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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 21.07.2009
Aktenzeichen: X R 28/06
Rechtsgebiete: EStG, GewStG


Vorschriften:

EStG § 4 Abs. 1
EStG § 5 Abs. 1 S. 1
EStG § 15 Abs. 1 Nr. 1
EStG § 18 Abs. 1 Nr. 1
GewStG § 2 Abs. 1 S. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I.

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger), der als Ingenieur selbständig tätig war, hatte Ende 1995 zusammen mit seiner Ehefrau das Objekt X in Z erworben. Der Kläger und seine Ehefrau entschlossen sich noch 1996 zum schnellstmöglichen Verkauf des Objekts, und zwar im schlüsselfertig sanierten Zustand. Die schlüsselfertige Sanierung nahm der Kläger als Generalübernehmer vor. Mit der Sanierung wurde noch 1996 begonnen. Die Einnahmen aus dem Vertrag als Generalübernehmer flossen dem Kläger bereits im Jahr 1996 zu. Die Aufwendungen für die Sanierung fielen in den Jahren 1997 und 1998 an. Nach der Abwicklung des Vorhabens gab der Kläger seinen Betrieb als Generalübernehmer auf.

Im Rahmen einer Betriebsprüfung für die Veranlagungszeiträume 1996 bis 1998 stellte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) fest, dass der Kläger auch die Einnahmen und Ausgaben für die Jahre 1996 bis 1998 aus der Tätigkeit als Generalübernehmer im Rahmen seiner Ingenieurtätigkeit erfasst hatte. Der Betriebsprüfer unterstellte eine Gewinnermittlung durch Einnahmen-Überschussrechnung und ermittelte die Einkünfte entsprechend den Aufzeichnungen des Klägers wie folgt:

 Generalübernehmersonstige Ingenieurtätigkeit
1996:... DM... DM
1997:./. ... DM... DM
1998:./. ... DM./. ... DM

Über die Jahre betrug das Gesamtergebnis aus der Tätigkeit als Generalübernehmer ./. 125.395 DM.

Mit Bescheid vom 23. April 2001 setzte das FA den einheitlichen Gewerbesteuermessbetrag für 1996 auf 34.675 DM fest. Am 4. Mai 2005 ergingen auf den 31. Dezember 1997 bzw. 1998 entsprechende Gewerbeverlust-Feststellungsbescheide.

Gegen die Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) wandte sich der Kläger mit der Begründung, ihm sei nicht bewusst gewesen, als Generalübernehmer einen eigenen Gewerbebetrieb zu führen. Daher habe er für diesen Betrieb sein Wahlrecht für die Gewinnermittlungsart nicht ausgeübt. Der Gewinn aus seiner Tätigkeit als Generalübernehmer müsse deshalb nach § 4 Abs. 1 EStG ermittelt werden. Dass sich bei einer Gewinnermittlung nach den Grundsätzen des Bestandsvergleichs für 1996 ein gewerblicher Gewinn von 0 DM ergeben hätte, werde vom FA nicht in Abrede gestellt.

Der Einspruch blieb ohne Erfolg. Das Finanzgericht (FG) gab der Klage jedoch mit dem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2006, 1146 veröffentlichtem Urteil statt.

Das FG ließ offen, ob der Gewinn des Klägers bereits deshalb nach den Grundsätzen des Bestandsvergleichs hätte ermittelt werden müssen, weil die gewerbliche Generalübernehmer-Tätigkeit des Klägers einen kaufmännisch eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordert habe. Unabhängig davon hätte der Gewinn aus der Tätigkeit als Generalübernehmer ggf. im Schätzungswege nach § 4 Abs. 1 EStG ermittelt werden müssen, weil der Kläger ein mögliches Wahlrecht nach § 4 Abs. 3 EStG nicht ausgeübt habe.

Mit der Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts. Es vertritt die Ansicht, der Kläger habe sein Wahlrecht ausgeübt. Dafür genüge das Wissen, Gewinneinkünfte zu erzielen, ohne dass die Kenntnis der zutreffenden Einkunftsart erforderlich sei. Weil der Kläger bis 1997 zusätzlich als Makler tätig gewesen sei, sei ihm bewusst gewesen, dass er neben der freiberuflichen Tätigkeit gewerbliche Einkünfte erzielen könne. Schließlich habe er bei Abschluss der erforderlichen Verträge die beiden Tätigkeitsbereiche auseinandergehalten.

Das FA beantragt,

das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

II.

Die Revision des FA wird gemäß § 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) als unbegründet zurückgewiesen. Zutreffend hat das FG den Gewinn des Klägers aus seiner Tätigkeit als Generalübernehmer nach §§ 4, 5 Abs. 1 EStG ermittelt. Weder hat der Kläger eine davon abweichende Gewinnermittlung erstellt noch war das FA dazu berechtigt.

