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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 03.12.2008
Aktenzeichen: X R 31/05
Rechtsgebiete: AO


Vorschriften:

AO § 155 Abs. 2
AO § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 1
AO § 177 Abs. 2
AO § 177 Abs. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I.

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) war in den Streitjahren 1978 bis 1981 u.a. an der X KG (im Folgenden: KG) mit einer Vielzahl von Gesellschaftern beteiligt. Für die KG wurden Feststellungserklärungen abgegeben. Feststellungsbescheide ergingen zunächst nicht. Aufgrund von Mitteilungen der KG über die in den Feststellungserklärungen erklärten Verluste beantragte der Kläger, auf ihn entfallende Verluste in den jeweiligen Einkommensteuerveranlagungen für die Streitjahre 1978 bis 1981 zu berücksichtigen. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) erkannte gemäß § 155 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO) die Verluste in den zunächst unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehenden Bescheiden antragsgemäß an.

Mit Schreiben vom 15. Juni 1990 teilte das für die KG zuständige Betriebsstättenfinanzamt (BFA) dem FA mit, dass die Durchführung einer gesonderten und einheitlichen Feststellung für die KG abgelehnt worden sei, mithin auf den Kläger keine Verlustanteile entfielen. Dem lagen an die ehemalige stille Gesellschaft in der ehemaligen Firma X KG gerichtete Feststellungsbescheide vom 6. November 1989 zu Grunde, mit denen das BFA die Feststellung von gewerblichen Beteiligungsverlusten ablehnte, da es der stillen Gesellschaft an einer Gewinnerzielungsabsicht fehle und zudem die stillen Gesellschafter nicht als Mitunternehmer anzusehen seien.

Daraufhin änderte das FA mit Bescheiden vom 17. September 1990 für 1979 und 27. September 1990 für 1978 bis 1981 die Einkommensteuerbescheide gemäß § 175 AO und berücksichtigte die Verluste nicht mehr. Mit Bescheiden vom 9. August 1991 hob das BFA die Feststellungsbescheide vom 6. November 1989 auf. Zugleich stellte es für die Streitjahre erneut fest, dass dem Kläger keine Anteile aus der KG zuzurechnen seien und teilte dies dem FA mit.

Das FA änderte die Einkommensteuerbescheide vom 17. und 27. September 1990 nicht, da sich keine Änderung bei der Festsetzung der Einkommensteuer ergab. Lediglich der Einkommensteuerbescheid für 1981 wurde aus anderen Gründen am 3. Juli 1995 nochmals geändert.

Gegen die Ablehnung der Feststellung von Einkünften aus der KG wurden Einsprüche eingelegt und anschließend Klagen erhoben. Das Finanzgericht (FG) Berlin entschied in einem Parallelverfahren mit Urteil vom 11. April 2000 5 K 5256/96, dass für die Jahre 1978 bis 1981 bei Erlass der Feststellungsbescheide im Jahre 1991 bereits Feststellungsverjährung eingetreten gewesen sei.

Weil das BFA das Urteil des FG Berlin uneingeschränkt auch auf die KG für anwendbar hielt, hob es mit Bescheiden vom 20. August 2003 die Feststellungsbescheide 1978 bis 1981 vom 9. August 1991 ebenfalls wegen Verjährung auf und betrachtete "diesbezüglich" die Rechtsbehelfsverfahren für erledigt.

Der Kläger beantragte am 2. September 2003 die Einkommensteuerbescheide 1978 bis 1981 gemäß § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO zu ändern und die erklärten Verluste aus der KG zu berücksichtigen. Das FA lehnte mit Schreiben vom 19. Dezember 2003 und 19. Mai 2004 eine Änderung ab. Die Aufhebung der Feststellungsbescheide durch das FG Berlin habe keine Bindungswirkung, weil die Einkommensteuerbescheide nicht aufgrund der von diesem Gericht aufgehobenen Feststellungsbescheide, sondern aufgrund der bereits zuvor erfolgten Ablehnung der Durchführung eines Feststellungsverfahrens geändert worden seien. Der Kläger erhob hiergegen Einsprüche, die das FA mit Einspruchsentscheidungen vom 4. Mai 2004 und 11. Juni 2004 als unbegründet zurückwies.

