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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 02.09.2008
Aktenzeichen: X R 25/07
Rechtsgebiete: EStG, GewStG


Vorschriften:

EStG § 8 Abs. 1
EStG § 4 Abs. 4
GewStG § 7
Der Gewinn aus Losen, die Vertriebsmitarbeiter für die Erzielung bestimmter Umsätze erhalten, ist betrieblich veranlasst.
Gründe:

I.

Streitig ist, ob der im Streitjahr ausgezahlte Teilbetrag eines Gewinnes aus einer Verlosung in Höhe von 177 130 DM den Gewerbeertrag erhöht.

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) betrieb seit dem 1. September 2000 eine Handelsvertretung mit Kosmetik des Kosmetikherstellers X. X verloste im Kalenderjahr 2001 ein Einfamilienhaus. Teilnahmeberechtigt an dem Wettbewerb waren alle selbständig tätigen Vertriebsmitarbeiter der X. Die Höchstzahl der Lose war begrenzt auf acht Stück je Teilnehmer. Jeweils ein Los erhielt, wer in den beiden Monaten Januar und Februar 2001 Umsätze mit X in Höhe von jeweils 250 DM erzielte. X garantierte jedem Teilnehmer einen Gewinn. Am 25. August 2001 gewann die Klägerin das als Hauptgewinn ausgelobte "Traumhaus" im Wert von 500 000 DM.

Nach dem Erwerb eines geeigneten Baugrundstücks im Jahr 2001 leistete X --entsprechend dem Fortgang des Bauvorhabens-- zweckgebundene Zahlungen bzw. Verrechnungen in Höhe von insgesamt 500 000 DM zuzüglich Umsatzsteuer. X berichtete in einer Zeitschrift, die an X-Mitarbeiter und potentielle neue Vertriebsmitarbeiter kostenlos verteilt wurde, zu Werbezwecken fortlaufend über die Realisierung des Bauvorhabens.

Am 26. Oktober 2001 übergab X der Klägerin einen Scheck über 140 000 DM für den Erwerb des Grundstücks. Die darauf entfallende Umsatzsteuer, 22 400 DM, wurde mit Scheck vom 15. November 2001 gezahlt. Am 27. Dezember 2001 wurde ein betriebliches Darlehen, das X der Klägerin gewährt hatte, im Wege der Verrechnung um 37 130,21 DM gemindert. Hierbei habe es sich nach Aussage der Klägerin um den einzigen Teilbetrag der 500 000 DM gehandelt, der nicht dem Erwerb des "Traumhauses" gedient habe. Den Scheck über die dazugehörige Umsatzsteuer in Höhe von 5 940,83 DM erhielt sie am 10. Januar 2002. Nach Fertigstellung habe das "Traumhaus" zu 15 % eigenbetrieblichen Zwecken gedient.

Die Klägerin erfasste in ihren Umsatzsteuererklärungen 2001 und 2002 die Auszahlungen des Hauptgewinns als umsatzsteuerpflichtige Umsatzerlöse; ihre Gewinne aus Gewerbebetrieb, die sie durch Einnahmen-Überschuss-Rechnung nach § 4 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) ermittelte, erhöhte sie dagegen nicht um die erhaltenen Auszahlungen.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) führte die Veranlagungen erklärungsgemäß durch. Bei einer Außenprüfung kam der Betriebsprüfer zu der Auffassung, dass die Auszahlungen des Gewinnes als betriebliche Einnahmen zu erfassen seien, da der Losgewinn durch den Gewerbebetrieb veranlasst sei. Die Betriebseinnahmen seien 2001 um 177 130 DM zu erhöhen. Es erging ein geänderter Bescheid über den Gewerbesteuermessbetrag für 2001. Der Einspruch blieb erfolglos. Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab; die Entscheidung ist in Entscheidungen der Finanzgerichte 2007, 1462 veröffentlicht.

Mit der Revision rügt die Klägerin Verletzung materiellen Rechts. Das FG habe den Betriebseinnahmebegriff zu weit ausgelegt.

