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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 04.07.2007
Aktenzeichen: X R 44/03
Rechtsgebiete: FGO, ZPO, EStG
Vorschriften:
FGO § 73 Abs. 1 Satz 1 | |
FGO § 126 Abs. 2 | |
FGO § 155 | |
ZPO § 240 Satz 1 | |
EStG § 6 Abs. 3 | |
EStG § 16 | |
EStG § 16 Abs. 1 Nr. 1 | |
EStG § 34 | |
EStG § 34 Abs. 1 |
Gründe:
I. Der frühere Kläger und Revisionskläger (K) wurde im Streitjahr 1996 zusammen mit seiner Ehefrau zur Einkommensteuer veranlagt. Während des Revisionsverfahrens ist über sein Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet worden. Dadurch wurde das Revisionsverfahren des K gemäß § 155 der Finanzgerichtsordnung (FGO) i.V.m. § 240 Satz 1 der Zivilprozessordnung (ZPO) unterbrochen. Der Insolvenzverwalter hat die Anfrage des erkennenden Senats, ob er das durch die Insolvenzeröffnung unterbrochene Verfahren aufnimmt (§ 155 FGO i.V.m. § 250 ZPO), nicht beantwortet. Durch Beschluss vom 8. November 2006 hat der erkennende Senat die Revision der Ehefrau des K vom Verfahren X R 44/03 gemäß § 73 Abs. 1 Satz 1 FGO abgetrennt. Mit Schriftsatz vom 14. November 2006 hat der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) die Aufnahme des Rechtsstreits erklärt (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 7. März 2006 VII R 11/05, BFHE 212, 11, BStBl II 2006, 573). Dadurch wurde der Insolvenzverwalter zum Kläger und Revisionskläger (Kläger).
K hatte zum 2. Januar 1992 von seinem Vater ein aus einer Tankstelle und einem Stahlbaubetrieb bestehendes Einzelunternehmen übernommen, zu dessen Betriebsvermögen ein 2 134 qm großes Grundstück gehörte. Kurz vor der Betriebsübernahme hatte K die X-Stahlbau GmbH (GmbH) errichtet, deren Unternehmensgegenstand u.a. Schlosserei, Stahlbau, Verarbeitung und Bearbeitung von Stahl-, Kunststoff-, Maschinenteilen, den Handel mit Eisen und Stahlwaren sowie den Betrieb und die Unterhaltung einer Tankstelle nebst Warenverkauf umfasste. Abgesehen von einem an einen Dritten verpachteten Teil des Betriebsgrundstücks wurde das gesamte Betriebsvermögen des Einzelunternehmens der GmbH zur Nutzung überlassen. Da K alleiniger Gesellschafter der GmbH war, wurde die Nutzungsüberlassung als Betriebsaufspaltung behandelt. Die an den Fremdpächter überlassene Grundstücksfläche war gewillkürtes Betriebsvermögen des Besitzunternehmens.
Mit notariellem Vertrag vom 6. September 1996 veräußerte K zum 1. Oktober 1996 eine zum Betrieb der Tankstelle genutzte Teilfläche des Betriebsgrundstücks mit einer Größe von 812 qm an die A-Energiehandels-GmbH.
Das FA behandelte den hieraus entstandenen Veräußerungsgewinn in Höhe von 320 997 DM zunächst erklärungsgemäß als solchen aus einer Teilbetriebsveräußerung i.S. des § 16 Abs. 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) und berechnete die hierauf entfallende Einkommensteuer nach dem ermäßigten Steuersatz gemäß § 34 Abs. 1 EStG. Im Rahmen des Verfahrens der Aufhebung des Vorbehalts der Nachprüfung vertrat das FA hingegen die Auffassung, eine tarifbegünstigte Teilbetriebsveräußerung liege nicht vor, und setzte die Einkommensteuer auf 118 894 DM fest.
Das Finanzgericht (FG) hat die nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobene Klage mit in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2004, 1685 veröffentlichtem Urteil abgewiesen.
Mit der Revision rügt der Kläger Verletzung materiellen Rechts. Er beantragt, unter Aufhebung des FG-Urteils und der Einspruchsentscheidung des FA vom 18. September 1998 den Einkommensteuerbescheid für das Jahr 1996 vom 22. Dezember 1997 abzuändern und die Einkommensteuer auf 64 374 DM herabzusetzen.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
II. Die Revision ist unbegründet und deshalb gemäß § 126 Abs. 2 FGO zurückzuweisen. Im Ergebnis zu Recht hat das FG erkannt, dass der Gewinn aus der Veräußerung des dem Tankstellenbetrieb dienenden Grundstücksteils den laufenden Einkünften aus Gewerbebetrieb des K zuzurechnen ist. Die Voraussetzungen für die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes liegen nicht vor.
1. Zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb gehören auch Gewinne, die bei der Veräußerung eines Teilbetriebs erzielt werden (§ 16 Abs. 1 Nr. 1 EStG). Der Veräußerungsgewinn wird, soweit er nicht steuerfrei bleibt, mit den ermäßigten Sätzen des § 34 Abs. 1 EStG besteuert (§ 34 Abs. 2 Nr. 1 EStG).
a) Nach der Rechtsprechung ist unter einem Teilbetrieb ein organisatorisch geschlossener, mit einer gewissen Selbständigkeit ausgestatteter Teil eines Gesamtbetriebs zu verstehen, der --für sich betrachtet-- alle Merkmale eines Betriebs im Sinne des EStG aufweist und als solcher lebensfähig ist (ständige Rechtsprechung, vgl. u.a. BFH-Urteil vom 13. Februar 1996 VIII R 39/92, BFHE 180, 278, BStBl II 1996, 409, m.w.N.; BFH-Beschluss vom 7. Juli 1997 X B 239/96, BFH/NV 1998, 27, m.w.N.). Ob ein Betriebsteil die für die Annahme eines Teilbetriebs erforderliche Selbständigkeit besitzt, ist nach dem Gesamtbild der Verhältnisse --beim Veräußerer-- zu entscheiden (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 15. März 1984 IV R 189/81, BFHE 140, 563, BStBl II 1984, 486). Den Abgrenzungsmerkmalen --z.B. räumliche Trennung vom Hauptbetrieb, gesonderte Buchführung, eigenes Personal, eigene Verwaltung, selbständige Organisation, eigenes Anlagevermögen, ungleichartige betriebliche Tätigkeit, eigener Kundenstamm-- kommt je nachdem, ob es sich um einen Fertigungs-, Handels- oder Dienstleistungsbetrieb handelt, unterschiedliches Gewicht zu (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 24. August 1989 IV R 120/88, BFHE 158, 257, BStBl II 1990, 55, und in BFHE 140, 563, BStBl II 1984, 486, m.w.N.). Eine völlig selbständige Organisation mit eigener Buchführung ist für die Annahme eines Teilbetriebs nicht erforderlich. Diese Merkmale kennzeichnen bereits den eigenständigen Gesamtbetrieb im Gegensatz zum bloßen Teilbetrieb (BFH-Urteil vom 24. April 1969 IV R 202/68, BFHE 95, 323, BStBl II 1969, 397).
b) Eine Grundstücksvermietung kann in Gestalt eines Teilbetriebs ausgeübt werden, wenn sie für sich gesehen die Voraussetzungen eines Gewerbebetriebs erfüllt und wenn sie sich als gesonderter Verwaltungskomplex aus dem Gesamtbetrieb des Besitzunternehmens heraushebt (vgl. BFH-Urteil vom 12. November 1997 XI R 24/97, BFH/NV 1998, 690, m.w.N.). Im Fall der Betriebsaufspaltung zwischen einem Besitzunternehmen und mehreren Betriebsgesellschaften kann nach dem BFH-Urteil in BFH/NV 1998, 690 durch die Vermietung ein Teilbetrieb gegeben sein, wenn an eine Betriebsgesellschaft räumlich abgrenzbare Grundstücksteile, die ausschließlich dieser Gesellschaft zuzuordnen sind, durch gesonderten Vertrag vermietet werden (vgl. hierzu auch BFH-Beschluss vom 27. September 1993 IV B 125/92, BFH/NV 1994, 617, und Schmidt/Wacker, EStG, 26. Aufl., § 16 Rz 160 "Besitzunternehmen").
c) Ob die Teilbetriebseigenschaft eines Betriebsteils beim Betriebsunternehmen entsprechend den vom erkennenden Senat im Urteil vom 29. März 2006 X R 59/00 (BFHE 213, 50, BStBl II 2006, 661) entwickelten Grundsätzen dem Besitzunternehmen zugerechnet werden kann (vgl. Tiedtke/Wälzholz, Finanz-Rundschau 1999, 117; Tiedtke/Wälzholz, Betriebs-Berater --BB-- 1999, 765, 768; Geissler in Herrmann/Heuer/Raupach, § 16 EStG Rz 145; Hörger/Rapp in Littmann/Bitz/Pust, Das Einkommensteuerrecht, Kommentar, § 16 Rz 44 S. 2193 unten letzter Absatz, S. 2194; Stahl in Korn, § 16 EStG Rz 69 Stichwort "Betriebsaufspaltung"), kann im Streitfall dahinstehen. Eine privilegierte Teilbetriebsveräußerung kann nur dann bejaht werden, wenn der Steuerpflichtige die bisher in diesem Teilbetrieb entfaltete Tätigkeit endgültig einstellt und sämtliche zum Teilbetrieb gehörenden wesentlichen Betriebsgrundlagen in einem einheitlichen Vorgang veräußert oder/und entnimmt (BFH-Urteil vom 20. Januar 2005 IV R 14/03, BFHE 209, 95, BStBl II 2005, 395). Daran fehlt es im Streitfall.
