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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 04.06.2003
Aktenzeichen: X R 30/99
Rechtsgebiete: EStG, FGO, Bayerische Bauordnung


Vorschriften:

EStG 1992 § 10e
EStG 1992 § 52 Abs. 14 Satz 3
EStG 1992 § 10e Abs. 6 a
EStG 1992 § 52 Abs. 14 Satz 3
EStG 1992 § 7c
FGO § 118 Abs. 2
Bayerische Bauordnung Art. 72 Abs. 5
Bayerische Bauordnung 1994 Art. 79 Abs. 8
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) erwarb in einer acht Gebäudeeinheiten mit 93 Wohnungen und zwei Läden umfassenden und noch zu errichtenden Wohnanlage eine Eigentumswohnung, die zum Haus Nr. 6 gehörte. Die aus selbständigen Baukörpern bestehende Anlage wurde in Bauabschnitten errichtet.

Die Baugenehmigung für die Anlage wurde am 20. August 1991 erteilt. Mit den Erdarbeiten (Aushub der Baugrube) für die Häuser Nr. 1 - 6 wurde am 27. August 1991 begonnen. Entsprechend dem Kaufvertrag wurde dem Kläger am 6. September 1991 die erste Kaufpreisrate, die zu Beginn der Erdarbeiten fällig war, in Rechnung gestellt. Das mit den Fundamentarbeiten beauftragte Unternehmen begann mit den z.T. mittels Kleingeräten und z.T. mittels Handarbeit ausgeführten Ausschachtungsarbeiten zum Anbringen der Fundamentverschalungen bei den Häusern Nr. 1 - 4 in der Zeit vom 28. August bis zum 20. September 1991, beim Haus Nr. 5 am 7. November 1991 und beim Haus Nr. 6 am 6. Dezember 1991. Die nach dem Kaufvertrag mit Beginn der Fundamentarbeiten fällige 2. Rate wurde dem Kläger am 18. Dezember 1991 in Rechnung gestellt. Der Kläger bezog seine Wohnung im Dezember 1992.

Gegen den Einkommensteuerbescheid für 1994 legte er mit der Begründung Einspruch ein, dass mit der Herstellung des Gebäudes erst mit Beginn der Ausschachtungsarbeiten am 6. Dezember 1991 begonnen worden sei. Dabei seien die Ausschachtungsarbeiten den Arbeiten am Fundament gleichzustellen. Infolgedessen sei § 10e des Einkommensteuergesetzes (EStG) gemäß § 52 Abs. 14 Satz 3 EStG in der für ihn günstigeren Fassung des Steueränderungsgesetzes (StÄndG) 1992 anzuwenden.

Der Einspruch blieb erfolglos. Im Klageverfahren brachte der Kläger vor, im Falle der Errichtung von Eigentumswohnungen kämen als Ausschachtungsarbeiten die Arbeiten zur Erstellung der Fundamente des jeweiligen Gebäudes in Betracht. Dagegen sei der Aushub der Baugrube für die Gesamtanlage unerheblich. Auch nach der Makler- und Bauträgerverordnung (MaBV) gehörten die Erdarbeiten nicht zur Herstellung des Gebäudes. Seine Auffassung werde durch den Kaufvertrag gestützt, wonach die Frist zur Fertigstellung des Gebäudes mit dem Beginn der Fundamentarbeiten und nicht bereits mit dem Aushub der Baugrube begonnen habe.

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage mit dem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1999, 229 veröffentlichten Urteil als unbegründet ab.

Mit der Revision rügt der Kläger die Verletzung der Bestimmungen der §§ 10e Abs. 6 a und 52 Abs. 14 Satz 3 EStG 1992. Er trägt vor: Bei der Errichtung einer Eigentumswohnanlage mit mehreren baulich selbständigen Gebäuden in mehreren Bauabschnitten komme es auf den Beginn der konkreten Herstellungsarbeiten für dasjenige Gebäude an, in dem sich die Eigentumswohnung befinde. Damit sei erst mit den Fundamentarbeiten für das jeweilige Gebäude begonnen worden, also für das Haus Nr. 6 nach dem 30. September 1991. Dem FG könne somit nicht darin gefolgt werden, dass bereits im Beginn des Aushubs der gemeinsamen Baugrube für die Häuser Nr. 1 - 6 der Beginn der Herstellung aller in den einzelnen Gebäuden errichteten Eigentumswohnungen liege.

