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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 12.12.2001
Aktenzeichen: X R 35/00
Rechtsgebiete: EStG


Vorschriften:

EStG § 10e
EStG § 10e Abs. 1
EStG § 10e Abs. 6
EStG § 10e Abs. 6 a
EStG § 10e Abs. 6 a Satz 2
EStG § 10e Abs. 6 a Satz 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I. Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind verheiratet und wurden im Streitjahr zusammen zur Einkommensteuer veranlagt.

Der Kläger erwarb mit notariellem Kaufvertrag vom 9. August 1993 eine am 1. Dezember 1993 bezugsfertige Eigentumswohnung. In der Zeit vom 1. Januar 1994 bis 30. Juni 1995 war die Wohnung vermietet.

Seit dem 1. Juli 1995 nutzen die Kläger die Eigentumswohnung zu eigenen Wohnzwecken. In der Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 1996 beantragten sie neben dem Abzugsbetrag nach § 10e Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) in Höhe von 17 621 DM auch die Nachholung des im Jahre 1993 nicht in Anspruch genommenen Schuldzinsenabzugs gemäß § 10e Abs. 6 a Satz 2 EStG. Die im Jahr 1996 in Zusammenhang mit der Eigentumswohnung angefallenen Schuldzinsen sollten in Höhe des zulässigen Höchstbetrags von 12 000 DM als Sonderausgaben berücksichtigt werden. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) entsprach diesem Antrag nicht.

Die nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobene Klage blieb ohne Erfolg. Nach Auffassung des Finanzgerichts (FG) lasse § 10e Abs. 6 a Satz 2 EStG die Nachholung des Schuldzinsenabzugs nur dann zu, wenn im Erstjahr sämtliche Voraussetzungen nach § 10e Abs. 6 a Satz 1 EStG vorgelegen hätten und der Abzug dennoch in diesem Jahr nicht in vollem Umfang hätte in Anspruch genommen werden können. § 10e Abs. 6 a Satz 1 EStG nehme nicht nur Bezug auf ein "Objekt nach den Absätzen 1 oder 2", die u.a. die Nutzung zu eigenen Wohnzwecken im Jahr der Anschaffung oder Herstellung verlangten, sondern betone ausdrücklich, dass Schuldzinsen nur dann abgezogen werden könnten, wenn sie "für die Zeit der Nutzung zu eigenen Wohnzwecken entstehen". Diese Voraussetzung liege im Streitfall erkennbar nicht vor.

Mit der Revision rügen die Kläger Verletzung von § 10e EStG. Der Wortlaut des § 10e Abs. 6 a Satz 2 EStG stelle nur darauf ab, dass der Schuldzinsenabzug im Jahr der Anschaffung oder Herstellung nicht in vollem Umfang habe in Anspruch genommen werden können. Er lasse offen, aus welchen Gründen dies nicht möglich gewesen sei. Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 10e Abs. 6 a Satz 2 EStG seien deshalb auch dann erfüllt, wenn im Erstjahr das Objekt nicht zu eigenen Wohnzwecken genutzt worden sei. Die ausdrückliche Verweisung auf § 10e Abs. 6 a Satz 1 EStG diene nur "der Unterscheidung zum Abzug der Aufwendungen ... vor Beginn der Eigennutzung gemäß § 10e Abs. 6 EStG".

Die Kläger beantragen, das angefochtene Urteil aufzuheben und den Einkommensteuerbescheid für das Jahr 1996 vom 23. Oktober 1997 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 28. August 1998 zu ändern und die Einkommensteuer auf 20 834 DM festzusetzen.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

II. Die Revision ist unbegründet. Zu Recht hat das FG die Nachholung des Schuldzinsenabzugs aus dem Jahr 1993 im Veranlagungszeitraum 1996 gemäß § 10e Abs. 6 a Satz 2 EStG abgelehnt.

Die Voraussetzungen für die Nachholung des Schuldzinsenabzugs nach § 10e Abs. 6 a Satz 2 EStG sind nicht erfüllt. Der Kläger hatte im Jahr 1993 keinen Anspruch auf Abzug der mit seiner Eigentumswohnung in wirtschaftlichem Zusammenhang stehenden Schuldzinsen nach § 10e Abs. 6 a Satz 1 EStG, den er im Streitjahr hätte nachholen können.

