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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 13.12.2000
Aktenzeichen: X R 69/97
Rechtsgebiete: EStG


Vorschriften:

EStG § 10h
BUNDESFINANZHOF

Die Überlassung einer Wohnung ist nicht "voll unentgeltlich" i.S. des § 10h Satz 2 Nr. 4 EStG, wenn der nutzungsberechtigte Angehörige dem Eigentümer für den Ausbau der Wohnung ein zinsloses Darlehen gewährt.

EStG § 10h

Urteil vom 13. Dezember 2000 - X R 69/97 -

Vorinstanz: Hessisches FG (EFG 1997, 800)


Gründe

I.

Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) sind Eigentümer eines von ihnen bewohnten Hauses in B, dessen Dachgeschoss sie in den Jahren 1992 bis 1994 mit einem Kostenaufwand von 289 149 DM zu einer Wohnung umgebaut und ihrer Tochter seit Oktober 1994 zu Wohnzwecken überlassen haben. Zur Finanzierung setzten die Kläger eigene Mittel in Höhe von 175 000 DM, Fremddarlehen in Höhe von 29 350 DM und ein zinsloses --im Jahre 2004 rückzahlbares-- Darlehen in Höhe von 115 000 DM ein, das die Tochter dem Kläger aufgrund eines Darlehensvertrages vom 15. Juli 1993 gewährt hatte.

Mit ihrer Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 1994 beantragten die Kläger, für die Baumaßnahme einen Abzugsbetrag nach § 10e des Einkommensteuergesetzes (EStG) in Höhe von 17 349 DM zu berücksichtigen. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) lehnte dies im Einkommensteuerbescheid für 1994 wegen Nichtvorlage angeforderter Unterlagen ab. Dagegen legten die Kläger Einspruch ein. Anstelle der Grundförderung nach § 10e EStG begehrten sie Berücksichtigung eines Abzugsbetrages nach § 10h Satz 1 EStG. Dies versagte das FA in der Einspruchsentscheidung mit der Begründung, die Kläger hätten ihrer Tochter die Wohnung nicht i.S. des § 10h Satz 2 Nr. 4 EStG "voll unentgeltlich" überlassen. Denn das ihnen gewährte zinslose Darlehen sei eine --mit 47 725 DM zu bewertende-- Gegenleistung.

Der dagegen erhobenen Klage, mit der die Kläger die Anerkennung eines Abzugsbetrages nach § 10h Satz 1 EStG in Höhe von 17 349 DM und eines Vorkostenabzugs nach § 10h Satz 3 i.V.m. § 10e Abs. 6 EStG beantragten, gab das Finanzgericht (FG) statt. Das Urteil des FG ist veröffentlicht in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1997, 800.

Mit der Revision rügt das FA die Verletzung des § 10h EStG.

Es beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Kläger beantragen, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Sie tragen vor, sie hätten ihrer Tochter die Wohnung auch ohne Darlehen überlassen; eine Zweckbestimmung hinsichtlich des Darlehens sei nicht getroffen worden. Selbst wenn man eine Ursächlichkeit des Darlehens für die Nutzungsüberlassung annehmen wolle, sei dieses keine Gegenleistung für die Nutzungsüberlassung; vielmehr lägen insoweit wechselseitig voneinander unabhängige Zuwendungen i.S. des § 12 Nr. 2 EStG vor. Die Nutzungsüberlassung sei im Übrigen deshalb nicht entgeltlich, weil nach den Maßstäben des Fremdvergleichs fremde Dritte niemals eine Wohnung auf unbestimmte Zeit überlassen würden, ohne hierfür ein vorher vereinbartes und schriftlich fixiertes Entgelt zu erhalten.

II.

Die Revision ist begründet. Das Urteil des FG ist aufzuheben und die Klage abzuweisen (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

Zu Unrecht hat das FG die Steuerbegünstigung des § 10h EStG gewährt.

1. Nach § 10h Satz 1 EStG kann der Steuerpflichtige von den Aufwendungen, die ihm durch Baumaßnahmen zur Herstellung einer Wohnung entstanden sind, im Jahr der Fertigstellung und in den drei folgenden Jahren jeweils bis zu 6 v.H., höchstens jeweils 19 800 DM, und in den vier darauf folgenden Jahren jeweils bis zu 5 v.H., höchstens jeweils 16 500 DM, wie Sonderausgaben abziehen. Voraussetzung dafür ist nach Satz 2 Nr. 4 der Vorschrift, dass der Steuerpflichtige die Wohnung insgesamt im jeweiligen Jahr des Zeitraums nach Satz 1 "voll unentgeltlich" an einen Angehörigen i.S. des § 15 Abs. 1 Nr. 3 und 4 der Abgabenordnung (AO 1977) auf Dauer zu Wohnzwecken überlassen hat.

