Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 04.02.2004
Aktenzeichen: X R 8/02
Rechtsgebiete: EStG, BerlinFG


Vorschriften:

EStG § 7b
EStG § 10e
EStG § 10e Abs. 1
EStG § 10e Abs. 2
EStG § 10e Abs. 4 Satz 1
EStG § 10e Abs. 4 Satz 2
EStG § 10e Abs. 4 Satz 3
EStG § 26 Abs. 1
BerlinFG § 15 Abs. 1
BerlinFG § 15 Abs. 2
BerlinFG § 15 Abs. 3
BerlinFG § 15 Abs. 4
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I. Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) sind Eheleute und werden für das Streitjahr (1998) zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Die Klägerin hatte im Juni 1993 ein bebautes Grundstück erworben. Die Kläger nutzten die im zweiten Obergeschoss des Hauses gelegene Wohnung in der Zeit vom 1. Juli 1993 bis zum 30. November 1998 zu eigenen Wohnzwecken. Nachdem sie das darüberliegende, bis dahin als Speicher genutzte Dachgeschoss zu einer Wohnung ausgebaut hatten, bezogen sie diese zum 1. Dezember 1998.

Im Rahmen ihrer Einkommensteuererklärung für 1998 begehrten die Kläger "letztmalig" für die Wohnung im zweiten Obergeschoss die Gewährung des Abzugsbetrags gemäß § 10e Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) in Höhe von 9 301 DM. Zeitgleich stellten sie einen Antrag auf Eigenheimzulage ab 1998 für die neue Wohnung im Dachgeschoss. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) berücksichtigte im Einkommensteuerbescheid für 1998 den Abzugsbetrag gemäß § 10e Abs. 1 EStG antragsgemäß. Bei der Festsetzung der Eigenheimzulage ging das FA von einem Fördergrundbetrag von 2,5 v.H. der Bemessungsgrundlage aus. Die Kläger legten dagegen Einspruch ein. Während des Einspruchsverfahrens führte das FA insoweit eine betriebsnahe Veranlagung durch. In den hierbei getroffenen Feststellungen heißt es u.a.:

"Entgegen den Angaben in der Beilage zur FW wurde im Rahmen der örtlichen Überprüfung ein räumlicher Zusammenhang festgestellt. Von einem räumlichen Zusammenhang ist immer dann auszugehen, wenn beide Objekte durch geringfügige Baumaßnahmen verbunden werden können. Ob diese Verbindung tatsächlich erfolgt, ist ohne Bedeutung. Maßgebend sind dabei die Verhältnisse zu Beginn der Nutzung zu eigenen Wohnzwecken.

In 1998 wäre es durchaus möglich gewesen, die zwei Objekte zu verbinden. Hinzu kommt, dass nach wie vor ein Kinderzimmer im 2. Obergeschoss für eigene Wohnzwecke genutzt wird."

Das FA änderte daraufhin den Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr 1998 und versagte den Abzugsbetrag nach § 10e Abs. 1 EStG für die Wohnung im zweiten Obergeschoss. Es half dem Einspruch der Kläger gegen die Festsetzung der Eigenheimzulage ab und gewährte die Förderung antragsgemäß. Der Einspruch der Kläger gegen den geänderten Einkommensteuerbescheid 1998 blieb erfolglos, soweit er sich gegen die Versagung des Sonderausgabenabzugsbetrags richtete.

Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt.

Mit der Revision rügt das FA neben einem Verfahrensfehler die Verletzung von § 10e Abs. 4 Satz 2 EStG und § 6 Abs. 1 Satz 2 des Eigenheimzulagengesetzes (EigZulG).

Das FA beantragt, unter Aufhebung des angefochtenen Urteils die Anfechtungsklage als unbegründet abzuweisen.

Die Kläger beantragen, die Revision zurückzuweisen.

II. Die Revision des FA ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des FG-Urteils und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Zu Unrecht hat das FG den Abzugsbetrag nach § 10e Abs. 1 EStG für die Wohnung im zweiten Obergeschoss gewährt. Zwischen den Wohnungen im zweiten Obergeschoss und im Dachgeschoss besteht ein räumlicher Zusammenhang.