aa) Der Begriff der wesentlichen Betriebsgrundlagen hat nicht nur für § 16 EStG, sondern auch für andere ertragsteuerliche Normen und Rechtsinstitute rechtliche Relevanz, so z.B. für § 6 Abs. 3 EStG, für die Betriebsverpachtung und die Betriebsaufspaltung. Er ist jedoch normspezifisch unterschiedlich entsprechend dem jeweiligen Gesetzeszweck auszulegen (BFH-Urteil vom 2. Oktober 1997 IV R 84/96, BFHE 184, 425, BStBl II 1998, 104; Schmidt/Wacker, a.a.O., § 16 Rz 100).
bb) Als Tatbestandsmerkmal des § 16 EStG wird der Begriff der wesentlichen Betriebsgrundlagen --entsprechend dem Zweck der §§ 16, 34 EStG, nur die zusammengeballte Realisierung der stillen Reserven tariflich zu begünstigen-- nach ständiger Rechtsprechung im Sinne einer kombinierten funktional-quantitativen Betrachtungsweise verstanden (vgl. BFH-Urteile in BFHE 180, 278, BStBl II 1996, 409; in BFHE 184, 425, BStBl II 1998, 104; vom 10. November 2005 IV R 7/05, BFHE 211, 312, BStBl II 2006, 176). Danach gehören zu den wesentlichen Betriebsgrundlagen i.S. von § 16 EStG zum einen Wirtschaftsgüter, die nach der Art des Betriebs und ihrer Funktion im Betrieb für diesen wesentlich sind und zwar unabhängig von der Frage, ob sie stille Reserven enthalten oder nicht (funktionale Betrachtung). Wesentliche Betriebsgrundlagen eines Unternehmens sind aber auch Wirtschaftsgüter, die funktional gesehen für den Betrieb zwar nicht erforderlich sind, in denen jedoch erhebliche stille Reserven gebunden sind (quantitative Betrachtung; Schmidt/Wacker, a.a.O., § 16 Rz 101).
cc) Nach ständiger Rechtsprechung des BFH sind in Fällen der Betriebsaufspaltung die dem Besitzunternehmer gehörenden Anteile an der Betriebskapitalgesellschaft notwendiges Betriebsvermögen des Besitzeinzelunternehmens (vgl. BFH-Urteile vom 21. Juni 2001 III R 27/98, BFHE 196, 59, BStBl II 2002, 537, unter II. 2. der Gründe; vom 14. September 1999 III R 47/98, BFHE 190, 315, BStBl II 2000, 255, unter II. 1. der Gründe; vom 12. Februar 1992 XI R 18/90, BFHE 167, 499, BStBl II 1992, 723, m.w.N.). Sie sind auch wesentliche Betriebsgrundlagen im Sinne der funktionalen Betrachtungsweise, weil sie die Durchsetzung des einheitlichen geschäftlichen Betätigungswillens gewährleisten und damit im Dienste einer gesicherten Vermögensnutzung durch das Besitzunternehmen stehen (BFH-Urteil vom 23. Juli 1981 IV R 103/78, BFHE 134, 126, BStBl II 1982, 60). Auf die Frage, ob in ihnen (wesentliche) stille Reserven gebunden sind, kommt es deshalb nicht an.
dd) Im Streitfall waren wesentliche Betriebsgrundlagen des Besitzunternehmens und damit zugleich sämtlicher (möglicher) Teilbetriebe des K nach alledem auch die GmbH-Anteile an der Betriebsgesellschaft. Diese können weder (quotal) einem Teilbetrieb "Tankstelle" noch einem Teilbetrieb "Stahlbau", sondern nur dem Betriebsunternehmen insgesamt zugeordnet werden. Diese GmbH-Anteile hat K nicht veräußert oder in das Privatvermögen entnommen. Sie blieben weiterhin notwendiges Betriebsvermögen des Besitzunternehmens. Die Voraussetzungen einer privilegierten Teilbetriebsveräußerung liegen damit nicht vor (so auch Tiedtke/Wälzholz, BB 1999, 765, 768).
2. Für die Verbindung des mit Beschluss vom 8. November 2006 abgetrennten Verfahrens X R 49/06 mit diesem Revisionsverfahren spricht nach Auffassung des Senats kein sachlicher Grund.
Ende der Entscheidung
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