- Im Vordergrund der Preisverleihung stehe nicht ihre berufliche Leistung, sondern der Werbeeffekt für X.

- Sie habe nur einen Anspruch auf entsprechende Klebepunkte erworben. Die Gewinnchance habe außerhalb des Einkünftebereichs gelegen.

- Der Gewinn sei ihr, der Klägerin, nicht in ihrer Eigenschaft als Betriebsinhaberin, sondern ihrem privaten Bereich zuteil geworden, und habe dem betrieblichen Vertriebsinteresse von X gedient.

Die Klägerin beantragt sinngemäß, das angefochtene Urteil aufzuheben und in dem angefochtenen Bescheid einen um 177 130 DM niedrigeren Gewinn anzusetzen.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Die Motivation von X sei unerheblich und hebe den inneren Zusammenhang zwischen der Tätigkeit als Handelsvertreterin für X und ihrer Teilnahme an dem von X ausgelobten Wettbewerb nicht auf. Die Verlosung gehöre zur betrieblichen Sphäre.

II.

Die Revision wird gemäß § 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) als unbegründet zurückgewiesen. Das angefochtene Urteil ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

1. Gewerbeertrag ist gemäß § 7 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) der nach den Vorschriften des EStG zu ermittelnde und um die in §§ 8 und 9 GewStG bezeichneten Beträge korrigierte Gewinn aus Gewerbebetrieb, der in dem Erhebungszeitraum zu berücksichtigen ist. Der Gewinn aus Gewerbebetrieb ergibt sich im Fall der Überschussrechnung nach § 4 Abs. 3 EStG durch eine Gegenüberstellung der Betriebseinnahmen und der Betriebsausgaben.

Betriebseinnahmen sind in Anlehnung an § 8 Abs. 1 und § 4 Abs. 4 EStG alle Zugänge in Geld oder Geldeswert, die durch den Betrieb veranlasst sind. Ein Wertzuwachs ist betrieblich veranlasst, wenn insoweit ein nicht nur äußerlicher, sondern sachlicher, wirtschaftlicher Zusammenhang gegeben ist. Von den Betriebseinnahmen zu unterscheiden sind Wertzugänge, deren Zufluss durch private Umstände veranlasst worden ist. Für die Beurteilung des Veranlassungszusammenhangs kommt es nicht auf die zivilrechtliche Rechtsgrundlage der Leistung an. Als betrieblich veranlasst sind nicht nur solche Einnahmen zu werten, die aus der maßgeblichen Sicht des Unternehmers Entgelt für betriebliche Leistungen darstellen. Es ist weder erforderlich, dass der Vermögenszuwachs im Betrieb erwirtschaftet wurde, noch, dass der Steuerpflichtige einen Rechtsanspruch auf die Einnahme hat. Betriebseinnahmen können auch vorliegen, wenn der Steuerpflichtige als Betriebsinhaber unentgeltliche Zuwendungen erhält, mit denen weder ein zuvor begründeter Rechtsanspruch erfüllt, noch eine in der Vergangenheit erbrachte Leistung vergütet werden soll (Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 14. März 2006 VIII R 60/03, BFHE 212, 535, BStBl II 2006, 650).

Führt ein Arbeitgeber im Rahmen des betrieblichen Vorschlagwesens eine Verlosung durch, an der alle Arbeitnehmer teilnehmen, die einen Verbesserungsvorschlag eingereicht haben, so sind die verlosten Sachpreise Arbeitslohn der jeweiligen Gewinner (BFH-Urteil vom 25. November 1993 VI R 45/93, BFHE 173, 65, BStBl II 1994, 254). In ähnlicher Weise führt die Zuwendung einer sog. Incentive-Reise zu Betriebseinnahmen (BFH-Urteil vom 6. Oktober 2004 X R 36/03, BFH/NV 2005, 682).

