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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 25.08.1999
Aktenzeichen: X R 74/96
Rechtsgebiete: EStG, FGO


Vorschriften:

EStG § 10e Abs. 1
EStG § 10e
FGO § 126 Abs. 3 Nr. 2
FGO § 76
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe

I. Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) war bis zum Jahr 1990 Pächter eines Grundstücks in E, auf dem sich ursprünglich ein Wochenendhaus (sog. Datsche) befand. Schon im August 1983 hatte der Kläger von der Gemeinde E die Zustimmung zur Errichtung eines Erweiterungsbaus mit der Einschränkung erhalten, "bilanzierte Kapazitäten" dürften nicht in Anspruch genommen werden. Aufgrund dieser Genehmigung errichtete er in den Jahren 1983/1984 einen Anbau. Im Juli 1986 erhielt der Kläger die an dessen Anschrift in E gerichtete Nachtragsgenehmigung zu einem "Wohnhauserweiterungsbau". Aufgrund dieser Genehmigung riß der Kläger die Datsche ab und errichtete dort ein neues Gebäude. 1984 erwarb er für das Gebäude sieben Nachtspeicheröfen, die teilweise im Anbau montiert und angeschlossen, z.T. auf dem Grundstück gelagert wurden. 1986 wurde eine Schwerkraftheizung in dem Gebäude installiert; 1987 ließ der Kläger deshalb die Nachtspeicheröfen ausbauen. 1990 wurde die Schwerkraftheizung demontiert und an deren Stelle eine Wärmepumpenanlage eingebaut.

Mit notariellem Kaufvertrag vom 6. Juni 1990 erwarben der Kläger und seine Ehefrau das Grundstück. In der Veräußerungsanzeige des Notars ist als Anschrift des Klägers und seiner Ehefrau wiederum das Grundstück in E bezeichnet. Förmlich gemeldet hat sich der Kläger laut Auskunft des Einwohnermeldeamtes mit Wohnsitz in E seit dem 19. Oktober 1990, seine Ehefrau seit dem 12. September 1991.

In der Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 1991 machte der Kläger für die Wohnung in E einen Abzugsbetrag nach § 10e Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) geltend und fügte eine Aufstellung der für die Errichtung des Wohngebäudes entstandenen Kosten bei, aus der sich u.a. ergibt:

Laut Rechnung vom März 1985 erwarb der Kläger Zentralheizungsrohre; die Rechnung für den Heizkessel datiert auf den 31. Dezember 1985. Laut Rechnungen vom 18. Oktober 1985, 20. September 1986 und einem Beleg aus dem Jahre 1987 erwarb er mehrere Radiatoren. Am 28. November 1986 wurden dem Kläger für die Montage der Zentralheizung 21 800 DM in Rechnung gestellt. Auch eine Rechnung über die Endprüfung durch den Schornsteinfeger vom 17. Mai 1988 befindet sich in der Baukostenaufstellung.

Über Installationsarbeiten liegen laut Aufstellung Rechnungen vom 23. Mai 1984, 19. Oktober 1984, 9. April 1984 (Warmwasser-anschluß) und 26. April 1985 vor. Weiter existieren Belege über Sanitärarbeiten bzw. Sanitärmaterial vom 5. Oktober 1987, 4. Juli 1989, 29. Juni 1989 und 5. Juni 1990.

Die Baukostenaufstellung weist auch Rechnungen über Fußbodenarbeiten aus dem Jahre 1987, Rechnungen über Türen (7. April 1988) sowie Rechnungen über Maler-, Maurer- und Bauarbeiten und dazugehöriges Material aus den Jahren 1989 und 1990 aus.

Die Aufwendungen betrugen insgesamt 176 791 Mark der DDR (Mark). Hinzu kommt ein Betrag von insgesamt 1 185 DM für 1991 erworbene Materialien, wie jeweils 52 DM für Kies und Zement und Rechnungen vom November 1991 über 998 DM für Deckenplatten bzw. Fußbodenarbeiten.