Die Nachholung des Schuldzinsenabzugs kommt nach § 10e Abs. 6 a Satz 2 EStG nur dann in Betracht, wenn der Schuldzinsenabzug nach § 10e Abs. 6 a Satz 1 EStG im Jahr der Herstellung oder Anschaffung nicht in vollem Umfang in Anspruch genommen werden konnte. Die Vorschrift trägt das im Erstjahr nicht ausgeschöpfte Abzugspotential auf den dritten darauf folgenden Veranlagungszeitraum vor und ermöglicht es so Steuerpflichtigen, die das begünstigte Objekt erst im Laufe des Jahres der Herstellung oder Anschaffung beziehen, im Nachholungszeitraum abfließende Schuldzinsen wie Sonderausgaben geltend zu machen. Angesichts der ausdrücklichen Verweisung auf den "Schuldzinsenabzug nach Satz 1" kommt eine Nachholung nur dann in Betracht, wenn die Abzugsvoraussetzungen nach § 10e Abs. 6 a Satz 1 EStG dem Grunde nach erfüllt sind, der Steuerpflichtige also die Wohnung im Erstjahr zumindest zeitweise zu eigenen Wohnzwecken genutzt hat (so auch Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen --BMF-- vom 31. Dezember 1994 IV B 3 -S 2225 a- 294/94, BStBl I 1994, 887, Rz. 111; FG Köln, Beschluss vom 22. Februar 1999 7 V 6587/98, Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 1999, 464; B. Meyer in Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftssteuergesetz, Kommentar, § 10e EStG Rz. 591; Erhard in Blümich, Einkommensteuer, Körperschaftsteuer, Gewerbesteuer, § 10e EStG Rz. 662; Boeker in Lademann, Einkommensteuergesetz, § 10e Rz. 164; Wacker, Aktuelle Fragen zu § 10e EStG, Betriebs-Berater --BB-- 1994, 977; offen Schmidt/ Drenseck, Einkommensteuergesetz, § 10e Rz. 117).

Der Wortlaut des § 10e Abs. 6 a Satz 2 EStG setzt voraus, dass der Schuldzinsenabzug "nicht in vollem Umfang im Jahr der Herstellung oder Anschaffung in Anspruch genommen werden kann". Die Vorschrift setzt mithin voraus, dass im Jahr der Herstellung bzw. Anschaffung des Objekts ein Schuldzinsenabzug nach § 10e Abs. 6 a Satz 1 EStG zulässig war und gestattet das Nachholen in Höhe der Differenz zwischen dem Höchstbetrag in Höhe von 12 000 DM und den tatsächlich gezahlten Zinsen dieses Jahres.

Gegen die vom Kläger beanspruchte Interpretation der Bestimmung spricht außerdem der Umstand, dass der Kläger die vor der Nutzung der Wohnung zu eigenen Wohnzwecken abgeflossenen Schuldzinsen ohne betragsmäßige Begrenzung als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung geltend machen konnte. Der durch das Gesetz zur Entlastung der Familien und zur Verbesserung der Rahmenbedingungen für Investitionen und Arbeitsplätze (Steueränderungsgesetz 1992 --StÄndG 1992--) vom 25. Februar 1992 eingeführte sog. erweiterte Schuldzinsenabzug sollte zu einer gezielten Entlastung bei Neubauten und damit zu einer entscheidenden Stärkung der Bautätigkeit in diesem Bereich führen (vgl. Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzausschusses, BTDrucks 12/1506 vom 7. November 1991, 171). Diese gesetzgeberische Intention ginge ins Leere, wenn --wie im Streitfall-- die nach Bezug der Wohnung angefallenen Schuldzinsen als Werbungskosten steuerlich abzugsfähig sind.

Die Entscheidung des Gesetzgebers, nur das nicht ausgeschöpfte Abzugspotential des Erstjahres, nicht aber der beiden folgenden Veranlagungszeiträume, auf ein späteres Jahr vorzutragen, lässt zudem erkennen, dass durch die Regelung in § 10e Abs. 6 a Satz 2 EStG Härten ausgeglichen werden sollten, die dadurch entstehen, dass die nach § 10e EStG begünstigte Wohnung erst im Laufe des Jahres der Anschaffung oder Herstellung zu eigenen Wohnzwecken genutzt wird. Die Vorschrift sollte verhindern, dass Steuerpflichtige wegen des späten Bezugstermins den sog. erweiterten Schuldzinsenabzug nach § 10e Abs. 6 a EStG in Höhe von insgesamt 36 000 DM nicht in vollem Umfang ausschöpfen können, obgleich sie mit jährlichen Schuldzinsen von 12 000 DM und mehr belastet sind.

Der in der Literatur (Stephan in Littmann/Bitz/Pust, Das Einkommensteuerrecht, § 10e EStG Rz. 185; B. Meyer, Einzelfragen zur Wohneigentumsförderung gemäß § 10e EStG, Finanz-Rundschau 1994, 37; Koller, (Wieder-)Einführung des erweiterten Schuldzinsenabzugs für selbstgenutztes Wohneigentum, Deutsches Steuerrecht 1992, 773) vertretenen Gegenmeinung, nach der eine Nachholung des Schuldzinsenabzugs auch dann zulässig ist, wenn das Objekt im Jahr der Herstellung oder Anschaffung nicht zu Wohnzwecken genutzt wird, sondern zwischen Anschaffung bzw. Herstellung und Nutzung zu eigenen Wohnzwecken --wie im Streitfall-- u.U. sogar vermietet wird, kann nicht gefolgt werden. Sie übersieht, dass dadurch der Schuldzinsenabzug nach § 10e Abs. 6 a Satz 1 EStG, der die Selbstnutzung des Objekts verlangt, nicht "nachgeholt" wird, sondern ein von der Grundförderung losgelöster Schuldzinsenabzug gewährt würde.

Ende der Entscheidung

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