Der Kläger beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und in Abänderung des Einkommensteuerbescheids für 1994 vom 1. Dezember 1995 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 25. Juni 1997 die Einkommensteuer 1994 auf 9 628 DM herabzusetzen.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

II. Die Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

Entgegen der Auffassung des Klägers hat das FG zu Recht die Voraussetzungen für den erweiterten Schuldzinsenabzug nach § 10e Abs. 6 a EStG 1992 verneint.

1. Nach der Übergangsregelung in § 52 Abs. 14 Satz 3 EStG 1992 ist § 10e Abs. 6 a EStG 1992 erstmals auf Objekte anzuwenden, die der Steuerpflichtige im Falle der Anschaffung nach dem 30. September 1991 aufgrund eines obligatorischen Vertrags oder gleichstehenden Rechtsakts angeschafft hat oder mit deren Herstellung nach diesem Zeitpunkt begonnen worden ist.

"Beginn der Herstellung" im Sinne der vorgenannten Bestimmung ist der Beginn der Bauarbeiten auf dem Grundstück, z.B. der Beginn der Ausschachtungsarbeiten, die Anfuhr von Baumaterial oder das Aufstellen einer Baubaracke (Senatsurteil vom 16. Dezember 1998 X R 153/95, BFH/NV 1999, 782). Diese Auslegung entspricht dem mit der Übergangsregelung verfolgten Zweck. Denn sie wurde im Hinblick auf die kontroverse Diskussion um die Änderung der Wohneigentumsförderung und im Hinblick auf den erst im Oktober 1991 bekannt gegebenen und Gesetz gewordenen Änderungsvorschlag des Bundeskabinetts getroffen (zum Gang des Gesetzgebungsverfahren vgl. Wewers, Der Betrieb --DB-- 1992, 704). Die Anknüpfung an den Beginn der Bauarbeiten auf dem Grundstück sollte Härten für diejenigen Steuerpflichtigen vermeiden, die im Vorfeld dieses Beschlusses Bau- oder Kaufentscheidungen getroffen haben (vgl. BTDrucks 12/1506, 158).

2. Nach den Feststellungen des FG ist mit dem als Erdarbeiten bezeichneten Arbeitsvorgang begonnen worden, die gemeinsame Baugrube für alle sechs Häuser auszuheben. Dies ist der Beginn der Bauausführung auch für das Haus Nr. 6. Dass beim Ausheben der Baugrube kein Schaufelbagger, sondern nur Radlader eingesetzt wurden, steht dieser Feststellung angesichts der Größe einer Baugrube für eine Wohnanlage mit acht Gebäudeeinheiten nicht entgegen. Diese tatsächlichen Feststellungen sind für den Senat nach § 118 Abs. 2 FGO bindend; sie werden vom Kläger auch nicht in Frage gestellt.

Seiner Auffassung, wegen der Selbständigkeit der einzelnen Häuser der Wohnanlage müsse allerdings auf zusätzliche, nur das einzelne Haus betreffende Maßnahmen der Bauausführung abgestellt werden, kann angesichts des vom FG festgestellten Beginns des Aushebens der Baugrube für die gesamte Wohnanlage vor dem 30. September 1991 nicht gefolgt werden. Das Ausheben oder Ausschachten der Baugrube gehört nach dem allgemeinen Sprachgebrauch zu den Rohbauarbeiten (vgl. Urteil des Bundesgerichtshofs vom 24. März 1977 VII ZR 220/75, Neue Juristische Wochenschrift 1977, 1146) und damit zweifellos zum Beginn der Bauarbeiten an dem Gebäude, für das die Baugrube ausgehoben oder ausgeschachtet wurde. Das Ausheben oder Ausschachten der Baugrube geht weit über die bloße Vorbereitung der Bauausführung hinaus. Infolgedessen kommt es für den Beginn der Herstellung des Hauses Nr. 6 entgegen der Auffassung des Klägers nicht auf zusätzliche, spezielle Ausschachtungs-/Fundamentarbeiten in dem Teil der Baugrube an, in dem für das Haus Nr. 6 das Fundament eingebracht wurde.