Als Bemessungsgrundlage für die geltend gemachte Grundförderung nach § 10e Abs. 1 EStG legte der Kläger nicht die Herstellungskosten, sondern einen "geschätzten Verkehrswert" von 250 000 DM zugrunde. Davon ausgehend ermittelte der Kläger nach Abzug der auf sein Büro entfallenden Aufwendungen (24,8 % = 60 200 DM) einen Abzugsbetrag von 5 % = 9 490 DM.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) setzte die Einkommensteuer für 1991 ohne Berücksichtigung der beantragten Steuerbegünstigung nach § 10e EStG fest mit der Begründung, die Wohnung sei bereits vor dem 31. Dezember 1990 fertiggestellt worden und § 10e EStG deshalb nicht anwendbar.

Mit der nach erfolglosem Einspruch erhobenen Klage machte der Kläger geltend, die Bauzustandsbescheinigung vom 25. November 1991 zeige, daß das Gebäude erst 1991 fertiggestellt worden sei. Er habe sich nur deshalb unter dieser Adresse schon im Oktober 1990 polizeilich gemeldet, weil es im Zuge der Wiedervereinigung Gerüchte gegeben habe, nur derjenige könne ein Grundstück behalten, der dieses tatsächlich bewohne.

Es sei vor der Wende schwierig gewesen, alle für den Bau erforderlichen Baustoffe und Anlagen zu bekommen, weil keine "bilanzierten Kapazitäten" hätten verwendet werden dürfen. Er habe deshalb Baumaterial und Baustoffe gekauft, auch wenn deren Verwendung nicht sicher gewesen sei. Die Nachtspeicheröfen habe er 1984 bekommen können; später habe sich jedoch herausgestellt, daß ihm "kein Stromkontingent zur Verfügung gestellt werden konnte". Schließlich habe er sich entschlossen, eine Schwerkraftheizung einzubauen; als diese in Betrieb genommen worden sei, sei in dem Wohnhaus weder ein Fußboden noch eine elektrische Anlage vorhanden gewesen. Auch Toilette und Frischwasseranschluß hätten gefehlt. Wegen langer Heizvorlaufzeiten sei die Schwerkraftheizung für seine Bedürfnisse ungeeignet gewesen. Er habe sich deshalb zum Bau einer Wärmepumpenanlage entschlossen und dafür nach und nach die erforderlichen Bauteile gekauft. Die Heizung sei im Juli 1990 angeschlossen worden, habe aber wegen schwerwiegender technischer Mängel --die Anlage sei jedesmal nach der Inbetriebnahme innerhalb kürzester Zeit vereist-- umgebaut werden müssen. Der Umbau habe bis Mai 1991 gedauert. Erst nach mehrmonatigem Probelauf habe sich der Kläger im Herbst 1991 zum Umzug entschlossen.

Das FA vertrat die Auffassung, aus der vorgelegten Bescheinigung über die Bauzustandsbesichtigung ergebe sich lediglich, daß nach dem 25. November 1984 keine baubehördliche Kontrolle mehr durchgeführt worden sei; sie enthalte jedoch keine Anhaltspunkte, aus denen sich auf den Zeitpunkt der Fertigstellung schließen lasse. Da das Gebäude in zwei Etappen errichtet worden sei, sei schon vor dem 1. Januar 1991 Wohnraum vorhanden gewesen, der nach objektiven Gesichtspunkten bewohnbar gewesen sei. Andernfalls sei nicht verständlich, weshalb zunächst eine funktionstüchtige Heizung eingebaut und erst dann mit dem Abriß des Altbaues und der Errichtung des Neubaues begonnen worden sei. Außerdem zeige die Baukostenaufstellung, daß alle wesentlichen Arbeiten vor dem Jahr 1990 abgeschlossen gewesen seien. Da sämtliche Gebäudeteile zu einem vor dem 1. Januar 1991 liegenden Zeitpunkt mit einer funktionsfähigen Heizung versehen gewesen seien, handele es sich bei dem nachträglichen Einbau der Wärmepumpe nur um die Renovierung einer Heizung in einem bereits bezugsfertigen Gebäude.

Das Finanzgericht (FG) hat der Klage stattgegeben.