In den Klageverfahren trug der Kläger vor, die Aufhebung der Feststellungsbescheide für die KG für die Jahre 1978 bis 1981 durch das BFA am 20. August 2003 führe dazu, dass Grundlagenbescheide nicht mehr bestünden und wegen Ablaufs der Feststellungsfrist nicht mehr ergehen könnten. Damit sei der Rechtszustand wieder herzustellen, wie er vor der ersten Änderung der Einkommensteuerbescheide bestanden habe. Gegen die Einkommensteuerbescheide vom 17. bzw. 27. September 1990 habe er keine Rechtsmittel einlegen können, da sie sich gegen den Grundlagenbescheid hätten richten müssen.

Das FG wies die Klagen mit dem in Entscheidungen der Finanzgerichte 2006, 388 veröffentlichten Urteil ab.

Es stützte seine Entscheidung auf die Überlegung, dass im Streitfall ein Grundlagenbescheid fehle, welcher das FA inhaltlich dazu verpflichte, bei der Einkommensteuer für die Jahre 1978 bis 1981 die vom Kläger erklärten Verluste zu berücksichtigen. Zu keinem Zeitpunkt seien Bescheide über die gesonderte Feststellung der Einkünfte der KG ergangen, aus denen sich die vom Kläger erklärten Verluste ergäben. Derartige Bescheide seien jedoch erforderlich, um die Einkommensteuerbescheide entsprechend dem Klägerbegehren zu ändern. Inhalt der Grundlagenbescheide vom 20. August 2003 sei nicht die Feststellung von Verlusten gewesen, sondern lediglich die Aufhebung der bisherigen Ablehnung der gesonderten Feststellung von Einkünften für die KG wegen Verjährung.

Mit der Revision rügt der Kläger Verletzung des materiellen Rechts. Er bringt vor, entgegen der Ansicht des FA seien die Feststellungsbescheide vom 6. November 1989 nicht wieder aufgelebt. Das angefochtene Urteil verkenne, dass durch die Aufhebung der Feststellungsbescheide wegen eingetretener Feststellungsverjährung die Zuständigkeitsverteilung zwischen Betriebsstättenfinanzamt und Wohnsitzfinanzamt nicht aufgehoben worden sei. Somit habe das FA keine eigene Ermittlungsbefugnis erlangt, der im Übrigen ebenfalls Verjährung entgegenstünde. Durch die Aufhebung der Grundlagenbescheide sei ein ungeregelter Zustand eingetreten, der nach Eintritt der Verjährung weder vom Betriebsstättenfinanzamt noch vom Wohnsitzfinanzamt behoben werden könne.

Der Kläger beantragt,

das angefochtene Urteil aufzuheben und den Beklagten unter Aufhebung der ablehnenden Bescheide vom 19. Dezember 2003 und vom 19. Mai 2004 sowie der Einspruchsentscheidungen vom 4. Mai 2004 und vom 11. Juni 2004 zu verpflichten, die Einkommensteuerbescheide des Klägers für die Jahre 1978 bis 1981 zu ändern und die Einkommensteuer in der Weise festzusetzen, dass negative Einkünfte aus seiner Beteiligung an der KG erklärungsgemäß berücksichtigt werden.

Das FA beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Es ist der Ansicht, weil es keinen Grundlagenbescheid gebe, der die erklärten Verluste feststelle, seien in den Einkommensteuerbescheiden die Besteuerungsgrundlagen zutreffend enthalten. Zudem habe der Kläger die fraglichen Einkommensteuerbescheide nicht angefochten. Daher seien sie trotz formaler Rechtswidrigkeit in Bestandskraft erwachsen und der Festsetzungsverjährung unterworfen.

II.

Die Revision ist begründet (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das angefochtene Urteil wird aufgehoben und das FA verpflichtet, die Einkommensteuerbescheide 1978 bis 1981 in der vom Kläger beantragten Weise zu ändern.

1.

Der Kläger stützt sein Änderungsbegehren auf die Bescheide des BFA vom 20. August 2003, mit denen das BFA die Grundlagenbescheide vom 9. August 1991 aufgehoben hatte.