2. Nach Maßgabe dieser Grundsätze hat das FG den Losgewinn zu Recht als betrieblich veranlasst erfasst. Die Klägerin hat an einer Verlosung des Kosmetikherstellers X teilgenommen; teilnahmeberechtigt waren (nur) alle selbständig tätigen Vertriebsmitarbeiter der X. Der Bezug der Lose war davon abhängig, dass in den Monaten Januar und Februar 2001 Umsätze mit X in Höhe von jeweils 250 DM erzielt wurden. Die Lose konnten daher (nur) die Vertriebsmitarbeiter in Anspruch nehmen, die einen bestimmten Umsatz erzielt hatten. War der Umsatz erzielt, wurde das Los quasi "unentgeltlich" zugeteilt. Damit stellt sich die Zuwendung der Lose --und der damit ggf. erzielte Gewinn-- als Zusatzleistung für bestimmte Umsätze dar, als betriebsbedingte, wenn auch von einem Losverfahren abhängige bzw. in ein Losverfahren eingebundene Prämie.

3. Dass X die Verlosung nicht im Interesse der Klägerin durchgeführt haben mag, steht der betrieblichen Veranlassung der Zuwendung aus der Sicht der Klägerin nicht entgegen. Die Klägerin hat die Zuwendung erhalten, weil sie bestimmte Umsätze erzielt hatte, die zur Teilnahme an der Verlosung berechtigten. Der Umstand, dass die Berechtigung zur Teilnahme an der Verlosung durch den Anspruch auf entsprechende Klebepunkte begründet wurde, ist nicht geeignet, die betriebliche Veranlassung der Verlosung zu überlagern oder zu verdrängen. Der Gewinn ist der Klägerin in ihrer Eigenschaft als Betriebsinhaberin zuteil geworden; X erbrachte im Hinblick auf die besonderen Leistungen der Klägerin dieser gegenüber eine Zusatzleistung, die zum Gewinn des "Traumhauses" führte. Der Umstand, dass diese Zusatzleistung von dem "zufälligen Losgewinn" (also von einem aleatorischen Moment) abhing, beseitigt den betrieblichen Zusammenhang nicht. Durch die Realisierung des Losgewinns ist keine neue Ursachenkette in Gang gesetzt worden. Insoweit unterscheidet sich dieser Fall von der mit Urteil vom 2. September 2008 X R 8/06 (zur Veröffentlichung bestimmt) entschiedenen Sache, in der ein Losegewinn auf einer nachträglichen Einkommensverwendung beruhte.

Dass die Höhe von Einnahmen von nachfolgenden Ereignissen beeinflusst wird, ist nicht ungewöhnlich. Wird einem Arbeitnehmer im Rahmen seines Arbeitsverhältnisses ein nicht handelbares Optionsrecht auf den späteren Erwerb von Aktien zu einem bestimmten Übernahmepreis gewährt, so fließt ein geldwerter Vorteil dem Berechtigten erst zu, wenn dieser die Option ausübt und der Kurswert der Aktien den Übernahmepreis übersteigt (BFH-Urteil vom 24. Januar 2001 I R 119/98, BFHE 195, 110, BStBl II 2001, 512).

4. Kein anderes Ergebnis ergibt sich, wenn zwischen dem Erwerb des Loses und dem Eintritt des Lotteriegewinnes unterschieden wird. Die (aufschiebend bedingte) Gewinnchance (das Los) ist im betrieblichen Bereich erwirtschaftet; die Verwirklichung dieser Chance führt zu einer Betriebseinnahme. Eine Entnahme der Gewinnchance ist nicht möglich. Die Realisierung von Erträgen, deren Entstehung im betrieblichen Bereich angelegt ist, kann nicht (z.B. durch Entnahme oder durch unentgeltliche Übertragung auf nahe Angehörige) in den privaten Bereich verlagert werden. In vergleichbarer Weise können z.B. auch bestrittene Forderungen nicht entnommen werden (BFH-Urteil vom 10. April 1994 IV R 37/92, BFHE 174, 140, BStBl II 1994, 564).

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