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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 16.12.1998
Aktenzeichen: X R 3/98
Rechtsgebiete: EStG, FGO


Vorschriften:

EStG § 10 Abs. 1 Nr. 9
FGO § 118 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe

I. Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Eheleute, die in den Streitjahren 1992 bis 1994 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt wurden. Seit 1992 besucht die Tochter und seit 1994 zusätzlich der Sohn der Kläger die Europäische Schule in X. Die Schule ist weder als private Ersatzschule i.S. des Art. 91 ff. des Bayerischen Gesetzes über das Erziehungs- und Unterrichtswesen vom 7. Juli 1994 --Bay EUG-- (Bayerisches Gesetz- und Verordnungsblatt --GVBl BY-- 1994, 689) bzw. Art. 68 ff. Bay EUG i.d.F. vom 29. Februar 1988 (GVBl BY 1988, 61) --Bay EUG a.F.-- genehmigt noch als allgemeinbildende Ergänzungsschule i.S. des Art. 102 ff. Bay EUG bzw. Art. 80 ff. Bay EUG a.F. nach Landesrecht anerkannt; der Schulbesuch schulpflichtiger Kinder wird landesschulrechtlich nicht beanstandet; der Schulabschluß wird anerkannt.

In ihren Einkommensteuererklärungen für die Jahre 1992 bis 1994 beantragten die Kläger den Abzug von 30 v.H. des für den Schulbesuch gezahlten Schulgeldes (1992 insgesamt 1 650 DM; 1993 insgesamt 1 715 DM und 1994 insgesamt 3 489 DM) als Sonderausgaben gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 9 des Einkommensteuergesetzes (EStG).

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) folgte im Einkommensteuerbescheid für 1992 zunächst dem Antrag der Kläger. In dem aus anderen Gründen durchgeführten Einspruchsverfahren lehnte das FA mit der Begründung, die Schule sei weder als Ersatzschule genehmigt noch als allgemeinbildende Ergänzungsschule landesrechtlich anerkannt, den Abzug ab und saldierte den Betrag von 495 DM mit anderen nunmehr als steuermindernd anerkannten Ausgaben.

Auch die für 1993 und 1994 geltend gemachten Schulgeldzahlungen ließ das FA in den Einkommensteuerbescheiden für 1993 und 1994 unberücksichtigt. Die Einsprüche hatten keinen Erfolg.

Mit der Klage machten die Kläger auch geltend, sie seien gegenüber Angehörigen der Europäischen Patentorganisationen (EPO) benachteiligt; diese müßten für den Schulbesuch kein Schulgeld bezahlen, weil die Schule aus Mitteln der Gemeinschaft und der EPO finanziert werde.

Das Finanzgericht (FG), dessen Urteil in Entscheidungen der Finanzgerichte 1998, 451 veröffentlicht ist, hat die Klage abgewiesen.

Es führt dazu aus: Die Europäische Schule in X sei eine öffentlich-rechtliche Anstalt des zwischenstaatlichen europäischen Rechts und damit --im Ergebnis wie eine Auslandsschule-- dem Anwendungsbereich des Art. 7 Abs. 4 des Grundgesetzes (GG) sowie des Bay EUG entzogen. Da sie weder als Ersatzschule förmlich genehmigt noch als allgemeinbildende Ergänzungsschule anerkannt sei, dürfe das Schulgeld nicht nach § 10 Abs. 1 Nr. 9 EStG berücksichtigt werden. Das Einverständnis des Bayerischen Landtags mit der Ratifizierung des Gründungsprotokolls sei keine Genehmigung als Ersatzschule. Ohne Bedeutung sei insoweit, daß die Landesschulbehörde mit Rücksicht auf die Gleichwertigkeit der Ausbildung den Schulbesuch durch schulpflichtige Kinder nicht beanstande und den Schulabschluß anerkenne. Daß die Genehmigung nur deshalb nicht erteilt werden könne, weil die Europäische Schule eine zwischenstaatliche Einrichtung und deshalb das Bay EUG nicht anwendbar sei, verstoße weder gegen das Gleichheitsgebot noch gegen das Europäische Gemeinschaftsrecht. Keine Verletzung des Gleichbehandlungsgebots begründe die von den Klägern behauptete Besserstellung von Angehörigen der EPO, denn es sei nicht Aufgabe des nationalen Steuerrechts, von einer Anstalt des zwischenstaatlichen Rechts verursachte Unterschiede auszugleichen.