Es führte aus: Die Baukostenaufstellung bestätige die Angaben des Klägers, wonach die Wohnung im wesentlichen 1990 fertiggestellt worden, zu diesem Zeitpunkt aber nicht bewohnbar gewesen sei, weil inzwischen das funktionsfähige Heizungssystem bereits wieder ausgebaut gewesen sei. Schlüssig sei auch die Erklärung des Klägers, aus welchem Grunde er bereits 1984 Nachtspeicheröfen angeschafft und installiert habe. Die Materialbeschaffungsprobleme und die Einlassung des Klägers, ihm sei weder ein Strom- noch ein Erdgaskontingent zur Verfügung gestellt worden, erkläre den Ausbau der Nachtspeicheröfen im Jahr 1986 und deren Ersetzung durch eine Schwerkraftheizung. In dem Zeitpunkt, in dem alle übrigen Bauarbeiten abgeschlossen worden seien, sei das Wohngebäude aber deshalb noch nicht "fertiggestellt" gewesen, weil keine Heizung (mehr) vorhanden gewesen sei. Die Wohnung sei auch nicht bereits durch die Montage der Wärmepumpe 1990 bezugsfertig geworden, denn diese habe --wie der Kläger erläutert habe-- von Anfang an nicht technisch einwandfrei funktioniert, sei deshalb nicht --wie das FA meine-- nach Inbetriebnahme wegen eines technischen Defekts "ausgefallen". Erst mit der tatsächlichen Fertigstellung eines funktionierenden Heizungssystems sei die Wohnung fertiggestellt worden.

Zweifel an der Darstellung des Klägers seien auch nicht deshalb berechtigt, weil er für Zwecke der Baugenehmigung 1987 die Anschrift in E angegeben oder vereinzelt in dem Haus übernachtet habe; entscheidend sei lediglich, ob das Haus bezugsfertig gewesen sei. Auch die polizeiliche Meldung im Jahre 1990 gebe keinen Anlaß zu Zweifeln; denn die Einlassung des Klägers, er habe sich zum Schutze vor Rückübertragungsansprüchen dort polizeilich gemeldet, sei plausibel. Die Eheleute hätten schon 1990 beabsichtigt, in das Wohnhaus so bald wie möglich umzuziehen. Dies erkläre, daß der Kläger und seine Frau im Kaufvertrag E als Adresse angegeben hätten.

Das FG übernahm bei seiner Entscheidung --ohne hierzu näher Stellung zu nehmen-- die Angaben des Klägers zur Höhe des Abzugsbetrages.

Mit der Revision rügt das FA Verletzung rechtlichen Gehörs und der Sachaufklärungspflicht nach § 76 der Finanzgerichtsordnung (FGO).

Im Klageverfahren einschließlich der mündlichen Verhandlung sei allein die Frage des Zeitpunkts der Fertigstellung erörtert worden. Der Berichterstatter habe noch vor dem Termin zur mündlichen Verhandlung dem FA für den Fall, daß dies entscheidungserheblich werden sollte, telefonisch aufgetragen, die Bemessungsgrundlage für den Abzugsbetrag zu ermitteln und entsprechende Unterlagen zur mündlichen Verhandlung mitzubringen. Das FA habe nicht damit rechnen müssen, daß das FG der Klage stattgeben werde, ohne sich mit der Frage der zutreffenden Bemessungsgrundlage auseinanderzusetzen. § 10e EStG begünstige Herstellungskosten; die vom Kläger ermittelte Bemessungsgrundlage --ein geschätzter Verkehrswert von 250 000 DM bei tatsächlichen Herstellungskosten in Höhe von 176 791 Mark-- sei offensichtlich unzutreffend. Da in der mündlichen Verhandlung lediglich die Frage der Bezugsfertigkeit erörtert worden und das Gericht nicht auf die vom FA bereitgehaltenen Unterlagen zur Bemessungsgrundlage zurückgekommen sei, habe das FA keinen Anlaß gehabt, auf weitere Sachaufklärung hinzuwirken.

Das Urteil beruhe auf diesem Verfahrensmangel. In Anlehnung an die Grundsätze der Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) vom 31. Dezember 1994 (BStBl I 1994, 887) und vom 21. Juli 1994 (BStBl I 1994, 599) hätte das FG die Wiederbeschaffungskosten bzw. den Wiederherstellungszeitwert detailliert ermitteln müssen.

Das FA beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen.

