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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 04.06.2003
Aktenzeichen: X R 49/01
Rechtsgebiete: EStG, EStDV
Vorschriften:
EStG § 10e Abs. 1 Satz 8 | |
EStG § 23 Abs. 1 | |
EStDV § 9a |
Gründe:
I.
Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind seit dem 10. Dezember 1993 verheiratet. Sie werden für die Streitjahre 1994 und 1995 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt.
Mit notariellem Kaufvertrag vom 16. November 1993 erwarb der Kläger von der Klägerin das mit einem Zweifamilienhaus bebaute Grundstück G in N zum Preis von 330 000 DM. Nach dem Vertrag sollten Besitz, Gefahr Lasten und Nutzen "mit Zahlung des gesamten Kaufpreises ..." auf den Kläger übergehen. Der Kläger zahlte den Restkaufpreis in Höhe von 191 510,33 DM am 21. Januar 1994.
In den Einkommensteuererklärungen für die Streitjahre 1994 und 1995 machte der Kläger für das Objekt erfolglos den Abzugsbetrag nach § 10e Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes --EStG-- (1994: 27 172 DM und 1995: 13 586 DM) geltend. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) vertrat die Auffassung, dass § 10e Abs. 1 Satz 8 EStG der Steuerbegünstigung entgegenstehe.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab (Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 2002, 16).
Mit ihrer Revision rügen die Kläger die Verletzung materiellen Rechts.
Sie beantragen sinngemäß, die Vorentscheidung aufzuheben und die angefochtenen Einkommensteuerbescheide mit der Maßgabe zu ändern, dass Steuerabzugsbeträge in Höhe von 27 172 DM (1994) und 13 586 DM (1995) wie Sonderausgaben berücksichtigt werden.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
II.
Die Revision der Kläger ist als unbegründet zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FG ist zu Recht davon ausgegangen, dass der Inanspruchnahme der Steuerbegünstigung für den Erwerb des Objekts durch den Kläger § 10e Abs. 1 Satz 8 EStG entgegenstand.
1. Nach § 10e Abs. 1 Satz 8 EStG ist die Steuerbegünstigung ausgeschlossen, wenn der Steuerpflichtige die Wohnung von seinem Ehegatten anschafft und bei den Ehegatten die Voraussetzungen für eine Zusammenveranlagung (§ 26 Abs. 1 EStG) vorliegen. Maßgeblich ist der Anschaffungszeitpunkt. Die spätere Heirat von Veräußerer und Erwerber ist deshalb ebenso wenig von Bedeutung wie eine spätere Scheidung oder der spätere Eintritt oder Wegfall der Voraussetzungen für die Zusammenveranlagung (Senatsentscheidung vom 22. April 1998 X R 163/94, BFH/NV 1999, 24).
a) Der Begriff "Anschaffung", der aus dem Handelsrecht in das Einkommensteuerrecht übernommen worden ist (Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 28. April 1977 IV R 163/75, BFHE 122, 121, BStBl II 1977, 553), wird im EStG nicht ausdrücklich definiert (Stobbe in Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz mit Nebengesetzen, Kommentar, § 6 EStG Anm. 272). Allerdings setzt § 9a der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung (EStDV) den Begriff der Lieferung jenem der Anschaffung gleich (BFH-Urteil vom 2. September 1988 III R 53/84, BFHE 154, 413, BStBl II 1988, 1009). Lieferung bedeutet wie im Umsatzsteuerrecht (vgl. § 3 Abs. 1 des Umsatzsteuergesetzes --UStG--) Verschaffen der Verfügungsmacht. Es kommt somit auf den Zeitpunkt der Übertragung des wirtschaftlichen Eigentums an (ständige Rechtsprechung, z.B. BFH-Urteile vom 7. November 1991 IV R 43/90, BFHE 166, 239, BStBl II 1992, 398, und vom 12. April 2000 X R 69/98, BFH/NV 2000, 1331, jeweils m.w.N.). Weder der Abschluss des schuldrechtlichen Kaufvertrags noch die Auflassung (§§ 873, 925 des Bürgerlichen Gesetzbuchs --BGB--) führen als solche zum Übergang des wirtschaftlichen Eigentums. Maßgebend ist allein, wann der Erwerber vereinbarungsgemäß wirtschaftlich über das Wirtschaftsgut verfügen kann. Das ist bei der Übertragung eines Grundstücks in der Regel der Fall, wenn Eigenbesitz, Gefahr, Lasten und Nutzen auf diesen übergehen (z.B. Urteile in BFHE 166, 239, BStBl II 1992, 398, und in BFH/NV 2000, 1331; vom 18. Juli 2001 X R 39/97, BFHE 196, 139, BStBl II 2002, 284). Denn maßgebend für eine Zurechnung aufgrund wirtschaftlichen Eigentums ist vor allem, dass Substanz und Ertrag des Grundstücks wirtschaftlich dem Nutzungsberechtigten zustehen. Solange Nutzen, Lasten und die Gefahr des zufälligen Untergangs noch nicht auf den Erwerber übergegangen sind, sind diese Voraussetzungen nicht erfüllt (Senatsentscheidung vom 27. September 2001 X R 67/00, BFH/NV 2002, 327).