Mit der Revision rügen die Kläger Verletzung von § 10 Abs. 1 Nr. 9 EStG. Sie führen aus:

Entgegen der Auffassung des FG liege eine landesrechtliche Genehmigung vor, denn der Freistaat Bayern habe der Gründung Europäischer Schulen zugestimmt. § 10 Abs. 1 Nr. 9 EStG fordere keine förmliche Anerkennung. Das vom FG zitierte Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 11. Juni 1997 X R 74/95 (BFHE 183, 436, BStBl II 1997, 617) sei nicht anwendbar, da es sich im Streitfall nicht um eine Auslandsschule handele.

Die Kläger beantragen, das angefochtene Urteil aufzuheben und unter Änderung der Einspruchsentscheidungen vom 28. November 1996 im Einkommensteuerbescheid für 1992 zusätzlich 495 DM, im Einkommensteuerbescheid für 1993 zusätzlich 515 DM und im Einkommensteuerbescheid für 1994 zusätzlich 1 047 DM als Sonderausgaben abzuziehen.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

II. Die Revision ist unbegründet.

1. Nach § 10 Abs. 1 Nr. 9 EStG können 30 v.H. des Entgelts, das der Steuerpflichtige für ein Kind, für das er einen Kinderfreibetrag oder Kindergeld erhält, für den Besuch einer gemäß Art. 7 Abs. 4 GG staatlich genehmigten oder nach Landesrecht erlaubten Ersatzschule sowie einer nach Landesrecht anerkannten allgemeinbildenden Ergänzungsschule entrichtet, als Sonderausgaben abgezogen werden. Ausgenommen ist das Entgelt für Beherbergung, Betreuung und Verpflegung.

2. Der erkennende Senat hat mit Urteilen vom 11. Juni 1997 X R 77/94 (BFHE 183, 432, BStBl II 1997, 615), X R 74/95 (BFHE 183, 436, BStBl II 1997, 617) und X R 144/95 (BFHE 183, 445, BStBl II 1997, 621) entschieden, daß § 10 Abs. 1 Nr. 9 EStG erkennbar an schulrechtliche Begriffe anknüpft, die durch Art. 7 Abs. 4 GG vorgeprägt und in den Gesetzen der Bundesländer, welche die staatliche Schulaufsicht über Schulen in freier Trägerschaft regeln, konkretisiert sind, mit der Folge, daß Schulgeld als Sonderausgabe nur abziehbar ist, wenn eine Schule tatsächlich als Ersatzschule genehmigt oder nach Landesschulrecht als allgemeinbildende Ergänzungsschule förmlich anerkannt ist.

Diese Beschränkung des Schulgeldabzugs auf den Besuch solcher inländischer Schulen, die in gewisser Weise in das öffentliche Schulwesen einbezogen sind, der staatlichen Schulaufsicht unterliegen, bestimmte staatliche Anforderungen, z.B. an Lehrziele, an Ausbildung und Bezahlung der Lehrkräfte sowie an die Höhe des Schulgeldes, erfüllen müssen und deshalb typischerweise besonders förderungsbedürftig wie förderungswürdig sind, verstößt weder gegen das aus Art. 3 Abs. 1 GG folgende Gleichbehandlungsgebot noch gegen Art. 59, 60 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWGV) bzw. --ab 1993-- des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (EGV) bzw. gegen das allgemeine Diskriminierungsverbot des Art. 7 EWGV/Art. 6 EGV. An dieser Rechtsprechung hält der erkennende Senat fest und verweist zur Vermeidung von Wiederholungen auf die in BFHE 183, 432, BStBl II 1997, 615, in BFHE 183, 436, BStBl II 1997, 617 und in BFHE 183, 445, BStBl II 1997, 621 wiedergegebenen Begründungen. Das Bundesverfassungsgericht hat mit Beschluß vom 10. Dezember 1998 2 BvR 1924/98 (nicht veröffentlicht --NV--) die Verfassungsbeschwerde gegen den die (weitere) Klärungsbedürftigkeit des Sonderausgabenabzugs von Schulgeld verneinenden BFH-Beschluß vom 17. September 1998 X B 83/98 (NV) nicht zur Entscheidung angenommen. Für eine Schule, die als internationale Organisation --ebenso wie Schulen im Ausland-- außerhalb des staatlichen Schulrechts steht und nicht --wie staatlich genehmigte oder nach Landesrecht erlaubte Ersatzschulen und nach Landesrecht anerkannte allgemeine Ergänzungsschulen-- in besonderer Weise in das öffentliche Schulsystem eingegliedert ist, gilt nichts anderes.

3. Nach den für den erkennenden Senat bindenden Feststellungen des FG (§ 118 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) ist die streitige Schule weder als Ersatzschule tatsächlich genehmigt noch als allgemeinbildende Ergänzungsschule nach Landesschulrecht förmlich anerkannt mit der Folge, daß das Schulgeld nicht nach § 10 Abs. 1 Nr. 9 EStG berücksichtigt werden darf.

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