3. Diese Überlegungen stehen im Einklang mit dem Begriff des Beginns der Bauausführung im Bauordnungsrecht. Danach wird als Baubeginn die Aufnahme der Bauarbeiten gesehen, die der Ausführung des Baus einschließlich Baugrubenaushub objektiv unmittelbar dienen (Koch/Molodovsky/Famers, Bayerische Bauordnung, Kommentar, Art. 72 Anm. 7.2.3; Busse, Die neue Bayerische Bauordnung, Handkommentar, 2. Aufl. 1997, Art. 72 Rdnr. 6; Simon, Bayerische Bauordnung 1994, Kommentar, Art. 79 Rz. 68; Ruf, Die neue Bauordnung in Baden-Württemberg, Handkommentar, 1996, § 59 Rz. 4; Große-Suchsdorf/Lindorf/Schmaltz/Wiechert, Niedersächsische Bauordnung, Kommentar, 6. Aufl. 1996, § 78 Rz. 4), so dass mit der Bauausführung spätestens mit dem Aushub der Baugrube begonnen wird (Busse, a.a.O.). Gestützt wird diese Bestimmung des Zeitpunkts des Baubeginns z.B. auf Art. 72 Abs. 5 der Bayerischen Bauordnung, der wie seine Vorgängerregelung in Art. 79 Abs. 8 der Bayerischen Bauordnung 1994 bestimmt, dass vor der Bekanntgabe der Baugenehmigung mit der Bauausführung einschließlich des Baugrubenaushubs nicht begonnen werden darf.

4. Diese Auslegung steht nicht in Widerspruch zu der Verwaltungsauffassung zu § 7c EStG 1992, wonach der Beginn der Herstellung einer Wohnung der Zeitpunkt ist, in dem mit den Ausschachtungsarbeiten begonnen worden ist (Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 17. Februar 1992, BStBl I 1992, 115 Tz. 5). Es besteht schon vom allgemeinen Sprachgebrauch her kein Anlass, zwischen dem Ausheben und dem Ausschachten einer Baugrube zu unterscheiden. Eine allenfalls regional unterschiedliche Verwendung der beiden Begriffe rechtfertigt es nicht, für den Beginn der Bauausführung zusätzlich zum Ausheben bzw. Ausschachten der Baugrube spezielle Arbeitsgänge zu verlangen, die erforderlich sein können, um z.B. ein Streifen- oder ein Punktfundament aufnehmen oder eine Verschalung errichten zu können.

5. Der Kläger misst aufgrund des Abstandes von etwas mehr als drei Monaten zwischen dem Beginn der Erdarbeiten zum Zwecke des Aushebens (Ausschachtens) der Baugrube und den Fundamentarbeiten dem Beginn der Erdarbeiten keine Bedeutung für den Beginn der Herstellung der Wohnung bei und beruft sich dafür auf den Beschluss des Großen Senats des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 12. Juni 1978 GrS 1/77 (BFHE 125, 516, BStBl II 1978, 620). Dem muss entgegen gehalten werden, dass der BFH in diesem Beschluss dem Zeitmoment Bedeutung lediglich für die Frage des Nachweises der Abbruchabsicht zuerkannt hat, ohne dass die Frage nach dem Zeitpunkt des Beginns der Herstellung in dem Beschluss überhaupt zu erörtern war. Allerdings hat der BFH die Aufwendungen zur Herstellung der Baugrube den Herstellungskosten des Gebäudes zugerechnet (BFH in BFHE 125, 516, BStBl II 1978, 620, unter D. II. 2. a bb). Daraus kann gefolgert werden, dass auch nach dieser Entscheidung mit dem Beginn der Arbeiten zum Herstellen der Baugrube die Herstellung des Gebäudes beginnt.

6. Soweit der Kläger aus dem Kaufvertrag und der MaBV gegenteilige Schlussfolgerungen zieht, kommt dem wegen des unterschiedlichen Regelungszwecks dieser Bestimmungen und der Bestimmung des § 52 Abs. 14 Satz 3 EStG 1992 keine Bedeutung bei.



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