g Abs. 6 EStG zudem tatbestandsmäßig voraus, dass Bildung und Auflösung der Ansparrücklage wie in einer Buchführung verfolgt werden können. Obwohl der Steuerpflichtige bei der Gewinnermittlung durch Einnahmen-Überschussrechnung nicht verpflichtet ist, Einnahmen und Ausgaben aufzuzeichnen (vgl. BFH-Urteil vom 15. April 1999 IV R 68/98, BFHE 188, 291, BStBl II 1999, 481), muss er sowohl die einzelnen Geschäftsvorfälle festhalten als auch die betriebliche Veranlassung der geltend gemachten Betriebsausgaben belegen oder ggf. in anderer Form nachweisen (Schmidt/Heinicke, EStG, 26. Aufl., § 4 Rz 374 f.). Deshalb ist bei dem Betriebsausgabenabzug nach § 7g Abs. 6 EStG eine Willensbekundung notwendig, eine Ansparrücklage für ein konkretes Wirtschaftsgut zu bilden (BFH-Urteil vom 6. März 2003 IV R 23/01, BFHE 202, 250, BStBl II 2004, 187). Die investitionsbezogenen Angaben müssen buchmäßig verfolgt werden können, auch wenn § 7g Abs. 6 EStG --anders als die Übertragung stiller Reserven auf neu angeschaffte Wirtschaftsgüter nach § 6c EStG-- nicht die Aufnahme der erst anzuschaffenden oder herzustellenden Wirtschaftsgüter in laufend zu führende Verzeichnisse voraussetzt (BFH-Urteil in BFHE 202, 250, BStBl II 2004, 187).

4. Nach diesen Maßstäben hat das FG im Ergebnis zu Recht die nachträglich geltend gemachte Ansparrücklage in Gestalt des Betriebsausgabenabzugs nicht zugelassen.

a) Die Bildung einer Ansparrücklage für einen PKW ist schon deshalb nicht zulässig, weil der Kläger zu keinem Zeitpunkt Angaben zu den voraussichtlichen Anschaffungskosten des Fahrzeugs gemacht hat (vgl. BFH-Urteil in BFHE 197, 448, BStBl II 2002, 385). Anders als der Kläger in der Revisionsbegründung meint, konnte auch ein versierter Dritter aus seinen Angaben (Bildung einer Ansparrücklage in Höhe von 50 000 DM; Anschaffungskosten des Schreibtisches 5 000 DM) schon deshalb keinen Rückschluss auf die Anschaffungskosten des PKW ziehen, weil § 7g Abs. 3 i.V.m. Abs. 6 EStG Steuerpflichtigen unter den dort festgelegten Voraussetzungen nicht nur ein Wahlrecht zur Bildung einer Ansparrücklage eröffnet. Ein Wahlrecht besteht auch bezüglich der Höhe der Rücklage, die im Streitjahr 2000 lediglich 50 v.H. der Anschaffungskosten des begünstigten Wirtschaftsguts nicht überschreiten durfte. Der Kläger hätte somit auch eine Ansparrücklage in Höhe von weniger als 50 v.H. der Anschaffungskosten des begünstigten Wirtschaftsguts bilden können mit der Folge, dass höhere Anschaffungskosten für den PKW zugrunde gelegt worden wären.

b) Auch die Bildung einer Rücklage nach § 7g EStG für einen Schreibtisch kommt nicht in Betracht. Da der Kläger keine Angaben zu den Anschaffungskosten des PKW gemacht hat, ist nicht belegt, wie hoch der Betriebsausgabenabzug für den Schreibtisch sein sollte. Hätte der Kläger nicht --wie in der Revisionsbegründung ausgeführt-- den Kauf eines PKW mit Anschaffungskosten von 95 000 DM, sondern beispielsweise von 120 000 DM geplant und die Ansparrücklage nicht in der maximal zulässigen Höhe von 50 v.H., sondern nur mit 40 v.H. in Anspruch nehmen wollen, hätte zwar die Rücklage nach § 7g EStG ebenfalls 50 000 DM betragen, auf den Schreibtisch würde aber nur ein Betrag von 2 000 DM und nicht von 2 500 DM entfallen. Die Höhe der als Betriebsausgabe behandelten Rücklage zur Finanzierung der ggf. später realisierten Investition Schreibtisch steht somit nicht fest.

c) Im Übrigen hat es der Kläger versäumt, eine berichtigte Einnahmen-Überschussrechnung für das Streitjahr 2000 vorzulegen.

Zwar können zeitlich unbefristete Wahlrechte --zu denen auch die in § 7g Abs. 3 ff. EStG vorgesehenen Optionen gehören-- nach ständiger Rechtsprechung des BFH längstens bis zum Eintritt der Bestandskraft derjenigen Steuerfestsetzung ausgeübt werden, auf welche sie sich auswirken sollen (Senatsurteil vom 21. September 2005 X R 32/03, BFHE 211, 221, BStBl II 2006, 66). Ein Betriebsausgabenabzug nach § 7g Abs. 6 EStG setzt jedoch die Willensbekundung voraus, eine Ansparrücklage zu bilden, und die investitionsbezogenen Angaben müssen buchmäßig verfolgt werden können (vgl. oben II.3.; Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 25. Februar 2004 IV A 6 -S 2183b- 1/04, BStBl I 2004, 337 Tz 37; B. Meyer in Herrmann/ Heuer/Raupach, § 7g EStG Rz 127; Lambrecht, in: Kirchhof/ Söhn/Mellinghoff, EStG, § 7g Rz G 6; Bartone in Korn, § 7g EStG Rz 106; Handzik in Littmann/Bitz/Pust, Das Einkommensteuerrecht, Kommentar, § 7g Rz 101c; a.A. Blümich/Brandis, § 7g EStG Rz 100). Da buchmäßig erfasste Betriebsausgaben ihren Niederschlag in der Einnahmen-Überschussrechnung finden, hat dies zur Folge, dass der Kläger dem FA nicht nur vor Eintritt der Bestandskraft seiner Einkommensteuerfestsetzung für das Streitjahr 2000 die Bildung einer Ansparrücklage hätte mitteilen, sondern für dieses Jahr auch eine berichtigte Einnahmen-Überschussrechnung hätte vorlegen müssen (so auch BFH-Urteil in BFHE 202, 250, BStBl II 2004, 187, unter II.4.).

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