Wird ein Grundlagenbescheid aufgehoben, der sich auf einen Folgebescheid ausgewirkt hat, zwingt § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO das für den Folgebescheid zuständige Finanzamt --hier das FA-- zur Beseitigung der Folgen, die der aufgehobene Grundlagenbescheid in dem Folgebescheid bewirkt hat.

a)

Mit den mit Bescheiden vom 20. August 2003 aufgehobenen Grundlagenbescheiden vom 9. August 1991 hob das BFA einerseits die Feststellungsbescheide vom 6. November 1989 auf und erließ andererseits erneute Feststellungsbescheide, in denen es dem Kläger wie den übrigen in einer Anlage aufgeführten stillen Gesellschaftern keine Verluste zurechnete. Bei den aufgehobenen Feststellungsbescheiden vom 6. November 1989 handelte es sich um negative Feststellungsbescheide, mit denen festgestellt wurde, dass zwischen dem Kläger sowie den weiteren stillen Gesellschaftern und der KG keine Mitunternehmerschaft bestand. Infolgedessen waren dem Kläger keine Verluste aus seiner Beteiligung zuzurechnen.

b)

Aufgrund der Feststellungsbescheide vom 6. November 1989 hatte das FA die den Kläger betreffenden Einkommensteuerbescheide für die Streitjahre mit Änderungsbescheiden vom 17. und 27. September 1990 insoweit geändert, als es die bis dahin nach § 155 Abs. 2 AO erklärungsgemäß berücksichtigten Beteiligungsverluste aus der KG nicht mehr anerkannte und das Einkommen des Klägers um die entsprechenden Beträge erhöhte.

c)

Mit Aufhebung der Feststellungsbescheide vom 6. November 1989 durch die Feststellungsbescheide vom 9. August 1991 hätte das FA gemäß § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO die in den Einkommensteuerbescheiden vom 17. und 27. September 1990 aufgrund der Feststellungsbescheide vom 6. November 1989 vorgenommene Entfernung des Ansatzes der Beteiligungsverluste rückgängig machen und die bis zu diesen Änderungsbescheiden nach § 155 Abs. 2 AO berücksichtigten Verluste aus der Beteiligung an der KG erneut einkommensmindernd ansetzen müssen.

d)

Diese Änderungen hat das FA unterlassen. Der Grund dafür bestand offenbar darin, dass das BFA mit den Grundlagenbescheiden vom 9. August 1991 --neben der Aufhebung der Feststellungsbescheide vom 6. November 1989-- festgestellt hatte, dass dem Kläger keine Verluste aus der KG zuzurechnen sind, und das FA diese Feststellungen umsetzte. Zu Recht hat das FA bei dieser Konstellation keine neuen Einkommensteueränderungsbescheide erlassen, weil sich durch die Grundlagenbescheide vom 9. August 1991 an der in den Bescheiden vom 17. und 27. September 1990 festgesetzten Einkommensteuer nichts geändert hat. Zwar kann durch das Fehlen neuerlicher Einkommensteuerbescheide nach außen der Eindruck entstanden sein, das FA sei untätig gewesen. Der Sache nach hat das FA die Feststellungsbescheide vom 9. August 1991 jedoch ausgewertet. Andernfalls hätte es die nach den Bescheiden vom 6. November 1989 nicht mehr berücksichtigten erklärten Beteiligungsverluste wieder gemäß § 155 Abs. 2 AO ansetzen müssen. Somit haben sich die Grundlagenbescheide vom 9. August 1991 auf die den Kläger betreffenden Einkommensteuerbescheide für die Streitjahre insofern ausgewirkt, als die gemäß § 155 Abs. 2 AO vorläufig berücksichtigten Beteiligungsverluste das Einkommen des Klägers nicht mehr minderten.

2.

Indes bewirkt die am 20. August 2003 vorgenommene Aufhebung der Grundlagenbescheide vom 9. August 1991 gemäß § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO die Pflicht des FA zum Rückgängigmachen der aus den aufgehobenen Grundlagenbescheiden vom 9. August 1991 gezogenen Folgerung, die Beteiligungsverluste des Klägers weiterhin nicht anzuerkennen.

a)