Der Kläger beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Aus den Ausführungen des FA sei nicht zu entnehmen, ob es Unterlagen zur Ermittlung der Bemessungsgrundlage tatsächlich zum Termin mitgebracht habe. Die vom FA erwähnte Wertermittlungsmethode der Finanzverwaltung sei sehr typisierend und deshalb ungenau. Der Kläger habe sich bei seiner Schätzung davon leiten lassen, daß für vergleichbare Neubauten in der bevorzugten Wohnlage am Stadtrand von Berlin in unmittelbarer S-Bahn-Nähe in den Jahren 1991 und 1992 4 000 DM/qm Wohnfläche verlangt worden seien. Es sei davon auszugehen, daß das FG über hinreichende Kenntnis über den Wert neuer Immobilien am Stadtrand von Berlin verfügt und diese zugrunde gelegt habe. Wenn das FA in der mündlichen Verhandlung die Wertermittlung nicht zur Sprache gebracht habe, sei darin ein Rügeverzicht zu sehen.

II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO).

1. Die Verfahrensrüge ist in zulässiger Form erhoben.

Wird ein Verfahrensmangel gerügt, so sind in der Revisionsbegründung die Tatsachen zu bezeichnen, die den Mangel ergeben (§ 120 Abs. 2 Satz 2 FGO).

Wird --wie im Streitfall-- eine Verletzung der Amtsermittlungspflicht mit der Begründung geltend gemacht, das FG hätte auch ohne entsprechenden Beweisantritt von Amts wegen den Sachverhalt weiter aufklären müssen, so sind die unaufgeklärt gebliebenen, aber aufklärungsbedürftigen Tatsachen und die Umstände zu benennen, aufgrund derer sich dem FG eine weitere Sachverhaltsermittlung hätte aufdrängen müssen; außerdem ist das vermutliche Ergebnis der Ermittlungen anzugeben sowie dessen Einfluß auf den Verfahrensausgang zu beschreiben (vgl. z.B. Beschlüsse des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 12. März 1998 III B 21/97, BFH/NV 1998, 1233, m.w.N.; vom 6. Mai 1998 IV B 7/97, BFH/NV 1998, 1498, m.w.N.). Diesen Anforderungen entspricht die Begründung der vom erkennenden Senat wegen des Verfahrensmangels zugelassenen Revision.

2. Die Revision ist auch begründet.

Zwar geht das FG zu Recht davon aus, daß es für die Anwendbarkeit des § 10e Abs. 1 EStG im Beitrittsgebiet grundsätzlich darauf ankommt, ob die Wohnung nach dem 31. Dezember 1990 hergestellt, angeschafft oder fertiggestellt worden ist. Gegen die Würdigung des FG, das Gebäude sei erst nach diesem Zeitpunkt fertiggestellt worden, hat das FA keine Einwendungen erhoben. Das FG durfte aber nicht ungeprüft und ohne vorherigen Hinweis an das FA die vom Kläger angegebene Bemessungsgrundlage für den Abzugsbetrag übernehmen.

a) Gemäß § 10e Abs. 1 EStG in der im Streitfall maßgeblichen Fassung kann der Steuerpflichtige von den Herstellungskosten einer Wohnung in einem im Inland belegenen Haus zuzüglich der Hälfte der Anschaffungskosten für den dazugehörigen Grund und Boden im Jahr der Fertigstellung und in den sieben folgenden Jahren jeweils bis zu 5 v.H., höchstens jeweils 16 500 DM, wie Sonderausgaben abziehen.

Nach § 57 Abs. 1 EStG i.d.F. des Gesetzes zu dem Vertrag vom 31. August 1990 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik über die Herstellung der Einheit Deutschlands (Einigungsvertragsgesetz) vom 23. September 1990 (BStBl I 1990, 654) ist § 10e EStG auf Tatbestände anzuwenden, die in dem Beitrittsgebiet nach dem 31. Dezember 1990 verwirklicht worden sind. Zwar ist der Tatbestand des § 10e EStG erst verwirklicht, wenn das begünstigte Objekt auch zu eigenen Wohnzwecken genutzt wird. Die Anknüpfung an den Zeitpunkt der Nutzung zu eigenen Wohnzwecken widerspräche jedoch erkennbar dem Zweck der Übergangsregelung in § 57 Abs. 1 und 2 EStG, wonach bestimmte einkommensteuerrechtliche Vorschriften über Steuervergünstigungen entsprechend deren Investitionsanreizfunktion erst auf in der Zukunft verwirklichte Sachverhalte angewandt werden sollen, um "unerwünschte Mitnahmeeffekte" zu vermeiden (Weber-Grellet in Schmidt, Einkommensteuergesetz, 18. Aufl. 1999, § 57 Rz. 1; B. Meyer in Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz mit Nebengesetzen, Kommentar, § 10e EStG Rdnr. 5; im Ergebnis ebenso BMF in BStBl I 1994, 887 Rz. 13; a.A. wohl Stephan in Littmann/Bitz/ Hellwig, Das Einkommensteuerrecht, § 10e EStG Rz. 196).