1.

Nach den vom FG getroffenen und von keinem der Prozessbeteiligten bestrittenen Feststellungen übte der Kläger zwei voneinander unabhängige Tätigkeiten aus. Als selbständiger Ingenieur erzielte er Einkünfte nach § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG. Als Generalübernehmer für das Vorhaben X erzielte er Einkünfte aus Gewerbebetrieb nach § 15 Abs. 1 Nr. 1 EStG und § 2 Abs. 1 Satz 2 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG). Den Gewinn aus seiner Ingenieurtätigkeit ermittelte er in Ausübung des ihm zustehenden Wahlrechts durch Einnahmen-Überschussrechnung nach § 4 Abs. 3 EStG. Streitig ist zwischen dem FA und dem Kläger, ob er den Gewinn aus seiner Tätigkeit als Generalübernehmer auf die gleiche Weise ermittelte.

2.

Gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 EStG müssen Gewerbetreibende, die aufgrund gesetzlicher Vorschriften verpflichtet sind, Bücher zu führen und regelmäßig Abschlüsse zu machen, oder die ohne eine solche Verpflichtung Bücher führen und regelmäßig Abschlüsse machen, den Gewinn durch Betriebsvermögensvergleich nach § 4 Abs. 1 EStG ermitteln. Trifft sie eine solche Verpflichtung nicht und führen sie keine Bücher und machen sie keine Abschlüsse, so können sie nach § 4 Abs. 3 EStG als Gewinn den Überschuss der Betriebseinnahmen über die Betriebsausgaben ansetzen.

a)

Das FG konnte die Frage offenlassen, ob der Kläger zur Buchführung verpflichtet war. Wäre er dazu verpflichtet gewesen, so hätte er die Pflicht nicht erfüllt, weil er den Gewinn aus seiner Tätigkeit als Generalübernehmer als Teil seines Gewinns aus seiner Ingenieurtätigkeit betrachtet hat. Sein Gewinn aus der Tätigkeit als Generalübernehmer hätte dann nach § 162 der Abgabenordnung unter Beachtung der §§ 4, 5 EStG geschätzt werden müssen.

b)

Eine solche Schätzung ist auch dann vorzunehmen, wenn der Steuerpflichtige das ihm zustehende Wahlrecht nach § 4 Abs. 3 EStG nicht ausgeübt hat. Davon ist das FG zu Recht ausgegangen.

3.

Ein nicht buchführungspflichtiger Steuerpflichtiger hat sein Wahlrecht auf Gewinnermittlung durch Bestandsvergleich --wie in § 4 Abs. 3 Satz 1 EStG ausdrücklich angesprochen-- dann wirksam ausgeübt, wenn er eine Eröffnungsbilanz aufstellt, eine kaufmännische Buchführung einrichtet und aufgrund von Bestandsaufnahmen einen Abschluss macht (z.B. Urteile des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 19. Oktober 2005 XI R 4/04, BFHE 211, 262, BStBl II 2006, 509; vom 24. September 2008 X R 58/06, BFHE 223, 80, BStBl II 2009, 368; vom 19. März 2009 IV R 57/07, BStBl II 2009, 659, m.w.N.). Daran fehlt es im Streitfall.

4.

Andererseits hat der Kläger sein Wahlrecht auf Gewinnermittlung durch Einnahmen-Überschussrechnung ebenfalls nicht ausgeübt.

a)

Zu den Voraussetzungen der Ausübung des nach § 4 Abs. 3 Satz 1 EStG eingeräumten Wahlrechts gehört zwar nicht die Kenntnis aller steuerlichen Folgen der einmal getroffenen Wahl (BFH-Urteil vom 29. August 1985 IV R 111/83, BFH/NV 1986, 158). Erforderlich ist jedoch, dass die entsprechenden Aufzeichnungen in dem Bewusstsein erstellt werden, einen Gewinn aus einer gewerblichen Tätigkeit zu ermitteln (vgl. BFH-Urteile vom 11. Dezember 1987 III R 204/84, BFH/NV 1988, 296; vom 20. Mai 1988 III R 217/84, BFH/NV 1990, 17, 18; vom 8. März 1989 X R 9/86, BFHE 156, 443, 445, BStBl II 1989, 714, 715). An dieser Rechtsprechung ist festzuhalten. Fehlt es am Willen, einen Gewinn aus einer bestimmten gewerblichen Tätigkeit zu ermitteln, ist eine Wahl zwischen verschiedenen Gewinnermittlungsarten ausgeschlossen. Das Wahlrecht ist also nicht ausgeübt, wenn der Steuerpflichtige Einnahmen und Ausgaben für eine Tätigkeit ohne das Wissen aufzeichnet, es handele sich hierbei um eine steuerlich selbständig zu beurteilende Tätigkeit, für die ihm ein eigenes Wahlrecht über die Art der Gewinnermittlung zustehe.