Daraus folgt die weitere Verpflichtung des FA, durch die --vom Kläger am 2. September 2003 beantragte-- Änderung der Einkommensteuerbescheide für die Streitjahre den Zustand wiederherzustellen, der vor den Feststellungsbescheiden vom 6. November 1989 bestand, also die nach § 155 Abs. 2 AO berücksichtigten Beteiligungsverluste wieder einkommensmindernd anzusetzen. Sind die einheitlich und gesondert festzustellenden Besteuerungsgrundlagen nach § 155 Abs. 2 AO vorläufig in der Steuerfestsetzung angesetzt worden und ergeht, obwohl erforderlich, kein Grundlagenbescheid (auch kein negativer Feststellungsbescheid), der Bindungswirkung für den Folgebescheid hätte, verbleibt es (mangels einer Änderungsvorschrift) bei der auf der Grundlage des § 155 Abs. 2 AO durchgeführten Steuerfestsetzung (Urteile des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 24. Mai 2006 I R 9/05, BFH/NV 2006, 2019, und I R 93/05, BFHE 214, 7, BStBl II 2007, 76; v.Wedelstädt in Beermann/Gosch, AO § 177 Rz 12.7).

b)

Damit sind bei der Einkommensteuerveranlagung des Klägers von ihm erklärte Beteiligungsverluste einkommensmindernd anzusetzen, ohne dass diese jemals in einem Grundlagenbescheid festgestellt wurden. Dieses auf den ersten Blick dem Regelungsmechanismus von Feststellungsverfahren gemäß §§ 179-182 AO einerseits und der Umsetzung der Feststellungen im Folgebescheid gemäß § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO andererseits widersprechende Ergebnis beruht auf der durch § 155 Abs. 2 AO eröffneten Möglichkeit, Einkünfte aus einer Beteiligung --gleichgültig, ob positive oder negative-- auch ohne Vorliegen eines Grundlagenbescheids in einem Folgebescheid anzusetzen, weil angenommen werden kann, dass die Beteiligungseinkünfte noch in einem Grundlagenbescheid festgestellt werden. Davon konnte und musste im Streitfall beim erstmaligen Ansatz der vom Kläger erklärten Beteiligungsverluste ausgegangen werden, weil es sich bei einer Kommanditgesellschaft um eine Gesellschaft handelt, deren Einkünfte nach § 180, § 179 Abs. 1, Abs. 2 Satz 2 AO zwingend dem Regime des Feststellungsverfahrens unterworfen sind.

3.

Der Verpflichtung des FA, die vom Kläger erklärten und zunächst nach § 155 Abs. 2 AO berücksichtigten Verluste aus der KG in den Einkommensteuerbescheiden für die Jahre 1978 bis 1981 erneut anzusetzen, steht die in § 177 Abs. 2 AO eröffnete Saldierungsmöglichkeit nicht entgegen.

a)

Nach dieser Vorschrift sind zwar, wenn ein Steuerbescheid zugunsten des Steuerpflichtigen geändert wird, in früheren Steuerbescheiden unterlaufene materielle Fehler zu berichtigen; das gilt auch bei einer Änderung nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO (BFH-Urteil vom 18. Dezember 1991 X R 38/90, BFHE 167, 1, BStBl II 1992, 504). Im Streitfall liegt aber kein "materieller Fehler" in diesem Sinne vor.

b)

Nach § 177 Abs. 3 AO sind materielle Fehler i.S. des Abs. 2 der Vorschrift alle Fehler, die zur Festsetzung einer Steuer führen, die von der kraft Gesetzes entstandenen Steuer abweicht. Die "kraft Gesetzes entstandene" Steuer ist im Streitfall diejenige, die sich unter Berücksichtigung sowohl der sonstigen, nicht gesondert festzustellenden Besteuerungsgrundlagen als auch der Beteiligungseinkünfte des Klägers ergibt.

c)

Hat der Steuerpflichtige Beteiligungseinkünfte erklärt, so ist die Klärung der Frage, ob die Durchführung eines Feststellungsverfahrens notwendig ist, dem Regime des Feststellungsverfahrens unterworfen, selbst wenn dessen Ergebnis darin besteht, die Notwendigkeit eines Feststellungsverfahrens zu verneinen. Nur dann, wenn ein sog. negativer Feststellungsbescheid, durch den die Notwendigkeit der Durchführung eines Feststellungsverfahrens verneint wird, ergangen ist und Bestand hat, obliegt die Beurteilung der steuerlichen Verhältnisse hinsichtlich der Beteiligungen an einer Personengesellschaft nicht mehr dem für diese Gesellschaft zuständigen Betriebsfinanzamt, sondern allein den Wohnsitzfinanzämtern der Beteiligten, im Streitfall also dem FA.

