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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 18.10.2000
Aktenzeichen: X R 70/97
Rechtsgebiete: EStG


Vorschriften:

EStG § 16 Abs. 2 Satz 1
EStG § 16 Abs. 1 Nr. 1
EStG § 34
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe

I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) betrieb seit 1989 auf einem in ihrem Eigentum stehenden Grundstück ein ... als Einzelunternehmen. Zur Finanzierung hatte sie u.a. einen Kredit bei einer Hypothekenbank in Höhe von 750 000 DM aufgenommenen, der zu 81,16 % betrieblich veranlasst war.

Mit notariellem Kaufvertrag vom 9. November 1993 veräußerte die Klägerin das Betriebsgrundstück nebst Inventar für 1 650 000 DM. Der Käufer verpflichtete sich, 1 500 000 DM auf ein Notaranderkonto zu zahlen. Mit diesem Betrag sollten die Grundpfandrechtsgläubiger, u.a. die Hypothekenbank, befriedigt werden. § 4 Abs. 2 des Kaufvertrags verpflichtete die Klägerin, die Restforderungen der Grundpfandgläubiger abzulösen. Für den Restkaufpreis wurde Ratenzahlung vereinbart. Der Besitzübergang war für den 1. Januar 1994 vorgesehen.

Noch im Streitjahr 1993 leistete die Klägerin für die Ablösung des von der Hypothekenbank gewährten Darlehens eine Vorfälligkeitsentschädigung in Höhe von 153 000 DM. Auf den betrieblich veranlassten Teil des Darlehens entfielen hiervon 81,16 % = 124 174,80 DM. Diese Vorfälligkeitsentschädigung wies die Klägerin in ihrer Gewinn- und Verlustrechnung für das Streitjahr als Betriebsausgabe aus und ermittelte einen Jahresgewinn von 100 783,73 DM.

Im Rahmen der gesonderten Feststellung der Besteuerungsgrundlagen für 1993 vertrat der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) die Auffassung, bei der Vorfälligkeitsentschädigung handle es sich um keine im Veranlagungszeitraum 1993 zu berücksichtigende Betriebsausgabe, sondern um Aufwand im Zusammenhang mit der nach dem Abschlussstichtag 31. Dezember 1993 erfolgten Veräußerung des Betriebs. Deshalb lägen den im Jahr 1994 entstandenen Veräußerungsgewinn mindernde Veräußerungskosten vor.

Der nach erfolglosem Einspruch gegen den Feststellungsbescheid erhobenen Klage gab das Finanzgericht (FG) mit in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1997, 1096 veröffentlichtem Urteil statt.

Mit der Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts.

Es beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

II. Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Entgegen der Ansicht des FG sind die Aufwendungen für die Vorfälligkeitsentschädigung nicht bei der Ermittlung des laufenden Gewinns zu berücksichtigen. Sie sind vielmehr den Veräußerungskosten i.S. des § 16 Abs. 2 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) zuzuordnen, die den Veräußerungsgewinn des Folgejahres mindern.

1. Vom laufenden Gewinn aus Gewerbebetrieb ist der nach § 16 Abs. 1 Nr. 1 EStG zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb gehörende Gewinn aus der Veräußerung des Gewerbebetriebs, der gemäß § 34 EStG als außerordentlicher Gewinn steuerbegünstigt ist, zu unterscheiden. Gemäß § 16 Abs. 2 Satz 1 EStG ist Veräußerungsgewinn der Betrag, um den der Veräußerungspreis nach Abzug der Veräußerungskosten den Wert des Betriebsvermögens übersteigt. Aufwendungen für eine Vorfälligkeitsentschädigung, die wegen der vorzeitigen Rückzahlung eines betrieblichen Kredits in Zusammenhang mit einer Betriebsveräußerung angefallen ist, sind keine den laufenden Gewinn mindernde Betriebsausgaben, sondern Veräußerungskosten i.S. von § 16 Abs. 2 Satz 1 EStG.

Der VIII. Senat des Bundesfinanzhofs (BFH) hat mit Urteil vom 25. Januar 2000 VIII R 55/97 (BFHE 191, 111, BStBl II 2000, 458) entschieden, dass bei der Abgrenzung, ob Aufwendungen als Betriebsausgaben (§ 4 Abs. 4 EStG) bei der Ermittlung des laufenden Gewinns oder aber als Veräußerungskosten i.S. von § 16 Abs. 2 Satz 1 EStG anzusehen sind, auf den Veranlassungszusammenhang abzustellen ist. Die ursprüngliche Definition der Veräußerungskosten durch den BFH, wonach ein unmittelbarer sachlicher Bezug zum Veräußerungsgeschäft erforderlich war (vgl. BFH-Urteil vom 6. Mai 1982 IV R 56/79, BFHE 136, 209, BStBl II 1982, 691), sei kein aussagekräftiges Merkmal für die Zuordnung von Aufwendungen. Der Maßstab für die Zuordnung von Aufwendungen zur "Veräußerungssphäre und damit zu den Veräußerungskosten i.S. des § 16 Abs. 2 Satz 1 EStG sei vielmehr der gesetzgeberischen Wertung zu entnehmen, die die Besteuerung der stillen Reserven sicherstellen wollte. Beim negativen Wirtschaftsgut "Kredit" werde die bisherige Zweckbestimmung, den laufenden Gewinn zu erwirtschaften, durch die Betriebsveräußerung überlagert. Die Vorfälligkeitsentschädigung weise jedenfalls dann eine größere Nähe zu den Veräußerungskosten als zum laufenden Gewinn aus, wenn die vorzeitige Ablösung des Kredits in dem Veräußerungsvertrag vereinbart und darin auch bestimmt sei, dass die dem Darlehensgeber geschuldete Vorfälligkeitsentschädigung vom Veräußerer zu tragen sei. Dieser Entscheidung des VIII. Senats, die mit der Rechtsprechung des IX. Senats zu Veräußerungsvorgängen bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung übereinstimmt, schließt sich der erkennende Senat im Wesentlichen an.