b)

Dem stehen entgegen der Auffassung des FA die Entscheidungen des FG Nürnberg vom 16. Februar 2001 VII 162/2000 (Deutsches Steuerrecht/Entscheidungsdienst 2001, 1010) und des FG München vom 12. März 2003 9 V 5030/02 (nicht veröffentlicht) nicht entgegen. In beiden Fällen hatte der bzw. die Steuerpflichtige nicht zwei voneinander unabhängige selbständige Tätigkeiten ausgeübt, sondern stand allein vor der Alternative, ob die Tätigkeit als gewerblich nach § 15 Abs. 1 EStG bzw. als freiberuflich nach § 18 Abs. 1 EStG zu beurteilen ist. Im Streitfall geht es nicht um die bloße Zuordnung zu einer bestimmten Gewinneinkunftsart, sondern um die zusätzliche Erfassung einer weiteren Einkunftsquelle neben einer bereits vorhandenen. Nicht einschlägig für die zu beurteilende Problematik ist das vom FA angeführte Urteil des FG Münster vom 29. März 2004 1 K 5817/00 E (EFG 2004, 1111).

5.

Hat der Kläger somit das Wahlrecht nicht ausgeübt, so ist der Gewinn nach §§ 4, 5 EStG zu schätzen.

a)

Aus Wortlaut und Systematik der gesetzlichen Regelung folgt nach ständiger Rechtsprechung des BFH (z.B. Urteile in BFHE 156, 443, BStBl II 1989, 714; vom 9. Februar 1999 VIII R 49/97, BFH/NV 1999, 1195; in BStBl 2009, 659, mit umfangreichen Nachweisen auch des Schrifttums), dass die Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 1 EStG die Regel ist. Daran ist trotz der im Schrifttum teilweise erhobenen Einwände (z.B. Kanzler in Herrmann/Heuer/Raupach --HHR--, Vor §§ 4 bis 7 EStG Rz 13; ders., Finanz-Rundschau 1998, 233, 245; Drüen, Deutsches Steuerrecht 1999, 1589, 1594) festzuhalten. Denn gemäß § 4 Abs. 1 EStG "ist" Gewinn der Unterschiedsbetrag zwischen dem Betriebsvermögen am Schluss des Wirtschaftsjahres und dem Betriebsvermögen am Schluss des vorangegangenen Wirtschaftsjahres. Demgegenüber "können" nach § 4 Abs. 3 Satz 1 EStG Steuerpflichtige als Gewinn den Überschuss der Betriebseinnahmen über die Betriebsausgaben ansetzen. Es kommt hinzu, dass Steuerpflichtige die Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG nicht frei wählen können. Vielmehr ist die Einnahmen-Überschussrechnung nur unter den im Gesetz im Einzelnen bestimmten Voraussetzungen zulässig. Dies spricht auch in systematischer Hinsicht für den Betriebsvermögensvergleich als Grundform der Gewinnermittlung.

b)

Die Gewinnermittlungsarten stehen nicht in einem Über- und Unterordnungsverhältnis zueinander. Bestandsvergleich und Einnahmen-Überschussrechnung sind zwei unterschiedliche, aber grundsätzlich gleichwertige Gewinnermittlungsmethoden (HHR/ Bergkemper, § 4 EStG Rz 504; Weber-Grellet, in: Kirchhof/ Söhn/Mellinghoff, EStG, § 4 Rz D 3). Die Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich als Grundform hat nur Bedeutung für die Frage, nach welcher Methode der Gewinn zu ermitteln ist, wenn der Steuerpflichtige keine (wirksame) Wahl für die eine oder andere Gewinnermittlungsart getroffen hat (so ausdrücklich BFH-Urteil in BStBl II 2009, 659; vgl. Blümich/ Wied, § 4 EStG Rz 133). In einem solchen Fall bleibt es bei der Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich (Senatsurteil vom 12. Oktober 1994 X R 192/93, BFH/NV 1995, 587). Dies muss insbesondere dann gelten, wenn der Steuerpflichtige selbst die Schätzung des Gewinns nach § 4 Abs. 1 EStG begehrt.

c)

Das FA war somit nicht berechtigt, den Gewinn des Klägers aus seiner Tätigkeit als Generalübernehmer nach § 4 Abs. 3 EStG zu ermitteln. Vielmehr war der Gewinnermittlung ein Bestandsvergleich zugrunde zu legen. Insoweit besteht zwischen den Beteiligten Übereinstimmung, dass im Streitjahr 1996 kein Gewinn und damit kein Gewerbeertrag angefallen sind. Infolgedessen hat das FG den ergangenen Gewerbesteuermessbetragsbescheid zu Recht geändert und den Gewerbesteuermessbetrag auf 0 DM festgesetzt hat.

Ende der Entscheidung

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