d)

Daran fehlt es im Streitfall. Das BFA hat zu keiner Zeit wirksam seine Zuständigkeit zur Durchführung eines Feststellungsverfahrens zur Feststellung der Beteiligungseinkünfte des Klägers verneint. Es hat die entsprechenden negativen Feststellungsbescheide vom 6. November 1989 und vom 9. August 1991 jeweils aufgehoben, zuletzt mit Bescheiden vom 20. August 2003 mit der Begründung, dass bereits am 9. August 1991 Feststellungsverjährung dem Erlass von Feststellungsbescheiden entgegengestanden sei.

e)

Damit ist zu keiner Zeit eine Zuständigkeit des FA wirksam begründet worden, aus eigener Befugnis die Einkünfte des Klägers aus seiner Verbindung zu der KG zu ermitteln, und zwar unabhängig davon, ob die jeweiligen vom BFA für die Aufhebung der Bescheide genannten Gründe tatsächlich gegeben waren. Es gibt keinen wirksamen Bescheid, der die Prüfung der Frage, ob der Kläger Verluste aus seiner Beteiligung erlitten hat, dem FA zuweist. Dieser Umstand steht der Versagung der Berücksichtigung der von ihm erklärten und vom FA in den Einkommensteuerveranlagungen gemäß § 155 Abs. 2 AO übernommenen Beteiligungsverluste entgegen (ebenso BFH-Urteile in BFH/NV 2006, 2019, und in BFHE 214, 7, BStBl II 2007, 76; v.Wedelstädt in Beermann/Gosch, a.a.O., § 177 Rz 12.7).

f)

Ein anderes Ergebnis würde im Streitfall den Vorschriften über die Feststellungsverjährung (§ 181 Abs. 1 Satz 1 AO) die Wirkung nehmen und sie ins Leere laufen lassen. Es würde ebenso den Rechtsschutz der an einer KG Beteiligten beeinträchtigen, weil ohne wirksamen Feststellungsbescheid die Klärung der Rechtsnatur und der Rechtsfolgen ihrer Beteiligung entgegen der Zuordnung dieser Frage zum Feststellungsverfahren dem Wohnsitzfinanzamt überlassen wäre. Das widerspräche dem Regelungsmechanismus von Grundlagenbescheid und Folgebescheid. Die vom Kläger begehrten Änderungen seiner Einkommensteuerveranlagungen führen deshalb nicht zu materiell fehlerhaften Steuerbescheiden.

g)

Einer Saldierung stünde schließlich auch § 177 Abs. 2 letzter Halbsatz AO entgegen. Danach kommt eine Saldierung mit den Fehlern nicht in Betracht, die Anlass der Aufhebung oder Änderung sind. Anlass der vom Kläger zutreffend nach § 175 AO erlangten Änderung seiner Einkommensteuerveranlagungen ist die Aufhebung der als fehlerhaft erkannten Feststellungsbescheide, die seine Beteiligung an der KG betreffen. Könnte im Streitfall eine Saldierung vorgenommen werden, käme der Aufhebung der Feststellungsbescheide die gegenteilige Wirkung zu, obwohl sie Anlass der vom Kläger erlangten Änderung seiner Einkommensteuerveranlagungen ist. Das widerspräche § 177 Abs. 2 letzter Halbsatz AO.

4.

Dem Antrag des Klägers, das FA zu einer Änderung der Einkommensteuerveranlagungen zu verpflichten, steht keine Verjährung entgegen. Zwar ist die gemäß § 171 Abs. 10 AO nach Erlass, Änderung oder Aufhebung eines Grundlagenbescheids eintretende Ablaufhemmung von zwei Jahren bereits abgelaufen, weil die Aufhebungsbescheide bereits am 20. August 2003 ergangen sind. Doch hat der Kläger innerhalb dieser Frist --nämlich schon zwei Wochen nach Ergehen der Aufhebungsbescheide vom 20. August 2003-- die Änderung der Einkommensteuerbescheide für die Streitjahre beantragt. Damit kommt er in den Genuss der Ablaufhemmung nach § 171 Abs. 3 AO mit der Folge, dass das FA die Bescheide antragsgemäß ändern muss (vgl. BFH-Urteil in BFH/NV 2006, 2019).

Ende der Entscheidung

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