1. Der Senat muss nicht entscheiden, ob dem FG der vom FA gerügte Verfahrensfehler (Verstoß gegen § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO) unterlaufen ist. Das FA hat seine Revision auch auf die Verletzung materiellen Rechts gestützt. In einem solchen Fall muss der Bundesfinanzhof (BFH) das angefochtene Urteil in vollem Umfang auf die Verletzung revisiblen Rechts prüfen, ohne dabei an die vorgebrachten Revisionsgründe gebunden zu sein. Da die Revision aus anderen Gründen Erfolg hat, ist nicht darüber zu entscheiden, ob das FA auch infolge eines Verfahrensfehlers in seinen Rechten verletzt ist (BFH-Urteil vom 15. Oktober 1997 I R 42/97, BFHE 184, 444, BStBl II 1999, 316).

2. Die Inanspruchnahme der Eigenheimzulage schließt die Anwendung des § 10e EStG aus.

a) Die Grundförderung nach § 10e Abs. 1 und Abs. 2 EStG ist objektbezogen. Begünstigt ist die Anschaffung oder Herstellung einer Wohnung (§ 10e Abs. 1 EStG) oder der Ausbau bzw. die Erweiterung an einer Wohnung (§ 10e Abs. 2 EStG). Grundsätzlich kann der Steuerpflichtige die Grundförderung nach § 10e Abs. 1 und 2 EStG nur für ein Objekt (Wohnung, Ausbau oder Erweiterung) in Anspruch nehmen (§ 10e Abs. 4 Satz 1 EStG). Ehegatten, bei denen die Voraussetzungen des § 26 Abs. 1 EStG vorliegen, können die Abzugsbeträge nach § 10e Abs. 1 und 2 EStG für insgesamt zwei der in § 10e Abs. 4 Satz 1 EStG bezeichneten Objekte abziehen, jedoch nicht gleichzeitig für zwei in räumlichem Zusammenhang belegene Objekte, wenn bei den Ehegatten im Zeitpunkt der Herstellung oder Anschaffung der Objekte die Voraussetzungen des § 26 Abs. 1 EStG vorliegen (§ 10e Abs. 4 Satz 2 EStG). Den Abzugsbeträgen stehen die erhöhten Absetzungen nach § 7b EStG und § 15 Abs. 1 bis 4 des Berlinförderungsgesetzes (BerlinFG) gleich (§ 10e Abs. 4 Satz 3 EStG).

Die Gleichstellungsanordnung hat zur Folge, dass Ehepaaren keine Abzugsbeträge nach § 10e Abs. 1 oder 2 EStG für ein zweites Objekt zustehen, wenn dieses in räumlichem Zusammenhang mit einem Objekt gelegen ist, für das sie erhöhte Absetzungen nach den in § 10e Abs. 4 Satz 3 EStG genannten Vorschriften abziehen (vgl. Senatsentscheidungen vom 4. Oktober 1990 X R 54/90, BFHE 163, 36, BStBl II 1991, 221; vom 10. Oktober 2000 IX R 60/96, BFHE 193, 322, BStBl II 2001, 277). In entsprechender Weise stehen Ehepaaren die Abzugsbeträge nach § 10e Abs. 1 und 2 EStG für eine Wohnung nicht zu, wenn sie für eine damit im räumlichen Zusammenhang gelegene Wohnung bereits Eigenheimzulage in Anspruch nehmen.

b) Zwar sind in § 10e Abs. 4 Satz 3 EStG nur die erhöhten Absetzungen nach § 7b EStG und § 15 Abs. 1 bis 4 BerlinFG, nicht aber die Eigenheimzulage genannt. Dies rechtfertigt aber nicht den Schluss, dass eine gleichzeitige Förderung von in räumlichem Zusammenhang gelegenen Objekten nach dem EigZulG und § 10e EStG zulässig wäre. Vielmehr enthält § 10e Abs. 4 Satz 3 EStG in Bezug auf die Eigenheimzulage eine Gesetzeslücke, die durch eine entsprechende Anwendung der Vorschrift auch auf den Fall der gleichzeitigen Anwendung von Eigenheimzulage und Steuerbegünstigung nach § 10e EStG zu schließen ist.