2. Entgegen der Auffassung des FG stellt die Hingabe des von der Tochter gewährten zinslosen Darlehens ein Entgelt dar, das die Förderung der überlassenen Wohnung nach Maßgabe des § 10h Satz 2 Nr. 4 EStG ausschließt.

a) Das FG hat unter Bezugnahme auf Meyer (in Herrmann/Heuer/ Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz, Kommentar, § 10h EStG Rz. 50) und Koller (Deutsches Steuerrecht --DStR-- 1992, 844, 847) angenommen, die Hingabe des unverzinslichen Darlehens und die Überlassung der Dachgeschosswohnung stünden "rechtlich und vertragsmäßig" in keinem synallagmatischen Zusammenhang von Leistung und Gegenleistung. Der Kläger und seine Tochter hätten im Darlehensvertrag keine "Mittelverwendungsbestimmung" getroffen. Der Kläger habe über die Darlehensvaluta frei verfügen können. Die Tochter habe auch keine andere Gegenleistung für die Überlassung der Wohnung erbracht. Wohnungsüberlassung und zinsloses Darlehen seien danach rechtlich voneinander unabhängig zu beurteilende unentgeltliche Zuwendungen.

b) Diese Ausführungen des FG sind rechtsfehlerhaft.

aa) "Voll unentgeltlich" i.S. des § 10h Satz 2 Nr. 4 EStG kann nur eine Wohnungsüberlassung sein, für die keinerlei Entgelt gezahlt wird (vgl. Schmidt/Drenseck, Einkommensteuergesetz, 19. Aufl., § 10h Rdnr. 8). Danach ist die Gewährung eines zinslosen Darlehens durch einen Wohnungsnutzer an den Wohnungseigentümer eine --die Förderung nach § 10h Satz 2 Nr. 4 EStG ausschließende-- Gegenleistung, wenn das Darlehen in sachlichem Zusammenhang mit der Wohnungsüberlassung gewährt wird (Schmidt/ Drenseck, a.a.O., § 10h Rdnr. 8; Kleeberg in Kirchhof/Söhn, Einkommensteuergesetz, § 10h Rz. B 12).

bb) Im Streitfall ist ein solcher Bezug zwischen zinslosem Darlehen und der anschließenden Wohnungsüberlassung gegeben.

Zum einen besteht tatsächlich zwischen Wohnungsüberlassung und Darlehensgewährung ein unmittelbarer zeitlicher und wirtschaftlicher Zusammenhang, auch wenn die Kläger und ihre Tochter die spätere Wohnungsüberlassung und deren Umfang nicht ausdrücklich in ihre Vereinbarungen einbezogen haben. Denn generell hängt die steuerrechtliche Qualifizierung eines Vorgangs nicht entscheidend von der Vertragsgestaltung ab; maßgeblich ist hier vielmehr, dass das zinslose Darlehen aus der Sicht der Kläger wie auch der Tochter nach dem Gesamtbild der Verhältnisse --insbesondere im Hinblick auf ihren Finanzierungsbedarf, die Höhe der Darlehenssumme und die Ausrichtung der Baumaßnahme auf die Wohnbedürfnisse der Tochter-- ausschließlich zur Finanzierung des Wohnungsausbaus bestimmt war. Schon aufgrund des unmittelbaren zeitlichen Zusammenhangs zwischen Darlehensgewährung und Baumaßnahme ist davon auszugehen, dass die Darlehensgewährung durch die Wohnungsüberlassung veranlasst war.

Zum anderen begründet die Zuwendung des zinslosen Darlehens im Umfang der Zinsersparnis bei der Finanzierung des Dachgeschossausbaus einen wirtschaftlichen Vorteil der Kläger, der der anschließenden Wohnungsüberlassung an die Tochter nach Wortlaut und Zweck der Regelung den nach § 10h Satz 2 Nr. 4 EStG erforderlichen Charakter einer "voll unentgeltlichen" Leistung nimmt.

Denn der Gesetzgeber hat die mit § 10h EStG bezweckte Ausschöpfung der Wohnungsreserven im privaten Wohnungsbereich und das Zusammenleben der Generationen unter einem Dach (vgl. BTDrucks 12/1506, S. 171) ausdrücklich nur unter der Voraussetzung einer "voll unentgeltlichen" Wohnungsüberlassung an Angehörige fördern wollen. Dies macht seinen Willen deutlich, nur solche Maßnahmen zu begünstigen, zu denen die Angehörigen keinen --wie auch immer gearteten-- finanziellen oder wirtschaftlichen Beitrag leisten. Ob dieser Beitrag im Einzelfall entbehrlich gewesen oder die Wohnung auch ohne diesen Beitrag überlassen worden wäre --wie die Kläger im Streitfall vortragen--, ist hiernach ebenso unerheblich wie die Frage danach, ob die Nutzungsüberlassung nach dem Maß des gewährten (Zins-)Vorteils begrenzt ist (so Meyer, a.a.O., § 10h EStG Rdnr. 50). Vielmehr ist allein entscheidend, dass ein solcher finanzieller oder wirtschaftlicher Beitrag nach dem Gesamtbild der Verhältnisse tatsächlich geleistet worden ist.

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