b) Nach § 96 Abs. 2 FGO darf ein Urteil nur auf Tatsachen und Beweisergebnisse gestützt werden, zu denen die Beteiligten sich äußern konnten. Der Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes --GG--) schützt die Beteiligten aber auch in rechtlicher Hinsicht vor Überraschungen (z.B. BFH-Urteile vom 17. Juni 1998 II R 29/97, BFH/NV 1999, 185; vom 19. September 1990 X R 79/88, BFHE 162, 199, BStBl II 1991, 100, m.w.N.).

Das FG hat bei seiner Entscheidung, ohne dies zu begründen, als Bemessungsgrundlage die Angaben des Klägers, d.h., einen "geschätzten Verkehrswert", übernommen. Nachdem im Klageverfahren bislang allein die Frage thematisiert worden war, ob überhaupt die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme der Steuerbegünstigung nach § 10e Abs. 1 EStG vorliegen, durfte das FG seiner Entscheidung nicht die Angaben des Klägers zur Bemessungsgrundlage zugrunde legen, ohne dem FA zuvor Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben; denn schon nach dem Akteninhalt hätte sich dem FG, selbst wenn es aus nicht erläuterten rechtlichen Erwägungen den Verkehrswert als maßgeblich erachtet hat, aufdrängen müssen, daß insoweit Ermittlungsbedarf bestand, da jeder Anhaltspunkt dafür fehlte, wie der Kläger selbst den angegebenen Betrag ermittelt hat. Zweifel an dessen Richtigkeit mußten sich dem FG u.a. auch deshalb aufdrängen, weil ein größerer Teil der angegebenen Herstellungskosten Materialbezüge und Arbeitsleistungen betraf, welche --z.B. für die Radiatoren und die Schwerkraftheizung-- schon aufgrund der eigenen Angaben des Klägers im Verkehrswert des Gebäudes keinen Niederschlag mehr finden konnten, nachdem die entsprechenden Teile bereits wieder entfernt worden waren.

c) Zudem müssen entscheidungserhebliche tatsächliche Feststellungen und rechtliche Grundlagen dem angefochtenen Urteil in einer Weise zu entnehmen sein, die es den Beteiligten und dem Revisionsgericht ermöglicht zu erkennen, wie das FG zu dem gefundenen Ergebnis gekommen ist (vgl. §§ 116 Abs. 1 Nr. 5, 119 Nr. 6 FGO; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 4. Aufl., § 119 Rz. 23 ff.). Im Streitfall ist nicht nachvollziehbar, aufgrund welcher rechtlicher Überlegungen das FG --obwohl Bemessungsgrundlage für den Abzugsbetrag nach der im Urteil allein erwähnten Vorschrift des § 10e Abs. 1 EStG tatsächliche Herstellungskosten sind (vgl. hierzu BFH-Urteil vom 4. Dezember 1991 X R 89/90, BFHE 166, 346, BStBl II 1992, 295)-- den Verkehrswert als entscheidungserheblich und, in tatsächlicher Hinsicht, aufgrund welcher Feststellungen es einen Verkehrswert in der vom Kläger angegebenen Höhe für zutreffend hielt. Hierin liegt ein materiell-rechtlicher Fehler, der auch ohne entsprechende Rüge zur Aufhebung des Urteils führt (z.B. BFH-Urteil vom 23. März 1993 VII R 113/91, BFHE 171, 157; Gräber/Ruban, a.a.O., § 118 Rz. 31, 41, m.w.N.). Die Sache ist an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO).

Ende der Entscheidung

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