aa) Eine Gesetzeslücke liegt vor, wenn das Gesetz, gemessen an seinem eigenen Ziel und Zweck, unvollständig, also ergänzungsbedürftig ist und eine Ergänzung nicht einer vom Gesetz gewollten Beschränkung auf bestimmte Tatbestände widerspricht (BFH-Urteile vom 21. Oktober 1999 I R 66/98, BFHE 190, 390, BStBl II 2000, 288; vom 12. Oktober 1999 VIII R 21/97, BFHE 190, 343, BStBl II 2000, 220). Auch bei einem "eindeutigen" Gesetzeswortlaut ist eine Gesetzeslücke nicht stets ausgeschlossen. Insbesondere kann die tatsächliche oder rechtliche Entwicklung eine bis dahin eindeutige und vollständige Regelung lückenhaft, ergänzungsbedürftig und zugleich ergänzungsfähig werden lassen (BFH-Urteil vom 21. Oktober 1997 IX R 29/95, BFHE 184, 466, BStBl II 1998, 142).

bb) Die Objektbeschränkung nach § 10e Abs. 4 EStG entspricht der gesetzgeberischen Absicht, die Schaffung von Wohneigentum nur einmal im Leben eines Steuerpflichtigen steuerlich zu begünstigen bzw. zu subventionieren (Meyer in Herrmann/Heuer/ Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz, Kommentar, § 10e EStG Anm. 345; Wacker, Eigenheimzulagengesetz, § 6 Rz. 1 und 2). Dieser Zielsetzung würde eine gleichzeitige Förderung nach dem EigZulG und § 10e EStG widersprechen. Zum Zeitpunkt der Aufnahme des § 10e in das EStG durch das Wohneigentumsförderungsgesetz vom 15. Mai 1986 (BGBl I 1986, 730, BStBl I 1986, 278) und bei späteren Gesetzesänderungen konnte der Gesetzgeber die Förderung nach dem EigZulG noch nicht berücksichtigen. Zwar hat er im Zusammenhang mit der Begrenzung des Geltungszeitraums des § 10e EStG durch das Gesetz zur Neuregelung der steuerrechtlichen Wohneigentumsförderung vom 15. Dezember 1995 (BGBl I 1995, 1783, BStBl I 1995, 775) den Wortlaut des § 10e Abs. 4 Satz 3 EStG unverändert gelassen und nicht etwa die gleichzeitige Förderung nach § 10e EStG und dem EigZulG für die Zeit der Fortgeltung des § 10e EStG ausdrücklich ausgeschlossen. Dem liegt jedoch nicht die Absicht zugrunde, die gleichzeitige Förderung für diesen Zeitraum zu ermöglichen. Das Gegenteil ist vielmehr der Fall, wie sich aus § 6 Abs. 3 EigZulG ergibt. Danach sind die Abzugsbeträge nach § 10e Abs. 1 und 2 EStG ausdrücklich der Eigenheimzulage gleichgestellt. Vernünftigerweise kann im umgekehrten Fall nichts anderes gelten.

c) Nach diesen Grundsätzen kann im Streitjahr die Wohnung im zweiten Obergeschoss nicht gemäß § 10e Abs. 1 EStG steuerlich gefördert werden. Das FA hat antragsgemäß für die Wohnung im Dachgeschoss Eigenheimzulage ab dem Streitjahr festgesetzt. Zwischen den beiden Wohnungen besteht entgegen der Auffassung des FG ein räumlicher Zusammenhang. Maßgebend sind insoweit ausschließlich die baulichen Gegebenheiten. Nach der Rechtsprechung des BFH, an der der Senat festhält, ist zwischen übereinanderliegenden Wohnungen stets ein räumlicher Zusammenhang gegeben (BFH-Urteile in BFHE 193, 322, BStBl II 2001, 277; vom 23. Juli 1997 X R 121/94, BFH/NV 1998, 159).

Ende der Entscheidung

Zurück