Die hiervon abweichende Verwaltungsanweisung in R 139 Abs. 12 des Amtlichen Einkommensteuer-Handbuchs (EStH) ist überholt. Ergänzend weist der Senat darauf hin, dass der BFH dem "unmittelbaren" Zusammenhang der Aufwendungen mit dem Veräußerungsgeschäft schon vor dem Urteil des VIII. Senats mehrfach keine ausschließliche Bedeutung beigemessen oder ihn doch weit ausgelegt hat. So ist bereits im Urteil des IV. Senat vom 26. März 1992 IV R 121/90 (BFHE 168, 419, BStBl II 1992, 1038, unter 2. der Gründe) ausgesprochen, dass eine Minderung des Veräußerungsgewinns auch "durch wirtschaftlich eng mit der Veräußerung zusammenhängende Vorgänge denkbar" sei.

Der I. Senat ist im Urteil vom 6. Oktober 1993 I R 97/92 (BFHE 173, 47, BStBl II 1994, 287) zwar noch ausdrücklich vom Erfordernis einer "unmittelbar" sachlichen Beziehung zur Veräußerung ausgegangen, hat diese jedoch auch bei der Inanspruchnahme anwaltschaftlichen Rates für die Verhandlungen über Auseinandersetzungsvereinbarungen und die dadurch ausgelösten Beratungskosten zutreffend bejaht. Im Grunde wurde schon durch diese Urteile zur Entscheidung der Frage, ob den laufenden Gewinn mindernde Betriebsausgaben oder Veräußerungskosten vorliegen, maßgeblich darauf abgestellt, wodurch die Kosten veranlasst sind, was das auslösende Moment war. Diese Abgrenzung führt im Streitfall zu dem Ergebnis, dass die Aufwendungen für die Vorfälligkeitsentschädigung den Veräußerungskosten zuzuweisen sind.

Auslösendes Moment für die an den Darlehensgeber zu zahlende Vorfälligkeitsentschädigung war die Veräußerung des Betriebsgrundstücks samt Inventar, die im Streitfall einer Betriebsveräußerung gleichzusetzen ist. Die Klägerin hatte sich im notariellen Kaufvertrag verpflichtet, dem Käufer das Betriebsgrundstück lastenfrei zu übergeben. Angesichts der langfristig vereinbarten Betriebsdarlehen musste sie sich mit dem Darlehensgeber über eine vorzeitige Rückführung des Kredits einigen. Zum Ausgleich entgangener Zinseinnahmen forderte dieser eine Entschädigung. Die vorzeitige Darlehensrückführung und der Anfall der Vorfälligkeitsentschädigung waren durch die Betriebsveräußerung veranlasst. Der ursprüngliche Veranlassungszusammenhang des Darlehens und der hierfür geschuldeten Zinsen mit der Finanzierung des Betriebsvermögens wird durch die Veräußerung des Betriebs und die dadurch bedingte Rückführung des Darlehens überlagert. Auch wenn die Vorfälligkeitsentschädigung zu der auf die Gesamtlaufzeit des Kredits bezogenen Gegenleistung des Darlehensnehmers für die Inanspruchnahme des Kredits gehört (vgl. BFH-Urteil vom 25. Februar 1999 IV R 55/97, BFHE 188, 406, BStBl II 1999, 473), so verteuert sie doch --auf die verkürzte Laufzeit gerechnet-- den Kredit. Auch diese Verteuerung wurde, weil die Lastenfreiheit Bestandteil des Grundstückskaufvertrags ist, durch die Veräußerung des Grundstücks bzw. des Betriebs veranlasst.

Der IV. Senat hat der Entscheidung des VIII. Senats in BFHE 191, 111, BStBl II 2000, 458 mit der Maßgabe zugestimmt, dass die Zahlung der Vorfälligkeitsentschädigung nur dann durch die Veräußerung veranlasst sei, wenn der Veräußerungserlös zur Tilgung der Schulden ausreiche. Der erkennende Senat lässt die Frage offen, ob er dieser Einschränkung folgen könnte, da im Streitfall feststeht, dass der Veräußerungserlös zur Tilgung der Betriebsschulden ausgereicht hat.



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