Diese Grundsätze kommen auch im Rahmen des § 10e Abs. 1 Satz 8 EStG zur Anwendung (vgl. Senatsentscheidung in BFH/NV 1999, 24). Allein der Abschluss des schuldrechtlichen Kaufvertrags führt nicht zum Übergang des wirtschaftlichen Eigentums.
Besonderheiten hinsichtlich des Zeitpunkts der Anschaffung gelten nach ständiger Rechtsprechung lediglich im Bereich des § 23 Abs. 1 EStG. Für die Berechnung des Zeitraums zwischen Anschaffung und Veräußerung sind dort grundsätzlich allein die Zeitpunkte des Abschlusses der obligatorischen Verträge maßgebend (vgl. Senatsentscheidung vom 17. Dezember 1997 X R 88/95, BFHE 185, 40, BStBl II 1998, 343, m.w.N.). Diese Rechtsprechung trägt dem Grundgedanken Rechnung, der der Besteuerung des Spekulationsgeschäfts zugrunde liegt, dass nämlich der Steuerpflichtige sich Werterhöhungen von Wirtschaftsgütern innerhalb einer bestimmten Frist wirtschaftlich zugeführt hat. Das ist aber bereits mit dem Abschluss des schuldrechtlichen Verpflichtungsgeschäfts geschehen (BFH-Urteil vom 26. August 1975 VIII R 61/72, BFHE 116, 553, BStBl II 1976, 64).
b) Nach dem notariellen Kaufvertrag vom 16. November 1993 gingen Besitz, Nutzen, Gefahr und Lasten mit dem Tag der Zahlung des gesamten Kaufpreises auf den Kläger über. Da dieser den Kaufpreis erst im Januar 1994 vollständig bezahlte, wurde er auch erst in diesem Zeitpunkt wirtschaftlicher Eigentümer des Grundstücks. Zu diesem Zeitpunkt waren die Kläger bereits verheiratet.
Vom Regelfall abweichende Umstände, die eine Zurechnung des Grundstücks zum Kläger vor dem genannten Zeitpunkt rechtfertigen, liegen im Streitfall nicht vor. Für die Annahme wirtschaftlichen Eigentums reicht es nicht aus, dass der Kläger durch Zahlung des Restkaufpreises vor dem Tag der Eheschließung den Übergang von Besitz, Gefahr, Lasten und Nutzen ohne Zutun der Verkäuferin herbeiführen konnte (Senatsentscheidung in BFH/NV 2002, 327). Nach den zutreffenden Ausführungen des FG genügt das bereits für die Zeit vor der Eheschließung behauptete Einverständnis zwischen den Klägern, dass Besitz, Nutzen und Lasten auf den Kläger übergehen sollten, für die Annahme wirtschaftlichen Eigentums nicht (Senatsentscheidung in BFHE 196, 139, BStBl II 2002, 284).
2. Gegen die Verfassungsmäßigkeit des § 10e Abs. 1 Satz 8 EStG hat der Senat keine Bedenken, wie sich aus seinem Urteil vom 13. Februar 2003 X R 6/99 (BFH/NV 2003, 770) ergibt. Zur Begründung im Einzelnen wird auf diese Entscheidung verwiesen.
Ende der Entscheidung
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